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IM NAMEN DES VOLKES: KONSTRUIERUNG EINES KOLLEKTIVSUBJEKTES

Was ist das Volk?


1. Was ist das Volk?
2. Wer ist das Volk?
3. Gute und böse Klassen: Volk als Kampfbegriff
4. Volk als Kollektivsubjekt (z.B. der Souverän)
5. Wie entsteht ein Volk und wie kommt mensch da rein?
6. Kollektive Identität ... das "Wir"
7. Internationales
8. Die Teile des Ganzes
9. Links

Volk ist, wenn mensch nichts zu sagen hat ...
Um zu verhindern, dass Investoren Einfluss auf das Schienennetz bekommen, fordern wir die SPD-Bundestagsfraktion auf, ein Volksaktienmodell mit nicht stimmberechtigten Vorzugsaktien zu prüfen. (Beschluss des SPD-Parteivorstands vom 20.8.2007)

Wählen ist ein demokratisches Grundrecht. Wer wählt, entscheidet mit, wie das Land regiert wird und nimmt damit Einfluss auf die Politik. Wer nicht wählen geht, lässt zu, dass "die da oben" tatsächlich machen, was sie wollen. Politikerinnen und Politiker sind Vertreter des Volkes und das Volk bestimmt, wer es vertritt. "Das Volk", das sind wir alle, jede/r einzelne. Du und Sie! Und ja, Sie auch!
Wahlwerbung des (vom marxistischen Flügel kommenden) hessischen SPD-Landesvorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel, 2008


Definition von "Volk" von der Kinder-Demokratieseite der Bundeszentrale für politische Bildung (www.hanisauland.de, Quelle für "Volk")
Das Wort "Volk" kommt aus dem althochdeutschen "folc" und hieß "viele". Ein Volk ist eine große Gruppe von Menschen mit gemeinsamer Abstammung. Alle Mitglieder dieser Gruppe leben in der Regel zusammen in einem bestimmten Gebiet, das deutsche Volk in Deutschland, die Franzosen in Frankreich usw. Ein Volk hat eine gemeinsame Herkunft, Geschichte, Kultur. Seine Menschen sprechen meist auch dieselbe Sprache. Allerdings muss das nicht immer zutreffen. Es gibt viele verschiedene Dialekte, auch ganz unterschiedliche Sprachen, wie man in der Schweiz sieht oder in Kanada. Zum Volk der Vereinigten Staaten gehören zum Beispiel Menschen vieler Hautfarben und ganz unterschiedlicher Herkunft. Man spricht in solchen Fällen auch von einer Nation (das kommt aus dem Lateinischen). Dieser politische Begriff verweist mehr auf das Zugehörigkeitsgefühl der Menschen eines Landes, in dem der Austausch zwischen den Menschen mit unterschiedlicher Herkunft gefördert werden sollte. Das entspricht dem Verständnis der modernen demokratischen Staaten, die in ihren Verfassungen festgelegt haben, dass kein Mensch wegen seiner Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion benachteiligt werden darf. Jeder Mensch darf in Freiheit - und ohne dabei behindert zu werden - leben.

Aus Christoph Dieckmann, "Das Gift für den Boden der Demokratie" in: Publik Forum, 9.7.2004 (S. 8f),* auch als Vortrag vor der "Regionalkonferenz der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus"
Aber ich musste begreifen, dass es auch Kollektiv-Subjekte und -Erfahrungen gibt. Es gibt Volk, es gibt Heimat und Nationalität, es gibt auch kulturelle Konkurrenzen; darüber zu reden sollten wir nicht den Rechtsextremen überlassen. Unser liberales Reden neigt zur Privatisierung des Freiheitsbegriffs. Doch Bindungen und Gemeinerfahrungen gehören zur freien Einzelexistenz wie das Dorf zum Haus; und jedes Dorf verludert, das, statt Gemeinsinn zu organisieren, alle paar Jahre die Bewohner austauscht.
Gemeinsinn teilt man mit immer weniger Menschen. Das ist nicht nur eine Ost-Erfahrung. Flexibilität, oft von der Not erzwungen, wird zum Freiheitswert umgeschwindelt. Wir wandeln uns zum Volk von Flachwurzlern. Patchwork-Biografien werden normal. Arbeitsverhältnisse, Wohnzeiten, Ehen verkürzen sich, damit auch unsere Loyalitäten. Das Volk beginnt zu nomadisieren. Gerade deshalb wächst sein Bedürfnis nach kollektiver Selbstvergewisserung.
Schon vor zehn Jahren ging Ohnmacht durchs Volk: als die Asylantenheime brannten. Damals halfen Lichterketten. Das Volk schaffte es, sein Entsetzen zu bündeln und zu artikulieren. Pathetisch gesprochen, hat es damals Rechtsextremismus und rassistische Gewalt für "undeutsch" erklärt. Lichterketten und Justiz - beides signalisierte, dass es ein Erreichtes geben muss, hinter das Gesellschaft und Staat ohne Verlust ihrer Würde nicht zurückfallen können, so unstrittig wie keine deutsche Regierung die Todesstrafe wieder einführen darf. Ebenso unstrittig ist jede deutsche Regierung der sozialen Marktwirtschaft verpflichtet, damit das Volk nicht zerfällt in Sieger und Menschen vom Müll. Jeder Dauerarbeitslose geht als Demokrat verloren. Solche Leute stützen keine Gesellschaft. Schon gar nicht betreiben sie einen Aufstand der Anständigen.


Aus "Ohne Demokratie keine Ökologie", in: "Ökologie&Politik", Journal der ÖDP, Nov. 2004 (S. 11)
Wilhelm von Humboldt sah "in der Welt zwei wohltätige Potenzen: Gott und das Volk". Diese Sichtweise rechtfertigt Vertrauen in das Volk.

Aus "Arafats letzter Sieg" in Junge Welt vom 12.11.2004 (S. 10, Autor: Werner Pirker)
Sein bleibendes Verdienst ist es, das palästinensische Volk auf das Niveau eines selbständigen Subjekts in der Weltpolitik gehoben ... zu haben.


Aus Hobbes, T., 1642: "Vom Menschen. Vom Bürger". Meiner Hamburg 1994 (S. 198)*
Das Volk ist eine Einheit mit einem Willen und ist einer Handlung fähig; all das kann von einer Menge nicht gesagt werden. Das Volk herrscht in jedem Staate, selbst in der Monarchie; denn da äußert das Volk seinen Willen durch den eines Menschen. ... und (wenn dies auch paradox ist) der König ist das Volk.

Aus Hardt, M./Negri, A, 2002: Empire. Campus Verlag Frankfurt (S. 117)*
Die Identität des Volkes wurde auf einer imaginären Ebene konstruiert, welche die Unterschiede entweder verbarg und/oder eliminierte; in der Praxis entsprechen dem die rassistische Unterwerfung und die soziale Säuberung. Der zweite grundlegende Schritt bei der Konstruktion des Volkes, der durch den ersten erleichtert wurde, besteht darin, die internen Unterschiede mittels Repräsentation der gesamten Bevölkerung durch eine hegemoniale Gruppe, Rasse oder Klasse zu verwischen.


Volk = Leute
Aus Ralf Burnicki (1998): "Anarchie als Direkt-Demokratie", Syndikat A in Moers (S. 9)
Wer ist das "Volk"? Die Antwort ist einfach. Dies sind alle Leute, die von einer Politik betroffen sind, egal, welche Sprache, Religion, Hautfarbe oder Ohrgröße sie haben.

Aus Wikipedia zu "Demokratie"
... das "Volk" (griech. demos), d.h. die Gesamtheit der vollberechtigten Bürger

Das Volk regiert bereits - mit Nation und Präsident ... oder in Form seiner Vertreter_innen (Parlamente)
Aus Abraham Lincoln, Gettysburg Address (19.11.1863), zitiert nach: Massing, Peter/Breit, Gotthard (2002): „Demokratie-Theorien“, Wochenschau Verlag Schwalbach, Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn (S. 165)*
... - daß wir hier feierlich erklären, diese Toten sollen nicht umsonst gestorben sein, daß die Nation, mit Gottes Beistand, eine Neugeburt der Freiheit erlebe und daß da Regieren des Volkes, durch das Volk und für das Volk von dieser Erde nicht wieder vergehen soll.

Aus einem Rundschreiben von Mehr Demokratie am 15.8.2016
Jetzt muss CETA auch in den 28 Mitgliedsstaaten ratifiziert weren. Und siehe da, das Volk hat also den Hut wieder auf. So soll es sein.

Im Original: Gibt es "Volk"?
Aus Martin H.W. Möllers (2014): „Volkssouveränität und Sicherheitspolitik“
Der Souverän steht damit auch über den von ihm selbst geschaffenen Gesetzen. Souveränität, die "suprema potestas", ist also die oberste oder höchste Gewalt im Staat, der Souverän Träger dieser Staatsgewalt, der kraft seines Willens die Geschicke des Staates bestimmt. …
Volkssouveränität bedeutet im Grundsatz, dass das Volk Träger der obersten Gewalt im Staat ist ("populi potentia omnium rerum"), dass also der "Volkswille" die Geschicke des Staates bestimmt. Wer alles zum "Volk" gehört, wird dabei hier unberücksichtigt gelassen, denn eine Mehrheitsherrschaft gibt keine Antwort auf die Frage, wie die Gruppe zusammengesetzt sein muss, innerhalb derer die Mehrheit entscheidet. (S. 19)
In einer entwickelten und sich weiter entwickelnden Gesellschaft gibt es nämlich nicht die "eine Wahrheit, wie sie in monistischen und totalitären Staatsformen (z. B. Nationalsozialismus oder Stalinismus) von oben als verbindliche Einheits Ideologie vorgegeben ist, sondern mehrere, verschiedenartige bis sogar gegensätzliche Meinungs und Interessenströmungen sowie die dazugehörigen Ideologien. Es herrscht also faktisch das pluralistische System der Parteien und Verbände dank der Pluralismustheorie Ernst Fraenkels. Pluralismus ist nämlich das Gegenbild zu dem Modell einer homogenen, bzw. - negativ - gleichgeschalteten Gesellschaft und zu autoritären bzw. totalitären Staatsvorstellungen. In einer pluralistischen Gesellschaft bleibt ein homogen gedachter Volkswille also immer Fiktion. Wenn voraussetzungsgemäß alle dasselbe wollen, müssten dennoch auftretende Konflikte geleugnet und unterdrückt werden. Das Volkssouveränitätskonzept der allumfassenden Handlungskompetenz des Volkes - wie es von der identitären Demokratietheorie vertreten wird - ist damit tatsächlich veraltet bzw. undurchführbar. …
Da es immer mehr Möglichkeiten des Erlebens und Handelns im 21. Jahrhundert gibt als durch den menschlichen Aufmerksamkeitsbereich aktualisiert werden können, muss der Mensch selektieren, um überhaupt sinnhaft erleben und handeln zu können.
Damit lassen sich nicht mehr einzelne Entscheidungssubjekte oder etwa das "Volk" als Träger des Entscheidungswillens festlegen. Vielmehr schafft die Ersetzung der traditionellen Merkmale von Demokratie durch funktionalistische Kriterien - im Hinblick auf die Fähigkeit des Systems sich selbst zu erhalten - keine echte Legitimitätsbasis für Demokratie. So ist nicht das Volk, sondern nur das politische System in seiner Gesamtheit souverän.
Das politische System in seiner Gesamtheit ist aber labil, insbesondere in Bezug auf die von ihm ausgehenden Entscheidungen. Nicht alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen können angemessen Einfluss auf politische Entscheidungen ausüben. Zum einen besteht bei zu starkem Pluralismus die Gefahr, dass es zur völligen Zersplitterung der gesellschaftlichen Gruppen kommt, somit also zu Desintegration und Atomisierung der Gesellschaft und damit des gesamten politischen Systems. Zum anderen gibt es das Problem der sozialen Chancen(un)gleichheit. Es muss befürchtet werden, dass bei übermäßigem Druck und Einfluss partikularer Interessen(verbände) das Ge-samtinteresse der Gesellschaft, umgangssprachlich als Gemeinwohl bezeichnet, zu kurz kommt. …
Vor allem aber ist festzustellen, dass in den heutigen politisch gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen sich öffentliche und private Bürokratien verflechten und zum Teil auch neue Korporationen bilden, die weitere Interdependenzen begründen. Diese Verflechtungen unterlaufen dann das politische Entscheidungsmonopol. Zusätzlich vernetzen sich in fast allen wichtigen Regelungsbereichen die Handlungen von Politikern, Wissenschaftlern und Unternehmern und geraten in unübersehbare Abhängigkeiten von gesellschaftlichen Kreisläufen. Damit muss in Frage gestellt werden, ob tatsächlich überhaupt noch politische Entscheidungen von einem politischen System getroffen und verantwortet werden. So scheint auch das Souveränitätskonzept der Systemtheorie am Ende zu sein. … (S. 21ff)
Die herrschende Verfassungstheorie negiert die Existenz eines jeden Subjekts der Souveränität. Mit der gleichen Logik wie die Systemtheorie zieht auch sie nicht mehr das Volk als Träger von Willen in Betracht, sondern erniedrigt es zum bloßen Publikum und ordnet die Souveränität institutionalisierten und als System strukturierten Organisationskomplexen zu. … (S. 24)
Auf den ersten Blick scheint das Volk - wenigstens mittelbar - doch noch an den wesentlichen politischen Entscheidungen beteiligt zu sein. Denn es wählt ja den Bundesstag und die Landtage, die wiederum über die Wahl der Landesregierungen den Bundesrat zusammensetzen; Bundestag und Bundesrat wählen je zur Hälfte die Bundesverfassungsrichter, die somit letztendlich durch das Votum des Volkes legitimiert sind. Eine ähnliche Legitimationskette kann auch für die Wahl der Richter der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes aufgebaut werden. Die Beteiligung des Volkes reduziert sich aber schon aus einem rein formalen Grund auf null. Denn das Volk hat nicht die Möglichkeit, einen missliebigen Richter am Bundesverfassungsgericht abzuwählen, sondern muss geduldig bis zum Ablauf der regulär zwölf Jahre dauernden Amtszeit warten.
Aber selbst unterstellt, an den politischen Entscheidungen der Richter wäre das Volk noch beteiligt, dann gilt es zu untersuchen, ob - wenigstens - die Bundesrichter auch tatsächlich Aufgaben der permanenten verfassungsgebenden Gewalt wahrnehmen.
Die Gerichte sind nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Sie können daher de jure nicht die Verfassung der Dynamik gesellschaftlicher Entwicklungen anpassen, sondern zwängen gerade umgekehrt gesellschaftliche Veränderungen in die bestehende Verfassungsordnung. So müssen wir auch hier zu demselben bereits bei den Konzepten der System und Verfassungstheorien dargelegten Ergebnis kommen: In der gegenwärtigen Gesellschaft ist Souveränität faktisch abwesend. (S. 26)
Als konkreter Ausblick erscheint der Ansatz von Ingeborg Maus, der besagt: Das Volkssouveränitätskonzept muss die Forderung enthalten, dass die Verfassung der Dynamik gesellschaftlicher Entwicklung jeweils angepasst werden muss. Da gegenwärtig nur eindimensionale institutionelle und theoretische Anpassungsleistungen erbracht werden, ist es notwendig, die veränderten gesellschaftlichen Kontexte ausreichend zu berücksichtigen. Dies kann nur in der Initiative der Entwicklung des Rechts durch das Volk liegen. … (S. 29)
Das von den Kritikern ins Feld geführte Verständnis von "Staatsvolk" postuliert darüber hinaus im Akzent der Silbe "Volk" die Existenz einer vorgegebenen politischen Einheit. So definierte schon der berühmt berüchtigte Carl Schmitt den Staat als politische Einheit eines Volkes4 und den Pluralismus als eine "Theorie der Auflösung des Staates" bzw. der "politischen Einheit".Konstituierendes Element der politischen Einheit war für Schmitt das "Freund Feind Verhältnis". Der politische Feind „... ist eben der andere, der Fremde, und es genügt zu seinem Wesen, dass er in einem besonders intensiven Sinne existentiell etwas anderes und Fremdes ist, sodass im extremen Fall Konflikte mit ihm möglich sind.“ …
Ein „Staatsvolk“ als eine wesensmäßig gegebene politische Einheit konnte es für Kelsen nicht geben:
"Eben darum muß man sich von der üblichen Vorstellung emanzipieren, derzufolge das Staatsvolk ein räumliches Zusammensein, ein seelisch körperliches Konglomerat und als solche eine unabhängig von aller Rechtsordnung existente Einheit einer Vielheit von Menschen ist.“
Denn es ist „… eine Fiktion, wenn sich die durch die staatliche Rechtsordnung konstituierte Einheit einer Vielheit einzelmenschlicher Akte, indem sie sich als 'Volk' bezeichnet, als 'ein Inbegriff von Menschen' ausgibt und so vortäuscht, daß alle Menschen, die nur mit einzelnen ihrer von der staatlichen Ordnung gebotenen oder verbotenen Handlungen zum Staatsvolk gehören, mit ihrem ganzen Wesen dieses Staatselement bildeten."
Wenn sich überhaupt das "Staatsvolk" als "Einheit' begreifen lässt, dann - so Kelsen - nur als juristischer Tatbestand, als die „… Einheit der das Verhalten der normunterworfenen Menschen regelnden staatlichen Rechtsordnung... Als solche Einheit ist das 'Volk' gar nicht - wie die naive Vorstellung vermeint - ein Inbegriff, ein Konglomerat gleichsam von Menschen, sondern nur ein System von einzelmenschlichen Akten, die durch die staatliche Rechtsordnung bestimmt sind" und „... ist die Einheit des Volkes nur durch die Einheit der Rechtsordnung begründet." …
Der politische Status des Bürgers in der Gesellschaft wird folglich durch die dauerhafte "Normunterwerfung" - unter die zwischen den Bürgern ausgehandelte "gute Ordnung" (= Verfassung) - konstituiert. Insofern muss hier auch nichts mehr "integriert" noch darüber hinausgehende "Loyalitätsbekundungen" erbracht oder "Identitätskonflikte" befürchtet werden. …
„Das ist im Ausgangspunkt zutreffend, kann jedoch nicht zu einer Auflösung des Junktims zwischen der Eigenschaft als Deutscher und der Zugehörigkeit zum Staatsvolk als dem Inhaber der Staatsgewalt führen. Ein solcher Weg ist durch das Grundgesetz versperrt."


Aus "Auftakt der Reihe Frankfurter Debatte über die Sprache", in: Wiesbadener Kurier am 16.11.2019
Gabriele Britz, Richterin am Bundesverfassungsgericht, erklärte, dass deshalb die Texte so offen gehalten seien. „Man benötigt eine gewisse Geschmeidigkeit.“ Für die aktuelle Interpretation seien die Juristen verantwortlich. Allerdings, so Britz, biege sich diese jeder der eigenen Funktion gemäß zurecht, der Rechtsanwalt Partei ergreifend, der Richter abwägend. Deshalb sitzen im obersten Gericht des Landes acht Experten zusammen, um unterschiedliche Sichtweisen zusammenzutragen. Im Übrigen existiere „das Volk“ nur als Vorstellung und nicht wirklich. Woraufhin Klein in den Raum stellte, ob „das Volk weiß, dass es nur eine Fiktion“ ist.

Das "Volk" ist keine Einzelinstanz mit einem freien Willen, sondern eine (meist sehr große) Anzahl von gleichberechtigten Individuen, von denen jedes seinen eigenen, freien Willen hat. Aufgabe demokratischer Systeme ist es also, sich so zu organisieren, dass dabei die Einzelinteressen ausgeglichen werden und sich die Entscheidungen nach einem emergierenden Gesamtwillen richten. Da in der Praxis jedoch das Staatsvolk nicht über jedes Detail des politischen Tagesgeschäftes entscheiden kann, haben sich alle bestehenden Demokratien dergestalt organisiert, dass – meist auf mehreren Ebenen wie Gemeinde, Land, Staat etc. gestaffelt – Teile der Souveränität in Einzelentscheidungen an gewählte Volksvertreter abgegeben werden. Das Volk gibt dann in Wahlen die "grobe Linie" vor, an der sich die Vertreter zu orientieren haben (bzw. in der Praxis orientieren, da davon ihre Wiederwahl abhängt). Diese Vertreter sollen als Repräsentanten der Wählergemeinde agieren, von der sie gewählt wurden und deren Interessen und Ziele sie in den entsprechenden Gremien im Interesse ihrer Wähler durchsetzen sollen. Der Einfluss, den das Volk als Souverän während der Amtszeit der gewählten Vertreter auf diese behält, unterscheidet sich in den unterschiedlichen Demokratieformen. In manchen Systemen wie in der Schweiz behält das Volk ein Vetorecht gegenüber den Entscheidungen der Volksvertreter, in anderen besteht lediglich ein Petitionsrecht, wieder andere beschränken sich auf das Wahlrecht für die Volksvertretung. Es gibt auch, darauf sei an dieser Stelle hingewiesen, immer wieder die Forderung nach einer Umsetzung von radikaldemokratischen Systemen, die ohne Volksvertreter auskommen sollen oder das Repräsentationsprinzip verachten (siehe z. B. Partizipatorische Demokratie). Dabei handelt es sich um theoretische Modelle, die in diesem Artikel nicht weiter betrachtet werden. Auch wenn Wahlen ein wesentliches Grundkriterium für Demokratien sind, so sind sie nicht die Einzige: Wesentlich zeichnet sich eine Demokratie durch die Freiheiten und Rechte aus, die ihre Bürger gegenüber dem Staat beanspruchen können. Damit muss eine Demokratie unabdingbar die Menschenrechte gewährleisten. Insbesondere sind in diesem Zusammenhang das bereits erwähnte Wahlrecht, das Diskriminierungsverbot, das Recht auf freie Meinungsäußerung und eine unabhängig funktionierende Judikative als konstituierende Grundbausteine einer Demokratie zu nennen.
(Quelle dieses Textes und der Links)

Steigerung von links: 1,5 Milliarden = ein Volk!
Aus einer Anzeige zu antichinesischer Politik rund um die Olympiade in Peking 2008 (unterzeichnet u.a. von Hans Heinz Holz, Uwe Hiksch, Ekkehard Lieberam, Ulla Loetzer, Hans Modrow, Norman Paech, Werner Pirker, Klaus von Raussendorff, Arnold Schölzel, Sahra Wagenknecht; abgedruckt in: Junge Welt, 29.5.2008, S. 6)
... das Volk, das ein Fünftel der Menschheit umfaßt, ...


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