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DIE MACHT DER RICHTER*INNEN

Macht-Durchgriffe im Verfahren


1. Die Stellung von Richter*innen
2. RIchterrecht: Richter*innen können sogar selbst Recht schaffen
3. Was soll die Staatsanwaltschaft?
4. Macht-Durchgriffe im Verfahren
5. Freie Beweiswürdigung
6. Unabhängige Justiz? Richter*innen mit Parteibuch ...
7. Das soziale Wesen Richter*in
8. Links

Gegen offensive VerteidigerInnen
Kommentar von Richard Albrecht zum Arbeitsverbot gegen einen Rechtsanwalt
Hinweis: Der betroffene Rechtsanwalt Plantiko ist auch als Verteidiger von Neonazis, z.B. Manfred Roeder, aufgetreten. Der folgende Text ist also als Kritik an der Justiz wertvoll. Als positive Darstellung des Wirkens von Plantiko muss er vor dem Hintergrund dieser Information gesehen werden (Quelle u.a.: Antisemitische Tiraden, FR 7.11.2008, D5)


„Gefährdung der Rechtspflege“
Der Bonner Rechtsanwalt und Stadtverordnete der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG), Claus Plantiko (*1938), vertritt - auch nicht erst seit gestern - die manchem zunächst überzogen erscheinende These von der Volkssouveränität und Gewaltentrennung gleichermaßen nachhaltig mißachtenden Gewalteneinheitstyrannis im gegenwärtigen deutschen Rechtssystem und Justizapparat („Richterwahl auf Zeit durchs Volk: Ein Plädoyer mit Konsequenzen. Kritisch-rechtswissenschaftliche Studie zur berufsrichterlichen Legitimationsproblematik im gegenwärtigen Deutschland“). Die These ist bisher noch nicht (rechts-) wissenschaftlich, also systematisch-kritisch, untersucht worden – aber doch kürzlich, im Bundesland Hessen, auf einer justizkritischen Netzseite unter Nennung von Namen und Ak-tenzeichen als justizielles Event ausführlich dokumentiert und als Einzel-„Fall“-Studie empirisch veranschaulicht worden (Link).
Seit 31. Jänner 2007 liegt mir wortlautlich der von sieben deutschen Volljuristen (darunter fünf promovierten und einem als Prof. ausgewiesenen) verantwortete Text der Beschlußbegündung (Az. AnwZ [B] 102/05 [26.11.2007]) des Bundesgerichts-hofs (BGH), also des höchsten deutschen Strafgerichts, vor, aus dem hervorgehen soll, daß und warum Claus Plantiko ab sofort nicht mehr als (Rechts-) Anwalt beruf-lich tätig sein darf (Lizenzentzug; Berufsverbot): „Es besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass der Antragsteller [RA Plantiko] aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist [woraus sprachlogisch folgt: zu vermuten ist, daß RA Plantiko seinen Beruf als Rechtsanwalt vorübergehend ordnungsgemäß ausüben kann], seinen Beruf als Rechtsanwalt ordnungsgemäß auszuüben [...] Die Antragsgeg-nerin [Rechtsanwaltskammer Köln/RAK] hatte den Antragsteller aufgefordert, ein Gutachten über seinen Gesundheitszustand vorzulegen.“ Nach anfänglicher Weigerung ließ sich RA Plantiko darauf ein und der RAK später zwei (fach-) ärztliche Atteste zukommen. Beide Ärzte konnten keinerlei Anzeichen dafür erkennen, daß RA Plantiko „aufgrund seiner geistigen Verfassung“ nicht „in der Lage ist, den Anwaltsberuf ordnungsgemäß auszuüben“. Dazu, BGH-O-Ton: Plantiko „hat die gesetzliche Vermutung [...] durch das von ihm vorgelegte Schreiben des Facharztes für Psychiatrie Dr. E. vom 25. November 2002 und die ärztliche Bescheinigung des Nervenarztes Dr. B. vom 30. Januar 2003 nicht widerlegt. Dr. E. hat in seinem Schreiben mitgeteilt, dass sich aus den übersandten Akten und den im Internet eingesehenen Artikeln keine Aussagen über die Geschäftsfähigkeit des Antragstellers machen ließen; seine Stellungnahme ist schon deshalb nicht aussagekräftig. Dr. B. hat erklärt, dass eine von ihm am 30. Januar in seiner Praxis durchgeführte neurologische und psychiatrische Untersuchung des Antragstellers keinen Anhalt für eine psychische Erkrankung oder eine Minderung der geistigen Leistungsfähigkeit erbracht habe.“
Es mag sein, daß ich als „gelernter“ Sozialwissenschaftler irre, nicht die Mehr-heitsmeinung und schon gar nicht irgendeine rechtserhebliche Ansicht vertrete. Aber verstanden haben sollte ich schon, was „double-bind“ (Gregory Bateson) meint und was situative Handlungsfallen und die ihnen seit den historischen Hexenprozessen zugrundeliegende Fallenlogik bedeuten (Richard Albrecht, „Ein Korn ist ein Korn ist ein Korn, Körner sind Körner und keine Haufen oder was (nicht nur) Friedrich Willem nicht wissen wollte ... Hinweise zur Logik der Fangfragentechnik“; in: Aufklärung und Kritik, 14 [2007] 2: 295-296; Netzversion). Und kurz vorm BGH-„Kostenentscheid“ wird dann auch die juristische Katze namens „Gefährdung der Rechtspflege“ aussm Politsack gelassen. Denn selbst wenn der „Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, den Beruf eines Rechtsanwalts ordnungsgemäß auszuüben“, kann er durchaus weiter als Rechtsanwalt zugelassen und tätig bleiben, wenn „sein Verbleiben in der Rechtsanwaltschaft die Rechtspflege nicht gefährdet“ – woraus logischerweise folgen muß und im „Fall“ Plantiko (wie im BGH-O-Ton) auch folgt: beim „Verbleiben“ von Rechtanwalt Claus Plantiko „in der Rechtsanwaltschaft“ ist „Gefährdung der Rechtspflege indiziert“ - mit anderen Worten: als „unabhängiges Organ der Rechtspflege“ (vulgo: Rechtsanwalt) gefährdet Justizkritiker Claus Plantiko „die Rechtspflege“ der Bundesrepublik Deutschland. Der zitierte BGH-Beschluß könnte, um ihn beim Wort zu nehmen, aber auch etwas ganz Anderes „indizieren“ – nämlich die Schwäche eines Staates, dessen oberste Strafrichter so etwas beschließen. Diese abstrakte institutionspolitische Bewertung entspricht auch meiner konkreten persönlichen Erfahrung in diesem BGH-Prozeß, in dem ich zeitweilig einer von zunächst mehreren, später zahlreichen sog. „Nebenintervenienten“ war: Ich kann mich nicht erinnern, daß auch nur eines meiner schriftlich nachlesbaren Argumente aufgenommen und auch meine nur eine Beschwerde angemessen bearbeitet wurde.

Beispiele

"Unter Paragraphen II - Anspruch und Wirklichkeit im Gerichtssaal"
Obiger Film ist eine gekürzte Version des inzwischen zensierten (von einer unbekannten Behörde verbotenen) Films ++ Langversion bei MrMarxismo
Extraseiten: Film und den Streit darum ++ Richterin Bock-Hamel

Rechtsweg abschneiden - Richter jenseits selbst der Rechtsstaatlichkeit
Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Folterdrohung und Prügel (BVerfG, 1 BvR 1807/07 vom 19.2.2008)
Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Auch die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde blieb vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg. Der Antrag sei im Ergebnis zu Recht abgelehnt worden, weil die beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. ... Dem Senat erscheine es nach der Lebenserfahrung auf der Hand zu liegen, dass gegenüber der Notwendigkeit, sich mit der eigenen schweren Schuld und dem sie begründenden Geschehen auseinanderzusetzen, die Bedrohung durch den Vernehmungsbeamten eine zu vernachlässigende Größe sei, zumal dieser Bedrohungszustand nur kurze Zeit angedauert habe und es immerhin für die Bewusstseinslage des Beschwerdeführers als Positivum einzustellen sei, dass die rechtswidrig angedrohten Maßnahmen in keiner Weise zur Durchführung gekommen seien. ... Selbst wenn sich beweisen ließe, dass der Beschwerdeführer zum einen an den Schultern gerüttelt und dabei einmal mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen worden sei und darüber hinaus einen Schlag gegen den Brustkorb erhalten habe, hielte sich eine solche Gesundheitsbeeinträchtigung jedoch in einem so begrenzten Rahmen, dass sie die Zahlung eines Schmerzensgeldes noch nicht erfordere, zumal ihr als solche im Zusammenhang mit der verbalen Androhung, dem Beschwerdeführer Schmerzen zufügen zu lassen, eine untergeordnete Bedeutung zukomme. ... Das Oberlandesgericht habe eine unzulässige Beweisantizipation vorgenommen. Zudem habe es schwierige tatsächliche und rechtliche Fragen in das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren verlagert oder gänzlich übergangen. Durch die ohnehin nur minimale Verurteilung der beiden Polizeibeamten habe der Beschwerdeführer überhaupt keine Genugtuung erfahren. Der Beschwerdeführer sei in diesem Strafverfahren noch nicht einmal als Nebenkläger aufgetreten, sondern habe lediglich seiner gesetzlichen Zeugenpflicht genügt. Auch sei nicht berücksichtigt worden, dass der Kontakt des Beschwerdeführers zu seinem Verteidiger systematisch und mehrfach gezielt unterbunden worden sei.

Was vor Gericht passiert ist, definiert das Gericht!
Aus Tronje Döhmer, "Rekonstruktion der Hauptverhandlung im Revisionsverfahren", in: Straßenverkehrsrecht 2/2009 (S. 47 ff.)
Der Sockel des Tatrichters ist zunehmend überhöht worden. Die Verktindungen gleichen den Verlautbarungen aus den Politbüros der KPDSU bzw. der KPC: "Das Ergebnis der Aussage eines Zeugen, wie überhaupt das Ergebnis der Hauptverhandlung, festzustellen und zu würdigen, ist allein Sache des Tatrichters; der daftir bestimmte Ort ist das Urteil. Was in ihm über das Ergebnis der Verhandlung zur Schuld- und Straffrage festgehalten ist, bindet das Revisionsgericht. Darüber ist kein Gegenbeweis zulässig." (BGH, Urteil vom 07.10.1966 - 1 StR 305/66) ... Mit der Notwendigkeit der Aufklärung von Straftaten haben falsche Feststellungen in strafrichterlichen Urteilen nichts zu tun. Die Aufklärung von Straftaten erfordert kein Dichtschreiben von Strafurteilen und eine damit einhergehende Manipulation am Faktum, sondern rechtmäißiges, verfassungsgemäßes, sachliches und von fairer Redlichkeit geprägtes Vorgehen.
(mehr Auszüge hier ...)

Was vor Gericht erlaubt ist, definiert auch das Gericht!
Pressemitteilung des OLG Stuttgart; Beschluss vom 8. Mai 2007, 1 Ws 126-127/07 zum Verbot, eine Mütze zu tragen im Gerichtssaal
Nach Auffassung des Senats stellt das Erscheinen in der Hauptverhandlung mit einer Schildmütze keine Ungebühr im Sinne des Gesetzes dar. Denn es sei vor allem unter Jugendlichen üblich geworden, auch in geschlossenen Räumen eine Schildkappe, Kapuze oder Wollmütze auf dem Kopf zu behalten. Ebenso wie das Erscheinen in Freizeitkleidung, Berufskleidung, kurzen Hosen, „bauchfreien“ Shirts u. ä. verletze das Erscheinen vor Gericht mit einer Schildkappe allein nicht die Würde des Gerichts.
Allerdings stelle die provokative Weigerung des Angeklagten, seine Schildmütze ohne nachvollziehbare Begründung abzunehmen, einen erheblichen Angriff auf die Würde des Gerichts und damit eine Ungebühr im Sinne des § 178 Gerichtsverfassungsgesetzes dar. Eine derartige Aufmachung eines Verfahrensbeteiligten oder Zeugen in einer Gerichtsverhandlung erscheine nämlich unangemessen, sofern der Betreffende seine Kopfbedeckung nicht wegen gesundheitlicher, religiöser, kosmetischer oder sonstiger nachvollziehbarer Gründe erklären könne. Die Aufforderung des Schöffengerichtsvorsitzenden, die Schildmütze abzunehmen, sei daher nicht zu beanstanden.


Sitzungspolizeiliche Anweisung des Gerichts können nicht rechtlich überprüft werden - es gibt kein Beschwerderecht. Einzig wenn Grundrechte betroffen sind (z.B. Pressefreiheit), ist der Gang zum Bundesverfassungsgericht möglich. Dieses hatte im Beschluss des Ersten Senats vom 14. Juli 1994 (Az. 1 BvR 1595,1606/92) festgestellt, dass "nach allgemeiner Ansicht ein Rechtsbehelf gegen sitzungspolizeiliche Anordnungen nicht vorgesehen ist". Eigentlich ist das merkwürdig, denn sitzungspolizeiliche Maßnahmen eines_r Richter_in ähneln der Anwendung von Hausrecht. Dagegen wäre der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Offenbar sollen Robenträger_innen bei Ausübung ihres Berufs allmächtig wirken.

Fließbandarbeit: Überlastete RichterInnen in der Urteilsfabrik
Aus "Fälle im Stundentakt", in: FR, 13.12.2008 (S. 14)
170 Minuten für eine Wohnungsmietsache. Für das Lesen der Akte, die einem Telefonbuch verdächtig ähnlich sehen kann, für Anhörungen, für Ortstermine, die Verhandlung und die Abschrift des Urteils. Bei einer Räumungsklage kann das recht zügig gehen. Nur muss es das nicht. "Und weil wir nicht mehr Zeit haben, fangen wir an, unsere Arbeitsweisen umzustellen", sagt der Zweite. Statt ihre Umgebung zu verändern, passen sie sich an.
Sie arbeiten "effektiver", überfliegen mal eine unwichtige Seite, überlesen mal ein unwichtiges Detail, "aber da ist nicht mehr rauszuholen".


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