Antirepression

AKTIONEN GEGEN KNÄSTE UND DEREN RUNDHERUM

Beispiele und Ideen für Aktionen


1. Knäste abschaffen!!!
2. Gefangene und knastinterne, solidarische Selbsthilfe stärken!
3. Beispiele und Ideen für Aktionen
4. Berichte von Aktionen und mehr
5. Überidentifikation: Demo für Knast und Strafe
6. Links und Leseempfehlungen
7. Konzept für eine Ausstellung zu „Strafanstalt“ (nie verwirklicht)

Aus einem Interview mit Hanna Poddig in: ND, 2.5.2012
Mit den Geldstrafen ist es schön leicht für den Staat: Er verdient an uns und wir sind ständig damit beschäftigt, Solipartys zu machen, um Leute rauszuhauen. Es würde mich freuen, wenn mehr Leute ihre Geldstrafe nicht mehr zahlen würden. Das wäre ein Signal an die Richter und die Gesellschaft.

Gefangenentransporte stoppen ...
Gefangene werden ständig hin- und hertransportiert. Solche Transporte gehören zu den erniedrigensten Erfahrungen von Menschen, die länger in Haft sind. Transporte von A nach B ziehen sich oft über Wochen, weil nicht zwischen allen Knästen direkt Gefangenentransporte laufen, sondern große Umwege in Kauf genommen werden müssen mit mehreren Kurzaufenthalten in den Durchgangszellen anderer Knäste. Zusätzlich zu solchen Transporten gibt es bei Festnahmen während politischer Aktionen Gefangenentransporte vom Aktionsort in die Gewahrsamszellen der Polizei. Bei einem Castor-Transport nutzte die Polizei Bahnwaggons als Gefangenentransporte bei der Räumung einer X-1000malquer-Blockade, da der Wegtransport sonst durch steile Böschungen erschwert wurde. Dieser Transportzug wurde dann wiederum erfolgreich per Sitzblockade festgehalten, so dass der entgegenkommende Castor ebenfalls warten musste.
Bei der Blockade vollbesetzter Gefangenenbusse muss allerdings beachtet werden, dass die Bedingungen für Gefangene in den Bussen äußerst schlecht sind. Blockaden sollten daher symbolisch sein und vor allem die im Bus Gefangenen offensiv mit einbeziehen - sonst wird sie von denen nur als nervige Verlängerung der Transportfahrt empfunden.

Festnahmen zu Aktionen machen
Die meisten Festnahmen bei politischen Aktionen geschehen öffentlich. Es ist also eine politische Aktion, wenn sie nach außen vermittelt werden können. Sowohl die Festgenommenen wie auch die Drumherumstehenden können mit lauten Rufen, lauten Dialogen oder Theaterszenen das Geschehen, die Rolle von Knast, Polizei und Justiz sowie die Perspektive herrschaftsfreier Gesellschaft nach außen vermitteln. Ein spannendes Mittel dazu ist der offensiv-vermittelnde "Dialog" mit Polizei oder anderen Repressions-Ausführenden selbst. Wer z.B. PolizistInnen lautstark darauf ausfragt, ob sie nur nach Befehl handeln, ob sie nicht lieber Eis essen gehen würden als Befehle zu empfangen, ob sie hinter ihrem Tun stehen usw., vermittelt die in dem Streitgespräch ausgetauschten Positionen nach außen. Zudem kann es für viele erleichternd wirken, nicht nur eingeschüchtert alles über sich ergehen zu lassen, sondern zu spüren, dass weiter Handlungsfähigkeit besteht. Allerdings mit Grenzen: Zur Sache oder zu Personen außerhalb des Kreises der Repressions-Ausführenden selbst darf auf keinen Fall etwas gesagt werden (weil sonst verwertbar für die Justiz). Und wichtig ist auch der Spürsinn dafür, welche Provokation und Nerverei kontrollierbar bleibt. Nicht jedeR hat Lust, von einem durchgeknallten Bullen vermöbelt zu werden, weil dieser bloßgestellt wird und sich abreagieren will. Jedoch auch hier hilft es, viele Handlungsoptionen offen zu halten, z.B. die vorweggenommene Thematisierung durch die laute Frage: "Möchtest Du zuschlagen, weil Dir jegliche Argumente fehlen?" oder ähnliches.
Alle diese Hinweise gelten auch für Kontrollen, Kessel usw.

Bei Knast: Aktionen im und gegen Knäste!
Mit dem Schließen des Tores von Knast oder Bullengebäude hinter dem Gefangenen sind alle Möglichkeiten der direkten öffentlichen Wirkung beendet. Wer sich dort dann wie verhält, sollte an persönlichem Befinden orientiert sein. Das Regime im Knast oder im Polizeigewahrsam ist aus verschiedenen Gründen hart - Langeweile in der Zelle, manchmal gewaltbereite Mitgefangene, Entzug von Drogen, Sorgen um andere oder Zurückgelassenes und oft die Unklarheit über das weitere Geschehen können an einem nagen. Vor allem bei kurzen Aufenthalten ist Ruhe und Schlafen für viele das Beste, andere gehen auf und ab - wer mit anderen zusammen eingepfercht ist und sich mit denen unterhalten kann, hat es noch am besten. Möglich bleibt auch auf der Polizeistation oder im Knast die provozierend-vermittelnde Kommunikation mit den BewacherInnen - die Fragen nach dem Sinn ihrer Arbeit, ob sie nicht lieber frei ihren Tag einteilen wollen statt unter Befehl zu handeln usw. Oben Gesagtes bei Verhaftungen gilt auch hier: Gefährdet Euch nicht und plaudert nicht über tatsächliche Geschehnisse oder Personen (außer eben die BewacherInnen)!
  • Nerven und demaskieren: Im Knast auch die formalen Mittel nutzen (Bericht aus dem Spiegel vom 3.8.2009, der zeigt, dass im Knast Probleme entstehen, wenn jemand seine Rechte kennt - denn Knäste sind Willkürzonen)

Bericht: Ruhig mal in den Knast gehen, wenn eine Ladung kommt
Um ein Bußgeld von zehn Euro einzutreiben hatte die Staatsanwaltschaft Erzwingungshaft gegen eine Magdeburger AktivistIn erwirkt. Diese wollte sich dem Zwang auf keinen Fall beugen und entschied sich diesen Hafttag zu nutzen, um den Knast mal kennenzulernen. Der Weg dahin dauerte lange und war mit mehreren "Aktionen" gepflastert. Überhaupt ist empfehlenswert, solche low-level-Situationen (es geht nicht um viel und mensch kann durch Zahlung jederzeit raus) zu nutzen, um auszutesten, wie mensch mit dem ständig drohenden Zwangsmittel Knast umgehen kann.
Über mehrere Monate hatte es die Polizei nicht geschafft, die AktivistIn aufzugreifen und "einzufahren". Irgendwann entschied sich diese dann "freiwillig" zur Haft anzutreten, um die Sache hinter sich zu bringen. Zuvor hatte sie bereits den ganzen Rechtsweg ausgeschöpft: zuerst war der Einspruch gegen das Bußgeld mit Verwaltungsakt der Behörde, dann kam eine Gerichtsverhandlung mit Polizeizeugen, dann wurde die Berufung beantragt, aber verworfen. Nachdem das Urteil rechtskräftig war, dauerte die Auseinandersetzung mit der Staatsanwaltschaft darüber, ob das Geld zu zahlen wäre und endete mit dem Besuch eines Gerichtsvollziehers. Dies war auch sehr relaxt, gleich zu Beginn erzählte sie ihm, dass sie aus politischen Gründen nicht zahlen würde. Der Gerichtsvollzieher sah sich um, konnte nichts pfänden und ging wieder. Dann kam die Androhung der Erzwingungshaft und eine Erwiderung darauf. Und auch auf die gerichtliche Anordnung von Erzwingungshaft wurde sofortige Beschwerde beim Landgericht eingereicht, das diese dann auf fünf Seiten rechtfertigte. Allein der Rechtsweg dürfte schon mehrere Tausend Euro gekostet haben.
Die Besuche der Polizei waren mehrfach von Aktionen begleitet, bei denen manchmal die Fahrzeuge hinterher anders aussahen, es gab ein Willkommen-Schild für die Polizei samt Aufforderung bei wiederholten nächtlichen Besuchen Kaffee und Brötchen mitzubringen, eine satirische Postkarte aus dem Urlaub mit dem freundlichen Hinweis, das sie grad nicht suchen brauchen etc.
Beim Haftantritt outete sich die AktivistIn als JournalistIn und löste damit Verwirrung unter dem JVA-Personal aus. Dieses war von nun an misstrauisch und befürchtete ausgehorcht zu werden, die "normalen" Häftlinge scherzten, die AktivistIn sei mal eben auf "Besuch" für einen Tag. Die 24 Stunden verliefen mit Lesen, Artikel schreiben, Nachdenken und Schlafen. Natürlich ist das nicht vergleichbar mit monatelanger Haft oder mit Strafhaftbedingungen - denn dies war eine "Zivilhaft", für die nicht die gleichen Bedingungen gelten. Doch was spricht dagegen, auch mal ein paar Tage mehr zu probieren?

Sabotage und Militanz an Knast und Justiz
Mögliche Ziele sind:
  • Eingangstüren von Gerichten und Gerichtssälen sowie die Räume selbst: Sekundenkleber ins Schloss, Bewegungsmelder zerstechen oder übermalen, stinkende Flüssigkeiten ...
  • Überwachungsanlagen, Türen und Tore von Knästen, Polizei und Gerichten: Verkleben, Leitungen kappen, Farbe auftragen oder Sprayen ...
  • Fahrzeuge und sonstige nichtfeste Geräte dieser Einrichtungen
  • Gezielte militante Zerstörung von Gerichtssälen, Fahrzeugen, Aktenbeständen usw.
  • Knäste, Gerichte und Bullenwachen bunt anmalen und vermitteln, was stattdessen an diesem Ort bzw. in diesen Gebäuden wünschenswert wäre (Knäste zu Proberäumen u.ä.).

Wichtig bei allen Formen von Sabotage und Militanz ist, genau zu überlegen, wer durch eine Aktion gefährdet oder behindert werden kann. Wer das Schloss eines Gefangenenbusses zuklebt, wenn er leer ist, verhindert das Einsteigen der Gefangenen. Wer es macht, wenn die Gefangenen drin sind, verhindert das Aussteigen. Das ist ein Unterschied. Wer Repressionsinfrastruktur zerstören will, sollte darauf achten, das Menschen nicht in Gefahr geraten können. Wer Brandsätze wirft, wo Menschen drüber wohnen, oder die Bremsen von Autos sabotiert, muss das wissen und dafür eine gute Begründung haben. Gefährdung der Gesundheit, Psyche oder gar des Lebens von Menschen ist unseres Erachtens aber nur dann überhaupt begründbar, wenn von diesen selbst und direkt die Gefährdung anderer ausgeht - also bei ausländerInnenjagenden Nazis, bei Vergewaltigern, Bomberpiloten, Diktatoren, Erschiessungskommandos usw.

Trainings zu Knast, Justiz und Bullenkontakt
Um oben genannte oder neue kreative Aktionsmöglichkeiten auch nutzen zu können, ist Vorbereitung sinnvoll - Situationen entwickeln, durchsprechen und trainieren sowie hinterher reflektieren und weiterentwickeln. Solches hat zudem einen weiteren Zweck - nämlich den, das Ohnmachtsgefühl zu überwinden. Bisher beschränkte sich die Auseinandersetzung mit der Repression oft auf den Schutz vor ihr. Festnahmen, Knast, Bullenkontakt, Verhöre usw. wurden als Bedrohung gesehen und Verhaltensregeln dafür vermittelt. Das schürte nicht nur Angst, die Kreativität hemmt, sondern reduziert alle, die mit der Staatsmacht in Konflikt kommen, zu Opfern. Genau das Umgekehrte aber wäre für eine Vermittlung von herrschaftskritischen Positionen aber sinnvoll. Jede Verhaftung, Kontrolle, jeder Gerichtsprozess und jede Inhaftierung ist die Verteidigung des angegriffenen Herrschaftssystems. Sie offenbart dessen Herrschaftsverhalten. Zu spüren, dass auch dann viele Handlungsmöglichkeiten bestehen, wenn die Daumenschraube der Repression angelegt ist, kann mental sehr viel mehr bringen als die auswendig gelernte Strafprozessordnung. Wobei nichts dagegen spricht, beides zu können ...

Gerichtsprozesse verwandeln
Gerichtsprozesse sind fast immer öffentlich - ein Ausschluß der Öffentlichkeit geschieht nur in besonderen Ausnahmen. Daher sind sie als Aktionsplattformen auch immer geeignet. Aus verschiedenen Gründen sogar ganz besonders:
  • Gerichtsverfahren wirken oft schon von sich aus spektakulärer, sind ein Anlass z.B. für Medienarbeit.
  • Gerichte sind Orte mit extrem absurden, fest ritualisierten Abläufen. Herrschaft wird hier optisch herausgehoben z.B. durch die Kleider- und Sitzordnung. Das Gericht guckt von oben auf die anderen herab - welch Symbolik. Ehrerbietung vorm Gericht ist vorgeschrieben, d.h. wer nicht aufsteht, riskiert bereits eine Bestrafung.
  • Gerichtsgebäude sind ebenso öffentlich zugänglich. Zwar gibt es oft intensive Eingangskontrollen, aber Stifte, Aufkleber, Schablonen, Flugblätter usw. sind nicht aus Metall und schwer zu ertasten. Wer ein Transparent um den Bauch wickelt, wird es wohl meist reinbekommen. Und nachdem das nicht mehr geht, halt um den Oberschenkel ... usw. Je frecher, desto besser. Treppenhäuser, Flure, Kantinen, Fahrstühle, Fenster, Klos und mehr sind zugänglich und somit quasi eine Wandzeitung gegen Knast, Justiz und Polizei.

Die Anfälligkeit des ritualisierten Gerichtsablaufes gegenüber Störungen schafft riesige Handlungsmöglichkeiten vom versteckten Theater, dem Streit zwischen zwei oder mehr verschiedenen Teilgruppen, die gegenteilige Überzeugungen "vertreten" - z.B. eine die Überidentifikation mit dem Gericht (Law-and-order-Rufe, Anbeten des Gerichts usw.), die andere eine herrschaftskritische. Sabotage und Militanz wirken ebenso stark, z.B. stinkende Flüssigkeit, das Verkleben der Türen am Anfang des Tages usw. Räumungen auch von Einzelpersonen im Gerichtssaal sind wegen der Bestuhlung und Enge oft sehr schwer - der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt.
Auch die sog. Angeklagte hat viele Aktionsmöglichkeiten - z.B. durch das Ausfragen der ZeugInnen, durch Anträge auf andere Sitzordnung, Prozessunterbrechungen, Freibier für alle, Befangenheit, Beweisanträge und mehr. Die Situation der Nicht-Gleichberechtigung kann ebenso thematisiert wie politische Erklärungen abgegeben werden. In vorheriger Absprache mit Leuten unter den ZuschauerInnen können auch durch Anträge gute Ausgangssituationen für Aktionen geschaffen werden.

Veranstaltungen machen oder nutzen
Knast sowie, im allgemeineren, das System "Strafe" und Strafandrohung innerhalb des komplexen Aufbaus von Herrschaft ist für Veranstaltungen ein besonders entscheidender Punkt. Denn er hat doppelte Bedeutung. Zum einen geht es um das konkrete: Knast bedeutet die soziale Zerstörung von Menschen mit dem Ziel der Norm(alis)ierung von Verhalten. Das ist für jede Gefangene unmenschlich und in seiner Gesamtheit jeglicher Form von Selbstbestimmung individuell sowie als soziale Gruppe zuwiderlaufend. Zum anderen aber ist Knast auch ein zentraler, weil unverzichtbarer Bestandteil autoritärer Gesellschaftsmodelle - wie sie Staaten immer darstellen. Ohne Knast bzw. die Androhung von Strafe machen formalisierte Gesetze, Normierungen und Regeln keinen Sinn. Beschlüsse, die für alle zu gelten haben, sind nur lohnenswert, wenn es auch Durchsetzungsmechanismen gibt. Diese sind folglich unverzichtbar. In den typischen Nationalstaaten der heutigen Zeit reicht die Spanne der Durchsetzungsmittel von Erziehung über Marktzwänge, gerichtete Kommunikation, Wirklichkeits- und Geschichtswahrnehmung bis zum ausgeklügelten System von Verfolgung, Strafandrohung und Strafvollzug. Jeder organisatorische Teil von Gesellschaft verfügt in sich wiederum über solche Systeme, z.B. die Noten, Verweise usw. in der Schule, Disziplinarverfahren oder Ausschlüsse in Vereinen oder Parteien sowie Prügeln, Liebesentzug usw. in der Familie. Gesamtgesellschaftlich sind Ordnungsbehörden (Jugend-, Finanz-, Bau-, Ausländer-, Gesundheitsamt usw.) sowie Bullen, Justiz und Knast die Organe und Orte von Strafe und Strafandrohung. Wer sie ablehnt, muß konsequent auch Herrschaft insgesamt ablehnen, weil Herrschaft nicht ohne Durchsetzung der Beschlüsse und Normen auskommt. So grauselig das ist, so bietet es Chancen. Die plakative Forderung nach Abschaffung von Bullen, Justiz und/oder Knästen führt zielgerichtet in eine Diskussion um Gesellschaftsutopien. Und die ist nötig.
Aktionen gegen Polizei und Justiz, Veranstaltungen zu deren Abschaffung oder Diskussionsbeiträge auf Veranstaltungen anderer mit diesen Positionen bieten Ausgangspunkt für eine Thematisierung von herrschaftsfreier Gesellschaft. Ein Nationalstaat oder jede andere Herrschaftsform ohne Castor, Nazis oder internationalen Devisenspekulationen ist ohne Probleme denkbar. Ohne Knast, Polizei und Justiz dagegen nicht. Darum bieten solche Aktionen und Thematisierungen besondere Chancen.

Pro-autoritäre Positionen auch bei "Linken" angreifen!
Demonstrationen samt ihrer Vor- und Nachbereitungstreffen, Diskussionen, Camps, Kongresse und Einzelverstaltungen vieler politischer Gruppen können Ort der Thematisierung von antiautoritären Ideen sein. Das ist auch deshalb nötig, weil es nur sehr wenige "linke" Gruppen und Organisationen gibt, die tatsächlich Herrschaft und autoritäre Gesellschaftsstrukturen ablehnen. Zwar sind fast alle nach außen verbalradikal und sprechen sich gegen Macht aus. Aber schon bei der ersten Nachfrage sowie bei ihren konkreten Aktionen wird deutlich: Sie wollen nur selbst an die Macht, wollen eine andere Art der Machtausübung, aber auf keinen Fall die Auflösung von Herrschaft.
Beispiele:
  • Die meisten Antifagruppen agieren mit provokativen Slogans wie "Smash capitalism" oder "no border, no nation". Wenn es konkret wird, sieht das allerdings anders aus. Nach fast jedem Nazi-Aufmarsch heulen sich Antifa-Gruppen öffentlich aus, dass die Bullen nicht hart genug gegen die Nazis vorgegangen sind. Soll da vielleicht mehr, härter trainierte und besser ausgerüstete Bullerei ran? Oder rigoroser prügelnde Horden?
  • Bei sexistischer Gewalt, antisemitischer oder rassistischer Hetze folgt meist als erstes der Ruf nach dem Staat, der bestrafen soll. Gleiches gilt zur Zeit vor allem im internationalen Maßstab z.B. mit dem Ruf nach UN-Mandaten für Kriegseinsätze (Weltinnenpolizei), der Schaffung und Stärkung internationaler Gerichte (mit dranhängenden Knästen sowie vorgeschalteten Weltinnenpolizei-Einsätzen, also z.B. UNO-Truppen, NATO & Co.).
  • Viele politische Organisationen fordern die Aufnahme ihrer Lieblingsthemen in Lehrpläne, fordern mehr Gesetze und Kontrolle. Die Ökologiebewegung oder aktuell Gruppen wie Attac setzen sich für mehr Steuern, mehr Kontrolle, mehr Gesetze und mehr vor allem internationale Institutionen ein, die dann Herrschaft ausüben sollen.
  • Auch innerhalb politischer Zusammenhänge ist der Bezug auf Rechtsstaat und Herrschaft meist positiv. Hausrecht wird gegen missliebige Personen eingesetzt, Schlüsselgewalt, formale Führungsgremien, Eigentumsdenken usw. prägen das politische Geschehen. Bei Demonstrationen wird das Demorecht als Bezugspunkt genommen, selbstorganisierte Konzepte wie "Reclaim the streets", offene Aktionsplattformen usw. haben zumindest in der überwiegend krass autoritären deutschen "Linken" kaum eine Chance.
  • Bisheriger Höhepunkt sind selbstorganisierte Bestrafungsaktionen - von Verprügeln missliebiger anderer Gruppen und deren Aktivistis bis hin zu Ordner

In einer solchen Atmosphäre kann das Beispiel der Knäste ein wichtiger Einstieg in eine Debatte um Herrschaft sein. Binnen weniger Sekunden sind aus "Fuck-the-system"-Linken glühende VerfechterInnen von Knästen zu machen. Der Ruf gegen Knäste erntet noch etwas Zustimmung - wenn auch in der Geschichte der "Linken" der Trend von "Alle Türen waren offen, die Gefängnisse leer" über "Freiheit für alle politischen Gefangenen" (also nur noch sehr wenig) zu "Freiheit für alle linken politischen Gefangenen" geht - womit am Ende auch deutlich wird, worum es geht: Die eigene Macht unter Fortsetzung der Beherrschung anderer. Wer das "Gegen Knäste" dann allerdings übersetzt mit "Freiheit für alle Nazis und Vergewaltiger!" ist dem Rauswurf aus linken Zusammenhängen recht nahe. Nicht nur einmal ist es auf "linken" Veranstaltungen geschehen, dass KnastgegnerInnen als SexistInnen beschimpft und offen härtere Haftstrafen, Arbeitslager oder gar die Todesstrafe gefordert wurde. Insofern gilt für "Linke" dasselbe wie für Veranstaltungen allgemeine: Die Ablehnung von Knast, Polizei und Justiz ist nicht nur wichtig, weil Strafe ein widerliches Mittel der Herrschaftsausübung ist, sondern auch, weil das einen sehr guten, da provokativen Einstieg in die Debatte um Herrschaft im allgemeinen schafft.

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