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KAMPFMITTEL FÜR PROZESSE: OFFENSIV GEGEN ROBENTRÄGER*INNEN, GUTACHTEN, ZEUG*INNEN

Öffentlichkeit


1. Einleitung
2. Die Ziele offensiver Prozessführung
3. Ans Gericht schreiben: Belege und Fristen
4. Anträge, die immer oder oft passen
5. Einzeltipps zur (offensiven) Prozessführung
6. Schutz vor willkürlichen Richter*innen: Befangenheit & Co.
7. Rechtsschutz
8. Beweisaufnahme
9. Öffentlichkeit
10. Links

Die in einem Gerichtsgebäude dauerhaft und ohne besonderen Anlass praktizierte Videoüberwachung und Personenkontrolle verletzt das Gebot der Gerichtsöffentlichkeit.

Aus VG Wiesbaden, Beschluss vom 20.01.2010 - 6 K 1063/09.WI:
Das Gericht schließt sich der Auffassung des Klägervertreters an, daß eine Gerichtsöffentlichkeit nicht hinreichend gewährleistet ist, sondern vielmehr die begründete Befürchtung besteht, daß Interessierte an der Teilnahme an Gerichtsverhandlungen durch die in dem Gebäude vorhandene Videoüberwachung und Personenkontrolle gehindert bzw. abgeschreckt werden, an öffentlichen Sitzungen teilzunehmen.
Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht einschließl. der Verkündung der Entscheidung sind keine Geheimverhandlungen. Ihre öffentliche Zugänglichkeit regelt der Gesetzgeber im Rahmen seiner Befugnis zur Ausgestaltung des Gerichtsverfahrens und unter Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben, wie insbes. des Rechtsstaats- und des Demokratieprinzips und des Schutzes der Persönlichkeit. § 169 GVG normiert für die ordentliche Gerichtsbarkeit den Grundsatz der Gerichtsöffentlichkeit. § 55 VwGO verweist auf § 169 GVG für den Bereich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Danach sind Gerichtsverhandlungen, soweit keine Ausnahmen vorgesehen sind, für jedermann zugänglich (BVerfG, Urt. v. 24. 01. 2001, Az. 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99 Rn. 60, 61 - nach Juris). Die Gerichtsöffentlichkeit ist gesetzlich als Saalöffentlichkeit vorgesehen. D.h., daß es keine Zugangshindernisse geben darf, die verhindern, daß beliebige Personen ohne besondere Schwierigkeiten den Gerichtssaal erreichen können (Kopp/Schenke, VwGO, 16 Aufl., § 55 Rn. 3). Dies erlaubt im Einzelfall in Verfahren, in denen die Sicherheit im Gebäude nicht oder nicht ohne weiteres gewährleistet erscheint, auch, daß nur Personen Zutritt erhalten, die sich besonders ausweisen (BGH, Urt. v. 06. 10. 1976, Az. 3 StR 291/76).
Maßnahmen, die den Zugang zu einer Gerichtsverhandlung nur unwesentlich erschweren und dabei eine Auswahl der Zuhörerschaft nach bestimmten persönlichen Merkmalen vermeiden, sind grds. nicht ungesetzlich, wenn für sie ein die Sicherheit im Gerichtsgebäude berührender verständlicher Anlaß besteht. Worin solche Maßnahmen im Einzelfall bestehen müssen, damit das angestrebte Ziel erreicht wird, muß dem pflichtgemäßen Ermessen des die Sitzungspolizei ausübenden Vors. oder, wenn auf ein Verfahren bezogen die Sicherheit des ganzen Gerichtsgebäudes gefährdet erscheint, des das Hausrecht ausübenden Gerichtspräsidenten überlassen bleiben. Dies kann sich jedoch nicht auf einen Dauerzustand beziehen, sondern nur im Rahmen eines einzelnen Verfahrens von Bedeutung sein. Denn nicht alle Verfahren rechtfertigen Zutrittskontrollen, wie sie derzeit praktiziert werden.
Daß durch die Zusammenlegung der Gerichte in einem Gebäude eine permanente Gefahr für das Gebäude als solches besteht, dürfte ernstlich nicht in Erwägung zu ziehen sein, da ansonsten zur Gefährdungsminimierung eine Zusammenführung der Gerichte und StA in einem Gebäude nicht hätte erfolgen dürfen. Sie wäre darüber hinaus ein unzulässiger Eingriff der Justizverwaltung in die Verfahren.
Insoweit sind Zugangshürden nur in einzelnen Verfahren und bezogen auf diese Verfahren berechtigt und stellen nur dann insoweit keinen Eingriff in die Öffentlichkeit da.
Das ist, vorliegend jedoch nicht der Fall. Hinzu kommt vielmehr, daß eine Videobeobachtung der Gerichtsöffentlichkeit innerhalb des Gebäudes einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung v. 11. 08. 2009, Az. 2 BvR 941/08, Rn. 15, zu Videoaufzeichnungen zur Geschwindigkeitsmessung ausgeführt:
"In der vom Bf. angefertigten Videoaufzeichnung liegt ein Eingriff in sein allg. Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Recht umfaßt die Befugnis des Einzelnen, grds. selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenze persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen (vgl. BVerfGE, 65, 1, 42 f.). Durch die Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials wurden die beobachteten Lebensvorgänge technisch fixiert. Sie konnten später zu Beweiszwecken abgerufen, aufbereitet und ausgewertet werden.".
Das Filmen von Personen außerhalb der mündlichen Verhandlung ist wegen des allg. Persönlichkeitsrechts und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nur zulässig, wenn die Betroffenen ihr Einverständnis erklärt haben.
Daran fehlt es vorliegend. Der Einzelne kann beim Betreten des Gebäudes nicht erkennen, ob er zu diesem Zeitpunkt videoüberwacht wird oder nicht. Entsprechende große erläuternde Hinweise fehlen vor Betreten des Gebäudes. Eine Verantwortlichkeit bei fünf Gerichten und einer StA für die Videoüberwachung ist ebenfalls nicht ersichtlich. Es ist nicht klar, welches Gericht oder die StA diese hier ausübt. Selbst wenn zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Videokameras ausgeschaltet sein sollten, müßte dies nach außen hin kenntlich gemacht werden. Andernfalls ist davon auszugehen, daß die Gerichtsöffentlichkeit überwacht wird und damit die Öffentlichkeit des Verfahrens nicht mehr gegeben ist.
In seiner Entscheidung v. 15. 12. 1983 zum Volkszählungsurteil führt das BVerfG aus: "Die Möglichkeit der modernen Datenverarbeitung sind weiterhin nur für Fachleute durchschaubar und können beim Staatsbürger die Furcht vor einer unkontrollierbaren Persönlichkeitserfassung selbst dann auslösen, wenn der Gesetzgeber lediglich solche Angaben verlangt, die erforderlich und zumutbar sind (Leitsatz 2)".
Hinzu kommt, daß die Gerichtsöffentlichkeit kein Störer i.S.d. Polizeirechts ist, weshalb sie bei dem Betreten des Gebäudes als Nichtstörer zu betrachten sind. Ein Nichtstörer darf zwar auf seine Person beim Betreten des Gebäudes kontrolliert werden, dies kann jedoch nicht dazu führen, daß bei einem Verfahren ohne Gefährdungslage eine derart intensive Kontrolle durchgeführt wird, wie sie in Hochsicherheitstrakten bzw. bei Flughäfen der Fall ist.
Auch bietet § 14 Abs. 4 S. 2 HSOG keine hinreichende Rechtsgrundlage für eine dauerhafte Videoüberwachung unter Berufung auf das Hausrecht (im vorliegenden Fall, von wem?). Denn ein Gericht ist schon vom Grundsatz her keine bes. gefährdete öffentliche Einrichtung. Jedenfalls gehen die Verfahrensordnungen auch der eventuellen Befugnis zur Videoüberwachung im Rahmen eines allgemeinen Hausrechtes vor.
Unter diesen Umständen sieht das Gericht bei weiterer Durchführung der mündlichen Verhandlung ein absoluten Revisionsgrund gegeben, den es zwingend zu vermeiden gilt.
Die Justizverwaltung wird gebeten, dem Gericht mitzuteilen, wann, zu welcher Uhrzeit, an welchem Ort, ein entsprechender geeigneter Sitzungssaal gegeben ist, an dem eine Gerichtsöffentlichkeit gewährleistet ist. Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Verfahren ausgesetzt.



Filmen & Fotografieren im Gerichtssaal/-gebäude
Muss immer angemeldet und genehmigt werden. In einem bestimmten Umfang muss es zugelassen werden.

Richter und sonstige Beteiligte müssen akzeptieren, wenn in Pausen z.B. Fotos gemacht werden
Aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazu, BVerfG, 1 BvR 620/07 vom 15.3.2007, Absatz-Nr. (1 - 21)
Für den Fall des Nichterlasses der Eilanordnung und eines späteren Erfolges der Verfassungsbeschwerde steht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die unwiederbringliche Vereitelung einer umfassenden, auch Personenbildnisse einschließenden Medienberichterstattung und der Befriedigung des damit verbundenen Informationsinteresses der Öffentlichkeit zu erwarten.
Ihr stehen für den Fall eines Erlasses der Eilanordnung und einer Nichtstattgabe der Verfassungsbeschwerde denkbare Nachteile für die Belange des Persönlichkeitsschutzes der Verfahrensbeteiligten und einer ungehinderten Wahrheitsfindung des Gerichts gegenüber, die im Rahmen einer Folgenabwägung jedoch geringeres Gewicht haben. Der Vorsitzende hat die Anfertigung von Lichtbildern in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu ermöglichen und dies durch die Verfahrensgestaltung zu sichern, etwa dadurch, dass er die Sache erst aufruft, nachdem sämtliche Mitglieder des Spruchkörpers im Saal erschienen sind. Jedenfalls den richterlichen Mitgliedern der Kammer sowie den im Sitzungssaal anwesenden Verteidigern ist als Ergebnis einer Folgenabwägung auch die Anfertigung und Verbreitung nicht anonymisierter Bildnisse in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zumutbar. Werden Filmaufnahmen der Angeklagten vor der Weitergabe und Veröffentlichung anonymisiert, so wiegen die aus den verbleibenden Möglichkeiten ihrer Identifizierung zu erwartenden Nachteile nurmehr gering und es kommt ihnen von vornherein nur geringe Eintrittswahrscheinlichkeit zu. Dagegen ist den Berichterstattungsinteressen der Beschwerdeführerin auch nach der von ihr selbst als Möglichkeit aufgezeigten Anonymisierung der gefertigten Personenbildnisse hinreichend Rechnung getragen. ...


Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, BVerfG, 1 BvR 620/07 vom 19.12.2007
Die öffentliche Kontrolle von Gerichtsverhandlungen wird durch die Anwesenheit der Medien und deren Berichterstattung grundsätzlich gefördert (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2006 - 1 StR 527/05 -, NJW 2006, S. 1220 (1221)). Die Befriedigung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an gerichtlichen Verfahren dient nicht nur allgemein der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung, sondern es liegt ebenfalls in dem Interesse der Justiz, mit ihren Verfahren und Entscheidungen öffentlich wahrgenommen zu werden, und zwar auch im Hinblick auf die Durchführung mündlicher Verhandlungen. Zur Art und Intensität öffentlicher Wahrnehmung trägt die Veröffentlichung audiovisueller Darstellungen bei. Die mündliche Verhandlung selbst ist nach § 169 Satz 2 GVG in verfassungsgemäßer Weise den Ton- und Bildaufnahmen verschlossen (vgl.BVerfGE 103, 44 (66 ff.) ); insoweit erfolgt die öffentliche Kontrolle von Gerichtsverhandlungen durch die Saalöffentlichkeit und die Berichterstattung darüber. Allerdings kann eine Vermittlung des Erscheinungsbildes eines Gerichtssaals und der in ihm handelnden Personen den Bürgern darüber hinaus eine der Befriedigung des Informationsinteresses dienende Anschaulichkeit von Gerichtsverfahren vermitteln. Derartige Bilder, gegebenenfalls auch die sie begleitende Geräuschkulisse, sind seit langem zum typischen Inhalt der Gerichtsberichterstattung im Fernsehen geworden und prägen mittlerweile entsprechende Erwartungen der Fernsehzuschauer.
Dementsprechend gehen die Fachgerichte von einer grundsätzlichen Öffnung des Zeitraums vor Beginn und nach Schluss einer mündlichen Verhandlung sowie in den Verhandlungspausen für Medien unter Einschluss der Möglichkeit des Einsatzes von rundfunkspezifischen Aufnahme- und Verbreitungstechniken aus (vgl. - für das Strafverfahren - BGHSt 23, 123). Die Verwendung dieser Techniken erfolgt im Schutzbereich der Rundfunkfreiheit (vgl.BVerfGE 103, 44 (62)). ...
Bei der Gewichtung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit ist der jeweilige Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bedeutsam. Bei Strafverfahren ist insbesondere die Schwere der zur Anklage stehenden Straftat zu berücksichtigen, aber auch die öffentliche Aufmerksamkeit, die sie etwa aufgrund besonderer Umstände und Rahmenbedingungen, der beteiligten Personen, der Furcht vor Wiederholung solcher Straftaten oder auch wegen des Mitgefühls mit den Opfern und ihren Angehörigen gewonnen hat. Das Informationsinteresse wird regelmäßig umso stärker sein und in der Abwägung an Gewicht gewinnen, je mehr die Straftat sich von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt, etwa aufgrund der Art der Begehung oder der Besonderheit des Angriffsobjekts (vgl.BVerfGE 35, 202 (231) ). Ein gewichtiges Informationsinteresse kann auch gegeben sein, wenn dem Angeklagten selbst keine herausragende zeitgeschichtliche Bedeutung zukommt, aber ein Informationsinteresse an dem Prozess als solchem, etwa wegen seines Aufsehen erregenden Gegenstands, besteht.
Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist regelmäßig nicht allein auf die Angeklagten und die ihnen zur Last gelegten Taten gerichtet, sondern auch auf die Personen, die als Mitglieder des Spruchkörpers oder als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft an der Rechtsfindung im Namen des Volkes mitwirken. Gegenstand solcher grundsätzlich berechtigter Informationsinteressen kann ferner auch der als Organ der Rechtspflege zur Mitwirkung an der Verhandlung berufene Rechtsanwalt oder ein sonstiger am Verfahren Beteiligter sein, etwa ein Zeuge.


BVerfG, 1 BvR 1858/14 vom 31.7.2014
Es ist weiter zu beachten, dass Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidiger als Organe der Rechtspflege kraft der ihnen obliegenden Aufgaben anlässlich ihrer Teilnahme an einer öffentlichen Gerichtsverhandlung im Blickfeld der Öffentlichkeit und der Medien stehen und deshalb nicht in gleichem Ausmaße einen Anspruch auf Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte haben wie eine von dem Verfahren betroffene Privatperson (vgl. BVerfGE 119, 309 (323 f.)). Auch ihnen kann aber ein Anspruch auf Schutz zustehen, der das Veröffentlichungsinteresse überwiegen kann, etwa wenn die Veröffentlichung von Abbildungen eine erhebliche Belästigung oder eine Gefährdung ihrer Sicherheit durch Übergriffe Dritter bewirken kann. Dabei kann auch eine Mitwirkung in anderen Verfahren, aus denen sich solche Umstände für Verfahrensbeteiligte ergeben, von Bedeutung sein (vgl. BVerfGE 119, 309 (324); BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. April 2009 - 1 BvR 654/09 -, NJW 2009, S. 2117 (2119 f.)).

Aus "Fotografieren im Gerichtssaal verboten – oder: was passiert, wenn doch fotografiert wird?" auf: Recht am Bild am 10.10.2011
Die Überlegung, warum die Öffentlichkeit prinzipiell Zugang zu einer Verhandlung haben soll, ist der Ausschluss eines geheimen Verfahrens. Die Öffentlichkeit soll (mit)kontrollieren können. Mittlerweile übernimmt mehr und mehr der Medien-Berichterstatter die Rolle der „Öffentlichkeit“ und vermittelt das Geschehen über Presse und Rundfunk. ...
Demjenigen, der eine Aufnahme im Gerichtssaal tätigt, wird es damit jedoch nicht unmöglich gemacht, diese Bilder zu veröffentlichen. Eine strafrechtliche Sanktion, insbesondere § 201 StGB und § 353 d Nr. 1 StGB (sofern nicht § 174 Abs. 2 GVG eingreift), werden ebenfalls für nicht anwendbar gehalten. ...
Vor bereits langer Zeit hatte beispielsweise das OLG München (NJW 1960, 658) entschieden:
"Jedenfalls nach Eröffnung des Hauptverfahrens und bei Beginn und während der Hauptverhandlung ist der Allgemeinheit in solchen Fällen also ein durch echtes Informationsbedürfnis gerechtfertigtes Interesse an einer bildlichen Darstellung des Angeklagten zuzubilligen."
Wer jetzt denkt, dass sich daran etwas geändert hat, muss enttäuscht werden. Der BGH hat erst vor kurzem (07.06.2011, Az. VI ZR 108/10) zu entscheiden, ob die betroffene Person gegen ein in der Bild-Zeitung veröffentlichtes Bild vorgehen kann. In dem Fall ging es um eines der bedeutendsten Terroristenverfahren der letzten Jahre.
Auch in diesem Verfahren wurden die Betroffenen als Personen der Zeitgeschichte gesehen. Zwar hatte die Vorinstanz die Veröffentlichung der Bilder noch als rechtswidrig eingestuft, da ein berechtigtes Interesse (§ 23 Abs. 2 KUG) des Betroffenen gegeben war. Nicht so aber der BGH:
"[Es] liegt eine aktuelle Berichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis vor, an dem ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestanden hat und gegenüber dem der Persönlichkeitsschutz des Klägers grundsätzlich zurücktreten musste. Ob der mit der Abbildung des Klägers verfolgte Informationszweck auch ohne identifizierende Bildberichterstattung hätte erreicht werden können, hat das Berufungsgericht zu Recht als für die Beurteilung, ob ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorliegt, unerheblich angesehen. Denn die Pressefreiheit umfasst grundsätzlich auch das Recht der Medien, selbst zu entscheiden, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird."


Aus "Das hätte man gar nicht sehen dürfen - warum eigentlich nicht?", auf: LTO am 10.5.2023
Wenn sich die Tür der Richterinnen und Richter in den Saal öffnet und diese sich hinter der Richterbank zu ihren Plätzen begeben, darf gefilmt werden. Eine Chance, die Kamerateams gerne nutzen, sind Bewegtbilder vom Gericht sonst doch kaum zu bekommen. In der Regel bleiben die Richterinnen und Richter dann kurz stehen, bis der oder die Vorsitzende den Hinweis gibt, dass die Kameras ausgeschaltet werden müssen.

Aus "Online Lexikon Presserecht: Ton- und Filmaufnahmen", auf: ITZ
Da das Verbot die Verhandlung betrifft, gilt es im Gerichtssaal nicht, solange die Verhandlung noch nicht begonnen hat – ebenso wenig während der Pausen und nach Schluss der Verhandlung. Über die Frage, ob und in welchem Umfang Rundfunk und Fernsehen in diesen Stadien des Verfahrens Gelegenheit zur Herstellung von Bild- und Tonaufnahmen zu geben ist, entscheidet der Vorsitzende Richter in Ausübung der ihm übertragenen Sitzungsgewalt.
Dabei muss er jedoch dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit angemessen Rechnung tragen. So war es z. B. im Prozess gegen Erich Honecker nicht in Ordnung, so das Bundesverfassungsgericht, Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal vor Verhandlungsbeginn unter Berufung auf die Sitzungsgewalt des Vorsitzenden generell zu unterbinden. Karlsruhe hat damals das eingeschränkte Recht von Fernsehveranstaltern, auch im Gerichtssaal Aufnahmen herzustellen, im Wege einer einstweiligen Anordnung sichergestellt und diese Entscheidung später bestätigt.


Eskalation um den Film "Unter Paragraphen II" mit heimlichen Tonaufnahmen im Landgericht Braunscheig:

Während der Verhandlung werden Ton- und Filmaufnahmen regelmäßig verboten. Oft werden sogar Aufnahmegeräte, Digitalkameras oder Handys eingesammelt mit der Begründung, dass mit ihnen Aufnahmen möglich sind. Doch dafür gibt es keine rechtliche Grundlage - im Gegenteil. Der entsprechende Paragraph 169 im Gerichtsverfassungsgesetz lautet:
§ 169
Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig.


Vom Text her fällt also schon auf, dass Aufnahmen zum Zwecke der Verteidigung möglich sind. Das zeigen auch die Kommentare, so z.B.
Aus Meyer/Goßner § 169 GVG, Rd-Nr. 11
Gerichtliche Ton- und Filmaufnahmen für justizinterne Zwecke und für Zwecke der Verteidigung sind nicht ausgeschlossen, sofern sie vor Missbrauch jeglicher Art und Fälschung gesichert werden. ... In Betracht kommen insbesondere Tonbandaufnahmen von Aussagen der Angeklagten, Zeugen und Sachverständigen sowie Filmaufnahmen von der Einnahme eines Augenscheins, und zwar zur Verwengung als Gedächtnisstütze für den Vorsitzenden bei der Verhandlungsleitung, für das Gericht in der Beratung, für den StA oder Verteidiger zur Vorbereitung von Beweisanträgen oder der Plädoyers, für Vorhalte (mit oder ohne Wiedergabe der Aufnahme), für die Herstellung des Protokolls (§ 273 II, III StPO), der mündlichen Urteilsbegründung ...

Aus Meyer/Goßner § 169 GVG, Rd-Nr. 12
Tonbandaufnahmen des Verteidigers oder des StA Sie dürfen Vorgänge in der Hauptverhandlung nicht heimlich aufnehmen oder aufnehmen lassen. Wenn einer von ihnen wünscht, sein Plädoyer für persönliche Zwecke auf Tonband aufzunehmen und Missbrauch nicht zu besorgen ist, kann und wird ihm der Vorsitzende dies gestatten und ihm auch die Aufnahme überlassen. Bei besonderem Interesse, insbesondere in Großverfahren, gilt das auch für andere Aufnahmen, aber auch hier nicht, wenn die Gefahr des Missbrauchs besteht, und nicht für die gesamte Hauptverhandlung.

Strafprozessuale Nebenabsprachen müssen transparent gemacht werden
Es ist erlaubt, im Hinterzimmer Absprachen zu treffen zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung - z.B. über Prozessverlauf, Strafhöhen und Einstellung. Das Kungeln muss anschließend aber öffentlich gemacht und protokolliert werden. Die Anforderungen dazu sind hoch.

Zur Protokollierung von Nebenabsprachen im Strafverfahren (laut BVerfG-Beschluss vom 4.2.2020, Az. 2 BvR 900/19)
Mitzuteilen sind alle wesentlichen Elemente einer Verständigung, zu denen auch außerhalb der Hauptverhandlung geführte Vorgespräche zählen. Dies gilt auch dann, wenn eine Verständigung letztlich nicht zustande gekommen ist. Zum mitteilungsbedürftigen Inhalt von Verständigungsgesprächen gehört, welche Standpunkte die einzelnen Gesprächsteilnehmer vertreten haben, welche Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen hat und ob sie bei anderen Gesprächsteilnehmern auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen ist.

Disziplinarmaßnahmen gegen das Publikum
Aus einem Urteil (Az.: 3 A 169/13 vom 5.5.2014)
Im Übrigen sieht das Gericht auch durch eine „eigenwillige Bekleidung" eines Besuchers eines Gerichtsgebäudes nicht die Gefahr, dass dadurch der Dienstablauf im Gerichtsgebäude nachhaltig gestört würde. Sollte es durch diese Person zu einer Störung einer Verhandlung kommen, so wäre es Aufgabe der Sitzungspolizei, dagegen einzuschreiten. Grundsätzlich muss die Behörde auch mit aus ihrer Sicht schwierigen Besuchern zurechtkommen - die Grenze ist erst, wie gesagt, dort, wo es zu beachtlichen und nachhaltigen Störungen des Dienstablaufes kommt.

Ungebühr nur, wenn "weitere objektive Umstände hinzutreten" (aus einem Urteil)
Demgegenüber stellt das bloße Sitzenbleiben beim Eintreten des Gerichts nach vorangegangener Sitzungspause nur dann eine Ungebühr im Sinne des § 178 Abs. 1 GVG dar, wenn weitere objektive Umstände hinzutreten, was vorliegend nicht der Fall war. Ungebührlich wird ein solches Verhalten auch nicht dadurch, dass die Vorsitzende den Angeklagten aufgefordert hatte, sich von seinem Platz zu erheben. Denn hierzu war er nicht verpflichtet, mag es auch verbreitet üblich sein.

Veröffentlichung von Gerichtsakten usw.
Verboten sind Veröffentlichungen von laufenden Verfahren, bevor das jeweilige Dokument in der Verhandlung (erstmals) eingebracht wurde. Ist ein Verfahren abgeschlossen, gibt es prozessrechtlich keine Bedenken mehr gegen die Veröffentlichung. Und im Verfahrensverlauf kann mensch durch Erwähnung bzw. Verlesung eines Aktenbestandteils selbst erreichen, dass er auch veröffentlicht werden darf.
§ 353d StGB: Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen
Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. entgegen einem gesetzlichen Verbot über eine Gerichtsverhandlung, bei der die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, oder über den Inhalt eines die Sache betreffenden amtlichen Schriftstücks öffentlich eine Mitteilung macht,
2. entgegen einer vom Gericht auf Grund eines Gesetzes auferlegten Schweigepflicht Tatsachen unbefugt offenbart, die durch eine nichtöffentliche Gerichtsverhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zu seiner Kenntnis gelangt sind, oder
3. die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.



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