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REVISIONSSCHRIFT DES ANGEKLAGTEN P.N.

Verletzung des § 261 II StPO (Verfahrensrüge)


1. Revisionsschrift des Angeklagten P.N.
2. Verletzung des § 275 und § 338 Abs. 7 (Verfahrensrüge)
3. Verletzung des § 260. Abs. 1 (Verfahrensrüge)
4. Verletzung des § 147, Abs. 7 StPO (Verfahrensrüge)
5. Gewalttätiges Auftreten an der Eingangskontrolle
6. Entfernung von Personen mit abweichender Kleidung
7. Verletzung des § 261 II StPO (Verfahrensrüge)
8. Verletzung des § 261 im Urteil zu den Anklagepunkten 1-8 (Verfahrensrüge)
9. Verletzung StPO § 24, Abs. 2 und Verletzung des Gesetzes nach StPO § 338, Satz (Verfahrensrüge)
10. Ablehnung der Beiordnungsanträge (Verfahrensrüge)
11. Bruch von Vereinbarungen bei Terminplanung u.a. (Verfahrenrüge)
12. Sachrüge
13. Sachliche Fehler zum Anklagepunkt 9 (Hausfriedensbruch am 27 März 2003)
14. Links 

Gerügt wird die fehlende Beweiserhebung zu Anträgen der Angeklagten. Damit wurde ihr Recht auf faire Verteidigung beeinträchtigt. Vor allem Widersprüche in den Aussagen der Polizeizeugen erschienen dem Gericht so unter einem anderen Licht, weil es die Möglichkeit, dass diese Aussagen bewusst und zusammenhängend falsch erfolgten, von vorneherein ausschloss (Verstoß gegen § 261, Abs. 1 StPO).

Behauptungen und Beweisanträge der Angeklagten, die umfangreichen Gesamtkonstruktionen der Polizei zu durchleuchten, wurden nicht beachtet. Eine Vielzahl umfangreicher Beweisanträge bezüglich der Frage, ob die Polizei in Giessen in den vergangenen Jahren in vielen Fällen nachweisbar Anklagepunkte und Beschuldigungen frei erfunden hatte, wurden als unerheblich abgetan, obwohl die Angeklagten immer wieder hervorhoben, dass aus ihrer Sicht auch die Anklagepunkte des laufenden Verfahrens genauso erfunden waren. Das Gericht zeigte mit der Ablehnung eine deutliche Befangenheit in der Weise, dass es von vorneherein ausschloss, dass die Polizei gezielt und bewusst Beweise fälschen und Straftatvorwürfe frei erfinden könne. Zudem verhinderte es damit, Verfahrenshemnisse aufzudecken und auszuräumen.
Die folgenden Anträge wurden wegen dieser Ablehnung zurück gewiesen oder gar nicht behandelt:
  • Antrag am 10.3.2005 hinsichtlich der erwiesenen Falschbehauptungen von Zeugen, Anzeigestatter und Polizeiführung im Zusammenhang mit dem vorgeworfenen Hausfriedensbruch am 27.3.2003 (Bl. 55 - 59, Band V). In der Ablehnung des Gerichts (Bl. 63, Band V) wurde den Angeklagten zugestanden, im Verlauf der Verhandlung ausstehende Fragen zu den Hintergründen und möglichen Falschaussagen zu prüfen. Diese Zusage wurde nicht eingehalten, wie die folgenden Ablehnungen zeigen.
  • § Antrag am 21.3.2005 zu je einem von der Polizei samt Beweismitteln komplett erfundenen und sogar gegenüber der Presse benannten Farb- und später Brandanschlag am 9.12.2003 (Bl. 92f, Band V). Im Ablehnungsbeschluss des Gerichtes (Bl. 182, Band V) wird behauptet: "Vorliegend ist nicht zu erkennen, wer, welche Straftaten systematisch erfinden soll. Das Polizeipräsidium als Behörde ist dazu jedenfalls nicht in der Lage." Diese Begründung ist abwegig. Der Antrag benannte die Pressestelle der Polizei und schließlich auch konkrete Beamte als Verursacher der falschen Beschuldigungen. Die Formulierung im Gerichtsbeschluss "Das Polizeipräsidium als Behörde ist dazu jedenfalls nicht in der Lage" zeigt die Befangenheit der Kammer, die offensichtlich der Meinung ist, eine Polizeibehörde würde grundsätzlich nicht fälschen und erfinden. Damit hat das Gericht einer neutralen Beweiserhebung den Weg von Beginn an verbaut. Der Hilfsantrag zur Aufklärung der Rolle der Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang wurde gar nicht beachtet und auch nicht beschieden.
  • Zwei Anträge am 21.3.2005 zur Manipulation von Gerichtsakten durch die Polizei Gießen im Verfahren um den 10.7.2004 (Bl. 92g, Band V). Der mit dem Antrag verbundene Hilfsantrag wurde weder beachtet noch beschieden.
  • Drei Anträge am 21.3.2005 zur Kriminalitätsstatistik 2003 in Mittelhessen (Bl. 89, Band V). Die Ablehnung ist in diesem Fall von besonderer Bedeutung. Zum einen fallen mehrere der im Prozess angeklagten Punkte in das Jahr 2003. Die Polizei benennt in ihrer Statistik bereits "Täter". Das ließ die Befürchtung zu, dass Angehörige dieser Behörde vor Gericht nicht mehr ohne Druck aussagen können. Zum zweiten formuliert das Gericht in seiner Ablehnung (Bl. 178-180, Band V): "Über den Grad des Tatverdachts und den Ausgang der Verfahren wird in der Kriminalitätsstatistik der Polizei im Allgemeinen keine Aussage getroffen. Dass dies hier anderes gewesen wäre, ist nicht erkennbar." In der Kriminalitätsstatistik wird der Begriff "Täter" benutzt. Das ist, anders als das Gericht es bewertet, sehr wohl eine Aussage zum Grad des Tatverdachtes, nämlich der höchste Grad. Das Gericht aber formuliert weiter: "Bei vernünftiger Betrachtung besteht sonach kein Zweifel, dass der Verwendung des Begriffs "Täter" in diesem Zusammenhang keine Vorverurteilung beizumessen ist." Was an dieser Interpretation "vernünftig" ist, bleibt völlig unklar. Vielmehr ist der Begriff "Täter" in einer der Presse übergebenen Veröffentlichung der Polizei eindeutig eine Aussage, die einer Vorverurteilung gleichkommt. Auf diesen Punkt haben die Angeklagten in ihrer Gegendarstellung (Bl. 192, Band V) hingewiesen. Auszug: "In der Zurückweisung des Beschlusses wird behauptet, dass ?über den Grad des Tatverdachts ... keine Aussagen getroffen' werden. Das ist sichtbar falsch. Die Bezeichnung ?Täter' meint den maximalsten Grad des Tatverdachts. Es ist unverständlich, warum im Beschluss des Gerichts hier eine andere Darstellung erfolgt. Sie ist offensichtlich unsinnig. Die Bezeichnung ?Täter' ist die Behauptung, dass die damit bezeichnete Person oder Personen tatsächlich die Tat begangen haben. Auch die Formulierung des Gerichtsbeschlusses, dem Begriff ?Täter' sei ?in diesem Zusammenhang keine Vorverurteilung beizumessen' kann aus hiesiger Sicht nicht zugestimmt werden. Eine solche Interpretation scheidet sprachlich aus, vielmehr mein der Begriff ?Täter' die Person, für die damit ausgesagt wird, die Tat auch begangen zu haben." Zudem fügten die Angeklagten ihrer Gegenvorstellung (Bl. 192, Band V) die Ereignisse vom 11.4.2005 hinzu, wo Polizisten im Verlauf der Verhandlung erneut nachweisbar falsche Vorwürfe gegen den Angeklagten Bergstedt erhoben. Das Gericht lehnte aber wiederum ab.
  • Beweisantrag am 7.4.2005 zu politischen Hintergründen von Polizeimaßnahmen in den Tagen 9.-13.1.2003 (Bl. 139, Band V), in denen drei Anklagepunkte des Verfahrens lagen. Der Antrag wurde als unbedeutend abgelehnt (Bl. 229, Band V), obwohl er sich sehr eng auf die konkreten Anklagepunkte bezog, von denen drei am 9. bzw. 11.1.2003 stattfanden, also innerhalb dieses Zeitraumes.
  • Beweisantrag am 25.4.2005 zu Falschdarstellungen der Polizeiführung im Zusammenhang mit der Stadtverordnetensitzung am 27.3.2003 (Bl. 222+223, Band V). Dieser Antrag wurde abgelehnt (Bl. 230+231, Band V). Nur in diesem einzigen Fall ist in der Ablehnung auch der Hilfsantrag beschieden worden.

Die Ablehnung dieser Anträge schlägt sich belegbar im Urteil nieder. Die Bedenken der Angeklagten werden dort sogar erwähnt: "Dem Zeugen Walter und den übrigen als Zeugen aufgetretenen Polizeibeamten warf der Angeklagte vor, sie machten gemeinsame allesamt Sache, damit er bestraft werde. Zum Beleg führte er eine lange Reihe von Umständen an, die teilweise nicht von der Hand zu weisen waren, aber vorliegend nach Überzeugung der Kammer jedenfalls keinen Einfluss auf Aussagen der Polizeibeamten in Richtung unbewusster oder gar bewusster Falschbelastungen hatten." (Urteil, S.12, Hervorhebung durch den Beschwerdeführer). Wenn das Gericht schon andeutet, die vorgebrachten Umstände für plausibel zu halten, wäre es geboten gewesen, den Anträgen der Angeklagten statt zu geben. Ebenso hätte das Gericht begründen müssen, wie es zu der Einschätzung kommt, dass nicht von der Hand zu weisende Belege keinen Einfluss auf das konkrete Verfahren haben sollen. Aus den Ausführungen des Gerichts ist dieser Weg nicht nachvollziehbar.

Im Kommentar zur Strafprozeßordnung von L. Meyer-Goßner heißt es zum § 260: "Der Richter muss sich mit allen wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Umständen auseinandersetzen". Dieses ist vorliegend nicht geschehen.

Die Überzeugung der Kammer sowie die Gründe, die zur Bildung dieser Überzeugung geführt haben, müssen nachvollziehbar dargelegt werden. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und vom Gericht gezogene Schlussfolgerungen nicht etwa nur eine Annahme sind oder sich als bloße Vermutung erweisen, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermögen (BGH StV 2002, 235). All das ist nicht der Fall, womit an dieser Stelle ein relativer, inhaltlich schwer wiegender Revisionsgrund gegeben ist.

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