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VERFASSUNGSBESCHWERDEN

Grundgesetz im Netz


1. Nutzbare Paragraphen im Grundgesetz
2. Grundgesetz im Netz
3. Merkblatt über Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht
4. Weitere Hinweise zu Verfassungsbeschwerden
5. Kurzanleitung: Verfassungsbeschwerde
6. Weitere Wege zum Verfassungsgericht
7. Tricksereien von oben
8. Europäische Klage vor dem EGMR
9. Hessischer Staatsgerichtshof
10. Links


Allgemeine Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zu Verfassungsbeschwerden

Grundrechte: Für wen?
Aus dem Urteil des Ersten Senats vom 15. Januar 1958 -- 1 BvR 400/51 --
Ohne Zweifel sind die Grundrechte in erster Linie dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Das ergibt sich aus der geistesgeschichtlichen Entwicklung der Grundrechtsidee wie aus den geschichtlichen (BVerfGE 7, 198 (204)BVerfGE 7, 198 (205)) Vorgängen, die zur Aufnahme von Grundrechten in die Verfassungen der einzelnen Staaten geführt haben. Diesen Sinn haben auch die Grundrechte des Grundgesetzes, das mit der Voranstellung des Grundrechtsabschnitts den Vorrang des Menschen und seiner Würde gegenüber der Macht des Staates betonen wollte. Dem entspricht es, daß der Gesetzgeber den besonderen Rechtsbehelf zur Wahrung dieser Rechte, die Verfassungsbeschwerde, nur gegen Akte der öffentlichen Gewalt gewährt hat.

Staat ist umfassend und überall an Grundrechte gebunden - nicht die BürgerInnen!
Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 699/06 vom 22.2.2011
Gemäß Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Sie gelten nicht nur für bestimmte Bereiche, Funktionen oder Handlungsformen staatlicher Aufgabenwahrnehmung, sondern binden die staatliche Gewalt umfassend und insgesamt. Der Begriff der staatlichen Gewalt ist dabei weit zu verstehen und erstreckt sich nicht nur auf imperative Maßnahmen. Entscheidungen, Äußerungen und Handlungen, die - auf den jeweiligen staatlichen Entscheidungsebenen - den Anspruch erheben können, autorisiert im Namen aller Bürger getroffen zu werden, sind von der Grundrechtsbindung erfasst. Grundrechtsgebundene staatliche Gewalt im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG ist danach jedes Handeln staatlicher Organe oder Organisationen, weil es in Wahrnehmung ihres dem Gemeinwohl verpflichteten Auftrags erfolgt.
Art. 1 Abs. 3 GG liegt dabei eine elementare Unterscheidung zugrunde: Während der Bürger prinzipiell frei ist, ist der Staat prinzipiell gebunden. Der Bürger findet durch die Grundrechte Anerkennung als freie Person, die in der Entfaltung ihrer Individualität selbstverantwortlich ist. Er und die von ihm gegründeten Vereinigungen und Einrichtungen können ihr Handeln nach subjektiven Präferenzen in privater Freiheit gestalten, ohne hierfür grundsätzlich rechenschaftspflichtig zu sein. Ihre Inpflichtnahme durch die Rechtsordnung ist von vornherein relativ und - insbesondere nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit - prinzipiell begrenzt. Demgegenüber handelt der Staat in treuhänderischer Aufgabenwahrnehmung für die Bürger und ist ihnen rechenschaftspflichtig. Seine Aktivitäten verstehen sich nicht als Ausdruck freier subjektiver Überzeugungen in Verwirklichung persönlicher Individualität, sondern bleiben in distanziertem Respekt vor den verschiedenen Überzeugungen der Staatsbürger und werden dementsprechend von der Verfassung umfassend an die Grundrechte gebunden. Diese Bindung steht nicht unter einem Nützlichkeits- oder Funktionsvorbehalt. Sobald der Staat eine Aufgabe an sich zieht, ist er bei deren Wahrnehmung auch an die Grundrechte gebunden, unabhängig davon, in welcher Rechtsform er handelt. Dies gilt auch, wenn er für seine Aufgabenwahrnehmung auf das Zivilrecht zurückgreift. Eine Flucht aus der Grundrechtsbindung in das Privatrecht mit der Folge, dass der Staat unter Freistellung von Art. 1 Abs. 3 GG als Privatrechtssubjekt zu begreifen wäre, ist ihm verstellt.
b) Die unmittelbare Grundrechtsbindung betrifft nicht nur öffentliche Unternehmen, die vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, sondern auch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, wenn diese von der öffentlichen Hand beherrscht werden.


Ausschöpfung des Rechtsweges vor einer Verfassungsbeschwerde?
Aus dem Urteil des Ersten Senats vom 12. März 2003 - 1 BvR 330/96 und 1 BvR 348/99 -
Nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist eine Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs zulässig. Daraus folgt, dass ein Beschwerdeführer grundsätzlich die ihm gesetzlich zur Verfügung stehenden, nicht offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfe vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde ergreifen muss (vgl. BVerfGE 68, 376 (380)). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung jedoch stets betont, dass die berechtigte Ungewissheit über die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs nicht zu Lasten des Rechtsuchenden gehen und daher nicht zur Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde führen darf (vgl. BVerfGE 5, 17 (20); 91, 93 (106)). Die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs kann so zweifelhaft sein, dass dem Beschwerdeführer seine Erhebung nicht zugemutet werden kann (vgl. BVerfGE 17, 252 (257)).

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