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ANTWORT AUF DEN VORWURF DES SEXISMUS GEGEN MICH

Eigene Positionen zur antisexistischen Praxis


1. Einleitung
2. Zum Umgang mit dem Sexismusvorwurf
3. Die Fragestellung
4. Der Kontext
5. Stellungnahme zum konkreten Brief
6. Eigene Positionen zur antisexistischen Praxis
7. Kritik
8. Vorschläge
9. Zu meinem eigenen Verhalten
10. Meine (begrenzten) Versuche antisexistischer Praxis sind zur Zeit ...
11. Weitere Debatte und Links

Zu den einzelnen Punkten habe ich bereits etliche Positionen benannt. Ichmöchte sie an dieser Stelle nochmal zusammenfassend benennen. Im übrigenlassen sich die Positionen, die ich vertrete, auch an verschiedenen Stellennachlesen, z.B. in den Bänden des Buchprojektes „Agenda, Expo, Sponsoring“(Band 1: Recherchen im Naturschutzfilz, Band 2: Perspektiven radikaler,emanzipatorischer Umweltschutzarbeit) oder im neuen Buch „Freie Menschenin Freien Vereinbarungen“. Aus letzterem möchte ich auch einige Absätzezitieren:

Tradierte Vorstellungen von Wertigkeiten,Erziehungsmuster zu immer wiederkehrenden gesellschaftlichen Rollen undInhalte von Bildung, Medienbeeinflussung usw. führen zu nicht willkürlichen,sondern typischen und sich immer wieder reproduzierenden Mustern. Fürdiese sozialen Konstruktionen gibt es sehr offensichtliche Beispiele. Soberuht das Gefälle zwischen Männer und Frauen bei Lohnhöhen,bei der Präsenz in Führungspositionen oder beim Zugriff auf Geld,Eigentum usw. auf der immer wieder erneuerten sozialen Konstruktionen vonWertigkeitsunterschieden. Zur Rechtfertigung solcher sozial konstruiertenWertigkeitsunterschiede wird die Verschiedenheit von Menschen herangezogen:seien es geschlechtliche, biologische, ethnische Unterschiede oder unterschiedlicheNeigungen, Verhaltensweisen oder sonstige Merkmale, die sich zur Zuschreibungvon „Eigenschaften“ eignen. Diese realen Verschiedenheiten werden zu homogenen„Eigenschaften“ von Gruppen von Menschen umgedeutet, um sie als Rechtfertigungzur diskriminierenden Behandlung dieser Gruppen zu verwenden.

Rollenbildung und Wertigkeiten zwischen Männern und Frauen entstehen nicht durch das biologische Geschlecht, sondern aufgrund der allgegenwärtigen, von (fast) allen Menschen ständig reproduzierten Bilder und Erwartungshaltungen gegenüber den anderen Menschen und sich selbst, z.B. in der elterlichen Erziehung und Beeinflussung, Schule, Arbeitswelt, Medien usw. „Mannsein“ oder „Frausein“ als gesellschaftliche Rolle, als soziales Geschlecht, ist folglich eine Zuweisung der Person zu diesem Geschlecht durch gesellschaftliche Bedingungen. Dieser Prozeß reproduziert sich wegen der subjektiven Funktionalität [?Funktionalität, subjektive], die diese Rollen für die Menschen im täglichen Überlebenskampf und für langfristige Perspektiven zumindest aktuell haben, ständig selbst, so daß die Rollen von Generation zu Generation weitervermittelt werden und in fast allen Lebensfeldern vorkommen. Dadurch wirken sie so, also wären sie ein Naturgesetz. Den betroffenen Menschen kommt ihre gesellschaftliche Rolle wie eine Bestimmung vor, der sie nicht entgehen können und die sie an nachfolgende Generationen weitergeben.
Ähnlich wie diese soziale Konstruktion zwischen Männern und Frauen finden sich solche zwischen Alten und Jungen, sogenannten Behinderten und Nicht-Behinderten, In- und AusländerInnen, Menschen mit und ohne Ausbildung usw. Immer werden Wertigkeiten abgeleitet, die zu unterschiedlichen Möglichkeiten der eigenen Entfaltung, d.h.und zu Herrschaftsverhältnissen führen.

Die äußeren und verinnerlichten Herrschaftsverhältnisse, sozialen Rollenzuschreibungen und die wie ein unabwendbares Schicksal erscheinenden Beeinflussungen der individuellen Lebens- und Gesellschaftsentwürfe finden sich zwischen einzelnen Menschen, zwischen Gruppen und auch global z.B. zur Zeit zwischen Nationen oder Staatenbünden (wie der EU). Eine festgezurrte Rollenverteilung gibt es zwischen einzelnen Menschen ebenso wie zwischen Regionen, Stadt und Land, armen und reichen Ländern. Die inneren Zwänge werden dabei oft durch biologistische Setzungen pseudowissenschaftlich gerechtfertigt. Sei es die „natürliche Neigung der Mutter zum Kind“ oder die „gefühls-/körperbetonten Schwarzen“ – auch in der neuesten Zeit kursieren viele solcher Behauptungen, bei denen immer aus biologischen Tatsachen oder Behauptungen Ableitungen auf gesellschaftliche Rollen und Wertigkeiten erfolgen. Biologische Unterschiede zwischen Menschen sind vorhanden, aber nicht geeignet, daraus soziale Rollen zu erklären. Dennoch geschieht es, wobei die biologischen Unterschiede als Hilfsargument dienen, die Herrschaftsinteressen und kapitalistische Verwertungslogik zu verschleiern. Menschen lassen sich durch die Macht- und Profitorientierung sowie ihr eigenes Bemühen, durch Zuordnung zu vorgegebenen und erwarteten Lebensläufen ihr eigenes Leben scheinbar besser gestalten zu können, bestimmten Rollen zuordnen. Die biologischen Begründungen dienen der Verschleierung dieser tatsächlichen Interessen.
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Freie Menschen in freien Vereinbarungen – das „Frei“sein entspringt der vollständigen Dekonstruktion aller Herrschaftsverhältnisse sowie aller sozialen und formalen Setzungen, die Unterschiede zwischen den Menschen konstruieren. Die Menschen werden nicht gleich sein im Sinne des konkreten Lebensentwurfes. Aber sie können alle gleichermaßen frei entscheiden, welchen Weg sie beschreiten – eben in freien Vereinbarungen, die nur dann frei sind, wenn keine Zwänge herrschen. Heutige Verträge sind in diesem Sinne eben nicht frei, weil die Menschen zwar bei manchen Verträgen im speziellen Fall Nein oder Ja sagen können, aber durch die bestehenden Zwänge die Entscheidungsspielräume eingeengt sind (z.B. in den Bereichen von Arbeitsverträgen, Ausbildung, Ehe, wo wirtschaftlicher oder sozialer Druck zu bestimmten, normierten Verhaltensweisen drängt).
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Gleichberechtigung üben: Ein wichtiges Übungsfeld sind die Gruppen selbst, in denen sich Menschen für emanzipatorische Visionen oder Teilthemen engagieren. Diskussionsabläufe, Rollenverteilung in den Gruppen und Organisationen, Entscheidungsprozesse und vieles mehr sind wichtige Praxisfelder. Für sie müssen Konzepte entwickelt und ausgetauscht werden. Gleichberechtigtes Miteinander ist an jedem Ort der Gesellschaft ein wichtiges Ziel – jede reale Gruppe ist damit als Teil der Gesellschaft ein mögliches Umsetzungsfeld.
Die zur Zeit meist angewendeten Methoden des Dominanzabbaus in Gruppenprozessen, z.B. Supervision, verregeltes Redeverhalten und Moderation, sind ungeeignet, das Ziel von Gleichberechtigung zu erreichen. Statt eines Dominanzabbaus werden formalisierte Dominanzverschiebungen z.B. hin zu den moderierenden Personen vorgenommen. Oftmals entstehen dadurch versteckte Hierarchien, weil ModeratorInnen nicht mehr in demokratischen Prozessen bestimmt werden, sondern unklar ist, ob bzw. wem gegenüber sie in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis stehen (AuftraggeberIn, AnsprechpartnerInnen für Rückklärungen usw.). Gleichberechtigung im Sinne einer Dekonstruktion formaler und verinnerlichter Dominanzverhältnisse ist nur in einem offensiven und offenen, von allen getragenen Prozeß machbar. Ohne Verantwortung an dafür bestimmte Personen zu übertragen, müssen alle Menschen in einem Gruppenzusammenhang die Idee des gleichberechtigten Miteinanders tragen und umsetzen – als Anspruch an sich selbst und als Gesamtprozeß in gegenseitiger Mitteilung und Kontrolle. Die Menschen sind die AkteurInnen, immer und gleichberechtigt, auch und gerade bei der Durchsetzung gleichberechtigter Verhältnisse.

Diskriminierung entgegentreten: Diskriminierungen sind zur Zeit Alltag - Abwertungen und Ausgrenzungen nach Geschlecht oder sexueller Orientierung, nach körperlicher Fitneß oder Ausbildungsgrad, nach Alter oder Herkunft. Nicht Gesetze oder Verregelungen werden Diskriminierungen beseitigen, sondern die unmittelbare Intervention der Einzelnen. Darum muss gerungen werden. Notwendig sind Diskussionen und Entschlüsse in bestehenden Zusammenhängen und das Herausholen des Widerstands gegen Diskriminierungen aus der Theoriedebatte oder der verregelnden Strukturdiskussion, um ihn an das direkte Handeln der Menschen als Einzelpersonen zu übergeben. Es wäre falsch, Menschen nur schuldig sprechen zu wollen, wenn sie bewußt oder als Folge ihrer bisherigen Erfahrungen Unterdrückung oder Diskriminierung reproduzieren. Wichtiger ist, direkt zu intervenieren, die Vorgänge offenzulegen, zu klären, sich die emanzipatorischen Ziele zu verdeutlichen und dann fortzufahren auf dem gemeinsamen Weg, sich durch direktes Intervenieren gegenseitig voranzubringen. Die Diskussionen um konkrete Personen und deren Ausgrenzung müssen beendet werden und die Diskussionen um die Möglichkeiten direkter Intervention müssen beginnen. Die Menschen werden in ihrer Entwicklung die GestalterInnen emanzipatorischer Verhältnisse sein, nicht Gruppendruck und Verregelung. Unmittelbares Verhalten verändert die Gegenwart. Den übergeordneten Strukturen die Verantwortung für solch zentrale Fragen wie den Abbau von Diskriminierungen zu überlassen, zeigt nur einen überkommenen Glauben in die Weisheit der Mächtigen.
(Quelle: Gruppe Gegenbilder, 2000: Freie Menschen in Freien Vereinbarungen, Selbstverlag. Bestellbar über die Projektwerkstatt, Ludwigstr. 11, 35447 Reiskirchen (Download als PDF). Diskussionsforum unter www.opentheory.org/proj/gegenbilder)

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