GEWALT: NOTWENDIG ODER FETISCH?
Fetisch Militanz
1. Fetisch Militanz
2. Jammern auf hohem Niveau: Militante Macker jammern über militante Fascho-Macker
3. Zur Bedeutung von Militanz als Protestform
4. G8-Militanz: Identitäre Mackerei - am Beispiel
5. Gewalt - Ja oder nein?
6. Links
Verfasst für das Buch "Anarchie. Träume, Kampf und Krampf im deutschen Anarchismus" (Gliederung).
Überarbeitet für das Buch "Gewalt" (ein Band in der Pocket-Theoriereihe). Weitere Aktualisierungen und Ergänzungen folgen.

Das ist kein Kriterium des Militanten. So wie viele Menschen (auch) gewaltfreie Aktionen machen, aber deshalb nicht der Auffassung sind, diese sei allein zulässig oder seligmachend, so gibt es auch viele Aktivist_innen, die bei passender Gelegenheit politische Außenwirkung zu erreichen oder etwas aufzuhalten versuchen mit Sabotage oder gar Angriffen auf Menschen, ohne jedoch die Überzeugung zu vertreten, nur der militante Kampf sei der richtige und gute.


Doch leider geht nicht nur selten darum, im Ergebnis eines abwägenden Strategiefindungsprozesses den Entschluss zu fassen, mit einem Angriff auf Material oder sogar Menschen ein bestimmtes Ziel zu erreichen, was anders nicht zu erreichen ist. Handlungsführend ist die Illusion, brennende Mülleimer, Barrikaden oder Flaschenwürfe auf Polizist_innen könnten die Befreiung bringen oder zumindest Ausdruck einer dafür werbenden, politischen Botschaft sein.
Im Original: Gewalt-Fetisch?
Entgegnung von John Doe auf den Gewaltfreiheits-Vordenkers Jochen Stay in: Jungle World, 13.6.2007 (S. 19):
Der Autonome Werbeblock zur Prime Time hat allen anderen die Show gestohlen. Der von der Bild-Zeitung zum "Bürgerkrieg" geadelte Krawall legt sich wie ein Tränengasnebel über die Inhalte der Demonstration. Und das ist auch gut so, denn der staatsfetischistische Quark von Attac und der antiimperialistische Firlefanz aus dem gleichnamigen Block verdienen es, ohne Gehör zu bleiben.
Dabei ist der Schwarze Block im doppelten Sinne aufregend. Er hebt sich nicht nur durch seine ebenso bizarre und unterhaltsame Selbstinszenierung angenehm vom Rest ab. Neben vielen Spinnern, Pyromanen und Verkleidungskünstlern finden sich bei den Autonomen Gruppen und Personen, die mit der Systemkritik aufs Ganze gehen und gegen die Diktatur der Produktion über die Bedürfnisse das Primat der Bedürfnisse über die Produktion fordern.
Der Schwarze Block macht die Radikalität und Kompromisslosigkeit dieser Systemkritik sichtbar. Schon um der Glaubwürdigkeit willen muss das staatliche Gewaltmonopol in Frage gestellt werden. Kollektiv wird durch die Straftat „Vermummung“ das Demonstrationsrecht gebrochen. Alleine die Formierung eines solchen Blocks ist ein Zeichen von politischem Selbstbewusstsein. Der zur Schau gestellte Unwille, sich von den Knüppelschergen verkloppen zu lassen und gegebenenfalls zurückzuschlagen oder sogar selber anzugreifen, ist Teil einer politischen Strategie. Angriffe auf die Polizei sind Ausdruck einer Staatsfeindlichkeit, die wiederum Folge einer radikalen Gesellschaftskritik ist. Das in dieser symbolischen und trotzdem handfesten Auseinandersetzung dem einen oder anderen mitunter wehgetan wird, liegt in der Natur der Sache. Schön ist das nicht, aber mein Mitleid für Leute, die auf Befehl und für Sold andere Leute mit dem Knüppel bearbeiten, hält sich in Grenzen. Es ist eine politische Entscheidung' sich zum Werkzeug zu machen, wie es eine politische Entscheidung ist, militante Systemkritik zu betreiben. ...
Ach, es lässt sich nur schwer abstrakt über Militanz reden. In ein paar Minuten auf der Straße kann man manchmal mehr über die Verhältnisse lernen als beim jahrelangen Sitzen im Lesekreis. Da stellt man etwa schnell fest, dass ein rot-grüner Polizeiknüppel genauso wehtut wie ein schwarz-gelber. Wer nie das erotische Kribbeln beim Flambieren einer Wanne erfahren hat, wird es nie verstehen. Überhaupt, warum soll man angesichts der ungeheuren Gewalttätigkeit der Verhältnisse friedfertig bleiben? Nein, es gilt, auf die Barrikaden zu gehen und den Verhältnissen wenigstens symbolisch den Krieg zu erklären.
Kritik im Text „Du willst also einen Aufstand?“ aus dem Buch Message in a bottle – CrimethInc Communiques 1996-2011, übersetzt von der bm-Crew, Unrast 2012
Dadurch, dass sie ihre präferierten Taktiken glorifizieren und über die ihrer potentiell Verbündeten stellen, stellen solche Hitzköpfe falsche Gegensätze her, die sie von den Mitteln und dem Support, die sie brauchen um ihre Aktionen effektiv, selbst erhaltend und ansteckend zu machen, trennen. Mensch kann diese Tendenz als eine Überreaktion auf die Schwerfälligkeit der Bündnisse der Antikriegsbewegung sehen. Es gibt nichts gutes an erzwungener Einheit, die die Beteiligten paralysiert und entmutigt autonome Aktionen zu machen.

