Antirepression

STRAFVERFAHREN IN HALLE:
ORDNUNGSHAFT, RECHTSBEUGUNG ...

Das Gerichtsverfahren am 28.9.2005


1. Das Vorspiel zum Gerichtsverfahren ...
2. Dann: Der Strafbefehl
3. Das Richterium schlägt zurück ... Ordnungsgeld-Beschluss
4. Verweigerung der Haftentschädigung
5. Anträge und Anzeigen gegen Richter Maynicke und weitere
6. Der Beschluss zur Ordnungshaft durch Richter Maynicke
7. Das Gerichtsverfahren am 28.9.2005
8. Zweiter Versuch angesetzt - und wieder abgesagt: Einstellung!

Presseinformation vom 28.9.2005

Gerichtsverfahren gegen Jörg Berstedt endet vorzeitig mit Ordnungshaft für den Polit-Aktivisten
Am Mittwoch, dem 28. September 2005 fand vor dem Amtsgericht Halle ein Strafverfahren gegen Jörg Bergstedt statt. Hintergrund sind Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, wonach der linke Aktivist sich im November 2003 gegen einen Zugriff durch Beamte des Bundesgrenzschutz im Hallenser Hauptbahnhof gewehrt und dabei Widerstand geleistet und einen Beamten beleidigt haben soll. Das Verfahren vor dem Amtsgericht Halle endete jedoch schon nach wenigen Minuten – auf eine Weise, die selbst erfahrene Prozessbeobachter nicht erwartet hätten: Richter Maynicke verhängte gegen Bergstedt eine fünftägige Ordnungshaft, nachdem dieser auf sein Recht gepocht hatte, einen unaufschiebbaren Antrag zu stellen. Prozessbeobachter zeigen sich empört über das autoritäre Verhalten von Maynicke sowie die schamlose Beschneidung von selbstverständlichen Verteidigungsrechten.

Zu den Hintergründen des laufenden Verfahrens
Die Anklage gegen Bergstedt bezieht sich auf ein Training zu kreativen Protestformen im November 2003 in Halle. Inmitten des Hauptbahnhofs wurde ein Workshop zum offensiv-frechen Umgang mit staatlichen Ordnungshütern veranstaltet. „Dieses Training wurde durch einen rüden, unvermittelten Zugriff seitens der Sicherheitskräfte beendet“, erklärt Patrick Neuhaus – Teilnehmer des Trainings –, der auch die aktuelle Hauptverhandlung begleitet. Weiter führt er aus: „Wir waren bereits im Begriff zu gehen, als die Beamten unvermittelt Jörg Bergstedt angriffen und weg schleppten.“ Im Gegensatz dazu wirft die Staatsanwaltschaft Halle Bergstedt vor, sich durch Beleidigung und Widerstand gegen BGS-Beamten strafbar gemacht zu haben. Einen auf dieser Grundlage erstellten Strafbefehl über 900 Euro wollte der Aneglagte Bergstedt nicht hinnehmen und hatte daher Widerspruch eingelegt.

Hauptverhandlung mit schnellem Ende
Bei der Hauptverhandlung am 28. September 2005 vor dem Amtsgericht Halle kam es schon während der Aufnahme der Personalien zum offenen Eklat. Bergstedt hatte im Vorfeld des Verfahrens mehrfach erfolglos Akteneinsicht beantragt, da er sich selbst verteidigen wollte. Diese Einschränkung der Verteidigung wollte der Polit-Aktivist rügen und bat daher den Richter zu Beginn der Verhandlung, einen unaufschiebbaren Antrag stellen zu können. Diese Bitte wurde von Maynicke ignoriert. Auf die anschließende Forderung, diesen Umstand in das Verhandlungsprotokoll aufzunehmen, reagierte Maynicke mit unglaublicher Härte. Der Amtsrichter verhängte eine fünftägige Ordnungshaft gegen den Angeklagten, er habe sich „ungebührlich“ verhalten. Noch bevor dieser einen Befangenheitsantrag formulieren konnte, ließ Maynicke den Angeklagten von mehreren Justizbeamten aus dem Saal abführen. Prozessbeobachter berichten, dass es dabei zu Übergriffen gegen Bergstedt kam.
Eine halbe Stunde später traf vor dem Amtsgericht ein Großaufgebot der Polzei ein, dass unter demn Vorwand gerufen wurde, es habe eine „Massenschlägerei im Gerichtssaal“ gegeben. „All das ist vom Gericht frei erfunden worden, um die unglaublich autoritäre Vorgehensweise zu rechtfertigen. Dass selbst die Polzei vor Ort sich sichtlich irritiert zeigte, da sie nichts von dem geschilderten Szenario vorfand, spricht eine deutliche Sprache“, erklärt Patrick Neuhaus, der die gesamten Abläufe genau verfolgt hat. Wie andere Prozessbeobachter, die aus dem gesamten Bundesgebiet angereist waren, zeigt sich Neuhaus bestürzt über die Ereignisse an diesem Tag: "Das hier jemand zu Ordnungshaft verdonnert wird, weil er einen Antrag stellt – das finde selbst ich unglaublich“, schildert er nachdrücklich. Dieses Durchgreifen spreche für eine autoritäre Grundeinstellung des Richters. „Kein Rechtsanwalt wäre so behandelt worden“, führt Neuhaus aus und fügt hinzu: „Aber für Menschen ohne Rang und Namen, die sich nicht zum Objekt der Justiz machen lassen, sondern sich selbstbewusst verteidigen – genau dafür ist in Maynickes Ordnung kein Platz. Das eigentliche Problem sind allerdings nicht autoritäre Charaktere wie Maynicke, sondern die Justiz selbst, in deren Ordnung einzelne Richtern eine absolute, gottgleiche Stellung einnehmen.“

Über den Zustand des Angeklagten und den Fortgang der Verhandlung herrscht zur Zeit weiterhin Unklarheit. Für Fragen zum Stand der Dinge und zu Interviews zum Prozesse stehen unabhängige Prozessbeobachter bereit.

Mit der Bitte um Abdruck
Patrick Neuhaus, 29. September 2005
Antirepressions-Gruppe Halle-Magdeburg

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