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MODERNE UND VERALTETE NAZIS

Buchvorstellungen zum Themenbereich


1. Was ist Faschismus?
2. Neue Rechte
3. Rechte Gedanken bis in die gesellschaftliche Mitte
4. Linke hypen Nazis
5. Links
6. Buchvorstellungen zum Themenbereich

Was draußen passiert, bleibt nicht ohne Reaktion auf dem Markt der kaufbaren Kommentierungen. Es gibt inzwischen sowohl etliche Bücher, die das Phänomen der Empörung ohne politische Analyse wohlwollend begleiten, als auch solche, die mit beißender Kritik über PEGIDA, AfD, Montagsmahnwachen & Co. herziehen. Freund und Feind ähneln sich dabei mehr als ihnen lieb sein dürfte. Denn beide bedienen die gleichen Mechanismen – die Einteilung in einheitliche Kategorien, die dann mit Gut und Böse etikettiert werden. ... Überholt ist hingegen das Buch „Aufstieg und Etablierung der „Alternative für Deutschland““ aus dem rechten JF-Verlag. Denn in dem eher als Geschichtsschreibung zur AfD plus Porträtierung der führenden Köpfe angelegten Buch ist von den Flügelkämpfen kaum die Rede. Inzwischen haben diese die AfD zerlegt. So offenbaren sich die PR-Manipulationen an der Realität. Nicht verschwiegen wird der Konflikt in „Die rechten ‚Mut‘-Bürger“ von Alexander Häussler und Rainer Roeser (2015, VSA in Hamburg), jedoch wird den rechten Strömungen das Hauptaugenmerk gewidmet. Die Autoren stellen Strukturen, Strömungen und Personen dar, die in der AfD für rechtspopulistische Positionen wirken. Informativ sind die Kapitel zu den geschichtlichen Wurzeln dieser Strömungen und ihrem Kontext in Zusammenhänge auch außerhalb der Partei. Die kritischen Bücher arbeiten mit ähnlichen Vereinfachungen und pauschalen Böse-Erklärungen. Sie sind recht informativ, hängen sich aber an Einzelpersonen und –aussagen auf, um dann Zehn- bis Hunderttausende Menschen glatt über einen Kamm zu scheren. Das zeigt, dass sie das Phänomen überhaupt nicht begriffen haben, sondern es nur ausnutzen, um auf dem Buchmarkt schnell präsent und erfolgreich zu sein. Julian Bruns, Kathrin Glösel und Natascha Strobl ergänzen im Buch „Rechte Kulturrevolution“ (2015, VSA in Hamburg, 94 S., 7 €) die Übersicht über konkrete Gruppen und Strömungen in Deutschland, Österreich und einigen anderen Ländern mit einer Darstellung der Herkunft und Entwicklung neurechter Ideologien. Das gibt dem Buch einige Tiefe, die in den Gruppenbeschreibungen fehlt. Dass als einer von zwei Gründen für die Rechtslastigkeit auf Seite 44 ausgerechnet das „offene Mikrofon“ und damit das Element, wo endlich mal keine Ausgrenzung passiert, benannt wird, zeigt wiederum, dass Kleingeistigkeit nicht nur bei PEGIDA & Co. verbreitet ist, sondern auch bei deren Gegner_innen. Einen besonderen Schwerpunkt setzt Benedikt Sepp in „Linke Leute von Rechts?“ (2013, Tectum in Marburg, 128 S., 24,95 €) mit seiner Darstellung der nationalrevolutionären Bewegung in der Bundesrepublik. Quellenreich, mit vielen Originalzitaten und einigen –abbildungen werden Gruppen und Ideologien von den 60er Jahren bis heute beschrieben. Eine lustige Stelle enthält das ebenfalls recht informative, aber ebenso überwiegend nur die Führungspersonen beschreibende und von diesen verallgemeinernde Werk von Philipp Becher, Christian Begass und Josef Kraft mit dem Titel „Der Aufstand des Abendlandes“ (2015, Papyrossa in Köln, 130 S., 11,90 €). Das Buch ähnelt dem oben genannten VSA-Band, legt aber mehr Wert auf die Darstellung von Strukturen und Personen. Auf Seite 29 wird die Kritik am TTIP als Beleg für die rechte Gesinnung von LEGIDA angeführt. Zitat: „Im LEGIDA Papier wird ausdrücklich nur auf die negativen Folgen für „die europäische Wirtschaft“ eingegangen … Für die LEGIDA ist wohl nur die deutsche und europäische Wirtschaft interessant, die durch den Einfall US-amerikanischer Unternehmen bedroht sei.“ Ja schon – so ist LEGIDA. Aber jede bürgerliche und linke TTIP-Demo unterscheidet sich da kein Stück. Sind das dann auch alles Nazis? Oder beweist die Einschätzung aus dem Buch eher, dass vereinfachte Welterklärungen überall Konjunktur haben – und Rechte bis Linke mit ihnen ein sehr ähnliches Spektrum empörter, an politischer Analyse aber wenig interessierter Menschen anziehen?
Wer direkt in die Gedankenwelt moderner Rechter eindringen und es sich nicht allzu leicht machen will, nehme Bücher von Alain de Benoiste in die Hand. Er ist der wichtigste Vordenker der „Neuen Rechten“ (im französischen Original: Nouvelle Droite) – und seine Gedankengänge zu begreifen, ist für eine qualifizierte Kritik an Konzepten kollektiver Identität wichtig. Dass in linken Kreisen Benoist zwar durchaus bekannt, aber selten auseinandergenommen wird, dürfte zwar Gründe haben: Zum einen der Hang, mit Vereinfachungen eigene Gruppenidentitäten zu schaffen, was sich in absurden Behauptungen zeigt, dass irgendwie alles rechts ist, was einem nicht passt (Verschwörungstheorien, AZK, alle PEGIDA-Demonstrierenden usw.). Ein Bemühen um präzise Analyse unterbleibt. Zum anderen dürften viele Passagen aus Benoists Bücher auch in linken Kreisen glatt durchgehen. Denn kollektive Identitäten („wir sind das Volk“, „die Palästinenser“ usw.) sind dort auch ziemlich angesagt. Die „Junge Freiheit“ ist in Deutschland das wichtigste rechte Pressemedium, was neurechten Ideologien stets Platz bietet. So sind etliche Bücher von Alain de Benoiste dort verlegt, unter anderem „Kritik der Menschenrechte“ (2004, 161 S.) und „Aufstand der Kulturen“ (1999, 280 S., 18 €). Mit scharfen Worten seziert er dort den Univeralismus westlicher Lebensmodelle, u.a. dem Konzept der gleichen Rechte aller Menschen von Geburt an. Sein Angriff zählt genüsslich die üblen Vorgänge auf, mit denen westliche Nationen im Namen solcher Menschenrechte Leid und Schrecken über die Welt bringen. Das Problem verortet er im Konzept der Menschenrechte selbst – nicht in Kapitalismus und Nationalstaatskonkurrenzen, die mittels Verschleierung bomben und unterdrücken. Benoist plädiert für Stämme, Völker usw.. Er sieht den Menschen immer als Teil solcher kollektiven Identitäten, in der er heranwächst und ohne die er nicht denkbar ist. Das Kollektiv müsse daher der Träger von Rechten sein, nicht der Mensch. So postuliert er eine moderne Fassung des „Du bist nichts, Dein Volk ist alles“ – und seine Hetze gegen Globalisierung, west-imperiale Kriege und Großmachtsgehabe der Industrienationen dürfte manchem Linken gefallen, der nicht genau hinguckt. Auffällig oft erwähnt Benoist die Umweltfrage – vertieft in „Abschied vom Wachstum“ (2009, 197 S.), dessen Inhalt erfahrungsgemäß den meisten Umweltschützer_innen gar nicht seltsam vorkommt. Benoists Sichtweisen der anderen genannten Bücher kommen hier verklausuliert als Regionalismus herüber. Wie üblich versucht er, linke und rechte Politik zu einem gemeinsamen Gedankensystem zusammenzufügen.

Antisoziale Rechte
Zwei Bücher des Unrast-Verlages (Münster) widmen sich speziellen Ausformungen des Rechtsradikalismus. Lucius Teidelbaum beschreibt den „Obdachlosenhass und Sozialdarwinismus“ (2013, 80 S., 7.80 €). In kurzen Kapiteln werden die verschiedenen Formen der Diskriminierung durch staatliche Stellen, durch die wirtschaftlichen Verhältnisse und durch direkte Angriffe vor allem aus rechten Kreisen beschrieben. Aufgrund der Kürze und nur weniger Quellenangaben von zumeist politischen Aufsätzen ist das Buch eher eine Einführung. Präziser stellen Eike Sanders, Ulli Jentsch und Felix Hansen in „Deutschland treibt sich ab“ (2014, 98 S., 7,80 €) die Strömungen dar, die unter dem Banner des „Lebensschutzes“ für antifeministische und religiöse Ziele eintreten. Allein 32 nimmt die Vorstellung vieler Vereine und Gruppe ein, die in diesem Themenfeld agieren, rundherum geht um es um ihre Ideologien und Aktivitäten.

Weitere Bücher zum Rechtsextremismus
Étienne Balibar/Immanuel Wallerstein
Rasse, Klasse, Nation
(1998, Argument in Hamburg, 280 S.)
Das Buch hat schon einige Jahre auf dem Buckel, aber das Thema ist hochaktuell. Die Autoren versuchen, die verschiedenen Identitäten in ihrer historischen Entwicklung und vor allem in ihren gegenseitigen Beeinflussungen darzustellen. Rassen und Nationen sind konstruiert, d.h. ihre Merkmale aus interessierten Blickwinkeln geschaffen. Auch die Verschränkungen mit kapitalistischen Systemwirkungen und Klassenidentitäten werden beschrieben. Es ist ein anspruchsvolles Buch, welches allen hilft, die Diskriminierungen nicht nur bekämpfen, sondern auch in ihrer Entstehung begreifen wollen.

Felix Krautkrämer
Aufstieg und Etablierung der „Alternative für Deutschland“
(2014, JF edition in Berlin, 213 S.)
Ein Buch über eine Partei mit starken rechten Strömungen – aus einem Verlag, der ebenfalls deutlich rechts steht (Herausgeber der Wochenzeitung „Junge Freiheit“). Das verspricht Inneneinsichten – und so ist es auch. Das Buch ist übersichtlich gegliedert, beschreibt zunächst die Entstehung und Entwicklung der Partei, porträtiert dann die führenden Köpfe und fügt dem Ganzen Parteiprogramme und Leitlinien an. Propagandistischen Gründen dürfte geschuldet sein, dass die massiven Flügelkämpfen zwischen marktliberalen und nationalkonservativen Strömungen weitgehend verschwiegen werden.

Stefan Gläser/Thomas Pfeiffer (Hrsg.)
Erlebniswelt Rechtsextremismus
(4. Auflage 2014, Wochenschau in Schwalbach, 319 S. plus CD, 29,80 €)
Das Buch gliedert sich in zwei Teile. Der erste (auf weißem Papier) schildert die kulturellen und Verhaltenscodes rechtsextremer Strömungen. Der zweite (grau hinterlegt) bietet Anregungen und Hilfen für die Unterrichtsgestaltung. Als Beilage bietet die CD weitere Texte und Dokumente, darüber hinaus Musikbeispiele und Präsentationen. Das Buch ist so vielfach praktisch einsetzbar in Schule und außerschulischer Bildungsarbeit.

Melanie Amann
AfD – Angst für Deutschland
(2017, Droemer in München, 320 S., 16,99 €)
Die Literatur über die AfD häuft sich. Melanie Amanns Buch hat unter diesen eine Besonderheit: Sie scheint mit der Partei teilweise zu sympathisieren und pflegt Kontakte zu ehemaligen und aktuellen Führungspersonen. Dadurch kann sie Details und bislang unbekannte Hintergründe benennen und bezieht auch die Vorgeschichte und die politische Herkunft der Gründer*innen ein, transportiert andererseits aber selbst an etlichen Stellen anti-emanzipatorisches Gedankengut und zeigt sich parteiisch innerhalb der Flügelkämpfe der AfD. Insofern wird das Buch auch bei AfD-Anhänger*innen Gefallen finden, für Kritiker*innen aber auch nützlich sein, weil für eine analytische Betrachtung der Partei, die nicht selbst mit Vereinfachungen arbeitet, ein Blickwinkel mehr von innen immer hilft. Mensch muss die Meinungen ja nicht teilen.

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