Projektwerkstatt

ZUR VORSTELLUNG DES CDU/CSU-"STARTPROGRAMMS"

Stoppt Schröder!

Nichts wesentlich neues enthält das "Startprogramm Deutschland", das Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber am Freitag vorstellte. Man präsentierte sich als Phrasendreschmaschine mit beschränkter Haftung, denn alle angekündigten Wohltaten für Mittelstand und Familien stehen unter dem strikten Vorbehalt, daß die Wirtschaft kräftig wächst, worauf ein möglicher künftiger Bundeskanzler Stoiber aber ebensowenig Einfluß haben wird, wie der jetzige Amtsinhaber. Kernpunkt der CDU/CSU ist Deregulierung pur, vom Arbeitsmarkt über die Sozialsysteme bis hin zur Aussetzung des Verbandsklagerechts gegen neue Verkehrswege. Da man sich in diesen Punkten kaum von der SPD unterscheidet, bemühen sich die Unionsparteien wenigstens im Bereich der inneren Repression und der Migrationspolitik, den von Otto Schily in den letzten Jahren im Turbotempo durchgesetzten Abbau demokratischer Rechte zu toppen. Heraufsetzung der Höchststrafe für Jugendliche auf 15 Jahre, mehr Sicherheitsverwahrung, DNA-Karteien schon für eines Sexualdelikts Verdächtige, Einsatz der Bundeswehr bei inneren Unruhen und weitere Abschottung gegen Flüchtlinge sind Forderungen, die auf das rechtspopulistische Wählerpotential zielen und für deren Scheitern Stoiber schon mal vorsorglich den wahrscheinlichen Koalitionspartner FDP verantwortlich macht. Bemerkenswert höchstens noch die demonstrative Ignoranz der Unionisten gegenüber Umweltfragen ?, offenbar in festem Vertrauen auf die kurze Halbwertzeit von Katastrophenmeldungen ? und das völlige Einschwenken auf die Schröder-Umkehrlinie für den Fall eines US-Angriffs auf den Irak, bis hin zum möglichen Abzug der deutschen Soldaten aus Kuwait

Eine großangelegte "Stoppt Stoiber"-Kampagne, wie sie von vielen linken Parteien und Gruppen von der PDS bis zu Linksruck und SAV jetzt inszeniert wird, rechtfertigt diese schlabbrige Mischung aus neoliberalem Mainstream und populistischem Gedöns keineswegs. Als kryptofaschistisches Schreckgespenst eignen sich der reaktionäre bayrische Bürokrat und sein "Kompetenzteam" jedenfalls nicht. Jede denkbare Regierungsmehrheit nach dem 22.September, von CDU/FDP bis SPD/Grünen (PDS), wird eine forcierte Politik des Sozialabbaus und der Umverteilung von unten nach oben in den Mittelpunkt stellen und weitere kriegerische Aktionen der Bundeswehr in die Wege leiten. Dagegen muß und wird es Widerstand in Betrieben, Schulen, Universitäten und auf der Straße geben, egal wie der künftige Bundeskanzler heißt. Wer jetzt "Stoppt Stoiber" brüllt und eigentlich "Wählt Schröder" meint, zeigt, daß er genau diesen Widerstand nicht will.

Kommentar von Rainer Balcerowiak in: Junge Welt, 31.8.02

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