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DIE VÖLKER DES KLEINES M@NNES: ANARCHIE, KOLLEKTIV UND KOLLEKTIVE IDENTITÄT

AnarchistInnen pro Kollektiv


1. Einleitung
2. Egal was, Hauptsache Einheit und/oder Kollektiv
3. Erscheinungsformen und Steigerungen
4. AnarchistInnen pro Kollektiv
5. AnarchistInnen als Kollektiv: Wir und die anderen
6. Anarchistische Kritik des Kollektiven
7. Links zur Anarchie auf www.projektwerkstatt.de und anderswo

Trotz der offensichtlichen Herrschaftsförmigkeit kollektiver Organisierung hängen viele AnarchistInnen dieser Idee an oder verklären sie sogar zum integralen Bestandteil des Anarchismus. Dabei treten, auch in den anarchistischen Texten selbst, die Widersprüchlichkeiten zutage, wenn einerseits Autonomie der Einzelnen und andererseits der Vorrang des Kollektivs gepredigt wird.

Im Original: Kollektiv und Individuum
Aus Johann Bauer, "Direkte gewaltfreie Aktion ...", in: Friedensforum 2/2008 (S. 39)
Es spielt auch eine Rolle, dass die Motive noch Mitte der 60er Jahre stark individualistisch und existenzialistisch waren: Der Einzelne gegen die Maschine, das vereinnahmende Kollektiv, den Totalitarismus. Kriegsdienstverweigerung war - wie oppositionelle Orientierung überhaupt - eine moralische Entscheidung, Gewissensentscheidung. Nun wurde gerade das Kollektiv entdeckt. "Masse" wurde allmählich vom Skeptizismus der Kulturkritik befreit zu einem positiven Bezugspunkt.
Auch die "Gegenmacht" braucht Massen, auch dies hatte sich durch die großen Kampagnen etwa der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung gezeigt, die Solidarisierung mit den wenigen, die zuerst gegen die Segregation in den Südstaaten der USA gehandelt hatten, hatte Erfolge bewirkt und überhaupt erst eine "Bewegung" entstehen lassen. Durch den Einfluss der vietnamesischen Revolution und der chinesischen Kulturrevolution wurde der "Massen"-Begriff geradezu mit göttlichen Qualitäten aufgeladen: Unbesiegbarkeit, Unsterblichkeit, Allmacht, ein reißender Strom, der hinwegfegt, was reaktionär ist und sich "dem Fortschritt in den Weg stellt".


Gleichzeitig aber: Kritik an Einheit (gleicher Text, S. 42)
Die Kehrseite der "Einheits"-Parolen war immer, dass die Abweichler ausgeschlossen wurden, dass alle, die die Minimalkonsense überschreiten wollten, als "Spalter" ausgegrenzt wurden. Die paradoxe Wahrheit der "Einheit" ist gerade Ausgrenzung und Spaltung. Das wurde in den Sekten der 70er Jahre einmal mehr bewiesen. Schon in der Arbeiterbewegung waren "Einheitsfront"-Taktik oft genug demagogische Manöver schärfster Polemik und "Volksfront"-Konzepte antirevolutionär. Solidarität schließt Kritik nicht aus, Dialog setzt sogar voraus, dass die Grenzen klar und deutlich sind. Jeder hat das Recht, andere überzeugen zu wollen, niemand hat das Recht, andere zu manipulieren oder zu zwingen. Deshalb sind oft auch die Diskussionen lebendig, solange es nicht darum geht, Vollversammlungen zu dominieren und zu majorisieren, die ständige Betonung der Einheit riecht nach Verwaltung.

Entwurf für eine "Anarchistische Plattform" (Quelle ...)
Die zentralen Ideen dieser Tradition, mit denen wir übereinstimmen, betonen die Notwendigkeit für anarchistische Organisationen:
Ideologische Einigkeit.
Taktische Einigkeit
Kollektive Aktion und Disziplin
Föderalismus
zu entwickeln.
Anarchismus wird entstehen durch den Klassenkampf zwischen der breiten Mehrheit der Gesellschaft (der Arbeiterklasse) und der kleinen Minderheit, die die Gesellschaft gegenwärtig beherrscht. Eine erfolgreiche Revolution setzt voraus, dass anarchistische Ideen innerhalb der Arbeiterklasse die führenden Ideen werden. Dies wird nicht spontan geschehen. Unsere Rolle ist es, ihnen dazu zu verhelfen.


Und nur eine Spalte daneben: Pro Einheitlichkeit
Aus Wolfgang Hertle, "Plädoyer für zivilen Ungehorsam ", in: Friedensforum 2/2008 (S. 42)
Meist führen aber endlose Grundsatzdiskussionen eher zu Ermüdung statt zu Einigkeit für eine kraftvolle Praxis gewaltfreien Widerstandes. Überzeugender wirken auf die aktuelle und konkrete Situation bezogene Argumente, z.B. dass Akzeptanz des Protestes u.a. vom einheitlichen und eindeutigen Verhalten abhängt. Im Larzac-Widerstand waren nicht alte in der landesweiten Unterstützerbewegung Aktiven von vorneherein und prinzipiell auf Gewaltfreiheit festgelegt. Aber das heterogene Bündnis hielt sich solange an die von den betroffenen Bauern geforderte Grundlinie, als sie erfolgreich war, d.h. nicht zuletzt den Widerstand gegenüber der Öffentlichkeit als den moralischen Sieger wirken ließ. Nach zehn Jahren war das Ziel des Widerstandes durch die pragmatisch zustande gekommene Einigkeit erreicht.

Forderungen für eine anarchistische Praxis bei AnarchistInnen (Quelle)
... alle Beschlüsse werden kollektiv gefasst und ausgeübt ...

Kollektiver Arbeitsprozess
Aus Bakunin, Michail: "Sozialismus und Freiheit"
Genau an diesem Punkt trennen sich die Sozialisten oder revolutionären Kollektivisten von den autoritären Kommunisten, den Anhängern der absoluten Initiative des Staates. Das Ziel beider ist dasselbe: beide Parteien wünschen die Schaffung einer neuen sozialen Ordnung, die ausschließlich auf kollektiver Arbeit gegründet sein soll, und zwar unter ökonomischen Bedingungen, die für alle gleich sind – d.h. unter den Bedingungen kollektiven Besitzes der Produktionsmittel.

Der Schritt von der Befürwortung identitärer Kollektive zur Bejahung der Demokratie als Herrschaft bis zum guten Kollektiv "Volk" ist dann nur noch ein kleiner ...

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