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ZEITSCHRIFTEN DER 90ER-JAHRE-JUGENDUMWELTBEWEGUNG

Aus dem Projektor: Jugend


1. Nanu?!, die Zeitung der Projektwerkstatt Weilburg
2. Nanu?! Nr. 2 und 3 in 1996: Übersicht über die Texte
3. Nanu?!, das erste Zeitungsprojekt der Projektwerkstatt Weilburg - der Nachruf
4. Nanu?! ICE-Limburg: zu schnell zu steil
5. Nanu?! In Hessen hat's sich ausgeGENt
6. Nanu?! Projektwerkstatt virtuell
7. Nanu?! Noch mehr Gedanken zu Weihnachten
8. Nanu?! Jochen ist der Beste
9. Nanu?! Den Bock zum Gärtner machen?
10. Nanu?! Workcamp eine gute Möglichkeit ...
11. Nanu?! Hi! Mein Name ist Anton ...
12. Nanu?! Wir sind zwei dänische Mädchen ...
13. Nanu?! Workcamp der IJGD in Ernsthausen
14. Nanu?! Carwalking - Der Mensch steht über dem Auto
15. Nanu?! Wer nicht ausbilden will, muss zahlen!
16. Nanu?! Naturschutz beginnt im Garten - oder bei einer Feldhecke
17. Nanu?! B49 ausbauen???
18. Nanu?! Bürgerinitiative Sicherheit für die B49
19. Nanu?! Hallo, wir sind Anna und Annika, ...
20. Nanu?! Werdet aktiv! - Ein Leitfaden für "Naturschützer"
21. Nanu?! Naturkostladen in Weilburg
22. Nanu?! Hessentag auf dem Weg zur Besserung?
23. Nanu?! Jugendförderung in Hessen
24. Nanu?! 90/Die Grünen fordern Jugendparlamente
25. Nanu?! Bund der Steuerzahler informiert
26. Nanu?! Tschernobyl ist überall!
27. Nanu?! Kommentar zum Tag X
28. Aus dem Projektor: Das osthessische Regionalmagazin
29. Aus dem Projektor: Weltanschauung
30. Aus dem Projektor: Osthessen regional
31. Aus dem Projektor: Arbeitsmarkt
32. Aus dem Projektor: Umwelt
33. Aus dem Projektor: Jugend
34. Aus dem Projektor: Überregional

Texte aus September '96

Kinder und Jugendliche bestimmen mit
Die Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hatte im Juni ins Wiesbadener Landeshaus eingeladen. Thema waren Mitbestimmungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen im kommunalen Bereich. Interessante Gäste sorgten für eine alles andere als trockene Veranstaltung.

Kinder benötigten konkrete Mitbestimmungsrechte, und es reiche nicht aus, sie lediglich zu fragen, was sie wünschen: "Sie können nicht die Probleme lösen, die von Erwachsenen geschaffen wurden", stellte Professor Bernhard Meyer von der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt unter breiter Zustimmung der TeilnehmerInnen fest. Rund 50 JugendarbeiterInnen, Jugendliche, KommunalpolitikerInnen, sowie VertreterInnen von Organisationen und Institutionen setzten sich einen Tag lang mit Einbindungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in der Kommunalpolitik auseinander.
Prof. Meyer erläuterte, daß sich nicht Kinder und Jugendliche auf die Spielregeln der Erwachsenen einzustellen hätten, sondern umgekehrt: "Nicht die Kinder, sondern die Erwachsenen sind das Thema", denn "wir verstehen die Kinder nicht, weil wir in einer anderen Zeit aufgewachsen sind". Er sprach von einem "Zeitgefängnis", aus dem sich Erwachsene befreien müßten, um die Interessen von Kindern begreifen zukönnen. Daher könne mensch nicht länger mit alten Rezepten Kinder- und Jugendarbeit betreiben, erklärte Meyer, der inzwischen schon an 22 Stadtteil-Projekten beteiligt war.
Wichtig sei eine Koordinationsstelle zwischen Betroffenen, Entscheidungsträgern und Ausführenden. Diese soll nicht unter dem Aufgabenfeld Sozialarbeit laufen, sondern beim Hauptamt der Stadt angesiedelt sein.
Meyer hält es für möglich, bereits Dreijährige in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Dies könne allerdings nur in "gemeinsamen Lernprozessen, die nicht nur mit der HGO zu machen sind", geschehen. Kommunikationsprobleme seien zu überwinden: "Die Sozialarbeiter wohnen meist woanders als die Kinder und können so nicht deren Probleme nachvollziehen. Daher müssen die Stadtteilerkundungen dort laufen, wo Kinder in ihrem Beziehungsgeflecht stecken."
Philip Mannhardt vom SprecherInnenrat des Dachverbandes der Jugendgemeinderäte in Baden-Württemberg mahnte eine "Einbeziehung im direkten Lebensbereich" an und warnte, Jugendparlamente dürften keine Alibi-Gremien werden. Es müsse Grundrechte geben, und "ein Antrags- und Rederecht muß in der Gemeindeordnung verankert sein." Auf dieser Grundlage sei Vielfalt gewünscht. Philip betonte, daß es in Baden-Württemberg eine "Bewegung von unten" gebe und der Dachverband diese durch Seminarangebote und Infoaustausch unterstütze.
In Referaten berichteten Jugendliche und JugendarbeiterInnen über ihre Erfahrungen in Sachen "Kinder- und Jugendmitbestimmung".
Silvia Lukas, Mitgründerin des Kinder- und Jugendparlaments im Vogelsbergkreis, das mit vier Jahren das älteste in Hessen ist, berichtete, daß alle Jugendlichen, die mindestens die siebte Klasse besuchen und noch keine 18 Jahre alt sind, das Parlament wählen. Zu den Spielräumen der Kinder- und Jugend-ParlamentarierInnen gehören alle sechs Monate eine Fragestunde im Kreistag, ein beratender Sitz im Jugendhilfeausschuß und seit Oktober 1995 Antragsrecht im Kreistag (über den Kreisausschuß des Vogelsbergkreises). Diese eingeschränkten Rechte seien Ergebnis langjähriger Kämpfe mit den erwachsenen Entscheidungsträgern.
Katja Allendorf, die schon seit Anfang an im Kinder- und Jugendparlament des Vogelsbergkreises sitzt, berichtete, daß Themen auf Tages- oder Wochenendseminaren diskutiert würden, vor allem solche, die aus den Gemeinden herangetragen werden. Als Beispiele nannte sie die Problemstellung, Grundwasser des Vogelsberges nach Frankfurt abzutreten, und die Gebäudesubstanz der Schulen. Stefan Würz, Mitarbeiter des Vogelsberger Jugendbildungswerkes, erläuterte, daß insgesamt 5.500 Wahlberechtigte, von denen sich an der letzten Wahl 87 % beteiligt haben, aus 120 KandidatInnen 26 ParlamentarierInnen wählten. Davon sind 18 Mädchen und 8 Jungen. Die KandidatInnen werden in den Schulen aufgestellt.
"Unser Ansatz ist offener als im Vogelsberg", erklärte Hans Helmut Hofmann, "Betreuer" des Wetzlarer Jugendforums und Angestellter des Wetzlarer Jugendbildungswerkes. Er wirbt MitstreiterInnen auf den Schulhöfen, Wahlen finden nicht statt. Das Jugendforum habe in allen städtischen Ausschüssen Rederecht.
Esther Tromp und Monika Buch berichteten, daß insgesamt 60 Jugendliche mitarbeiteten, von denen etwa 30 als feste Mitwirkende zu bezeichnen seien. 25 % sind AusländerInnen. Monika: "Es kann kommen, wer möchte!" Sie hätten von der Stadt 5.000,-- DM füreinen Stadtführer bewilligt bekommen, berichteten die Wetzlarer über ihre Betätigungsfelder. Als Erfolg können sie verbuchen, daß Einbahnstraßen in der Innenstadt für Fahrräder von beiden Seiten zu befahren sind. Das Hallenbad, welches vorher mehr für Wettkämpfe ausgelegt war, wurde auf Initiative des Jugendforums für Kinder und Jugendliche umgebaut. Für eine Skateboard-Anlage hat die Stadt 40.000,-- DM bewilligt, und die Wetzlarer Buslinien sind erweitert worden. Weitere Erfolge seien, daß dunkle Ecken jetzt heller würden, daß das Kommunalwahlrecht auf 16 Jahre gesenkt worden sei und Graffiti-Künstler ganz legal sprayen dürften, "damit Wetzlar nicht mehr so häßlich ist."
Dr. Martin Nörber, Jugendbildungsreferent des Hessischen Jugendrings, fragte nach der Beteiligung von Jugendverbänden und ob "Pressure-Gruppen wie zum Beispiel die Sportjugend" in den Jugendparlamenten nach Einfluß streben. Katja Schütz aus dem Vogelsbergk reis verneinte dies: "und sie tun das hoffentlich auch in Zukunft nicht!"
Als weiterer Referent war Dr. Dieter Thiemann vom schleswig-holsteinischen Jugendministerium eingeladen: "Es wird schlicht vergessen, daß Kinder und Jugendliche auch Einwohner von Gemeinden sind", kritisierte er. Per Gesetz habe das Land Schleswig-Holstein daher festgeschrieben, daß Gemeinden angehalten sind, Kinder und Jugendliche zukünftig zu beteiligen. Mensch müsse darauf reagieren, daß bundesweit die Vereine in den letzten zehn Jahren zwei Millionen Mitglieder verloren hätten: "Den Verbänden fehlen Konzepte!" Thiemann sprach von der "Unfähigkeit der Verbände, mit ihren Betonstrukturen auf Engagementbereitschaft zu reagieren" und befand es als "heuchlerisch, sich darüber zu brüskieren, daß Jugendliche nicht mehr wählen, wenn auf der anderen Seite keine demokratischen Spielräume geschaffen werden." Thiemann gab zu bedenken: "Eine Achtjährige, die an einer Schulhofgestaltung beteiligt wird, darf die Umsetzung nicht erst als 14jährige erleben." Von daher müßten Anliegen der
Jugendlichen schnell umgesetzt werden, sie "scheitern, wenn die Zusammenarbeit mit Kommunen nicht klappt." Er berichtete aus Dänemark, wo bereits Kinder die Inhalte und die Räumlichkeiten von Kinder-Tagesstätten selbst mitgestalten.
Daß Ideen von Kindern schnell und unbürokratisch umgesetzt werden müssen, forderte auch Wolfgang Erk vom Kinderbüro Frankfurt. Er führte die Kurzlebigkeit der Kinder- und Jugendinteressen vor Augen: Werde zum Beispiel ein Kinderspielplatz erst nach vier Jahren gebaut, könnten die Kids, die den Bau angeregt haben, dort nicht mehr spielen. Außerdem sei es wichtig, stadtteilbezogen zu arbeiten, und die Foren für alle Kinder zu öffnen, "denn wir wollen keine Elite". Kinder seien oftmals realistischer als Erwachsene und forderten nicht nur Spielplätze und Schwimmbäder.
timo@juis.insider.org

Jugendparlamenten steht nichts im Wege
Während der Landtags-Anhörung erläuterte der Frankfurter Rechtsanwalt Friedhelm Foerstermann den rechtlichen Status von Jugendparlamenten in Hessen.

- Nach der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) sind Kinder und Jugendliche gleichberechtigte EinwohnerInnen.

- Sie werden zu BürgerInnenversammlungen zugelassen und haben dort Rederecht.

- Zu Ausschüssen der Gemeindevertretung können Kinder und Jugendliche als BeraterInnen hinzugezogen werden. Unklar ist jedoch, wer als "VertreterIn" von Minderjährigen formal vor diesen Ausschüssen auftreten darf.

- Zur dauernden Verwaltung einzelner Bereiche kann der Gemeindevorstand Kommissionen einberufen, die wiederum fachkundige BürgerInnen, also auch Jugendliche, hinzuziehen können. Fachkundige BürgerInnen sind allerdings nicht unbedingt betroffene BürgerInnen, so daß mitunter an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbeidiskutiert werden könnte.

- Um in ein Jugendparlament gewählt zu werden, muß man in der entsprechenden Gemeinde wohnen und BürgerIn der EU sein. Jugendliche, die in einem Ort nur zur Schule gehen, aber in einer anderen Gemeinde wohnen, können in ihrem Schulort nicht in ein Parlament gewählt werden.

- Die Gemeindeordnung Schleswig-Holsteins überläßt es den Gemeinden, Beteiligungsformen für Kinder und Jugendliche zu finden. Aufgeschlossene Kommunen werden so zu Experimenten ermutigt.

- Der Dachverband der Jugendgemeinderäte Baden-Württemberg empfiehlt eine Änderung der dortigen Gemeindeordnung, um Jugendforen formelle Rechte einzuräumen. Diese Änderungsvorschläge stimmen weitgehend mit den derzeitigen Beteiligungsregeln der HGO überein.

- Aus Sicht der HGO gibt es also keine Hinderungsgründe, Kinder- und Jugendforen bzw. -Parlamente als Gremien in die Gemeindeverwaltungen zu integrieren.
Quelle: Gutachten von Rechtsanwalt Friedhelm Foerstemann
Jochen@juis.insider.org

Eine Sitzung des "Nachwuchs"parlaments
Blauer Dunst zieht durch den kleinen Raum des Jugendclubs Dreihausen im ersten Stock des Feuerwehrhauses. Hier tagt heute das Jugendparlament der Großgemeinde Ebsdorfergrund. Anwesend sind sieben der 16 gewählten ParlamentarierInnen - "immer dieselben Aktiven eben" - sowie der Jugendpfleger und der Bürgermeister.

Die dicke Luft kommt wirklich ausschließlich von den Glimmstengeln: Die Tagesordnung wird zügig und lokker durchgegangen, während die Abgeordneten gemütlich auf den Sofas des Jugendraumes sitzen.
Das Treffen beginnt gleich mit einem ganz grundsätzlichen Problem: Wenige Wochen liegt die diesjährige Jugendversammlung zurück. Eingeladen waren 1.100 Jugendliche aus den elf Ortsteilen der Gemeinde, die sich mit ihrem Parlament austauschen sollten, Wünsche und Forderungen hätten vorbringen können.
Das Jugendparlament in Ebsdorfergrund wird alle zwei Jahre gewählt, die erste Generation der ParlamentarierInnen hat Halbzeit. Zur Zusammenkunft gleich nach Beginn der Sommerferien fand sich aber kaum ein Dutzend junger Leute aus den Dörfern ein.
Bürgermeister Andreas Schulz tröstet die JugendparlamentarierInnen: "Bei den Sitzungen der Erwachsenen sind es eher noch weniger Zuschauer, es ist einfach sehr schwer, die Leute für Politik zu interessieren." Dabei liegt ihm viel am Jugendparlament in seiner Gemeinde. Er initiierte nach einem entsprechenden Beschluß der Gemeindevertretung vor der ersten Wahl im vergangenen Jahr Jugendtreffen in allen Ortsteilen und fand in jedem Dorf mindestens eine/n Jugendliche/n, die mit an den Richtlinien für das Jugendparlament feilten.
Dann wurde dementsprechend die erste Wahl in die Wege geleitet. Eine Filmnacht und ein Abholbus durch alle Ortsteile sollten die Teilnahme an der ersten Jugendversammlung attraktiver machen. ?ber 150 Wahlberechtigte im Alter von 14 bis 23 Jahren folgten dann auch dem Ruf an die Urnen. Für jeden der elf Ortsteile sollte ein/e VertreterIn gewählt werden, wobei alle Wahlberechtigten bis zu 11 Stimmen vergeben durften. Nach der Abstimmung standen neun stimmberechtigte ParlamentarierInnen fest, sieben bekamen noch eine VertreterIn aus ihrem Dorf dazu.
Seither treffen sich die Gewählten etwa einmal im Monat zu einer Sitzung und gestalten ebenso oft eine Jugendseite in der Gemeindezeitung. Sie alle halten engen Kontakt zu den Jugendlichen aus ihrem Ortsteil und bringen deren Wünsche und Forderungen im Jugendparlament sowie in dem der Erwachsenen ein.
Die nächsten Themen der Jugendvertreter aus Ebsdorfergrund sind Rückblicke auf Sommerfreizeiten und die heißen Vorbereitungen für eine Großveranstaltung des Jugendclubs Dreihausen: ?ber 3000 Gäste erwarten sie zur TechnoüStreetparade und zum anschließenden ZeltüRave. Seit kurzem ist auch die JugendpflegerüStelle Thema in der Großgemeinde. Mit dem bevorstehenden Weggang des jetzigen Jugendpflegers ist auch die Finanzierung durch den Landkreis nicht mehr gesichert.
Der Abgeordnete aus Wittelsberg trägt ein Anliegen "seiner Wähler" vor: Immer mehr Skater wünschen sich eine sogenannte Half-Pipe, um bei ihrem sportlichen Hobby einen Treffpunkt und eine attraktive Herausforderung zu haben. Skaten ist in, darin sind sich die JugendparlamentarierInnen sofort einig.
Zu finden sind ein Platz für eine solche Anlage und Geld, um den Bau realisieren zu können. Andreas Schulz hat seine Vorschläge schnell bei der Hand: Im neuen Gewerbegebiet ist noch ein Grundüstck frei, da wäre auch etwas Lärm wenig problematisch.
In der Runde wird überlegt, ob Spenden für eine solche Bahn zu sammeln wären oder Sponsoren sich bereit finden könnten, Geld beizusteuern. Wieder ein Tip vom Rathauschef: Wenn eine Spendensammlung über Gemeindekonten abgewikkelt wird, kann die Gemeinde Spendenbescheinigungen ausstellen und den Spendern Steuerersparnisse ermöglichen. Um den parlamentarischen Weg zu passieren, wird die "Half-Pipe" vom Jugendparlament beschlossen.
Dann muß der Antrag an die Gemeindevertretung formuliert werden, die Frage des Platzes zu prüfen und die erwarteten Ausgaben sowie Einnahmen rund um das Spielü und Sportgerät sind in den nächsten Haushalt aufzunehmen. Bei der nächsten Sitzung des Sozialausschusses kann das Jugendparlament angehört werden.
Das nächste Thema ist ein Ernsteres: Der erst im vergangenen Jahr umgestaltete Spielplatz Dreihausen ist ständig mit Zigarettenkippen und Flaschenscherben übersät, Geräte werden zerstört, angeblich sogar mit Drogen gehandelt. Eine Protestaktion der Kindergartenkinder nebenan und auch Beschwerden vieler Eltern sowie Anwohner blieben ohne Erfolg. Die Missetaten werden "den Jugendlichen" zugeschoben.
Einige Vorschläge werden jedoch von den Jugendlichen erarbeitet: Zwei Poller am Zufahrtsweg könnten den Zerstörern das direkte Vorfahren erschweren - "und ohne daß die Autostereoanlage nebenan dröhnt, kommen die nicht mehr", hofft Lars. Zum Thema "Jugendseite" steht auch noch ein Vorschlag einer Jugendlichen aus dem Nachbarort im Raum. Sie wünschte dort Kleinanzeigen, Angebote vom Babysitting bis zum Gitarrenkurs. Zur nächsten Sitzung soll sie eingeladen werden. Vielleicht ist sie ja dafür zu gewinnen, das Projekt selbst zu starten.
Zum Abschluß der Sitzung informiert Bürgermeister Schulz kurz über die Akzeptanz und den weiteren Fahrplan des Discobusses, den das Jugendparlament angeregt hatte. Eine gute Nachricht: Auf den Wunsch des Jugendparlamentes hin hatte die Gemeinde Ausbildungszuschüsse für heimische Betriebe bereitgestellt. Tatsächlich sind vier neue Ausbildungsplätze darauf zurückzuführen.
Eine Aufklärungskampagne, die sich die Jugendlichen nach einem Besuch der Condomeria in Frankfurt vorgenommen haben, ist dagegen noch nicht über die Konzeptionsphase hinausgekommen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden!
projektwerkstatt_sa@apg.wwbnet.de

Quoten, Listen und der Wahltag
Jugendparlamente sollen kein Abklatsch der Stadt- und Gemeindevertretungen der Erwachsenen sein. So gibt es "Parlamente", die gar keine Wahl kennen, sondern offen für alle Kinder und Jugendlichen sind.
Die Befürworter von Wahlen hoffen auf größeres Verantwortungsbewußtsein der so gekürten "Abgeordneten" und wünschen eine demokratische Legitimation des Jugendparlamentes. Vor allem dort, wo Erwachsene an Jugendparlamente konzeptionieren, tauchen viele Fragen auf.
Soll es Quotierungen geben? Erfahrungsgemäß kandidieren bei offenen Wahlen mindestens doppelt so viele Jungen wie Mädchen. Die älteren sind stärker vertreten als die jüngeren. Und, Hauptvorwurf gegen viele offene Jugendforen oder "einfach-so-gewählte" Parlamente: In solchen Gremien finden und artikulieren sich im wesentlichen die Kinder, die das zu Hause gelernt haben. Kinder aus schwierigen Familiensituationen, aus "Brennpunktvierteln" etc. sind dort nicht anzutreffen. Eine andere Form der Quotierung schwebt den Planenden in Wettenberg, Kreis Gießen, vor: Dort soll nach Vereinen quotiert werden: 3 Plätze für die Sportler, 2 für die Sänger ...
Soll es (auch) Parteilisten geben? Für das mittlerweile nicht mehr existente Bad Homburger Jugendparlament kandidierten auch Vertreter der Jungen Union sowie der Jungsozialisten. Allerdings wurde kein Kandidat der Jugendparteien gewählt.
Wie und wo wird gewählt? Wahlbeteiligungen bis zu 97% erreichen die Städte und Gemeinden, die die Jugendlichen im Klassenverbund zur Urne bitten (z.B. Jugendgemeinderäte in Gengenbach oder Weingarten, BadenüWürttemberg). Anderswo stehen wenige Tage lang Urnen z. B. im SV-Raum jeder Schule. Das Bad Homburger Jugendparlament erreichte nach dieser Methode eine Wahlbeteiligung von 25%. Wo die Wahl offen im Jugendzentrum stattfindet, ist die Beteiligung noch einmal deutlich geringer, aber das Interesse der Wählenden meist höher. In der Gemeinde Ebsdorfergrund wurden die Jugendlichen zu einer Versammlung geladen - es kamen immerhin rund 10% der jungen Wahlberechtigten. In Marburg scheiterte die von Studenten vorgelegte Konzeption des Jugendparlamentes in der Stadtverordnetenversammlung, weil als Wahlorte Schulen und das Jugendzentrum vorgesehen waren und die Politiker sich vor einer doppelten Abstimmung einiger Eifriger fürchteten.
projektwerkstatt_sa@apg.wwbnet.de

Kompetenzen gegenüber den Großen
Die Aktiven im Jugendparlament legen sich ins Zeug. Bis ihr Antrag spruchreif ist, sind Diskussionen, Ortstermine, Recherchen angesagt.

Es gibt kein Recht, auf das ein Jugendparlament pochen könnte, keine gesetzlich festgeschriebenen Kompetenzen, keine Gelder, über die das Jugendparlament verfügen könnte. Letztlich entscheiden über Dinge, die ganz eindeutig die Jugend betreffen, die erwachsenen PolitikerInnen. So sieht es nicht nur die Hessische Gemeindeordnung vor. Kleine Erfolge konnten einige der Jugend-Gremien aber auch für sich verbuchen. So haben die Abgeordneten aus Ebsdorfergrund Rederecht im Sozialausschuß.
Für das Marburger Jugendparlament ist ein eigener Haushalt von 10.000,-- DM für dessen Aktivitäten vorgesehen. Die erwachsenen Politiker in Filderstadt, Baden-Württemberg, formulierten 1993 einstimmig, daß sie Beschlüsse des Jugendgemeinderates ohne
Änderung dem Gemeinderat bzw. dem zuständigen Ausschuß zur Beschlußfassung vorlegen werden. Zur besseren gegenseitigen Info erhalten erwachsene wie jugendliche Abgeordnete der beiden Parlamente immer alle Einladungen zu den Treffen.
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Ist und Soll
So sieht das Ideal-Konzept des Jugendpolitischen Projektes aus: Das Jugendparlament arbeitet als offenes Gremium, in dem alle Jugendlichen einer Gemeinde oder eines Stadtteiles zusammenkommen.

Zwischen den Sitzungen des Parlamentes arbeiten die Parlamentsmitglieder in Ausschüssen an bestimmten Themen (z.B. "Fahrradwegenetz", "Jugendzentren" ...). Zur Arbeit der Ausschüsse gehört neben dem Vorbereiten von Beschlußvorschlägen eine eigenständige
Öffentlichkeitsarbeit für ihre Inhalte. Auch Demonstrationen zur Durchsetzung ihrer Ziele können Mittel sein.
Das Jugendparlament ist zuständig für alle Jugend-Belange. Mittelfristig ist die Gemeindeordnung so zu ändern, daß Beschluß-Kompetenzen dort festgeschrieben werden. Zunächst sollen die erwachsenen Gemeindevertreter sich verpflichten, Beschlüsse des Jugendparlaments zu übernehmen. Das Jugendparlament verfügt über einen eigenen Etat.
In Baden-Württemberg sind die derzeit rund 40 Jugendgemeinderäte im Dachverband der Jugendgemeinderäte zusammengeschlossen. Der formal nicht strukturierte Zusammenschluß dient der Vernetzung der einzelnen Räte, der Fortbildung der Aktiven und landesweiter Öffentlichkeitsarbeit.
Am wichtigsten ist aber den drei SprecherInnen des Dachverbandes, daß sie auf Landesebene politisch präsent sind. Im Juli 1994 verabschiedeten sie ein Forderungspapier zur Änderung der Gemeindeordnung. Die Möglichkeiten einer Jugendgemeinderats-Gründung an sich soll in dem "Grundgesetz der Kommunalpolitik" festgeschrieben sein, ebenso ein Vorschlagsrecht bei allen Angelegenheiten, die Jugendliche betreffen, sowie eine beratende Stimme im Ausschuß. Ein Etat für "geringfügige Ausgaben" gehört ebenso zur Forderungsliste wie die Möglichkeit, daß der Gemeinderat dem Jugendparlament bestimmte Angelegenheiten, die die Jugendlichen betreffen, übertragen kann. Und zu guter Letzt: Die Jugendlichen dürfen Anträge an den Gemeinderat stellen, die dieser behandeln muß. Eszeichnet sich ab, daß zumindest die Erwähnung der Jugendgemeinderäte in der Gemeindeordnung durchkommt.
Das Programm "Schleswig-Holstein - Land für Kinder" unterstützt vielfältige Formen von Kinder- und Jugendbeteiligung. Im Jahresbericht 1995 konnten die MitarbeiterInnen im Jugendministerium 25 aktive Kinder- und Jugendbeiräte, 6 Jugendparlamente sowie 24 Einzelprojekte aufführen. Grundlage ist die 1995 verabschiedete Änderung der Gemeindeordnung, in der steht: (1) Die Gemeinde soll bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen(...). (2) Bei der Durchführung von Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, soll die Gemeinde in geeigneter Weise darlegen, wie sie diese Interessen berücksichtigt und die Beteiligung nach Abs 1. durchgeführt hat.
In Hessen gibt es noch keine großartigen Vernetzungsinitiativen. Auf Anregung der Bündnisgrünen Landtagsabgeordneten Ronja Perschbacher soll sich eine Arbeitsgruppe von Interessenverbänden bilden, die sich mit dem Thema Kinder- und Jugendmitbestimmung
befassen soll. Diese Idee wird nach Perschbachers Ansicht aber wohl kaum vor der Landtagswahl konkret umgesetzt werden. Auf Initiative des Jugendpolitischen Projektes wird es daher ein Landesaustauschtreffen bestehender Jugendparlamente und Jugendforen vom 22. bis 24. November 1996 geben.
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Ein "Kinderspiel"?
Die Öffentlichkeitsarbeit spielt für Jugendparlamente eine entscheidende Rolle.

Sie müssen nicht nur Kinder und Jugendliche gewinnen, bei bestimmten Aktionen "mitzuziehen" bzw. überhaupt in Sachen Jugend-Mitbestimmung aktiv zu werden, sie müssen auch die Erwachsenen überzeugen. Von deren Stimmverhalten hängt im "großen" Parlament das Gelingen oder Scheitern der Jugendanträge ab. Vielerorts ist dabei der Frust über die offiziellen Medien groß. Die berichten zwar gerne und viel, aber häufig falsch.
So werden die politisch engagierten Kinder und Jugendlichen oft nicht ernstgenommen, die Zeitungen unterstützen noch den Ruf eines "harmlosen Beteiligungs-Spielchens" oder stellen anwesende erwachsene Politiker ins Rampenlicht. Schlagzeilen wie "Zwergerl erobern das Rathaus" oder "Politik-Kinderspiel" brachten z. B. die Aktiven des Münchener Kinder- und Jugendforums in Rage. Die konstruktive Antwort darauf: Das Forum gibt heute eine eigene Zeitung heraus.
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Kleines, aber feines Lexikon
Verwaltungszentrierte Formen
Eher eine Form der Berücksichtigung von Kinderinteressen:
- Kinderbeauftragte: meist "Promis" oder Verwaltungsangestellte, die darauf achten, daß Kinderbelange bei politischen Entscheidungen berücksichtigt werden.
- KinderanwältInnen: Suchen den direkten Kontakt zu Kids; tragen Wünsche und Probleme an Verantwortliche heran; erarbeiten auch konkrete Vorschläge mit den Kindern zusammen.
- Kinderkommissionen: Untergruppe der Jugendhilfeausschüsse, Erwachsenengremium, das häufig mit geringen Einflußmöglichkeiten zu kämpfen hat.
- Kinderbüros: Versuch, Verwaltungskontakte erwachsener Hauptamtlicher mit intensiver Kindereinbindung zu verbinden. Oft mit 'Kinderverträglichkeitsprüfung' befaßt. Haben meist einige Kompetenzen wie Teilnahmerecht an Ausschußsitzungen, oder Einsichtsrecht in Verwaltungsvorgängen etc.

Projektbezogene Formen
- Spielplatzkonferenz: Zu einem konkreten Thema werden Kinder/Jugendliche eingeladen. Mit Hilfe unterschiedlicher Methoden (z.B. Zukunftswerkstätten, Modell-Wettbewerben ...) erarbeiten die Betroffenen Vorschläge. Im Idealfall gehört auch die Umsetzung sowie der Weg dahin dazu.
- Stadtteildetektive: Es werden Vorschläge für ein begrenztes Gebiet gesammelt. Einiges kann die Detektivgruppe selber umsetzen, anderes auf den parlamentarischen Weg geben.
- Jugendparlamente: Die Parlamentsmitglieder werden auf eine bestimmte Zeit gewählt und vertreten dann Jugendinteressen, halten Kontakt zu Jugendlichen, entwickeln selber Vorschläge, Forderungen an die Stadt. Oft Rederecht in Ausschüssen. Manche
Jugendparlamente gründen dann auch eigene Ausschüsse zu best. Themenbereichen, in denen zwischen den Parlamentssitzungen gearbeitet wird.

Offene Form
Jugendforum: Meist wenige Treffen im Jahr. Alle Kinder/Jugendlichen (evtl. best. Altersgruppen) können an offenen Veranstaltungen teilnehmen, in denen anwesende PolitikerInnen und Verwaltungs-Mitglieder Rede und Antwort stehen, Wünsche und Forderungen entgegennehmen.

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