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ABSURDE VERFAHREN: BELEIDIGUNG

Der Ablauf


1. Der Ablauf
2. Was bedeutet "Fuck"?
3. Manche sind gleicher als andere
4. Beleidigungshauptstadt Gießen
5. Anzeige gegen Polizisten wegen Falschaussage
6. Rechtliches zur Frage von Staatskritik und Beleidigung
7. Links

Jeder soll sagen können, was er denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil
angibt oder angeben kann.
(Bundesverfassungsgericht: 1 BvR 1770/91 vom 5.3.1992)

Meinungen fallen stets in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, ohne dass es dabei auf
Begründetheit oder Richtigkeit [öffentlich geäusserter Meinungen] ankäme. Sie verlieren diesen Schutz
auch dadurch nicht, wenn sie scharf oder überzogen geäussert werden.
(Bundesverfassungsgericht: 1 BvR 287/93 vom 29.7.1998)

Der Strafbefehl: Erfindung einer Beleidigung durch Unterlassung
Wenn mensch in der Nähe steht, wenn eine Beleidigung geschieht, ist das Beleidigung durch Unterlassung. Sagt jedenfalls die Giessener Polizei. Und die Staatsanwaltschaft findet das auch so - kennt man von ihr (siehe Dokumentation über Polizei, Justiz usw.). Die Law-and-Order-Amtsrichterin Kaufmann macht auch gleich einen Strafbefehl klar. Dass zu alledem auch gar keine Person beleidigt wurde, sondern ein irgendwo rumstehender Polizeibeamter durch den Kreide-Schriftzug auf der Straße "Fuck the police" sich selbst als Person beleidigt fühlt, zeigt nur, wie phantasievoll die Gießener Repression arbeitet.



Vorladung




Widerspruch wurde eingelegt. Es kam zu einem Verfahren ...

Erstes Verfahren: Staatsanwaltschaft und Gerichte spielen mit ...
"Fuck the police" schrieb eine Aktivistin mit Kreide auf den Parkplatz vor der Bereitschaftspolizei in Lich. Grund: Die waren prügelnd nach Köln gegen das dortige Grenzcamp 2003 gezogen. So machten einige eine "Inspektion" der Polizei - Aktionsbericht siehe hier ...

Eigentlich ist es klar: "Fuck the police" ist keine Beileidigung, denn "die Polizei" ist nicht ein konkreter Polizist. In Gießen aber ticken die Uhren der über kreative Proteste stinkewütenden Obrigkeit anders. Staatsanwälte und RichterInnen sind willige VollstreckerInnen der Regierenden. Richterin Kaufmann, eine besondere Hardcore-VerurteilerIn, ließ sich denn auch einige Pointen einfallen, wie aus "the police" doch der ganz konkrete Polizist Koch aus Grünberg wurde. Der ist zwar nicht einmal bei der Bereitschaftspolizei Lich, also nicht einmal mit der Aktion gemeint gewesen, aber lest selbst was in Gießener Urteilen gegen Leute aus dem Umfeld der Projektwerkstatt so zu finden ist ...







Aktenzeichen 501 Js 506/04, Urteil des Amtsgerichts unter Richterin Kaufmann am 15.9.2004

Das Urteil enthält mehrere offensichtliche Fehler:
  • Der Polizeibeamte PHK Koch hat (auch nach eigener Aussage!) während der Kreidemalereien diese überhaupt nicht beachtet und fühlte sich daher vor Ort nicht beleidigt. Die Ablaufbeschreibung ist daher ausschließlich der Phantasie der Richterin entsprungen
  • Ohnehin ist die Ablaufbeschreibung mit der Rede und dem anschließenden Kreidemalen frei erfunden. Sie geht auf eine Zeugenaussage von PHK Koch zurück. Der in der Berufung gezeigte Videomitschnitt zeigt aber, dass das die Kreidemalereien erst viel später und auch nicht gleichzeitig begannen.
  • Die Demonstration richtete sich speziell gegen die II. Bereitschaftspolizeiabteilung in Lich, weil diese an den Prügeleien gegen das Grenzcamp 2003 in Köln beteiligt war. Woher das Gericht die Auffassung nimmt, es seien die weder vom Demonstrationszweck benannten noch in Redebeiträgen erwähnten noch von den DemonstrationsteilnehmerInnen angeforderten Begleitpolizeibeamten gemeint gewesen, wird im Urteil ersichtlich gar nicht begründet, sondern einfach als "erkennbar" behauptet.

Die Berufung ... es kommt noch dicker
Das Berufungsverfahren vor dem Gießener Landgericht hatte zweierlei zu bieten - zum einen eine Gewaltorgie der Sicherheitskräfte (siehe mehr hier ...), zum anderen ein Urteil, dass noch desaströser ist als das Urteil der ersten Instanz. Zudem wurde das Polizeivideo vorgespielt. Zu sehen war, dass die Kreidemalereien nicht nach der Rede begannen, sondern viel später. Zeuge Koch von der Polizeistation Grünberg hatte also gelosen - und hat inzwischen auch eine Anzeige wegen Falschaussage kassiert.

Doch das Berufungsurteil bietet noch mehr - ein prägnantes Beispiel, dass RichterInnen in Gießen einfach nicht alle Tassen im Schrank haben! Aus dem Urteil und Kommentare ...


Erster Abschnitt der Seite 2 der Urteilsbegründung (Seite 1 enthält nur persönliche Daten, daher hier nicht abgedruckt): Die Videoaufnahme der Polizei wird im Berufungsurteil erwähnt. Die RichterInnen haben also nicht den ganzen Prozess geschlafen.

Zweiter Abschnitt: Dennoch behaupten die RichterInnen auch in der zweiten Instanz und jetzt bewusst wahrheitswidrig, dass die DemoteilnehmerInnen nach der Rede zu malen begannen. Tatsächlich lag dazwischen eine deutliche Zeitspanne, u.a. auch eine kurze Theateraufführung. Daher darf dieser Passus als Rechtsbeugung im Amt bewertet werden.

Dritter bis fünfter Absatz: Kein Kommentar.

Sechster Absatz: Es wird behauptet, dass dieser Ablauf bzw. die Schilderungen der Angeklagten durch das Video und den lügenden Polizeiführer Koch bestätigt wurden. Dabei gab es in der Frage des Zeitauflaufs den beschriebenen Unterschied.

Siebster und achter Absatz: In der Tat hat die Angeklagte sich in dieser Weise als nicht schuldig bezeichnet, was beim Spruch "Fuck the police" auch naheliegend ist. Der achte Absatz ist dann ungeheuerlich. Weil die Angeklagte niemanden beleidigt hat, ist sie der Beleidigung überführt? Anders lässt sich das "damit" im letzten Absatz dieser Seite kaum interpretieren.

Aktenzeichen 8 Ns 501 Js 506/04


Nächste Seite, erster Absatz: Es wird aber noch besser. Nun formuliert das Gericht, dass der Spruch "Fuck the police" sich "erkennbar" gegen einzelne Polizisten richtet und nicht gegen "die Polizei" - obwohl die Übersetzung völlig eindeutig ist und auch das Demonstrationsmotto genau das beinhaltete. Es war eine Demonstration gegen das Verhalten der Polizei bei der gewaltsamen Räumung des Grenzcamps 2003 in Köln. Aber das Gericht erfindet eine neue Bedeutung des Begriffs "the police". Das "erkennbar" wird gar nicht erst begründet, einer göttlichen Eingebung gleich hat das Gericht es so bemerkt.

Das Gericht behauptet sogar, "Fuck the police" würde gar nicht die "Polizei als solcher" meinen. Wenn aber "the police" nicht "die Polizei" meint, was dann?

Abgefahren ist dann auch die Behauptung "Fuck the police" stamme aus der Fäkalsprache. Wir wissen zwar nicht, welche Sexualpraktiken die RichterInnen pflegen - immerhin sind ja welche vorstellbar, die mit Fäkalien in Verbindungen zu bringen sind. Aber die Behauptung, Geschlechtsverkehr sei ein Umgang mit Fäkalien kommt trotzdem etwas überraschend. Eventuell liegt ein recht mittelalterliches Verständnis vom Poppen vor. Abgesehen davon ist mehr als fraglich, ob die wörtliche Übersetzung von "Fuck" überhaupt sinnvoll ist, wenn es als Schimpfwort genutzt wird. Sowohl im amerikanischen wie auch im deutschen Sprachraum ist es besser mit "Verpiss Dich" zu übersetzen.

Scherz am Rande: Ein Sprachgutachten wurde vom Rechtsanwalt der Angeklagten eingefordert. Das Gericht lehnte es ab, weil es sich selbst als kompetent in dieser Frage betrachtete. Besser kann man das Gegenteil gar nicht beweisen wie mit diesem Urteil.

Summa summarum: Deutlicher als in diesem Fall kann mensch kaum zeigen, was politsche Justiz bedeutet. Welche Schmiergelder die RichterInnen genommen haben oder welche Drohungen die erhielten aus Eliten oder welche Hoffnungen auf Karriere sie sich machten oder welche Drogen sie vorher zu sich nahmen (was anderes kommt nur schwer in Betracht für dieses Urteil), wird wohl nie zu klären sein.

Revision ist eingereicht. Ob allerdings das Oberlandesgericht nicht auch dem langen Arm der Law-and-Order-Regierung unterliegt, muss mensch sehen ...

OLG bestätigt Landgerichts-Urteil
Ende Oktober 2005 bestätigt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main das Berufungsurteil im "fuck the police"-Prozess. Obwohl es sich ohnehin nur auf eine rechtliche Prüfung beschränken konnte, da es bei der Revision ausschließlich um Verfahrensfehler geht, lässt sich die Kammer des OLG ausführlich dazu aus, warum fuck the police konkrete Polizeibeamten beleidigen kann - wie bereits das Landgericht begreift es "fuck" als Ausdruck der Fäkalsprache , wobei unklar bleibt, was "fuck" eigentlich direkt mit Fäkalien zu tun hat, aber gut ...





Bemerkenswert: Die Kammer des OLG schafft es, dass Bundesverfassungsgericht und dessen richtungsweisendes Urteil zu zitieren, dass unüberschaubar große Gruppen nicht beleidugungsfähig sind, um dann auf der nächsten Seite zu erklären, dass dieser Umstand egal ist ... man ist geneigt zu formulieren: "the OLG gives a fuck about Verfassungsgericht" ...





Die Betroffene legte gegen die Verurteilungen Verfassungsbeschwerde ein. Das Verfahren erhielt die Nr. 1 BvR 2479/05 und wurde nicht zur Entscheidung zugelassen. Eine Krähe hackt der anderen ...

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Kommentare

blog.justizfreund.de am 14.08.2018 - 01:56 Uhr
Verfassungsbeschwerden und Schaufensterurteile:
tinyurl.com/ybl2vq6a

Äußerung „Durchgeknallter Staatsanwalt“, „Winkeladvokat“ oder „systemimmanenter Rassismus“ bei Behörde, „Rechtsbeugung“ bezügl. eines Richters, „Rechtsbrecher“ bezgl. eines OStA, Kirche als „kinderfickende Sekte“, namentlich bezeichneter Anwalt als Blondine in Unterwäsche dargestellt, Vergleich von Abschiebemassnahmen mit Gestapo-Methoden, Polizeimassnahme als SS-Methoden, „Wollen Sie mich ficken?“ usw. stellt nicht zwingend eine Beleidigung dar
wp.me/p5OHH0-1rR


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