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KRITIK AN ATTAC

BUKO-Kritik an attac


1. Erfolgsbilanzen
2. Who the fuck is attac?
3. ATTAC-KONGRESS: DER REFORMiSMUS IST TOT - ES LEBE DER REFORMISMUS
4. Alter Wein in neuen Schläuchen!
5. Attac-Debatte auf Hoppetosse
6. Berichte vom ersten Attac-Kongress
7. Linksruck über Attac und umgekehrt
8. Kritik an "Kontrolle der Finanzmärkte"
9. BUKO-Kritik an attac
10. Attac Kritik (von Traute Kirsch)
11. Links zu Kritik an Attac
12. Kritik an der Kritik
13. Graswurzelrevolution polemisiert gegen Attac-KritikerInnen
14. Kritische Berichte von Ex-Attacies zur Veranstaltung in Lüneburg, 15.12.2004
15. Weitere Links

Siehe auch: Attac +++ Attac unterwandert BUKO +++ BUKO-Strukturen

Offener Brief an das „Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte“ (wurde später in Attac umbenannt)
Das deutsche Netzwerk suchtderzeit UnterstützerInnen für seine „Erklärung füreine demokratische Kontrolle der internationalen Finanzmärkte“ (sieheu.a. www.share-online.de/Finanzmärkte). Diese soll am 31.5.2000 aufeiner Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Wir vomBUKO-Arbeitsschwerpunkt möchten mit diesem Offenen Brief einige Kritikpunktean der Erklärung benennen. Es geht uns dabei nicht um Abgrenzung,sondern um solidarische Kritik, denn wir begrüßen die Initiativedes Netzwerkes, auf einige zentrale Probleme des gegenwärtigen globalenKapitalismus aufmerksam zu machen. Doch die inhaltlichen Widersprücheund Vereinfachungen sowie die politisch-strategische Ausrichtung der Erklärungkönnen unseres Erachtens nicht unwidersprochen bleiben.
Die Erklärung erwecktden Eindruck, als seien „wachende Instabilitäten“ und Krisen „in immerkürzeren Abständen“ ein Phänomen der derzeitigen kapitalistischenGlobalisierungswelle und des damit verbundenen Aufstiegs der internationalenFinanzmärkte. Der Kapitalismus ist jedoch seit seiner Entstehung im19. Jahrhundert von Finanz-, Währungs-, Verschuldungs- und Inflationskrisenbegleitet. Seine immanente, unausweichliche Krisenhaftigkeit allein aufdie quantitativ gestiegenen Kapitalflüsse spekulativen Charakterszurückzuführen, ist zu kurz gegriffen. Denn die monetäreSphäre der Finanzmärkte ist eben nicht zu trennen von der realökonomischen, „produktiven“ Sphäre. Beide sind funktional aufeinander angewiesen,ihre Krisenlogik ergänzt und überlagert sich in hohem Maße. Der Aufstieg der Finanzmärkte beruht auf den (Über-)Akkumulationsprozessender „Realökonomie“ und ist strukturell mit ihren Verwertungskrisenverbunden. Eine simplifizierende dichotomische Sichtweise verbietet sichdaher.
Ähnliches gilt fürden in der Erklärung erweckten Eindruck, als „unterdrückten“die internationalen Finanzmärkte die demokratischen Regierungen, dieeigentlich ganz anderes wollen, als ihnen die Märkte diktierten. DiffenziertereAnalysen weisen darauf hin, dass die Globalisierung der (Finanz-)Märkteeben nicht mit einem Rückzug der Nationalstaaten aus Regulierungsprozesseneinhergeht, sondern mit einer Redefinition seiner Interventionsformen.So weist z.B. die Finanzmarkt-Expertin Susanne Lütz (in der PROKLA118, 2000/1, S. 61-81) darauf hin, dass die Staaten zwar nationale Standardsbei der Regulierung von Kapitalflüssen reduziert haben, aber seitden 90er Jahren Bestandteil von public-private-partnerships in der Bankenregulierungwurden, die wiederum in pluralisierte Abstimmungsnetzwerke auf internationalerEbene eingebunden sind. Mit anderen Worten: Die gegenwärtige Strukturdes globalen Finanzmarktes wurde nicht gegen Staaten oder Regierungen,sondern durch sie bzw. mit ihnen verwirklicht.
Die etatistische und neokeynesianischeSchlagseite des Netzwerkes und der gesamten ATTAC-Bewegung halten wir daherfür wenig angebracht. Die modernen bürgerlichen Nationalstaatenals potenzielles Gegengewicht zum Kapitalismus (miss-)zu verstehen undnicht als sein integraler Bestandteil, verweist auf ein Staatsverständnis,das im Nationalstaat eine an sich neutrale Instanz sieht, derer sich allegleichermaßen bedienen können, um ihre Interessen zu verwirklichen.Nicht nur materialistische Staatstheorie, sondern auch die historischeErfahrung lehrt jedoch das Gegenteil. Aus diesem Grund ist auch die Forderungnach der „demokratischen Umgestaltung internationaler Finanzinstitutionen“irreführend. Es ist die zentrale Aufgabe dieser Institutionen, dasauf Ausbeutung und Ungleichheit basierende Geldverhältnis zu stabilisierenund die Verwertung von Kapital zu organisieren. Die in der Erklärungverwendete Forderung „Wir brauchen eine andere Politik“, die mit der Hoffnungverknüpft wird, die Probleme des globalen Kapitalismus ließensich „eindämmen“, wenn die Staaten bzw. die gewählten Regierungennur die richtige Politik betrieben, ist daher aus unserer Sicht eine fataleIllusion. Sie trägt zur Legitimierung derjenigen Institutionen undVerhältnisse bei, die Teil des Problems sind, nicht dessen Lösung.Analog dazu ist auch die Unterscheidung von gutem und schlechtem Kapitalproblematisch. Im Aufruf zur Gründung des Netzwerkes ist die Rededavon, die Finanzmärkte müssten wieder ihrer eigentlichen Funktion,nämlich der Finanzierung „produktiver Investitionen“, zugeführtwerden. Damit wird erstens der Schein erweckt, das primäre Ziel desKapitals sei nicht der Profit. Zudem ergibt sich dieser aber auch bei produktivenInvestitionen aufgrund der zugrundeliegenden Herrschaftsverhältnisse.
Abgesehen davon, ob dieWahl von Staaten und Finanzinstitutionen als Adressaten der Forderungennicht darauf hinausläuft, den Teufel mit Beelzebub auszutreiben (diesereligiös gefärbte Metapher sei uns hier erlaubt), stellt sichauch die Frage, ob die vom Netzwerk vorgeschlagenen Maßnahmen selbstaus einer rein systemimmanenten, technischen Sichtweise überhauptgeeignet sind, die proklamierten Ziele zu erreichen. Die Tobin-Steuer alszentrale Forderung des Netzwerks beispielsweise wird selbst von solchenWissenschaftlerInnen für zweifelhaft befunden, die das Netzwerk aufseiner Pressekonferenz am 31.5. aufbietet, um seine Position zu untermauern.Elmar Altvater und Birgit Mahnkopf urteilen in ihrem Standardwerk „Grenzender Globalisierung“: „Die Tobin-Steuer wäre also nur eine „Gut-Wetter-Steuer“und ungeeignet, die in der Finanzkrise aufgepeitschten Wogen zu glätten.Obendrein wäre es naiv, von einer Tobin-Steuer die Stabilisierungdes Kapitalismus zu erwarten. Denn auch innerhalb eines Währungsraumesohne grenzüberschreitende Transaktionen finden spekulative Kapitalbewegungenstatt“ (S. 216). Es scheint, als ob innerhalb des Netzwerkes noch einigeDiskussionen über die Tobin-Steuer nötig sind...
Besonders irritiert warenwir durch folgende Formulierung in der Erklärung: „Durch Finanzcrashswerden jahrelange wirtschaftliche Anstrengungen ganzer Volkswirtschaftenüber Nacht zunichte gemacht.“ Gab es evtl. Leute, die aufgrund derjahrelangen Anstrengungen der „Volkswirtschaften“ profitiert haben? Hierverschmelzen die „Mehrheit der Menschen“ und die „Kapitalbesitzer“, diean anderer Stelle in der Erklärung unterschieden werden, wieder zunationalen Wertschöpfungsgemeinschaften. Eine derart extrem und unseresErachtens unzulässig verkürzte Kapitalismuskritik beschwörtjedoch Missverständnisse und die Vereinnahmung des Netzwerks fürnationalistische Argumentationsfiguren geradezu herauf. Bei allem Verständnisfür das im Wesen des Lobbyismus begründete Bedürfnis nachgriffigen Parolen, hier werden die Grenzen des Zulässigen überschritten.
Wir würden es begrüßen,wenn das Netzwerk einen Schritt weiter in die richtige Richtung gehen würde:nicht nur die vermeintlichen Auswüchse einer scheinbar aus dem Ruderlaufenden globalen Finanzwirtschaft anzugehen, sondern den Kapitalismusselbst zum Gegenstand der Kritik zu machen. Darüber und wo und wieWiderstand gegen die Zumutungen der „Globalisierung“ geleistet werden kann,das möchten wir vom 6. bis zum 8. Oktober in Berlin beim 23.BUKO-Kongress diskutieren. Dazu laden wir alle interessierten Individuenund VertreterInnen von sozialen Bewegungen ein - und damit natürlichauch die Mitglieder des Netzwerkes zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte.
BUKO-ArbeitsschwerpunktWeltwirtschaft (24.5.2000)

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