Projektwerkstatt

UMFASSENDE DEMOKRATIE?

Aus dem Buch


1. Texte aus Klassikern und aktuellen Theoriewerken (Übersicht)
1. Aus dem Buch
2. Das Grundlagenprogramm
4. Staat ohne Herrscher
5. Input-orientierte und output-orientierte Demokratie
6. Von den natürlichen Bedingungen der Menschheit im Hinblick auf ihr Glück und Unglück
7. Hamilton/Madison/Jay: Verfassungskommentar
8. Revolution der Demokratie
9. Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein
10. Niklas Luhmann: Die Zukunft der Demokratie
11. Vom Gesellschaftsvertrag
12. Joseph Schumpeter: Elitetheorie
13. Max Weber: Politik als Beruf
14. Die bürgerliche Elite zu ihrem Liebling "Demokratie"
15. Der Staat
16. Thomas von Aquin: Über die Herrschaft des Fürsten
17. Input-orientierte und output-orientierte Demokratie
18. Führungsschicht und einzelner Bürger
19. Die Machtfrage bei Hobbes und Spinoza
20. Vom Staatsrechte, oder dem Rechte in einem gemeinen Wesen
21. Hardt/Negri: Multitude

Seite 225 f.
Es sind keine institutionalisierten politischen Strukturen vorhanden, die ungleiche Machtbeziehungen verkörpern. Wenn also beispielsweise an Teile der Körperschaft der Bürger die Autorität zur Verrichtung bestimmter Pflichten delegiert wird (wie zum Beispiel als Mitglieder von Volksgerichten oder von regional- und Förderationsräten), geschieht diese Delegierung prinzipiell durch Los und auf Rotationsbasis und kann jederzeit durch die Körperschaft der Bürger wiederrufen werden. ...
Alle Einwohner eines bestimmmten geographischen Gebiets (...) oberhalb eines bestimmten Alters (das von der Körperschaft der Bürger selbst festgelegt werden muss) sind ... am Entscheidungsprozess beteiligt.

Seite 248 ff.
Kurz gesagt, ist die grundlegende Einheit, die in einer föderalen Demokratie die Entscheidungen trifft, die Gemeindeversammlung, die ihrerseits Macht an Gemeindegerichte, Gemeindemilizen usw. delegiert. Aber außerdem müssen immer noch viele wichtige Entscheidungen von Vertretern getroffen werden, die durch die Gemeindeversammlungen delegiert werden. Murray Bookchins Beschreibung der Rolle der regionalen und föderalen Räte ist sehr klar:
Was also ist Föderalismus? Er ist vor allem ein Netz von Verwaltungsräten, deren Mitglieder oder Delegierte aus demokratischen, auf direkter Teilnahme der Betroffenen beruhenden Versammlungen der Bevölkerung in den verschiedenen Dörfern, Städten oder auch Vierteln der großen Städte gewählt werden. Die Mitglieder dieser föderierten Räte haben ein imperatives Mandat sind abrufbar und gegenüber den Versammlungen, die sie zum Zweck der Koordinierung und Verwaltung der von den Versammlungen selbst festgelegten politischen Richtlinien auswählen, rechenschaftspflichtig. Uwe Funktion ist demnach rein administrativer und praktischer Art und hat nichts mit politischer Gestaltung zu tun wie es bei den Repräsentanten in republikanischen Regierungssystemen der Fall ist." (Murray Bookchin, "The meaning of confederalism", Society and Nature, Vol. 1, Nr. 3 (1993)). ...

Einem weiteren gängigen Einwand gegen die demokratische Form des Entscheidungsprozesses zufolge führt diese leicht zu einer "Tyrannei der Mehrheit" durch die diverse - kulturell, ethnisch oder sogar politisch definierte Minderheiten von der jeweiligen Mehrheit einfach unterdrückt würden. So verkünden einige Libertäre, die Mehrheit habe "kein größeres Recht, der Minderheit - und sei es eine aus einer Person bestehende Minderheit - Vorschriften zu machen als die Minderheit der Mehrheit". Andere heben hervor, dass "demokratische Herrschaft immer noch Herrschaft ist ... auch sie bringt inhärent immer noch die Unterdrückung des Willens zumindest einiger Menschen mit sich" (L. Susan Brown, The Politics of Individualism (Montreal: Black Rose Books, 1993), S. 53).
Ich denke, hier liegen zwei Problemkreise vor, die getrennt voneinander untersucht werden müssen, nämlich erstens die Frage, ob Demokratie immer noch "Herrschaft" ist, und zweitens, wie Minderheiten, selbst Minderheiten, die nur aus einer Person bestehen, geschützt werden können. In bezug auf das erste Problem ist offensichtlich, dass diejenigen, die ? wie wir in Kapitel 5 gesehen haben irrtümlich ? annehmen, Demokratie bringe eine Form von "Herrschaft" mit sich, die nicht?staatliche Form von Demokratie mit deren staatlichen Formen verwechseln. Dabei ignorieren die Libertären, die diesen Einwand gegen die Demokratie erheben, ganz einfach die Tatsache, dass in einer nicht?etatistischen Konzeption von Demokratie kein Konflikt zwischen der Demokratie und der Freiheit des sozialen Individuums besteht, weil alle sozialen Individuen in gleichem Maß an der Macht teilhaben und am Entscheidungsprozeß teilnehmen können. Außerdem weist Bookchin zu Recht darauf hin, dass die von diesen Kräften vor geschlagene Alternative, nämlich der Konsens, "die individualistische Altemative zur Demokratie" (Murray Bookchin, "The democratic dimension of anarchism", Democracy and Nature, Vol. 3, Nr. 2 (1996)) ist -eine Alternative, die in Wirklichkeit so tut, als gebe es die individuelle Verschiedenartigkeit, die von der Demokratie angeblich unterdrückt wird, überhaupt nicht! ...

Im Prinzip sollte daher die Frage der Menschenrechte in einer nicht?staatlichlichen Demokratie, wie wir sie definiert haben, gar nicht auftauchen. Und doch bleibt auch in einer umfassenden Demorkatie die Frage bestehen, wie man die freiheit des Einzelnen am besten vor den kollektiven Entscheidungen der Versammlungen schützt. ...

Wo immer Minderheiten geographisch voneinander separiert sind, könnte diese Losung ihre gesellschaftliche Position schützen. Aber in Fällen, in denen eine derartige geographische Trennung nicht besteht sollten vielleicht andere institutionelle Formen eingeführt werden, die separate Versammlungen für Minderheiten innerhalb der Föderation schaffen oder den Minderheiten vielleicht auch ein Vetorecht in Form von "Blockstimmen" geben könnten. ...

In letzter Instanz hängt die individuelle und kollektive Autonomie von der Internalisierung demokratischer Werte durch jeden Bürger ab.

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