Antirepression

VERKEHR, UMWELT UND DER KAPITALISMUS

Woran die Verkehrswende scheitert ...


1. Völlig verfehlte Verkehrspolitik
2. Zahlen, Fakten, Zitate - Material für Eure Flyer, Schautafeln usw.
3. Zahlen aus der Studie „Mobilität in Deutschland“ und dem ADAC-Mobilitätsindex
4. Gute Gründe gegen Autos (egal, welcher Antrieb)
5. Gegen das Auto und das Gequatsche vom Grundrecht auf Autofahren
6. Woran die Verkehrswende scheitert ...
7. Diesel & Co.: Alte Autos weg, aber keine neuen her!
8. Die sozialen Aspekte der Verkehrswende (gerechte Mobilität)
9. Abschaffung der Verkehrsregelungen senkt Unfallquote
10. Flugverkehr
11. Bahn jahrzehntelang zerlegt - Konzern kümmert sich vor allem um Aktienkurse
12. Politiker*innen-Gequatsche
13. Sprücheklopfer, Lobby & Co.
14. Vergessene Fragen der Mobilität
15. Bücher, Texte und Links zum Themenbereich

Jede Einschränkung des Autoverkehrs wird vehement bekämpft - unter anderem stets mit dem Argument, dass es der Wirtschaft schaden würde.

Aus dem Bericht "Lieber Blech als Bullerbü" über das ständige Scheitern, das Auto wenigstens ein bisschen zu verdrängen, um Platz für andere schaffen (am Beispiel der Fahrradstraße in Gießen), in: Spiegel am 28.12.2023
Gerichte kippen Radspuren, in Hannover wankt der Plan für ein autofreies Zentrum – und viel mehr Tempo 30 wird es in Deutschland erst mal nicht geben: Ist der Traum vom grünen Stadtumbau schon ausgeträumt? ...
Der Fall Gießen zeigt, wie schnell eine Vision für den Verkehr von morgen von der Realität eingeholt werden kann. Er steht stellvertretend für den Rückschlag, den solche Vorhaben immer wieder erleiden, ob in Hannover, Berlin, oder München. Wo auch immer das Auto zurückgedrängt wird, streiten Stadträte, klagen Bürger, protestieren Anwohner. Lange galt als nahezu ausgemacht, dass Städte Fahrrädern und Fußgängern künftig mehr Platz einräumen würden – doch zuletzt häuften sich Berichte vom Scheitern derartiger Vorhaben.
Wie Gießen wollen viele Kommunen Radwege bauen und Parkplätze reduzieren, in großen wie in kleinen Städten . Rein fachlich ist ein solches Vorgehen bei Stadt- oder Verkehrsplanern so gut wie unumstritten. Stark versiegelte Städte erscheinen in Zeiten der Klimakrise nicht mehr zeitgemäß. Zwar wächst die Pkw-Zahl, doch Sharing-Angebote, das Deutschlandticket für den Nahverkehr sowie der Fahrradboom sprechen für den Umbau.
Politisch ist der Widerstand dafür umso härter: Autofahrer sehen sich in ihrer Freiheit beschränkt, mit Tempo 50 direkt bis vor ein Geschäft zu fahren. Parteien und Wählervereinigungen geben diesen Stimmen Raum, lokale Medien greifen das Aufregerthema dankbar auf.

Bürger*innenentscheide und ähnliche Abstimmungen zeigen das immer gleiche Ergebnis: Die Menschen, die an einem Ort leben, wollen mehrheitlich Verkehrsberuhigung, Fahrrad und ÖPNV. Die Menschen, die woanders wohnen und an den Ort zum Einkaufen, Arbeiten usw. fahren, wollen, dass dort alle Flächen weiter für Autos vorbehalten werden - und pöbeln, agieren und stimmen gegen Straßenbahnen, Verkehrsberuhigung und Fahrradstraßen. Beispiele
Gießener Fahrradstraße (Verkehrsversuch) 2023: Starke Unterstützung pro Fahrradstraße bei Kommunalwahl 2021 und Einwohner*innenpetition 2023 aus der Innenstadt, Ablehnung und Bildung von fahrradjagenden Automobs aus dem Umland



Rechts: Ausschnitt aus einem Kommentar nach einem Testtag zur Schaffung einer Fußgänger*innenzone im Seltersweg - war doch gut für die Geschäfte (Gießener Allgemeine am 28.11.1966)



Aus "Weniger ist Mehrwert: Exnovation und die urbane Verkehrswende", Zukunftsimpuls Nr. 26 des Wuppertal Instituts 2023
Beispiele von Rückschlägen in Deutschland
Eines der bekanntesten Beispiele ist die Friedrichsstraße in Berlin. Diese wurde im August 2020 auf einem Abschnitt von 500 Metern für den Autoverkehr gesperrt und ein Fußgängerbereich sowie provisorische Radfahrstreifen errichtet. Zusätzlich zu der Kritik von einigen Gewerbetreibenden wurde der Versuch durch das Verwaltungsgericht Berlin als rechtswidrig eingestuft, sodass im November 2022 der Verkehrsversuch eingestellt wurde. Im Januar 2023 erfolgte eine erneute sofortige Sperrung des Abschnitts für den Autoverkehr, die jedoch aus rechtlichen Gründen im Juni 2023 aufgehoben wurde.
Ähnliche Erfahrungen musste die Senatsverwaltung in Berlin auch im Rahmen von Pop-up-Radwegen in Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Charlottenburg machen: Die Radwege wurden während der Corona-Pandemie temporär errichtet, mussten aber nach weniger als einem halben Jahr wieder zurückgebaut werden.
In Frankfurt wurde das autofreie Mainufer als Verkehrsversuch erprobt. Nach einem Jahr Erprobungszeitraum gab es keine gesetzliche Grundlage für eine Fortführung, sodass das Projekt endete und es nun nur noch temporäre Sperrungen während Veranstaltungen gibt.
In Mannheim endete der zwölfmonatige Verkehrsversuch zur lebenswerten Innenstadt nach seiner regulären Laufzeit. Auf zwei Verkehrsachsen wurde der Durchgangsverkehr durch eine Schranke sowie eine geänderte Verkehrsführung unterbrochen. Starke Kritik gab es seitens der Gewerbetreibenden.
In Hamburg wurden 2019 beim Verkehrsversuch „Ottensen macht Platz“ Teile des Quartiers Ottensen zur autofreien Zone erklärt. Das Verwaltungsgericht gab jedoch zwei Eilanträgen von zwei Gewerbetreibenden statt, sodass das Projekt für rechtswidrig erklärt wurde, da keine Gefahrenlage nachgewiesen werden konnte, die zum damaligen Zeitpunkt als rechtliche Voraussetzung galt.
In Bielefeld wurde im Verkehrsversuch „Altstadt.Raum“ für fast acht Monate eine autofreie Altstadt erprobt. Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Minden, war eine rechtssichere Fortführung des Pilotprojektes nicht möglich, sodass das Projekt nach der Testphase ausgelaufen ist und zurückgebaut wurde.
In Paderborn wurde auf der Detmolder Straße ein abgetrennter Proberadweg zu Lasten von Kfz-Fahrspuren installiert. Nach Ablauf des temporären Verkehrsversuchs von sechs Monaten wurde der Radweg zurückgebaut und die Fläche wieder dem Kfz-Verkehr zur Verfügung gestellt.
Die Stadt Münster erprobte in der Hörsterstraße eine autofreie Zone. Die Straße wurde in zwei Sommermonaten für den Durchgangsverkehr gesperrt und 50 Parkplätze wurden zu Aufenthaltsflächen umgestaltet. Nach Ablauf der zwei Monate wurde die Sperrung zurückgebaut und der Versuch ausgewertet.
In Aschaffenburg wurde in der Innenstadt eine Umweltstraße in der Luitpoldstraße erprobt. Zunächst war der Verkehrsversuch auf ein Jahr begrenzt, wurde dann um ein weiteres Jahr verlängert, dann jedoch eingestellt. Die Umweltstraße erlaubte den Zugang lediglich für aktive Mobilität, Busse und Taxis, anderer Kfz-Verkehr war untersagt. Fehlende Kontrollen führten jedoch zu einer hohen Anzahl illegaler Durchfahrten. Nach zwei Jahren erklärte die Regierung von Unterfranken den Verkehrsversuch als gescheitert.
Halle in Westfalen setzte in einem Verkehrsversuch seine bisher größte Tempo-30-Zone um. Dadurch änderten sich Vorfahrtsregeln, Parkplätze entfielen und Einengungen zur Geschwindigkeitsreduktion wurden umgesetzt. Der für sechs Monate angesetzte Verkehrsversuch wurde nach zwei Wochen durch den Bürgermeister aus Sicherheitsgründen beendet. Vorrangig wurde die eingeschränkte Befahrbarkeit für Notfallfahrzeuge vor allem der Feuerwehr genannt.
In Gießen am Anlagenring werden die Autos versuchsweise nur noch auf einer Einbahnstraße auf den äußeren Fahrbahnen geführt, während auf den inneren Fahrbahnen eine Fahrradstraße entsteht. Nach der Klage zweier Anwohnenden urteilte das örtliche Verwaltungsgericht den Verkehrsversuch als rechtswidrig ein. Die Stadt will zwar Beschwerde einlegen, sollte das Urteil jedoch rechtskräftig werden, muss der Verkehrsversuch frühzeitig beendet werden.
In Köln gibt es mit der Venloer Straße und der Deutzer Freiheit gleich zwei bekannte Verkehrsversuche zur Verkehrsberuhigung. Beide sind noch in der Umsetzung, werden aber massiv kritisiert. Für die Deutzer Freiheit wurde zwar ein Bürgerantrag auf Abbruch des Verkehrsversuchs abgelehnt, allerdings können aufgrund einer Anpassung nun Kraftfahrzeuge nun wieder Teilabschnitte befahren.

Hemmnisse für die Umsetzung von Exnovation in Deutschland
Vergleicht man die gescheiterten Verkehrsversuche, so lassen sich an einigen Stellen Parallelen ableiten, die Hinweise auf bestehende Hemmnisse für Exnovation in Deutschland geben.
Die Rechtssicherheit fehlt. Einige der Verkehrsversuche sind von den zuständigen Verwaltungsgerichten als rechtswidrig eingestuft worden. Lange Zeit durften Verkehrsversuche nur bei einem ausführlichen Nachweis einer erheblich erhöhten Gefahrenlage eingeführt werden. Dies hat sich zwar mit einer Novelle der Straßenverkehrsordnung im Jahr 2020 geändert, dennoch stellen auch bei jüngeren Verkehrsversuchen die notwenigen Voraussetzungen einen zentralen Streitpunkt dar. In Gießen ist beispielsweise weiterhin eine einfache Gefahrenlage nachzuweisen. Dies führt dazu, dass aufwändig geplante Verkehrsversuche blockiert werden und meist von Gegner*innen kritisch beäugt werden. Sind keine rechtssicheren Lösungen möglich und einfache Klagen unmittelbar zum Ende der Verkehrsversuche führen, schreckt das viele Kommunen ab, sich überhaupt für exnovative Maßnahmen einzusetzen.
Verkehrsversuche sind von vornherein auf Zeit angelegt. Bei einigen der genannten Verkehrsversuche fehlte ein Anschlusskonzept für die Fortführung der Maßnahmen, da die Verkehrsversuche nur für einen begrenzten Zeitraum angelegt waren – zum Teil sogar nur für wenige Wochen. Im Anschluss sollten sie evaluiert werden, um dann langfristige Lösungen zu finden. In der Zwischenzeit wurden die Maßnahmen wieder zurückgenommen, wodurch es zu einem Bruch in der Maßnahmenumsetzung kommt. Mobilitätsgewohnheiten und -routinen lassen sich in der Regel nur sehr langsam dauerhaft ändern. Verkehrsversuche bieten die Möglichkeit eine solche Veränderung in die Wege zu leiten. Wird der Versuch allerdings bereits nach kurzer Zeit wieder beendet, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich alte Muster wieder einstellen.
Die Beispiele aus dem Ausland zeigen, dass sich Verkehrsversuche bewährt haben, die auf einen längeren Zeitraum ausgelegt sind. Werden sie durch eine Evaluation begleitet, kann direkt nachgesteuert werden und auch innerhalb der Projektlaufzeit ein Konzept für die Fortführung erarbeitet werden, wie das Beispiel in Oslo zeigt. Der Fokus liegt auf verkehrlichen Änderungen und der Mehrwert für die Bevölkerung wird nicht deutlich. Viele der deutschen Projekte werden als reine Verkehrsprojekte gesehen. Teilweise werden am Rande auch positive Nebeneffekte kommuniziert. So stehen oftmals die restriktiven Eingriffe – wie Verbote und Einschränkungen – im Fokus, die automatisch auf Ablehnung stoßen. Gleichzeitig geht der eigentliche Mehrwert, wie der Zugewinn an Lebensqualität, der Rückgewinn an öffentlichem Raum und auch die Chancen für Kultur und Handel, verloren. Auch die Notwendigkeit und das übergeordnete Ziel, nämlich dem Klimawandel entgegenzuwirken, sollte für die Kommunikation genutzt werden. So wurde die autofreie Innenstadt in Oslo im Laufe des Projektes bewusst durch mehr Lebensqualität beworben. Diese sollte zwar durch die Reduktion des Autoverkehrs bewirkt werden, aber im Kern ging es darum das Stadtzentrum zu beleben und die Lebensqualität zu steigern.
Fehlende Kompromissbereitschaft. Bei den betrachteten deutschen Projektbeispielen wurde oft der Autoverkehr gänzlich verboten. Ein gänzliches Verbot ist jedoch häufig nicht sozialverträglich umzusetzen, zumindest nicht in einem kurzen Umsetzungszeitraum. Die europäischen Best-Practice-Beispiele haben sich hingegen überwiegend für Lösungen entschieden, in denen der Autoverkehr zwar erlaubt ist, aber über eine restriktive Verkehrsführung unattraktiv wird, sodass diese sich vor allem an den Durchgangsverkehr richten.
Schwache Argumentationsgrundlage. Der Verkehr ist ein emotional sehr aufgeladenes Thema, das alle alltäglich betrifft. Werden restriktive Maßnahmen umgesetzt, so ist in der Regel mit Widerstand zu rechnen. Bei den zuvor betrachteten deutschen Beispielen kommen verstärkt Gegenstimmen durch Gewerbetreibende und teilweise betroffene Anwohner*innen vor Ort. Bei der Betrachtung mehrerer Beispiele, wie der Friedrichstraße in Berlin, in Ottensen in Hamburg oder der Innenstadt Mannheims, zeigt sich schnell ein wiederkehrendes Bild mit ähnlichen Sorgen der Betroffenen. Der Konfrontation lässt sich jedoch (zumindest in Teilen) vorbeugen, indem eine gute Argumentationsbasis geschaffen wird. Das kann zum einen durch Studien und Evaluationen von vergleichbaren Projekten erfolgen, oder auch durch eine eigene Evaluation, die parallel zur Umsetzung durchgeführt wird und gängige Argumente von Gegner*innen entkräftet. Für London und Oslo wurden beispielsweise Untersuchungen zur Wirkung auf die lokale Wirtschaft durchgeführt, sodass das Argument von Umsatzeinbußen recht schnell entkräftet werden konnte. Ebenso konnte in London oder Barcelona das Argument von Verlagerungswirkungen auf Nebenstraßen entkräftet werden.
Punktuelle Maßnahmen zeigen oft wenig Wirkung und Effekte. Bei einigen der betrachteten Maßnahmen in Deutschland handelte es sich um sehr kleinteilige Maßnahmen und Umsetzungsräume. Das birgt das Risiko, dass die Maßnahmen nicht ihr volles Potenzial im Hinblick auf ihre Wirkung entfalten können. Die Erfolgsbeispiele aus dem Ausland hingegen beziehen sich auf Stadtquartiere. Zwar kann die Umsetzung innerhalb der Quartiere gestaffelt sein, sodass mit einzelnen Straßenzügen oder punktuellen Maßnahmen begonnen wird, bevor diese auf das Gesamtquartier ausgeweitet werden, aber der Betrachtungsraum ist von vornherein ein größerer.
(Innovative) Alternativangebote fehlen. Bei einigen der betrachteten Beispiele wurden die exnovativen Maßnahmen, die eine Einschränkung der Automobilität bedeuten, umgesetzt, ohne, dass ein adäquates Alternativangebot mitgedacht wurde. Das führt letztlich dazu, dass es Einschränkungen in der Mobilität insgesamt gibt und was letztlich zu Ablehnung und Akzeptanzproblemen führt. Die Beispiele aus London, Oslo oder Gent zeigen sehr deutlich, dass ein hochwertiges Alternativangebot mit innovativen Lösungen im Umweltverbund notwendig ist, bevor der Autoverkehr durch exnovative Maßnahmen deattraktiviert und gezielt reduziert werden kann.
Mangelnde Transparenz und Kommunikation führen zu Akzeptanzproblemen. Einige der deutschen Beispiele zeigen, dass die Relevanz von Transparenz und der Kommunikation der Veränderungen unterschätzt wird. Dadurch entsteht oft Unsicherheit in der Bevölkerung oder es können sich sogar Fehlinformationen über das Projekt verbreiten. Ähnliche Erfahrungen wurden beispielsweise auch in Barcelona oder Oslo gemacht. Die Problematik ist also nicht neu, führt allerdings auch in Deutschland immer wieder zu großen Akzeptanzproblemen bei restriktiven Verkehrsprojekten. Medien stellen dabei ein wichtiges Medium dar, die durch eine positive Berichterstattung die Akzeptanz zusätzlich beeinflussen können.
Rückhalt in der Politik fehlt. Bei deutschen Beispielen zeigte sich, dass die Politik zum Teil nicht vollständig hinter den umgesetzten Projekten steht. Beim ersten Widerstand wurde das Projekt ersatzlos eingestellt oder Überwerfungen der politischen Parteien stärkte die Unsicherheit in der Bevölkerung. Auch hier zeigen internationale Beispiele wie Paris oder Oslo wie wichtig der politische Mut und der politische Wille bei der erfolgreichen Umsetzung derartiger Projekte ist.
Fehlende Kontrollmechanismus. Die Verkehrsversuche gehen meist mit neuen Verkehrsregeln im betreffenden Gebiet einher. Das heißt Mobilitätsgewohnheiten und -routinen müssen angepasst werden. So kann es sein, dass neuerdings das Parken an einer Stelle nicht mehr gestattet ist, dass neue Geschwindigkeiten gelten, dass gewisse Straßen nicht mehr oder nur noch in einer ausgewiesenen Richtung befahren werden dürfen. Das kann in einer Übergangsphase durchaus dazu führen, dass die neuen Regelungen (mit oder ohne Absicht) nicht befolgt werden. Wird jedoch publik, dass die Regelung weiterhin ohne Ahndung missachtet werden können, so wird eine Maßnahme ineffektiv, wie beispielsweise in Aschaffenburg, wo sich ein recht hoher Anteil illegaler Durchfahrten einspielte. Die Stadt Gent hingegen hat einen Kontrollmechanismus etabliert, der die illegalen Durchfahrten über eine Videoüberwachung auswertet und entsprechend ahndet.
Die Kritik der Gewerbetreibenden. Bei nahezu allen Verkehrsversuchen, die den Autoverkehr in Innenstadt- oder Kernbereichen einschränken, hält sich das zentrale Argument einiger Gewerbetreibenden, dass eine Einschränkung der Automobilität zu Umsatzeinbußen führt. In nicht wenigen Verkehrsversuchen sind es die Klagen von Gewerbetreibenden, die letztlich auch das Aus für den Verkehrsversuch bedeuten. Das Argument der Umsatzeinbußen kann jedoch anhand zahlreicher Evaluationen widerlegt werden. Vielmehr zeigte sich bei einzelnen Projekten, dass es bereits vorher aus unterschiedlichen Gründen eine Krise des Einzelhandels gab, die dann einem neuen Verkehrsversuch zugeschrieben wird. So spielen beispielsweise ein hochpreisiges Warenangebot, die Zunahme des Onlinemarktes, die Pandemie-Auswirkungen und Standortfaktoren häufig bereits eine zentrale Rolle, die unabhängig von einem Verkehrsversuch einen negativen Einfluss auf den Einzelhandel hat. Die Reduktion von Autoverkehr hat bei Vorreiterstädten vielmehr dazu geführt, dass es positive Effekte für die meisten Gewerbetreibenden gab, etwa dadurch, dass mehr Laufkundschaft angelockt werden konnte.
Die Sorge einer Verlagerungswirkung: Ein weiteres zentrales Argument, dem sich viele Verkehrsversuche konfrontiert sehen ist, dass der Autoverkehr nur punktuell reduziert wird und stattdessen auf Nebenrouten verlagert wird. Dies ist natürlich für den Einzelfall zu prüfen, gleichzeitig gibt es eine breite Datenbasis bestehender Verkehrsversuche, die zeigen, dass es zwar oft eine Verlagerungswirkung gibt, diese aber im Vergleich zur Verkehrsreduktion im Untersuchungsgebiet sehr viel geringer ausfällt. Besonders die Verkehrsreduktion ist ins Auge zu fassen, denn durch die Einschränkungen wird das Autofahren unattraktiver, wodurch das Auto als bevorzugtes Verkehrsmittel in Frage gestellt wird und zumindest für solche Wege künftig vermieden wird, für die es attraktive Alternativen gibt. Diese Reduktion kann sich dann auch auf das Nebennetz als Zubringerwege auswirken.
Unzufriedenheit mit der Verkehrssituation wird dem Verkehrsversuch zugeschrieben. Die Verkehrssituation in vielen Städten Deutschlands sorgt bereits im Ist-Zustand für großen Unmut – ganz gleich, ob durch Staus, Wartezeiten oder fehlende Parkmöglichkeiten. In Gießen und Paderborn konnte beobachtet werden, dass eine bestehende Unzufriedenheit mit der Verkehrssituation dem Verkehrsversuch zugeschrieben wurde, obwohl beispielsweise bereits zuvor ein Bahnübergang für Rückstaus gesorgt hatte.
Die dargelegten Hemmnisse zeigen sehr deutlich, wie vielfältig die Herausforderungen bei der Umsetzung von Exnovation sind. Gleichzeitig bieten sie aber auch Anknüpfungspunkte, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Die Frage, die sich vor diesem Hintergrund stellt: Welche Handlungsempfehlungen lassen sich daraus ableiten, um Exnovation und Verkehrswende in Zukunft aktiv zu gestalten?

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