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"Schluss mit lustig": Wie die Frankfurter Polizei Demonstranten behandelte, die am Flughafen gegen die Abschiebung von Zahra Kameli protestierten

VON MATTHIAS THIEME UND PETER MLODOCH


Die Nacht in der Zelle des Frankfurter Polizeipräsidiums wird die 15-jährige Nasila Karimi nie vergessen. Stundenlang wurde sie festgehalten, durfte nicht mit ihren Eltern telefonieren. Die Beamten nahmen der Schülerin die Fingerabdrücke ab und ließen sie ohne Decke in einer kalten Zelle sitzen. Was hatte die 15-Jährige verbrochen?

Zusammen mit anderen demonstriert sie am 10. Februar im Frankfurter Flughafen gegen die drohende Abschiebung der Iranerin Zahra Kameli. Sie wollen verhindern, dass es zur Abschiebung kommt. Sie verteilen Flugblätter. Erzählen Reisenden, die nach Iran fliegen wollen, dass Zahra Kameli in der selben Maschine sitzen wird. Kameli, der in Iran als "Ehebrecherin" die Steinigung droht. Weil sie sich von ihrem Mann getrennt hat. Weil sie zum Christentum übergetreten ist. Kameli ist in Deutschland mittlerweile zu einem Politikum geworden.

Den Flughafenbetreiber Fraport stört der Protest. Die Polizei taucht auf. Gegen Abend wird bekannt, dass Zahra Kameli einen Zusammenbruch erlitten hat. Der Pilot der Lufthansa-Maschine nach Teheran weigert sich, die Iranerin zu befördern. Für die zum Teil weit angereisten Demonstranten ist dies ein Erfolg, sie wollen nach Hause. Doch die Polizei hält die Menschen fest. "Sie haben uns aus dem Flughafen nicht mehr rausgelassen", erzählt die Schülerin Nasila. Die Polizei habe die Demonstranten regelrecht "eingekesselt", berichten übereinstimmend auch andere Teilnehmer. In den Gängen des Parkdecks und am S-Bahnsteig hätten die Beamten, nachdem die Pressevertreter weg waren, eine "Hetzjagd" auf Demonstranten veranstaltet. Mit Gefangenentransportern seien rund 60 Festgenommene, darunter eine weitere Minderjährige, teils gefesselt ins Präsidium gebracht, erkennungsdienstlich behandelt und zur Abgabe von DNA-Tests aufgefordert worden.

"Wie Dreck behandelt"
"Ich saß 16 Stunden ohne Wasser und Essen in der Zelle", sagt die Göttinger Neurobiologin Mehrnaz Alipour. "Ich wollte telefonieren, weil ich ein Kind habe und allein erziehend bin, ich musste meinem Babysitter Bescheid sagen, dass ich nicht komme". Doch die Beamten hätten dies verweigert. "Ich habe die ganze Nacht gegen die Zellentür geschlagen", so Alipour, "aber sie haben uns wie Dreck behandelt". Sie habe einen deutschen Pass und habe in Deutschland promoviert, sagt Alipour. "Aber ich wurde wie ein Verbrecher behandelt." Jetzt will sie mit anderen Anzeige gegen die Beamten erstatten.

Der Frankfurter Anwalt Markus Künzel vertritt die Festgenommenen. "Das war schlicht unverhältnismäßig", sagt er. "Dass wegen dieser Bagatellgeschichten Jugendliche und Alleinerziehende über Nacht eingesperrt werden, darf nicht sein." Jetzt will er Dienstaufsichtsbeschwerde erheben.

Bei der Frankfurter Polizei kann man die Aufregung nicht verstehen. Die Demonstranten hätten die Abläufe am Flughafen gestört, sagt Polizeisprecher Manfred Vonhausen. "Da ist eben Schluss mit lustig". Da die Personalien "vor Ort nicht zweifelsfrei festgestellt" werden konnten, habe man 59 Demonstranten mit Gefangenentransportern ins Präsidium gebracht. Aus "pragmatischen Gründen" seien dabei Ausländer und Deutsche getrennt worden.

Man habe die Demonstranten erkennungsdienstlich behandelt und auch zur Abgabe von DNA-Tests aufgefordert, so Vonhausen. "Bei einem Straftäter versucht man das halt". Schließlich gehe es "um Hausfriedensbruch - eine ganz banale Straftat ohne hehre Motive". Die Festgenommenen hätten dies aber verweigert. Außer Hausfriedensbruch liege jedoch nichts gegen die Personen vor, so der Sprecher. Ob das Vergehen verfolgt werde, hänge davon ab, ob der Flughafenbetreiber Fraport dies wünsche.

Während die Unterstützer sich mit der Staatsgewalt auseinander setzen, liegt die Iranerin Zahra Kameli in einem Oberurseler Krankenhaus. Dort müsse sie voraussichtlich noch mindestens drei Wochen bleiben, sagt ihr Anwalt Joachim Lau. Seine Mandantin sei weder haft- noch transportfähig. Eine Abschiebung sei deshalb momentan nicht möglich. Beim Verwaltungsgericht Braunschweig sei zudem ein Verfahren anhängig. Auch über eine Petition an den Bundestag ist noch nicht entschieden. Gut möglich, dass der Fall weiter für politische Turbulenzen sorgt. Bei allen Parteien gebe es in der Sache Bewegung, heißt es bei der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. "Der Abschiebehaftbefehl ist im Moment nur ausgesetzt", sagt Referent Bernd Mesovic. "Er muss aufgehoben werden."

Landesregierung unter Druck
Die für die Abschiebung zuständige CDU/FDP-Landesregierung in Niedersachsen gerät derweil immer stärker unter Druck. "Verlogen" nannte der niedersächsische SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel am Dienstag die Weigerung von Ministerpräsident Christian Wulff und Innenminister Uwe Schünemann (beide CDU), den Vollzug der Abschiebung zu stoppen. "Empörend" sei es, die eigene Tatenlosigkeit auf die Bundesregierung zu schieben.

Wulff und Schünemann hatten immer wieder darauf verwiesen, dass sie von sich aus keine rechtlichen Möglichkeiten zum Einschreiten hätten. Für eine neue Bewertung sei allein Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) zuständig. Dies stimme nicht, hält die SPD in Hannover dagegen. Ein Land könne trotz abgelehnten Asylantrags ein Bleiberecht aus humanitären Gründen oder in Härtefällen gewähren.

Quelle: FR, 17.02.2005, S.3

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