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Ö-PUNKTE 3/2001 ("HERBST")

Verbändeanhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung


1. Rubrik Anti-Atom: Die bündnisgrüne Politik korrumpiert sich selbst mit Siemens-Werbung
2. Vertuschter Atomunfall in der Geest?
3. Verbändeanhörung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung

IPPNW lehnt geplante Atomgesetz-Novelle ab
Bonn/Berlin, den 6. August 2001: Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW sieht in dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Novellierung des Atomgesetzes einen Versuch, einen langfristigen Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke zu ermöglichen und die "eigentlich sehr schlechte Rechtsposition der Atomkraftwerksbetreiber" zu verbessern. Auf der heute in Bonn stattfindenden Verbändeanhörung der Bundesregierung erläutert IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz, dass die Regierung die Betriebsgenehmigungen der deutschen Atomkraftwerke bei einem ordnungsgemäßen Vollzug des derzeitigen Atomgesetzes widerrufen müßte, nicht zuletzt unter Beachtung der Rechtssprechung des Verfassungsgerichts. "Stattdessen bescheinigt sie in ihrem Gesetzentwurf entgegen den eigenen internen Analysyen den Atomanlagen einen rechtlich akzeptablen Sicherheitsstandard, begnügt sich mit Dauer-Zwischenlagern als Nachweis für die Entsorgung des Atommülls und verzichtet darauf, eine risikoadäquate Haftpflichtversicherung vorzuschreiben."
Auffallend oft wird in dem Gesetzentwurf betont, dass die deutschen Atomkraftwerke dem "Stand von Wissenschaft und Technik" entsprächen. Diese Aussage steht in krassem Widerspruch zu einer internen Analyse des Bundesumweltministeriums aus dem Jahre 1999. Darin wird nüchtern auf die deutliche Verschärfung der Sicherheitsanforderungen für neue Atomkraftwerke unter der Regierung Kohl verwiesen, wobei die laufenden Atomkraftwerke explizit von den erhöhten Anforderungen ausgenommen wurden. Diese wären von den Altanlagen selbstverständlich nicht zu erreichen. Ein juristisch wasserfester Beleg, der zeigt, dass die laufenden Atomkraftwerke nicht wie gesetzlich gefordert dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen. Laut bestehendem Atomgesetz und Kalkar-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts müssen daher die Betriebsgenehmigungen widerrufen werden.
Stattdessen aber möchte die Bundesregierung als einen von zwei neuen Gesetzeszwecken die Sicherstellung eines geordneten Betriebs für die Atomkraftwerke festschreiben und einen Weiterbetrieb über das Jahr 2024 hinaus erlauben. Dies steht nach Auffassung der IPPNW im Widerspruch zur Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts, das 1978 bezüglich eines möglichen Super-GAU ausführte: "Bei der Art und Schwere dieser Folgen muß bereits eine entfernte Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts genügen, um die Schutzpflicht auch des Gesetzgebers konkret auszulösen." Nach den Zahlen der offiziellen "Deutschen Risikostudie Kernkraftwerke" muss bei den in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Betriebszeiten mit einer Wahrscheinlichkeit von 2 Prozent mit einem Super-GAU in Deutschland gerechnet werden. Paulitz: "Bei einer derart hohen Eintrittswahrscheinlichkeit darf die Bundesregierung den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke nicht erlauben."
Ähnlich sieht es bei der Entsorgung des Atommülls aus. Laut derzeitigem Atomgesetz müssen die Atomkraftwerksbetreiber nachweisen können, wo der Atommüll auf Dauer sicher gelagert werden kann. Da sie das ohne atomares Endlager faktisch nicht können, muss die Bundesregierung eigentlich die Betriebsgenehmigungen widerrufen, wie der Jurist und Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit des Bundesumweltministeriums, Wolfgang Renneberg, auf dem 10. Deutschen Atomrechtssymposium erläuterte. Doch anstelle eines ordnungsgemäßen Vollzugs des Atomgesetzes sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, dass einfache Zwischenlager als Entsorgungsnachweis genügen sollen. Selbst auf den bisher notwendigen Verweis auf "Fortschritte bei der Endlagerung" sollen die Betreiber künftig verzichten können.
Die IPPNW hält auch die geringe Erhöhung der Deckungssumme auf 2,5 Milliarden Euro je Atomkraftwerk zur finanziellen Absicherung eines Super-GAU für nicht verfassungskonform. Angesichts der vom Bundeswirtschaftsministerium erwarteten Schäden bis zu 10.700 Milliarden DM ist die versprochene "risikoadäquate Haftung" nicht gegeben. Damit aber, so IPPNW, ist der Schutz des Eigentums der Bevölkerung und das anderer Unternehmen nach Artikel 14 Grundgesetz nicht gewährleistet.
Die IPPNW fordert die Bundesregierung auf, anstelle dieser Atomgesetz-Novelle das bestehende Atomgesetz ordnungsgemäß zu vollziehen und damit die Betriebsgenehmigungen der Atomkraftwerke zu widerrufen.
Für Rückfragen und für den Text der ausführlichen Stellungnahme der IPPNW zur Atomgesetz-Novelle wenden Sie sich bitte an IPPNW-Pressesprecher Dr. Jens-Peter Steffen, Tel. 030-693 02 44

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