Antirepression

IMPRESSIONEN GEGEN DEN KNAST

Teil 6: Steigerungen


1. Teil 1: Knastanfang und -alltag
2. Teil 2: Zahlen
3. Teil 3: Die Regeln des Gefängnisses
4. Teil 4: Knast-Logiken
5. Teil 5: Innere Disziplinierung
6. Teil 6: Steigerungen
7. Teil 7: Wem dienen Knast und Strafe?
8. Teil 8: Die Folgen des Strafvollzugs

Ausschnitte aus der Presseinformation des Justizministeriums NRW zu einer Studie über Knast und Gewalt
Gewalt im Strafvollzug ist orts- und zeitunabhängig. Hafträume sind nur in etwa 1/3 aller Fälle Tatort. Gänge, Flure und der Freistundenhof in jeweils 15 bis 20 Prozent der Fälle. Weitere Tatorte sind Duschen und auch Werkbetriebe. ... Allein die strikte Einzelunterbringung löst das Problem nicht, da ein nicht unerheblicher Teil der wegen Gewalttätigkeit inhaftierten Gefangenen wegen Suizidgefahr in Gemeinschaft untergebracht werden muss.

Aus "Etwas läuft grundsätzlich schief", in: FR, 21.11.2006 (S. 10)
Vergewaltigungen, schwerste Schlägereien, Abzockerei, dies alles gehört zum Haftalltag. ... Die Jugendlichen bleiben sich mehr und mehr selbst überlassen. ... in Siegburg wird den Insassen am Wochenende morgens mit dem Frühstück das Abendessen in Plastiktüten gleich mitgereicht. Danach ist Zapfenstreich. Für 18 lange, lange Stunden. ... "Wir kacken ab", beschreiben die Jugendlichen diesen Zustand.

Aus "Suizide sind nicht überraschend", Interview mit Torsten Verrel (Direktor am kriminologischen Seminar an der Universität Bonn), in: FR, 9.6.2008 (S. 6)
Dass sich Menschen in der Haft umbringen, ist allerdings wenig überraschend. Viele Häftlinge, gerade die jüngeren, erleben zunächst einmal den Haftschock. Sie sind zum ersten Mal in ihrem Leben ihrer Freiheit beraubt, sie sind konfrontiert mit dem brutalen Milieu im Gefängnis, ihre Beziehungen in ihrer alten Welt zerbrechen. Das provoziert natürlich Depressionen und das Gefühl der Ausweglosigkeit. ... Der Suizid ist einfach ein Begleitrisiko des Freiheitsentzugs, niemand kann sich darüber wundern.

Gefangenentransporte
Aus Deportation von Menschen in einem Rechtsstaat (von Ronny R., gesamter Text hier ...)
Tagtäglich werden kreuz und quer durch die gesamte Bundesrepublik Gefangenentransporte durchgeführt. Anders als zum Beispiel in den USA, wo auch Beförderungen in eigens dafür umgebauten Flugzeugen vollzogen werden, findet ein Transport von Gefangenen in Deutschland auf dem Landweg statt. Und dies zumeist unter unvorstellbaren Bedingungen, die mit der Menschenwürde keinesfalls vereinbar sind ...
Der Transport von Gefangenen kann differenzierte Gründe haben. Sei es die Anhörung beim Haftrichter, die Teilnahme an einem Gerichtsprozess, eine Besuchszusammenführung oder die Verlegung aus so genannten vollzugsorganisatorischen Gründen. Letzteres wird in der Regel mit dem von den Landesjustizverwaltungen in den einzelnen Bundesländern geltenden Vollstreckungsplänen begründet. ...
Transportiert werden Gefangene entweder in Einzel- oder in Sammeltransporten. Beim Sammeltransport verwenden Kritiker oft die Bezeichnung Deportation, denn der Ablauf und die Bedingungen eines Sammeltransports bewegen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in einer Grauzone der gesetzlichen Vorschriften. Soweit man überhaupt von aussagekräftigen Vorschriften reden kann. Der Transport von Gefangenen von einem Ort zum anderen ist in Deutschland gesetzlich nur rudimentär geregelt*1. Rechtliche, auf das Nötigste beschränkte Grundlagen zur Durchführung einer "Gefangenenreise" bietet die Gefangenentransportvorschrift (GTV). Leider ist denjenigen, die über Verlegungen zu entscheiden haben, nicht immer bewusst, wie belastend ein solcher Transport für Inhaftierte sein kann und welche Angst, Unruhe oder sogar Panik dieser bei den Betroffenen hervorruft. ...
Gefangene erleben die Beförderung in einem Gefangenentransporter oft als wahres Horrorszenario. ... Einzeltransporte werden in umgebauten Kleintransportern durchgeführt, von Gefangenen werden diese Fahrzeuge auch als "Grüne Minna's" bezeichnet. Dem Verfasser sind nur die Fahrzeuge in Thüringen bekannt, so dass er seine Erfahrungen auch nur aus diesen schildern kann. So sind unter anderem Transporter in Gebrauch, in denen es neben zwei mobilen Einzelzellen gewöhnlich auch eine Zelle für vier Personen gibt. Anschnallgurte sucht man in den etwas älteren Modellen vergebens, der Gefangene darf - meist an Händen und Füßen gefesselt - "großzügig" auf einer Parkbank ähnlichen Sitzfläche Platz nehmen und dann mit wahrer Körperbeherrschung und aller Kraft versuchen, dem Fahrverhalten des Transporters oder den jeweiligen Künsten des Steuermanns durch gekonntes Ab- und Gegenstützen zu trotzen. Mit gefesselten Extremitäten, wie bereits erwähnt. Nicht auszudenken, was bei einem Verkehrsunfall passieren könnte. ...
Das zweifelhafte Erlebnis der Reise in einem Gefangenentransportwagen (GTW), wie er fachlich korrekt im Justizdeutsch genannt wird, beginnt bereits beim Einsteigen. Die Schiebetür des Kleintransporters öffnet sich, doch an ein umgehendes Betreten ist noch gar nicht zu denken. Denn dahinter verbirgt sich gleich ein verschließbares Gitter. Schon beim "Hinaufsteigen" in den Transporter verspürt so mancher Gefangene den ersten Schmerz am Knöchel, weil die Fußkette nur kleine Schritte ermöglicht. Das Gitter wird geöffnet, der Gefangene, neben der Fesselung an Händen und Füßen zusätzlich angekettet an einen Vollzugsbediensteten, betritt den "Vorraum" und das Gitter hinter den beiden wird von einem weiteren Beamten des Vollzugsdienstes wieder verschlossen. Die Verbindung zwischen Gefangenen und Bediensteten, die so genannte Führungskette, wird gelöst. Nun geht es entweder in eine der mobilen Einzelkabinen oder in die große fahrbare Haftzelle. Bei letzterer Möglichkeit wird ein weiteres Gitter geöffnet und der Gefangene nimmt auf der bereits beschriebenen Parkbank ähnlichen Sitzfläche Platz. Überwacht von insgesamt vier Kameras - in jeder Ecke im Deckenbereich der großen Kabine - beginnt dann die Fahrt, "natürlich" weiterhin mit einer Fesselung an Händen und Füßen. Während der Fahrt kann das lebende Transportgut nahezu keinen Blick der Außenwelt widmen, da ausschließlich zwei kleine, sehr schmale Sichtschlitze vorhanden sind, welche in einigen Fahrzeugen zusätzlich mit Lochgittern versehen wurden. ... Übrigens sind Zwischenstopps, zum Beispiel der Gang auf eine Toilette, nicht möglich, so dass der Gefangene sich selbst beim menschlichsten Problem allein überlassen bleibt; Einzelheiten erspart sich der Verfasser aus Pietätsgründen.
Eine andere Beförderungsmöglichkeit ist der Sammeltransport. Nach einem festen Linienplan werden die Gefangenen wie eine Manövriermasse in umgebauten Reisebussen transportiert, welche zur Verhinderung von Entweichungen oder gar Befreiungsversuchen technisch gesichert sind. Im Durchschnitt bietet ein solcher Bus 11 mobile Zellen und Platz für 27 Gefangene. Zum Teil in Einzelkabinen gepfercht (oft nur einen halben Quadratmeter groß; zum Ausblick steht in den meisten Fällen nur ein winziger Sehschlitz zur Verfügung; als Luftzufuhr dient eine Belüftung, die entweder kalte oder warme Luft in den einer überdimensionalen verschließ- und verriegelbaren Sparbüchse ähnlichen Raum leitet; Anschnallgurte sind nahezu niemals vorhanden; Toiletten sind in den Thüringer Bussen nicht zu finden), wird der Gefangene wie ein Transportgut, wie eine Ware von A nach B gefahren. Gerade in den Sommermonaten bewegt sich eine derartige Beförderung im Bereich des Unerträglichen, da in den Bussen - die vorhandene Belüftung reicht nicht annähernd aus -horrende Temperaturen herrschen. Sammeltransporte durch ganz Deutschland können zum Teil mehrere Wochen dauern. Eine Fahrt von Aachen nach Dresden schlägt durchschnittlich mit 15 Tagen zu Buche, weil der Häftling zwischenzeitlich als "Durchgangsgefangener“ in verschiedenen Justizvollzugsanstalten verweilen und in der Logik nicht nachvollziehbare Umwege in Kauf nehmen muss. Untergebracht wird der Gefangene während dieses Zeitraumes in so genannten Termin-, Zu- bzw. Durchgangszellen, weiche meist spartanisch ausgestattet und stark verschmutzt sind. Oftmals entsprechen die Räumlichkeiten nicht einmal den Mindeststandards der Einhaltung menschenwürdiger Unterbringung, da diese Zellen stets überbelegt sind und zumeist über keine separat abgetrennte oder gesondert entlüftete Toilette verfügen. Dass sich vier Gefangene einen 12-Quadratmeter-Haftraum teilen mussten und im Status quo immer noch oftmals teilen müssen, ist keine Seltenheit.


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