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RWE und die Kommunen


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Aus Henrik Paulitz (1994): "Manager der Klimakatastrophe", Die Werkstatt in Göttingen
Ein Ziel verfehlte Christians während seiner Amtszeit als RWE Aufsichtsratschef: die Abschaffung der kommunalen Stimmrechtsmehrheit. Gut 60 Kreise, Städte und öffentlich rechtlichen Geldinstitute verfügen über rund 30 Prozent des RWE-Grundkapitals. Ein Teil der kommunalen Aktien sind Namensaktien mit 20fachem Stimmrecht, so daß die kommunalen Aktionäre des RWE rund 60 Prozent der Stimmen auf den Hauptversammlungen kontrollieren.
Die Stimmenmehrheit war den Kommunen in frühen Jahren des Unternehmens von der Kapitalseite eingeräumt worden, um sie gewogen zu stimmen. Denn gerade in den Anfangsjahren war das RWE auf die Kommunen angewiesen. Zum einen besitzen die Kommunen das sogenannte Wegerecht; die Beanspruchung öffentlicher Straßen und Plätze zur Verlegung von Stromleitungen muß also von den Kommunen genehmigt werden. Zum anderen finanzierten die Kommunen in den Anfangsjahren maßgeblich die Expansion des RWE, die sich in diesem Umfang nicht über den privaten Kapitalmarkt finanzieren ließ. Städte und Kreise zeichneten fleißig neue Aktien und gewährten dem Stromversorger "zu niedrigsten Zinssätzen" langfristige Kredite "bis zur Höhe des Aktienkapitals, sie bürgten für Baukredite und übernahmen Anleihen zu Konditionen, mit denen sie an der Börse nie und nimmer zu plazieren waren" [Karweina 1984: 94]. Die kommunale Stimmenmehrheit15 war zudem nach den beiden Weltkriegen von unschätzbarem Wert bei der Abwehr von Sozialisierungsforderungen.
1971 bezeichnete das damalige Vorstandsmitglied des RWE, Einnatz, die Mehrstimmrechtsaktien für den Geschäftszweck des RWE "als notwendig und förderlich". Das RWE wäre nie über die Essener Grenzen hinausgekommen, wenn es nicht mit den kommunalen Aktionären zusammengearbeitet hätte. Und es gehe an dem Kern der Sache vorbei, die Mehrstimmrechtsaktien mit dem Begriff Anachronismus abzuwerten [HB 26./27.2.71]. Selbst 1987 verteidigte Konzernchef Gieske noch die Mehrfachstimmrechte: "Die Partnerschaft zwischen privatem und öffentlichrechtlichem Kapital war in der Vergangenheit eine der Grundlagen für die erfolgreiche Entwicklung unserer Gesellschaft. Und das soll auch in Zukunft so bleiben" [HB 27./28.2.87].
Das Blatt wendete sich 1992: in den letzten Monaten seiner Amtszeit als RWE Aufsichtsratschef versuchte F. Wilhelm Christians zusammen mit seinem Nachfolger Wolfgang Röller, den kommunalen Aktionären die Mehrfachstimmrechte zu entreißen [Wirtschaftswoche 13.11.92; vgl. FR 23.5.92]. Gelockt wurde mit Entschädigungen in zweistelliger Millionenhöhe und mit weiteren hochdotierten und prestigeträchtigen Managementposten [FR 27.6.92 , Spiegel 8/92]. "Auf Teufel komm 'raus" wollten die Großbanken die kommunale Stimmenmehrheit beseitigen. ... (S. 134f.)
Ein entscheidendes Instrument zur Durchsetzung der Konzerninteressen gegenüber den Kommunen sind die Regionalbeiräte. Was in den zwanziger Jahren einmal der 108köpfige Aufsichtsrat des RWE war (die Unternehmensentscheidungen wurden in dem 9köpfigen Präsidium getroffen), ist heute der Verwaltungsbeirat der RWE Energie [vgl. Hennicke et. al. 1985: 1921. Dieser gliedert sich in einen Wirtschaftsbeirat und vier Regionalbeiräte.
In den Beiräten kommen Stadtdirektoren, Oberkreisdirektoren, Landräte, Bürgermeister, Regierungspräsidenten und ähnliche Lokalgrößen zu Amt und Würden. Die Vertreter der Kommunen im RWE Einflußbereich sind als Vertragspartner von Konzessionsverträgen zur Stromversorgung der jeweiligen Kommune von größter Bedeutung für die Energieunternehmen.
Für ihre gelegentlichen Zusammenkünfte kassieren die Politiker beträchtliche Tantiemen, die für sie und die jeweilige Kommune eine bedeutende Einnahmequelle darstellen. Für den ehemaligen nordrhein westfälischen Minister Farthmann war der Fall klar: Der Verwaltungsbeirat des RWE sei nichts weiter als "eine moderne Form legalisierter Korruption" [Spiegel 28/79]. "Kein anderes Unternehmen", zitiert der Atomenergiekritiker Holger Strohm einen Frankfurter Bankier, "hat sich auch mit Hilfe seiner Räte eine solche politische Machtstellung sichern können" [Strohm 1988: 9251. Selbst der Vorstandsvorsitzende der RWE Entsorgung, Herbert Krämer, gestand im Zusammenhang mit dem Einzug in den Aufsichtsrat des Dualen System Deutschland (DSD): "Natürlich haben uns die persönlichen Beziehungen geholfen und sind sicherlich ein Wettbewerbsvorteil" [Wochenpost 14.10.93]. (S. 141f.)


In vier Regionalbeiräte hat RWE KommunalpolitikerInnen eingesammelt bis eingekauft (Übersicht auf RWE-Internetseiten). Damit sind die PolitikerInnen eingebunden, aber gleichzeitig entmachtet. Denn ursprünglich sah das alles mal ganz anders aus. Die KommunalpolitikerInnen stellten den Aufsichtsrat von RWE - auch damals 107 Personen. Exakt die gleiche Anzahl hockt heute in den Beiräten - machtlos, aber freundlich dafür bezahlt. Die Geschichte der Beiräte (laut RWE-Internetseite):
  • 1898: Jeder kommunale Aktionär erhält zur Gründung von RWE ein Aufsichtsratsmandat (Essen, Gelsenkirchen und Mülheim).
  • 1930: hatte der RWE-Aufsichtsrat 107 Mitglieder.
  • 1932: werden die Aufsichtsratsmitglieder von 108 auf 18 reduziert und ein Verwaltungsbeirat gebildet.
  • 1978: wird der Verwaltungsbeirat in einen Wirtschaftsbeirat und vier Regionalbeiräte gegliedert.
  • 2000: Fusion mit der VEW, deren kommunale Anteilseigner in den Beirat des RWE-Konzerns integriert werden.
  • 2006: Erweiterung des Beirats um Vertreter von Stadtwerken und aus Konzessionskommunen zur Unterstützung der energiewirtschaftlichen Expertise.
  • 2011: besteht der Beirat des RWE-Konzerns aus 107 Mitgliedern.

Im Original: KommunalpolitikerInnen bei RWE
Aus: "Braune Kohle, grün gewaschen", auf: Telepolis am 30.7.2007 über die PR-Strategien von RWE
Nordrhein-westfälische, zu einem geringeren Teil auch rheinland-pfälzische Kommunen halten 31 Prozent der Anteile der RWE AG. Und kontrollieren 32,9 Prozent der Stimmen. Die Oberbürgermeister der Städte Dortmund, Essen und Mülheim an der Ruhr sitzen im Aufsichtsrat der RWE AG. Könnten die Kommunen die Geschäftspolitik nicht positiv beeinflussen? Theoretisch schon. Aber erstens sehen sich immer mehr Kommunen gezwungen, ihr RWE-Tafelsilber zu verscherbeln. Und zweitens ist der Verführung zu strukturkonservativem, nur in kurzer Sicht rationalem Denken groß.

Aus "Investition in Ineffizienz und Wahnwitz. Die Geschäfte von RWE (Studie von Urgewald e.V.)
RWE ist als Aktiengesellschaft privatrechtlich organisiert, im Gegensatz zu Vattenfall und EnBW, die mehrheitlich in Staatsbesitz sind.1 260.000 Aktionäre besitzen 562,4 Millionen Aktien.2 Die meisten RWE-Aktien sind breit ge streut und dementsprechend uneinsichtig.3 10 Prozent hält die RWE- Energie-Beteiligungsgesellschaft. Die Anteile der Kommunen sanken im letzten Jahr von über 30 auf 28 Prozent, da einige Kommunen das wertvolle „Tafelsilber“ verkauften, um ihre Haushalte zu sanieren. Weitere Aktien pakete werden von institutionellen Anlegern wie Münchner Rück (4,6 %) und Allianz (3,69 %) gehalten. Den Anteil der ausländischen Anteilseigner schätzt RWE auf 27 Prozent. ... (S. 9)
Vor über 100 Jahren, 1898, wurde die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG (RWE) durch die Elektrizitäts-AG und die Deutsche Gesellschaft für elektrische Unternehmen gegründet. August Thyssen und Hugo Stinnes erwarben 1902 unter Beteiligung der Deutschen Bank, Dresdner Bank und Disconto-Gesellschaft die Mehrheit an RWE. Das erste Elektrizitätswerk stand auf dem Gelände der Stinnes-Zeche Victoria Mathias. Schnell expandierte das Unternehmen, denn Stinnes hatte in der Weimarer Republik die konzernpolitisch clevere Idee, die bis heute fortwirkt: Mit jeder Gemeinde schloss er Verträge, die ihm ein Gebietsmonopol bei der Energieversorgung sicherten. Die Kommunen bekamen Konzern-Anteile und kassierten jährlich Dividenden. Kommunalpolitiker wurden durch Aufsichtsrats-, Regionalbeirats- oder Führungspositionen in den Konzern eingebunden. Schon in den zwanziger Jahren schälten sich in Deutschland die Konturen einer abgestuften Energieversorgung aus Großstromproduzenten, Regionalversorgern und Stadtwerken heraus, die ihre Versorgungsgebiete durch Demarkations- und Konzessionsverträge absteckten. RWE expandierte in den nächsten Jahrzehnten durch eine aggressive Akquisitionspolitik und zahlreiche Gründungen von Elektrizitätswerken und Versorgungsunternehmen zu einem der größten deutschen Energieunternehmen. ...
RWE und E.on sind zusammen schon an mehr als 210 Stadtwerken beteiligt. RWE will der „Stadtwerke Investment Gesellschaft“ (SIG) auch eigene Anteile an Stadtwerken übertragen, um den Restriktionen des Kartellamts zu entgehen. Für die Grünen im NRW-Landtag ist die SIG „nichts anderes als eine Park- und Einkaufsgesellschaft für Stadtwerke-Anteile im Auftrag von RWE“. ... (S. 10)

Aus "RWE-Hauptversammlung: Aktionäre revoltieren gegen Atomboss Großmann", in: Spiegel, 20.4.2011
Gegen 16 Uhr tagten am Dienstag zunächst die kommunalen Aktionäre von RWE. Mit ihren Regionalverbänden halten sie rund 25 Prozent der RWE-Aktien. Zusammen mit den Arbeitnehmervertretern können sie im Aufsichtsrat jede wichtige Entscheidung blockieren.

Aus Lobbypedia zu RWE
Über den Beirat werden Kommunalpolitiker in die Geschäftspolitik der RWE eingebunden. Die offizielle Aufgabe ist die Beratung der RWE in Fragen der Unternehmens- und Energiepolitik mit regionalem Bezug.[6] Der aus vier Regionalbeiräten bestehende Beirat hat 110 Mitglieder. Über die Beiratsvergütung werden folgende Angaben gemacht: Grundvergütung 3.000 Euro pro Jahr, Sitzungsgeld 1.000 Euro pro Sitzung, Auslagenersatzpauschale 100 Euro pro Sitzung. Pro Jahr finden insgesamt vier Sitzungen statt.
Anteilseigner der RWE AG sind:
16 % RWE Energie-Beteiligungsgeellschaft
14 % Privataktionäre
5 % Eigene Aktien
3 % Black Rock, Inc.
1 % Belegschaftsaktionäre
61 % Institutionelle Anleger (hierunter fallen auch die Kommunen, die insgesamt über 25 % verfügen)


Lange Zeit eher die Ausnahme: Kommune(n) ohne oder gegen RWE

Über die Gemeindewerke Nümbrecht aus der Internetseite
Bereits Anfang der 80er Jahre wurde in Nümbrecht darüber nachgedacht, die Stromverteilung wieder in kommunale Hände zu übernehmen. ... Seit 1980 fanden eine Reihe Gespräche und Verhandlungen mit den Genossenschaften und dem RWE statt. Ein unüberwindliches Problem schienen der Kaufpreis, aber auch andere Bedingungen des RWE zu sein. Im Jahr 1994 wurde dann die Gemeindewerke Nümbrecht GmbH gegründet und führte zunächst im Wege eines Pachtvertrages das Netz der Genossenschaft Malzhagen. Es erschien wenig aussichtsreich, einen Prozess bis zum Bundesgerichtshof über den Preis für die Stromnetzübernahme zu führen. Darum wagte die Gemeinde Nümbrecht Mitte der 90er Jahre einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung für die Übernahme des Stromnetzes. Bei dieser Art von Gerichtsentscheid handelt es sich um ein sogenanntes Schnellverfahren, denn ein Prozess mit Ausnutzung sämtlicher Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof kann sechs und mehr Jahre dauern. Nachdem das Landgericht Köln zunächst den Antrag abgelehnt hatte, gab das Oberlandesgericht Düsseldorf der Gemeinde dann in vollem Umfang Recht. Mit einem solchen Ausgang des Prozesses war in der Stromszene nicht gerechnet worden.
In der Folge musste das Nümbrechter Netz aus dem Gesamtnetz der RWE herausgeschält werden. Dies bedeutete einen nicht unerheblichen technischen Aufwand. Letztendlich hat sich die Gemeindewerke Nümbrecht GmbH aber allen Unkenrufen in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht zum Trotz zu einem florierenden Unternehmen mit einem hohen Grad an Versorgungssicherheit entwickelt. Heute sind die Gemeindewerke beliebt wegen ihrer Schnelligkeit und auch Menschlichkeit. In Nümbrecht begegnen die Bürger nicht einem Callcenter wie inzwischen überall üblich, sondern sie haben für jede Art von Problemen einen Ansprechpartner.



Erst als das Geld nicht mehr so floss, gab es mehr schlechte Stimmung.

Aus "Kommunen trauen Terium nicht", in: Wirtschaftswoche, 2.1.2014
Einst waren sie ein Herz und eine Seele, festgefügt in einem Bollwerk: Die kommunalen Aktionäre von RWE, die 25 Prozent am Energieunternehmen halten, und bisher das Sagen hatten. Sie fühlen sich schon lange von RWE-Chef Peter Terium missverstanden. Er sei häufig bei Terminen unvorbereitet, klagen einflussreiche kommunale Aktionärsvertreter. Über die Weigerung der Entlastung des Vorstandes wird in kommunalen Kreisen nachgedacht. Nun gibt es angeblich Pläne innerhalb von RWE, eine Kapitalerhöhung vorzunehmen, die den Einfluss der Kommunen empfindlich schmälern würde.

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