Direct-Action

VERKEHRSWENDE IN GIESSEN: DIE KONKRETEN VORSCHLÄGE

Verkehrsunternehmen, Medien, Politik und Institutionen


1. Fahrradstraßen, Tramlinien und eine Flaniermeile
2. Forderungen, Wünsche, Ziele ... unser Verkehrswendeplan
3. Die weitere Vision: Verkehrswende 2.0 - kein Autoverkehr mehr durch die Stadt
4. Zu Fuß: Autofreie Innenstadt und Zonen, barrierefreie und breite Wege
5. Fahrradstraßen: Innerer Anlagenring, Innenstadtdurchfahrten, Trassen in alle Stadtteile
6. Anlagenring wird zur Fahrradstraße ... und wieder zur Autostraße: Desaster statt Auftakt zu mehr
7. RegioTram: Zwei Straßenbahnlinien mit Anschluss ins Umland, weitere Strecken in Stadtteile plus Bus-Zubringer
8. Bachelorarbeit zur RegioTram
9. Klingt exotisch, bringt es aber: Seilbahnen als Ergänzung
10. Stadtteile im Nordosten: Wieseck und rund um die Philosophenhöhe
11. Pläne für konkrete Plätze oder Straßenabschnitte
12. ÖPNV und Nulltarif in und um Gießen
13. Verkehrsunternehmen, Medien, Politik und Institutionen
14. Parteien und Politiker*innen zur Verkehrswende in Gießen
15. Beiräte, NGOs, Berater*innen usw.
16. Verkehrserzeuger*innen und Pro-Auto-Lobby
17. Links
18. Das war der erste Vorschlag (2017): Plan, Text und Flyer
19. Kontaktformular für Anfragen und alle, die mitmachen wollen

Sie reden viel von Umweltschutz, Fahrradfahren - aber sie bauen Straße um Straße, Parkhaus um Parkhaus. Gießen hat keine einzige Fahrradstraße, keinen Nulltarif, ein katastrophales Busnetz, welches - wie die Radler*innen, irgendwo am Rande mitläuft. Einige idealistische, aber wenig verkehrspolitisch agierende Kleingruppen garnieren die Autostadt mit netten Projektchen alternativer Verkehrskultur - und werden dankbar von der Stadt in deren irreführende Propaganda eingebaut (meist im Tausch gegen Fördermittel).
Die Fahrradlobby besteht immer mehr aus Freizeit- und Sportfahrer*innen, die das Auto gar nicht verdrängen, sondern eigene Betonpisten wollen - am besten mitten in die Natur, die ohnehin nicht mehr interessiert.

Wir wollen einen echten Wandel:
Mobilität einsparen - für eine Politik der kurzen Wege!
Fahrrad, Fuß und öffentlicher Personenverkehr zum Nulltarif - Autos verdrängen!

Unsere Verkehrsutopie für Gießen - umzusetzen bis 2025
Unser Plan für die Stadt Gießen enthält konkrete Vorschlage für Fahrradstraßen, eine vergrößerte Fußgänger*innenzone, die autofreie Innenstadt, mehr Haltestellen an den Bahnstrecken, Bahnreaktiverungen und zwei Straßenbahnlinien enthalten.

Politik

Offizielle Planwerke und Studien

Beton und Asphalt prägen Gießen - und das geht so weiter!?

Schienen herausreißen statt RegioTram einführen
Das ehemalige US-Depot an der Rödgener Straße, jetzt als Baugebiet "Alter Flughafen" ordentlich durchwühlt, ist ein bemerkenswertes Beispiel, wie hinter der Fassade schöner Worte ganz praktisch weiter reine Autopolitik betrieben wird. Das US-Depot verfügte nämlich über ein umfangreiches Gleisnetz mit mehreren Anschlüssen an die Vogelsbergbahn. Die aber sind alle vernichtet worden ... siehe auf dieser Seite.

Parkhäuser-Bau in Gießens Innenstadt
  • Galerie Neustädter Tor im Oktober 2005 eingeweiht (laut GAZ-Archiv).
  • Parkdeck an der Ringallee müsste laut GAZ-Archiv im Juni 2006 gebaut worden sein. Soll bald weiter aufgestockt werden.
  • Parkhäuser auf dem Klinikgelände: Das Mitarbeiterparkhaus dürfte vor 2009 gebaut worden sein. Das andere, dichter gelegene ca. 2011.
  • Karstadt-P ist gerade saniert worden.
  • Auch ganz neue geplant, z.B. eines an der Steinstraße/Nordanlage (zumindest ist das von der CDU im Gespräch).
  • Parkhaus am Bahnhof: März 2012 eröffnet laut GAZ-Archiv.
  • 2. Parkhaus an der Lahnstraße: 2019 eröffnet.

Damit nicht genug: Geplant sind sogar neue Parkhäuser, zum einen große Tiefgaragen unter dem Brandplatz und im Areal um die Schanzenstraße, zum anderen ein Parkhaus am bisherigen Standort der Feuerwache (Nordanlage).

Grafik rechts: Die Stadt Gießen hat bisher unterdurchschnittlich wenig Geld zur Förderung von Fuß- und Radverkehr abgerufen - auch ein Gradmesser, dass bislang wenig passiert ist (Schema nach Daten der AGNH)

Hinhaltetaktik: Leere Versprechen und immer neue Studien ohne Wirkung
In einem Flyer hat die Stadt Gießen vor Jahren mal versprochen, die CO2-Emissionen bis 2010 (!) um 50 Prozent zu verringern. Sie ist Mitglied in einem Bündnis, für das sich die Stadt dazu auch verpflichten muss. Doch Ankündigung und Verpflichtung interessieren kein Stück.
Aus dem Flyer der Stadt Gießen
Über alle kulturellen Unterschiede und Kontinente hinweg wurde ein Bündnis zum Schutz des Weltklimas ins Leben gerufen: Das "Klima-Bündnis europäischer Städte mit den indigenen Völkern der Regenwälder zum Erhalt der Erdatrnosphären.
Innerhalb von vier Jahren machen sich über 380 Kommunen aus zehn europäischen Ländern die Zielsetzung des Klima-Bündnisses zu eigen und engagieren sich auf kommunaler Ebene für den Klimaschutz. Wir zählen auch dazu. Mit dem Beitritt verpflichten wir uns zur Reduzierung der CO2-Emission um 50 Prozent bis zum Jahr 2010.

Ungefähr in diesem Lichte sollten Ankündigungen und Beruhigungsreden von Politiker*innen prinzipiell gesehen werden.
  • Mängelmelder: Hier können Vorschläge für Detailverbesserungen an die Stadt geschickt werden ... aber tun wird sich ohne öffentlichen Druck wahrscheinlich kaum was (wie üblich halt: Jammerportal aufmachen und Festplatte füllen, derweil weiter Parkhäuser, Straßen und Infrastruktur auf der grünen Wiese bauen)
  • Infoseite der Stadt Gießen in Sachen Radverkehr mit Link zum Radwegeentwicklungsplan von 2010 (viele Seite, wenig umgesetzt)

Aus "Neue Bahnhaltepunkte in Gießen in weiter Ferne", in: Gießener Allgemeine am 14.2.2020
Politische Beschlüsse sind das eine, die Umsetzung ist das andere. Vor allem, wenn es um die Einrichtung neuer Bahnhaltepunkte im Gießener Stadtgebiet geht.
Die SPD-Stadtverordnetenfraktion hatte es Ende Mai vergangenen Jahres eilig. Die Stadtverordnetensitzung war kaum beendet, da wurde auf der Facebook-Seite der Fraktion der Beschluss über die Einrichtung neuer Bahnhaltepunkte gefeiert. Aber auch den Sozialdemokraten war bewusst, welch langer Weg bis zu einer "Regio-S-Bahn" zurückzulegen ist. Von einem "ersten Schritt" war in dem Post die Rede. Die letzten Schritte werden die meisten, die den Beschluss gefasst haben, zumindest als Stadtverordnete nicht mehr erleben. Der Bau der neuen Haltepunkte an der Vogelsbergbahn und der Main-Weser-Bahn in dem Jahrzehnt, das soeben begonnen hat, ist unwahrscheinlich.
Dies zeigt der Blick in den Entwurf des Regionalen Nahverkehrsplans des Rhein-Main-Verkehrsverbunds, in dem die Entwicklung des Nahverkehrs in weiten Teilen Hessens bis 2030 beschrieben wird. Die von der Gießener Stadtpolitik gewünschten neuen Bahnhaltepunkte rangieren dort nur unter ferner liefen in einer Liste mit ungeprüften "Anregungen". Genannt werden neben den vom Stadtparlament gewollten Haltepunkten US-Depot (Vogelsbergbahn), Aulweg (Vogelsbergbahn/Lahn-Kinzig-Bahn) sowie Rodtberg/Wißmarer Weg (Main-Weser-Bahn) noch Rödgen (Vogelsbergbahn) sowie ein Haltepunkt Marshall-Siedlung/Grünberger Straße (Vogelsbergbahn).

Hinweis: Sowohl die grüne Dezernentin Gerda Weigel-Greilich als auch die SPD-Landrätin Anita Schneider sitzen in den Spitzengremien der entsprechenden Verbände (RMV usw.).

Studien, Gutachten ..., um die Verkehrswende hinauszuzögern
Masterplan, Verkehrsplan ... viel Papier ist im Laufe der Jahrzehnte bedruckt worden mit Ideen für eine Verkehrswende. Ist ein Plan erstellt, wird diskutiert, dann nichts oder wenig getan - und wenn das Thema wieder aufkommt, wird ein neues Gutachten in Auftrag gegeben. So werden (parteinahe?) Ingenieurbüros gesponsort und Zeit geschunden, in denen der Ausbau der autoorientierten Stadt weitergeht.

Doch die Aktionen (Arschtritte) wirken: Politiker*innen übernehmen Forderungen
Im April 2019 ist auch der CDU-Bürgermeister Neidel soweit: Er will Fahrradstraßen in Gießen.
Aus "Stadt setzt auf Fahrradstraßen", in: Gießener Anzeiger am 24.4.2019
Entstehen sollen „größere Fahrradverbindungen“, auf denen Radfahrer klar Vorrang haben. „Die erste dieser Achsen wird die Goethestraße.“ Im Zuge der Umgestaltung werde man unter anderem die Querung über die Ludwigstraße so optimieren, dass die Ampel auf Grün schaltet, wenn sich ein Radfahrer nähert. Auch fielen auf der neuen Fahrradstraße, auf der Autos nachrangig fahren dürfen, einige Parkplätze weg. Weitere derartige Straßen könnten entlang der Wieseck in Verbindung mit Lony-, Löber- und Lahnstraße sowie vom Bahndammdurchstich durch die Dammstraße verlaufen. „Meine Vorstellung ist, dass der Radverkehr nicht denselben Weg nimmt wie das Auto“, unterstreicht der Dezernent.

Aus "Neidel spricht von einem mühsamen Weg", einer Zusammenstellung von Neidels Ankündigungen in: Gießener Allgemeine, 30.8.2019
Die autofreie City hält er für unrealistisch: "Es wird immer Menschen geben, die auf das Auto angewiesen sein werden, egal, wie es betrieben wird." ...
Alternativen zum Auto: "Diejenigen, denen es möglich ist, auf Fahrrad oder Bus umzusteigen, müssen wir durch attraktive Angebote motivieren." Beim Radverkehr setzt Neidel auf die Sicherheit, die Ausweisung von Fahrradstraßen abseits des Anlagenrings (die GAZ berichtete) sei ein erster Schritt. Die zum Dezernat Neidel gehörende Radverkehrsbeauftragte Katja Bürckstümmer arbeitet an einer Vernetzung dieser sicheren Wege, um auch ungeübten Radfahrern, Kindern und Senioren das Verkehrsmittel schmackhaft zu machen.

Ein erster, echter Schritt zur Verkehrsreduzierung in der Gießener Innenstadt? Baudezernent plant Einbahnstraßenregelung mit Rad-/Busspur für Straßen auf Bahnhofstraße und Neustadt.

Übernahme einiger Forderungen auch durch die Lokale Agenda (Agendarat)
Aus "Agenda-Gruppen mit vielen Ideen", in: Gießener Anzeiger am 18.10.2019 (S. 19)
Ganze 13 Punkte umfasste die ursprüngliche Version des Antrags der Gruppe „Nachhaltige Mobilität“, die erst in diesem Januar gegründet wurde. Nach längerer Diskussion blieben davon immerhin zwölf übrig. So etwa, „illegales Parken in der Fußgängerzone und innerhalb des Anlagenrings stärker zu ahnden“ und „den Kontrolldruck durch das Ordnungsamt zu erhöhen“. Ein Gruppensprecher beklagte, in der Innenstadt herrsche in puncto stehendem und fließendem Verkehr „oftmals Chaos“. Selbst mancher Busfahrer halte sich nicht an Tempo-30- oder -20-Zonen. Außerdem wünscht man sich „ein funktionsfähigeres Parkleitsystem“, das Pkw-Fahrer schneller zu freien Plätzen führt. Was auch im Internet abrufbar sein sollte, allerdings laut Stadträtin Gerda Weigel-Greilich (Grüne) wohl ebenfalls per „Navi“ möglich sein könnte. Weniger an den Magistrat als an den Kreistag richtet sich dagegen die Agenda-Idee, „eine Vorortbahn einzurichten“, wie etwa eine „Regio-Tram“, die schon länger im Gespräch ist. Weigel-Greilich schlug vor, Letzteres als „Prüfpunkt für den Verkehrsentwicklungsplan mitzugeben“. Dieser allerdings wird noch etwas auf sich warten lassen, während der Nahverkehrsplan „spätestens Anfang nächsten Jahres fortgeschrieben wird“, ließ sie wissen. Das Parlament darf sich zudem mit Prüfanträgen zu mehr Stadtbus-Linien, zusätzlichen Bahnhaltepunkten (etwa Waldstadion, Rödgen oder Uni-Philosophika) oder sichereren Fußgänger-Querungen im Stadtbereich beschäftigen.

Aus der Magistratsvorlage für das Stadtparlament Gießen (dort inzwischen beschlossen!)
Der Magistrat wird mit der Prüfung folgender Maßnahmen beauftragt: ...
Die Einrichtung einer Vorortbahn (z.B. Regio-Tram, S-Bahn etc.) ist im Rahmen des Verkehrsentwicklungsplans zu prüfen und diese Angelegenheit auch in die Debatte in den Kreistag des Landkreises Gießen einzubringen. Der Magistrat wird gebeten, die Vorortbahn als Prüfauftrag zum Regionalen Nahverkehrsplan an den RMV weiterzugeben. ...
Es ist zu prüfen, auf welchen Stadtbus-Linien der Einsatz von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen per Oberleitung und/oder Batteriespeicher möglich ist.
Es ist zu prüfen, ob über das bestehende Stadtbus-Liniennetz hinaus neue Linien im ÖPNV konzipiert werden müssen bzw. ob eine Neuordnung der existierenden Stadtbuslinien notwendig ist.
Es ist zu prüfen, ob auf der Vogelsbergbahn zusätzliche Haltepunkte in den Bereichen Rödgen, Alter Flughafen, Waldstadion, Uni/Phil und Aulweg (RKH-Gelände) sowie auf der Main-Weser-Bahn ein zusätzlicher Haltepunkt Gießen-Nord eingerichtet werden können und ggf. die Planungen dafür so bald wie möglich zu beginnen.
Es ist zu prüfen, ob die Planungen zur Vogelsbergbahn und der Lahn-Kinzig-Bahn zweigleisig erfolgen können.
Desgleichen ist zu prüfen, ob ein zusätzlicher Haltepunkt im Europaviertel eingerichtet werden kann, der über den bestehenden Gleis-Abzweig Vogelsbergbahn anzufahren ist. ...
Die Lokale-Agenda-Gruppe „Nachhaltige Mobilität“ hat den Antrag am 16.10.2019 in den Agenda-Rat eingebracht. Dort wurde er unter den Vertreter/innen der Lokalen Agenda 21, des Magistrats und der Kommunalpolitik ausführlich diskutiert und verändert. Der Antragstext ist das Ergebnis dieser Diskussion. Er wurde im Konsens verabschiedet.

Silvester 2019: Oberbürgermeisterin spricht sich für Fahrradstraßen aus!
In beiden Gießener Tageszeitungen erschienen am 31.12.2019 Interview mit OB Dietlind Grabe-Bolz. In beiden spricht sie sich für Fahrradstraßen aus. Kurz danach legte sie in ihrer Neujahrsansprache nach.
Aus dem Interview mit der Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz, in: Gießener Allgemeine, 31.12.2019
Ich würde mir mehr Fahrradstraßen als Fahrradsträßchen wünschen. Es stimmt auch nicht, dass bei der Radverkehrsförderung vorher nichts passiert ist. Es gab Leuchtturmprojekte wie den Rübsamen-Steg oder den Bahndammdurchstich, die Freigabe vieler Einbahnstraßen für den Radverkehr oder die vielen Aufstellflächen, und das unter Schutzschirm-Bedingungen. An was wir jetzt wirklich ranmüssen ist der Anlagenring. Ich bin dafür, dass eine Spur dem Radverkehr vorbehalten bleibt.

Aus dem Interview im Gießener Anzeiger 31.12.2019
Auf zwei Rädern in der Stadt unterwegs zu sein, wird eher als Stress und nicht als Spaß empfunden, hat der Fahrradklimatest des ADFC erneut bescheinigt. Wie wohl fühlen Sie sich selbst als leidenschaftliche Radlerin auf Gießens Straßen?
Ich kann das nur bestätigen. Aus diesem Grund ist mein klares Petitum, nicht nur Fahrradsträßchen, sondern Fahrradstraßen einzurichten. Wenn ich den Innenstadtring mit dem Rad befahre, fühle ich mich stark gefährdet. Manchmal geht es jedoch nicht anders, um nicht große Umwege in Kauf nehmen zu müssen. Dringend geboten wäre daher, den Innenstadtring jeweils einspurig für Individualverkehr und für Fahrradfahrer zu gestalten. Dafür sollten wir Überzeugungsarbeit leisten und für mehr Rücksichtnahme und Respekt im Straßenverkehr werben.
Auch für die autofreie Innenstadt, die wiederholt propagiert und bei Aktionstagen simuliert worden ist?
Zunächst einmal bin ich diesen Gruppen sehr dankbar für ihre Vorschläge. Das verdeutlicht, dass sich viele Menschen die richtigen Gedanken machen, sich einbringen wollen. Dennoch würde ich eher von der autoarmen Innenstadt sprechen. Ich glaube, diejenigen, die jetzt noch sagen, die Reduktion des Individualverkehrs in der Innenstadt zieht Einbußen beim Einzelhandel nach sich, können vom Gegenteil überzeugt werden. Entscheidend ist nämlich nicht mehr nur das Einkaufen, sondern das Erlebnis. Und dafür braucht man Aufenthaltsqualität, mehr Gastronomie, Feste und Veranstaltungen. Die Flächen mehr zu diesen Zwecken zu nutzen, weniger fürs Parken, wird die Stadt insgesamt für alle aufwerten.
Ist der Widerstand des Einzelhandels trotzdem für Sie nachvollziehbar?
Ich kann die Ängste verstehen, weil der Einzelhandel ohnehin sehr unter Druck ist. Und wir wollen auch weiterhin an einem Strang ziehen. Die Ängste können jedoch mit Hinweis auf bereits verkehrsberuhigte Innenstädte genommen werden, weil diese zeigen, dass ihre Attraktivität steigt. Wer hält sich denn nicht lieber in einer Innenstadt auf, in der man sich frei bewegen, mal einen Kaffee trinken kann, und nicht ständig aufpassen muss, ob Autos queren.


Zur Rede von OB Grabe-Bolz mit Bezug zu Verkehrswende, in: Gießener Allgemeine vom 12.1.2020
Ob die Stadt tatsächlich in 15 Jahren - wie im Plan "2035Null" angestrebt - klimaneutral sein werde, könne derzeit niemand sagen. Aber man müsse das "Unmögliche anstreben, um das Mögliche zu erreichen." Sicher sei, dass die Kommune Unterstützung brauche. Auch Bund und Land seien gefragt und jeder einzelne Bürger. Neu gedacht werden müsse zudem die Mobilität. Den Satz "Wir müssen den Fußgänger- und Fahrradverkehr sowie den ÖPNV stärken und die Innenstadt von Individualverkehr entlasten", quittierten die Zuhörer mit langanhaltendem Beifall.

Parteien


Was die Politker auf dem Aktionstag am 3.5.2019 aussagten, wurde auf der Leinwand eingetragen - die ?-Parteien waren nicht erschienen.

SPD
Im Original: Abgefragte verkehrspolitische Positionen im Februar 2020
Die Verkehrswende ist eine große Herausforderung, die aber auch viele Chancen für eine attraktive Stadt bereithält. Es ist uns wichtig, Lösungen hier in enger Abstimmung mit Initiativen, BürgerInnen und auch AnwohnerInnen zu erarbeiten, um die besten Lösungen zu finden und die Akzeptanz möglichst hoch zu halten. Generell gilt aber: zwei Minuten reichen für die Vielzahl der notwendigen Maßnahmen kaum aus. Die folgenden Punkte sind uns besonders wichtig:
  • Wir wollen eine autofreie Innenstadt (also einen autofreien Bereich innerhalb des Anlagenrings) erreichen. Parkplätze für motorisierten Individualverkehr soll es nur in Form von Kurzzeitparkplätzen, z. B. für Anlieferungen, und für Menschen mit Behinderungen geben.
  • Im Zuge dessen fordern wir eine Reduzierung des Automobilverkehrs auf dem Anlagenring. Hier gibt es mehrere Konzepte, z. B. in Form einer Einbahnstraße oder der Sperrung der beiden inneren Spuren für den Individualverkehr. Welche Lösung die Beste ist, wollen wir gemeinsam mit Initiativen und BürgerInnen diskutieren. Ziel soll es aber sein, den Fahrradverkehr vom Automobilverkehr zu trennen und gleichzeitig den Busverkehr zu beschleunigen. Ein gut ausgebauter Busverkehr um den Anlagenring herum könnte auch die Notwendigkeit für eine Busdurchfahrt durch die Innenstadt (durch Bahnhofstraße, Neue Bäue, Neustadt, Marktplatz) ersetzen. Wir wollen einen entsprechenden Verkehrsversuch.
  • Der Fahrradverkehr muss bestmöglichst vom Automobilverkehr getrennt werden, um Fahrradfahrer*innen zu schützen. Hierfür soll aber nicht der Fahrradverkehr auf Seitenstraßen ausweichen müssen, sondern diesem sollen die schnellsten bzw. kürzesten Wege zur Verfügung stehen, sofern der Fußgängerverkehr es zulässt.
  • Wir wollen eine Regio-S-Bahn einführen und hierfür an den bestehenden Bahnschienen zusätzliche Haltepunkte in der Stadt schaffen.
  • Eine Straßenbahn lehnen wir zzt. aufgrund massiver zu erwartender Kosten, äußerst langer Bauzeiten und der beengten Verkehrsflächen ab. Die Busflotte Gießens fährt bereits jetzt ausschließlich mit emissionsarmen/-freien Biogasbussen, diese sollten aus Nachhaltigkeitsgründen lange genutzt werden. Wir wollen den Busverkehr aber so stärken bzw. beschleunigen, dass dieser ähnlich schnell durch die Stadt kommt.
  • Allgemein gilt: ÖPNV ausbauen und dafür sorgen, dass die Preise von allen bezahlt werden können. Wer viel Geld hat, sollte aber weiterbezahlen, schon jetzt ist der ÖPNV in der Stadt günstiger als ein Auto zu halten. Der Gießen-Pass ermöglicht zahlreichen Menschen mit geringem oder keinem Einkommen die kostengünstige Teilhabe im Stadtbusverkehr. Der Fahrradverkehr muss durch schnelle Verbindungen und sichere Wege attraktiver werden. Hierfür müssen dem Auto auch Flächen weggenommen werden.

Bilder rechts: Die SPD in Tübingen (ähnlich groß wie Gießen, bislang ohne Straßenbahn und mit vielen Studierenden) macht es vor - Kommunalwahl pro Nulltarif und für eine RegioTram (Neubau Straßenbahn mit Anbindung an Eisenbahn).

Aus einem Interview mit den den Gießener SPD-Vorsitzenden Nina Heidt-Sommer und Christopher Nübel, in: Gießener Anzeiger, 21.9.2019 (S. 36)
Ein Spannungsfeld in Gießen besteht in der Forderung nach der autofreien Innenstadt und der Haltung des Einzelhandels, der damit in Teilen nicht einverstanden ist. Wie lösen Sie das auf?
Heidt-Sommer: Wir denken, dass das kein Gegensatz ist. Nach unserer Überzeugung ist eine verkehrsberuhigte Innenstadt mit einer attraktiven Infrastruktur und Begegnungsorten ein Anziehungspunkt, der die Attraktivität Gießens enorm steigern wird. Voraussetzung ist, dass gewährleistet ist, dass die Menschen barrierefrei und kostengünstig in die Innenstadt gelangen.
Nübel: Wenn ich den Leuten einen guten ÖPNV anbieten kann, wenn ich den Menschen aus dem Umland beispielsweise eine Regio-S-Bahn anbieten kann, mit der sie schnell an den Bahnhof oder andere Haltepunkte in der Stadt und von dort schnell in die Innenstadt kommen, dann können wir Parkplätze zum Beispiel am Brandplatz abschaffen. Aber so lange die Situation im ÖPNV nicht so ist – und es ist Aufgabe der SPD, diesen Ausgleich zu finden – können wir nicht einfach von heute auf morgen Veränderungen schaffen, weil der Einzelhandel viel zu wichtig ist.


Außerdem gab es ein interessantes, eher zufällig mitgefilmtes Statement der Oberbürgermeisterin Grabe-Bolz, die am ADFC-Stand äußerte, dass nach ihrer Meinung die Neustadt immer zur Fahradstraße werden könne (siehe in diesem Film ab ca. Minute 3:24).

Bündnis 90/Grüne
Im Original: Abgefragte verkehrspolitische Positionen im Februar 2020
Im September 2019 hat das Stadtparlament auf Antrag der Bürgerinitiative „2035Null“ beschlossen, dass die Stadt bis 2035 Klimaneutral werden möchte. Wir begrüßen den Beschluss außerordentlich.
Im Bereich Verkehr bedeutet das für uns, dass der Verkehr vermieden, verändert und mit nicht fossiler Energie betrieben werden muss.
Zur Verkehrsvermeidung muss die Stadtentwicklung weiterhin so weit wie möglich auf die Innenverdichtung in der Stadt setzen. Nur mit der Nutzung brachliegender Flächen, ehemaliger Gewerbeflächen, sowie Aufstockung wo irgend möglich kann der Pendlereinstrom reduziert werden.
Zum anderen muss sich unser Verkehr verändern: Innerhalb der Stadt brauchen wir eine klare Vorfahrt für Fußgänger- und Radverkehr sowie des ÖPNV. Die vorhandenen Verkehrsflächen müssen für diese Verkehrsarten erweitert und für den motorisierten Individualverkehr (PKWVerkehr) reduziert werden. Rad- und Fußgängerverkehr muss die absolute Priorität bei allen verkehrspolitischen Maßnahmen haben, der Pkw-Verkehr muss vermindert und zurückgedrängt werden.Konkret würde das zum Beispiel bedeuten:
• Bereitstellung der zweiten Spur auf dem Anlagenring nur für den Radverkehr (evtl. zusammen mit Busverkehr)
• weitere massiver Ausbau der Fahrradabstellplätze sowie des Fahrradleihsystems
• Ausbau der Radwegeverbindungen in das Umland, z.B. mit Fahrradschnellwegen
• Verdopplung des Taktes im Stadtbusverkehr
• regionale Schienenverkehrsverbindung in das Umland mit städtischen Haltepunkten (Regio-Bahn)
• Parken nur noch in Parkhäusern und Tiefgaragen (innerhalb des Anlagenrings)
• autofreie Innenstadt (innerhalb Anlagenring) mit elektrisch betriebenen Anlieger- und Zulieferverkehr
Was machen wir mit nicht-fossilen Antrieben?
Nur Elektromotoren bieten die Möglichkeit, auf Dauer klimaneutral zu fahren. Denn sie haben eine hohe Energieeffizienz (95% der Energie werden in Bewegung umgesetzt) und bieten die Möglichkeit, Strom vollständig aus erneuerbaren Energien zu beziehen. Deshalb ist die Elektrifizierung sowohl des Busbetriebs als auch der Pkws eine Notwendigkeit. Ob Busse mit Akkus oder Oberleitungssystemen betrieben werden, ist eine Frage der an der besten verfügbaren Technik. Beides muss geprüft werden. Die bisherige Strategie der Stadtwerke, mit Biogas zu fahren, wird an ihre Grenzen stoßen.
Der private PKW- (und LKW-) Verkehr wird ebenfalls auf Elektrobetrieb umgestellt werden müssen.
Das bedeutet für die Stadt:
• Elektrifizierung der Stadtbusse durch Oberleitungssystem oder Akkubetrieb
• Ausbau der Ladeinfrastruktur für PKW:
• pro 10 öffentlichen Parkplätze eine Ladestation
• an allen bisherigen Tankstellen mehrere Schnelladesäule


Aus einem Antrag an den Grünen-Kreisverband Gießen (beschlossen und damit gültig seit Juni 2019)
1. Komplettierung eines kreisweiten "Radwegenetzes" und Entwicklung vorhandener Radwege-Infrastruktur zur Alltagstauglichkeit unter Beendigung der teilweise konkurrierenden Kfz-Dominanz. Hierzu sollen die Sach- und Ortskenntnisse professionell radfahrender Verkehrsteilnehmer/innen (auch kreisübergreifend) aktiv eingebunden werden.
2. Förderung und Entwicklung des Schienen-Personen-Nahverkehrs (SPNV) als Rückgrat eines alltagstauglichen ÖPNV's im Landkreis Gießen, der Stadt Gießen und in Mittelhessen. Der Verbindungsansatz muß neben der guten verkehrlichen Erschließung des Ländlichen Raumes auch den qualitativ hochwertigen Ersatz des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) durch leistungsfähigen, bedarfsgerechten, angebotsorientierten und preiswerten ÖPNV in Verdichtungsräumen beinhalten. Dies ist die Grundlage eines akzeptierten ÖPNV bei gleichzeitiger Zurückdrängung des MIV auf seine Grundfunktion.
3. Der mittelhessische Verdichtungsraum um Gießen, Marburg und Wetzlar muß in einem verkehrsplanerischen ÖPNV-Gesamtansatz betrachtet werden. Hierzu ist die Erarbeitung eines Regiotram-Konzeptes in Anlehnung z.B. an das Kasseler Modell zu beauftragen. Angesichts finanziell umfangreicher ÖPNV-Projekte im Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main soll auch der mittelhessische Verdichtungsraum landesplanerisch in Position gebracht und auf der Grundlage einer interkommunal wirkenden Machbarkeitsstudie Fördermittel beim Land Hessen angefordert werden.
4. Die Akzeptanz und Nutzungfrequenz des ÖPNV hängt ganz wesentlich von der Preisgestaltung, dem Bedienungskomfort und der Verfügbarkeit ab. Seitens des Kreisverbandes soll darauf hingewirkt werden, daß die Vertreter des Landkreises und der Stadt Gießen sowie anderer mittelhessischer Vertreter in den Gremien des RMV und beim HMWEVL sich dafür einsetzen, in absehbarer Zeit ein attraktives hessisches Bürgerticket ("Hessenticket") zu entwickeln und allgemein verfügbar mit sozialer Komponente umzusetzen. Mehr Verkehr in Bahn & Bus zu lenken erhöht die Lebensqualität in Stadt und Land und wirkt zudem direkt klimapolitisch.
5. Das Städtedreieck der Oberzentren Gießen, Marburg und Wetzlar mit den Anrainer-Kommunen des mittelhessischen Verdichtungsraumes muß als gemeinsame Planungs- und Handlungsregion wahrgenommen werden, um ortsübergreifende Themen und Probleme unter Ausnutzung möglicher Synergien gemeinsam bearbeiten zu können. Diese Position gegenüber der Hessischen Landesregierung zu vertreten und in Umsetzung zu bringen ist eine Schlüsselaufgabe der Landesplanung für alle thematischen Teilbereiche.


Grüne in Gießen übernehmen etliche Vorschläge des Verkehrswendeplan und fordern unter anderem zwei autofreie Spuren des Anlagenrings, Stärkung der Bahnlinien und mehr Fahrradverbindungen
Aus "Grüne fordern: Halber Anlagenring für Rad und Bus", Gießener Allgemeine am 17.8.2019
Bereitstellung der zweiten Spur auf dem Anlagenring nur für den Radverkehr, eventuell zusammen mit dem Busverkehr.
Weiterer massiver Ausbau der Fahrradabstellplätze sowie des Radleihsystems
Ausbau der Radverbindungen in das Umland, zum Beispiel mit Fahrradschnellwegen
Taktverdopplung im Stadtbusverkehr.
Regionale Schienenverkehrsverbindung in das Umland mit städtischen Haltepunkten als Regio-S-Bahn.
Parken innerhalb des Anlagenrings soll nur noch in Parkhäusern und Tiefgaragen möglich sein.
Die Innenstadt innerhalb des Anlagenrings soll "autofrei" werden mit elektrisch betriebenem Anlieger- und Zulieferverkehr. Die Verbindung der Parkhäuser soll durch Elektro-Kleinbusse gewährleistet werden.
Auf jedem öffentlichen Parkplatz sollen zehn Stellplätze mit Ladesäulen installiert werden.


Aus "Grüne Gedankenspiele", in: Gießener Allgemeine, 30.8.2019
Verkehr: Dies ist der Bereich, in dem Wright den größten Hebel sieht, an dem die Stadt ansetzen kann. Das Leitmotiv ist hier: Verkehr vermeiden und verändern. Vorfahrt haben sollen Fußgänger, Radfahrer und Busse. Konkret fordern die Grünen die Bereitstellung der zweiten Spur auf dem Anlagenring nur für den Radverkehr. Nur eine Spur für Autos sei kein Problem, sagte Grothe. "Das haben die Baustellen dort gezeigt. Da ist nichts zusammengebrochen." ...
Die Grünen fordern außerdem einen Ausbau der Fahrradabstellplätze, die Taktverdopplung im Stadtbusverkehr sowie regionale Bahnverbindungen ins Umland mit Haltepunkten in der Stadt. Parken innerhalb des Anlagenrings soll nur noch in Parkhäusern und Tiefgaragen möglich sein. Die Innenstadt innerhalb des Anlagenrings soll autofrei werden. "Man sieht doch aktuell in der Neustadt, wie ein ganzes Viertel aufatmet, wenn keine Autos mehr fahren", sagte Wright. Außerdem sollen auf jedem öffentlichen Parkplatz zehn Stellplätze mit Ladesäulen für E-Mobilität installiert werden.


Ach ja ... früher war alles besser. Jedenfalls bei den Grünen. Da kann mensch nur neidisch zurückblicken. welche verkehrspolitischen Forderungen z.B. 1980 bestanden:
Aus dem Parteiprogramm der Grünen von 1980
- Der zulässige, maximale Benzinverbrauch ist zu begrenzen und stufenweise zu senken.
- Straßenbaumaßnahmen sind im wesentlichen auf die notwendige Erhaltung und Abrundung des bestehenden Straßennetzes zu begrenzen. Der Bau neuer Autobahnen und Schnellstraßen wird eingestellt.
- ( ... ) Der Bau neuer Verkehrswege — gleich welcher Art — durch ökologisch erhaltenswerte Räume ist zu verhindern. ( ... )
- Ausbau eines dichten Netzes unbehinderter Straßenbahnen, anstelle kostspieliger U-Bahnen mit großmaschigen NetzenFörderung des Fahrradverkehrs durch ein dichteres, wesentlich verbessertes Radwegenetz. Ebenso muss Fahrrädern der selbe Verkehrsraum wie Kraftfahrzeugen eingeräumt wer den, d. h. sie dürfen nebeneinander fahren. (... )
- Keine weitere Streckenstillegungen bei Eisenbahnen, Offenhaltung der Möglichkeit, stillgelegte Strecken wieder in Betrieb zunehmen. (...) Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen.

Die Linke
Im Original: Abgefragte verkehrspolitische Positionen im Februar 2020
Liebe Verkehrswende Bewegte,
für die Gießener LINKE ist ein Umsteuern in der Verkehrspolitik ein zentrales Element einer gerechten Klimapolitik. Gerade und vor allem in den Kommunen muss diese vorangetrieben und letztlich auch umgesetzt werden. Ziel einer nachhaltigen Verkehrspolitik muss es sein, die Abhängigkeit vom PKW möglichst vollständig und zügig zu überwinden.
Da in der vergangenen Jahrzehnten, angefangen in der Mitte des letzten Jahrhunderts, sehr einseitige Verkehrspolitik zu Gunsten des privaten Automobils nicht nur in Gießen, sondern in der gesamten Bundesrepublik, betrieben wurde, ist diese Aufgaben nur gemeinsam mit euch erreichbar. Im Zweifel auch gegen die wirtschaftlichen Interessen der exportorientierten Automobilindustrie und ihren politischen Vertreter*innen.
Für die Gießener LINKE ist es dabei wichtig, dass auch die Interessen der finanziell benachteiligten, aber auch von älteren oder bewegungseingeschränkten Bevölkerungsteilen berücksichtigt werden. So darf auch in den Kommunen keine Klima- oder Verkehrspolitik betrieben werden, die diese Bevölkerungsteile mehr belastet als andere, oder gar benachteiligt. Kern einer linken Klimapolitik ist es, Mobilität abseits des privaten Fahrzeuges für alle zu ermöglichen. Dafür ist ein diversifiziertes und günstiges Angebot mit unterschiedlichen Verkehrsmittel in demokratischer öffentlicher Hand für uns unerlässlich.
Zielführend für die Verkehrswende ist dabei vor allem und zunächst eine Infrastruktur und ein Verkehrsangebot zu schaffen, dass das private Automobil ersetzen kann. Eine einseitige Verteuerung der Nutzung privater Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, oder eine einseitige Förderung Elektromobilität halten wir für nicht zielführend. Menschen aller Altersschichten werden auch in Zukunft ihren Schul- oder Arbeitsplatz erreichen, oder schwere Einkäufe vom Supermarkt nach Hause transportieren müssen. Und einen Elektro-Neuwagen muss man sich zu allererst leiten können.
Die Verkehrsfläche in Gießen und anderen Kommunen ist begrenzt. Um Alternativen zum motorisierten Individualverkehr schaffen zu können, muss diese Fläche dem PKW-Verkehr abgestritten werden. Wir setzen uns u.a. ein für:
1. Förderung des Radverkehrs
durch Ausbau des Radewegenetzes in Gießen u.a. durch echte Fahrradstraßen, Erhöhung der Sicherheit durch geschützte Radstreifen (Protected Bikelanes), Anbindung der Stadt ans Radschnellwegenetzes des Rhein-Main-Gebietes und Ausbau eines öffentlichen Leihfahrradangebotes auch außerhalb der Universitären Standorte z.B. am Stadtrand und in den Umlandkommunen.
2. Förderung des Fußverkehrs
durch Verbreiterung der Gehwege und Erhöhung der Anzahl der Straßenquerungsmöglichkeiten durch z.B. Verkehrsinseln, sowie die Trennung von Rad-, PKW und Fußverkehr. Entsiegelung von Asphaltflächen.
3. Ausbau des Schienengebunden Personen Nahverkehrs
durch eine RegioTram in Mittelhessen zwischen den Städten Wetzlar,-Gießen und Marburg bei gleichzeitiger Anbindung möglichst vieler Unterzentren. Erweiterung des SPV-Angebots in angrenzende Großstädte.
4. Ausbau des Busliniennetzes auch und insbesondere in die Umlandkommunen
durch mehr Linien und kürzerer Taktung auch abends und an Wochenenden. Einstieg in den kostenlosen Nahverkehr an Samstagen mit Perspektive des generellen kostenfreien Nahverkehrsangebots. Erhöhung der Mitnahmeplätze für Kinderwagen und Rollatoren.
5. Reduzierung des PKW-Verkehrs in der Stadt
durch ein generelles Tempolimit von 30km/h innerorts, Reduzierung des vierspurigen Innenstadtrings auf zwei Spuren, Beschränkung der Einfahrtserlaubnis in die Innenstadt auf Anwohnende und Lieferverkehre (Autofreie Innenstadt), Stopp aller Pläne zur Schaffung weiterer Parkhäuser und Tiefgaragen im Innenstadtbereich, sowie Angebotserweiterung von öffentlichen Car-Sharing Angeboten insbesondere am Stadtrand und Umlandkommunen.
Für eine lebenswerte, bunte Stadt mit weniger grauen Asphalt und Beton!
Matthias Riedl Fraktionsvorsitzender Gießener LINKE


CDU
Im Original: Abgefragte verkehrspolitische Positionen im Februar 2020
Keine Antwort.

Junge Union
Verkehrspolitische Forderungen aus "GIESSEN 2030 - Ein Forderungskatalog des Stadtverbandes der Jungen Union Gießen"
Smart Parking (umfasst auch die bargeldlose Bezahlung; Assistent bei Parkplatzsuche) ...
Damit Deutschland zukünftig Emissionen reduzieren und seine Klimaschutzziele einhalten kann, müssen Städte gemeinsam mit den Verkehrsverbünden für Alternativen zur Nutzung des eigenen Pkws sorgen. Leider hat die Stadt Gießen die Entwicklung hin zu einem attraktiven ÖPNV, der einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Umwelt und Gesundheit leisten würde, bisher verpasst. Noch immer nutzen 37% der Studierenden ihren eigenen Pkw für den Weg zur Hochschule. Daher fordern 1 dern wir Folgendes:
a) Förderung und Ausbau des Car-Sharing-Systems
b) Bündelung aller Verkehrsmittel in einer App, die folgendes beinhaltet:
• Vorschläge über mögliche Verkehrsmittel
• Stadtkarte mit Positionen der Busse samt Wartezeiten
• Aktuelle Standorte der verfügbaren Citybikes und Car-Sharing-Autos
c) Überprüfung aller Ampel-Schaltungen am Anlagenring und angrenzender Straßen hinsichtlich eines fließenden Verkehrsstroms
d) Überprüfung von 30er-Zonen hinsichtlich eines fließenden Verkehrsstroms
e) Beibehaltung des vierspurigen Anlagenrings
f) Ober-/Unterführung an der Bahnschiene „Frankfurter Straße“
g) Ausbau der Infrastruktur für Elektroautos
h) Überprüfung und Ausbau des Radwegenetzes
i) Intensivere Überprüfung der Einhaltung von Verkehrsregeln im Radverkehr
j) Ausbau sicherer und kostenloser Abstellmöglichkeiten für Fahrräder
k) Einführung von Angeboten für Familie wie Schließfächer oder Buggyverleih-Stationen


Junge Union fordert mehr Fahrradstraßen in Gießen
Aus "Weitere Fahrradstraßen gefordert", in: Gießener Anzeiger, 26.11.2019 (S. 16)
„Im Wege einer Entschleunigung des Innenstadtverkehrs und eines geringeren Risikos für Radfahrer und Fußgänger plädieren wir für sogenannte Fahrradstraßen in der unteren Bahnhofstraße, der Schanzenstraße und im Reichensand ab dem Zebrastreifen“, so Pressesprecher Maximilian Roth. Damit schaffe man ein gesundes Mittelmaß zwischen Verkehrsreduzierung und Interessen der Radfahrer und Fußgänger, heißt es in einer Pressemitteilung und weiter: „Von einer Grünen-Verbotspolitik in Form einer komplett autofreien Innenstadt halten wir jedoch nichts“. ...
Seitens der handelnden Entscheidungsträger bedarf es sichtbarer und alsbaldiger Schritte, die in den vergangenen Jahren unter hauptamtlicher Dezernatsleitung der Grünen in eklatanter Weise verpasst wurden. In diesem Zusammenhang freut sich die Junge Union laut Pressemeldung, dass der nun zuständige Dezernent Peter Neidel Stück für Stück die richtigen Akzente setzt und hoffentlich auch in Zukunft fortführt.


Bericht in der Gießener Allgemeinen am 26.11.2019 dazu

F.D.P.
Im Original: Abgefragte verkehrspolitische Positionen im Februar 2020
Keine Antwort.

Freie Wähler
Im Original: Abgefragte verkehrspolitische Positionen im Februar 2020
Keine Antwort.

Piraten/Bürgerliste
Im Original: Abgefragte verkehrspolitische Positionen im Februar 2020
Keine Antwort.

AfD
Im Original: Abgefragte verkehrspolitische Positionen im Februar 2020
Keine Antwort.

Verkehrspolitik in der Presse

Stadt Gießen: Schienenausbau nicht geplant
Aus "Welche Rolle spielt die Straßenbahn in der Verkehrsplanung der Stadt Gießen?", in: Gießener Allgemeine, 14.3.2019
Stadtverwaltung äußert gegenüber Agenda-Mobilitätsgruppe, "dass eine Reaktivierung der Straßenbahn derzeit kein Thema für die Stadt ist. Im aktuellen Prozess zur Erstellung eines neuen Verkehrsentwicklungsplans (VEP) spiele die Schiene keine Rolle, erklärte der städtische Verkehrskoordinator Ralf Pausch.

Medien

Inzwischen sind beide Gießener Tageszeitungen sehr stark in das Thema eingestiegen - eine der deutlichsten Wirkungen der Aktionen pro Verkehrswende. Hier zeigt sich auch die strategische Qualität der Verbindung von direkten Aktionen und dem Vorlegen eines eigenen, umfassenden Vorschlags. Denn die Medien befragen inzwischen sehr regelmäßig verschiedene Player in der Stadt zu ihrer Meinung zu den Vorschlägen. RegioTram, Fahrradstraßen und mehr sind damit als Themen dauer-präsent.

Kommentare von Redakteur*innen in den Medien
Aus einem Kommentar von Nico Lumma, in: Gießener Anzeiger, 2.7.2022
Natürlich gehört zur Zeitenwende im Verkehr aber auch das Fahrrad. In allen Städten müssen Fahrradschnellstraßen und breite Fahrradspuren geschaffen werden. Das muss zulasten des Autos gehen. ...
Wenn in Deutschland notwendige Veränderungen im Verkehr gefordert werden, löst das bei vielen Menschen immer noch irrationale Reflexe aus. Wir sind das einzige Land in Europa ohne Tempolimit und führen die Debatte darüber mit ähnlichem Erfolg wie die USA die Debatte über Einschränkungen beim Waffenbesitz.

Der Vergleich mit dem Waffenbesitz ist schön. Ansonsten schwärmt der Kommentator auch für das E-Auto - und baut damit gleich selbst den Trick ein, mit dem die Deutschen ihre Waffe (das Auto) weiter behalten können.

Aus dem Wochenkommentar in der Gießener Anzeiger, 27.4.2019
Zugegeben: Als Jörg Bergstedt im März seine Vorschläge für eine Verkehrswende in Gießen vorstellte, klang insbesondere die Idee, künftig eine Seilbahn zur Entlastung des Innenstadtverkehrs einzusetzen, doch recht abenteuerlich. Seit diesem Tag werde ich immer hellhörig, wenn das Thema medial irgendwo aufploppt. In der vergangenen Woche meldete sich RMV-Geschäftsführer Knut Ringat in dieser Sache zu Wort: „Seilbahnen allein können nicht die Mobilitätsbedürfnisse der Zukunft stillen, aber punktuell können sie auch in Ballungsräumen sehr sinnvoll sein“, sagte er der Deutschen Presseagentur und verwies auf ein Pilotprojekt im Hochtaunuskreis. Mit dem soll der Einsatz von Seilbahnen im öffentlichen Nahverkehr getestet werden. Die angedachte Linie kann Fahrgäste von Schmitten über den Feldberg zur Hohemark in Oberursel bringen.
Jörg Bergstedt bevorzugt in Gießen hingegen eine Verbindung von Bahnhof, Klinik, Naturwissenschaften, Philosophikum und Kreisverwaltung. Seine Sympathien für die Seilbahn als ergänzendes Verkehrsmittel teilen übrigens auch viele Abgeordnete des hessischen Landtags. Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) würde sie sogar mit dem hessischen Mobilitätsgesetz fördern. In Gießen selbst hält sich allerdings ein Großteil der politischen Akteure noch merklich mit Empfehlungen zurück. Dafür haben zahlreiche Gruppen in den vergangenen Monaten Vorschläge für eine neue Mobilitätskultur gemacht, die der Kollege Stephan Scholz am Freitag zusammengefasst hat. Die Verkehrswende in Gießen, sie wird uns sicherlich noch einige Zeit beschäftigen. Wahrscheinlich mit mal mehr und mal weniger abenteuerlichen Ideen.


Kommentar in der Gießener Allgemeine am 7.5.2019

Verkehrsunternehmen

RMV-Geschäftsführer Ringat in der FAZ am 13.10.2018 auf die Frage "Nach dem Diesel-Urteil, das Fahrverbote für Frankfurt verlangt, heißt es, man müssen den öffentlichen Nahverkehr ausbauen. Kommt diese Erkenntnis nicht ein wenig spät?":
Recht spät. Auf der anderen Seite sind wir als Vertreter des öffentlichen Nahverkehrs froh, dass die Erkenntnis endlich da ist. In den Kommunen und auch beim Land ist man sich schon länger darüber im Klaren, dass der Bus- und Bahnverkehr ausgebaut werden muss. Beim Bund hat diese Erkenntnis leider gefehlt.

RMV gegen Nulltarif
Über 1 1/4 Jahre brauchte die Stadtverwaltung, um zu klären, ob ein Nulltarif-Test möglich ist. In dieser Zeit haben sie nicht mehr hinbekommen als den RMV zu fragen. Der war natürlich dagegen - was wenig überrascht. Es gab einen Bericht in der Gießener Allgemeine mit einem passenden Kommentar "RWE fragen, ob Kohleausstieg klappen kann?":
Wer den RMV fragt, ob ein Nulltarif sinnvoll sein kann, könnte auch Daimler oder VW fragen, ob es ohne Auto geht. Das ist weder seriös noch überzeugend. Immerhin hat die Stadtverwaltung 1 1/4 Jahre gebraucht, um den RMV zu fragen - und das vom Parlament gesetzte Datum der Abgabe der Stellungnahme um ein halbes Jahr überzogen. Das stärkt vor allem den Verdacht, dass Verkehrspolitik in Gießen bedeutet: Stillhalten, nichts tun, verzögern. Da die Stadt selbst keine brauchbaren Konzepte hat, aber nicht zugeben will, dass sie den Autoverkehr weiter hätscheln will, werden Studien in Auftrag gegeben und neue Ankündigungen gemacht. Nur tatsächlich verändert wird wenig bis nichts. Dabei will die Linkspartei, die gerade nicht mit radikalen Vorschlägen auffällt (die aber nötig wären) nichts als ein paar Tests, ob ein Nulltarif auch angenommen würde. Haben die Politiker*innen Angst, dass den Menschen in Gießen das Gefallen würde?


Leserbrief dazu: Nulltarif finanziert sich selbst - in der Gesamtschau
Der bundesweite Dachverband der Verkehrsunternehmen hat im Februar letzten Jahres die Kosten eines deutschlandweiten Nulltarifs mit 12 Milliarden Euro beziffert. Da der Verband gegen den Nulltarif eingestellt ist, gehe ich davon aus, dass er nicht untertrieben hat. Diese zwölf Milliarden finanzieren sich ziemlich einfach. Fast die Hälfte des Betrags zahlt der Staat jetzt schon denen, die Auto fahren oder ein Ticket kaufen - per Pendlerpauschale. Die werden halt jetzt direkt den Verkehrsunternehmen gegeben. Teile weiterer Fahr-Subventionen (Diesel, Dienstwagen) würden ebenfalls umgeleitet werden können. Die Stadtwerke sparen Werbung, Automaten, Kontrollen, Buchhaltungskosten usw. ein. Der Staat spart das Geld für Strafverfolgung (Prozesse, Gefängnis). Die Stadt spart viel Geld für die jetzige Autoinfrastruktur. Alles zusammen übertrifft die nötige Geldmenge. Es wird also eine Umverteilung zwischen Bund, Land und Kommunen stattfinden müssen, damit das klappt. Dass die Kommune den Nulltarif bezahlt und der Bund die Pendlerpauschale einspart (und davon Panzer kauft oder was auch immer), wäre ja absurd. Über Parteien, Städtetag, Gemeindebund und direkte Kooperationen interessierter Städte wird aus der Stadt Gießen Druck gemacht werden müssen. Aber es braucht immer die, die anfangen. Warum nicht mal Gießen vorneweg: Die zweite Nulltarifstadt , die erste Uni-Seilbahn (in anderen Ländern ist das längst Alltag) und die dritte RegioTram-Stadt Deutschlands sowie die x-te Fahrradstraßen-Stadt. Angesichts des hohen Studierendenanteils kann Gießen durchaus die Stadt mit dem niedrigsten Autoanteil am Gesamtverkehr in Deutschland zu werden! www.verkehrswende.siehe.website

Fatale Strategien der SWG
Der Stadtwerke-Chef von Gießen (SWG, also die Busbetreiber) haut in einem Interview in der Gießener Allgemeine raus, dass es den ÖPNV vielleicht in ein paar Jahren sowieso nicht mehr gibt - und stattdessen nur noch autonomes Fahren. Er sympathisiert offen für Elektromobilität und will die SWG offenbar zu einem E-Mobil-Anbieter umbauen. Die Leute sollen ihre E-Mobile aber bitte zuhause laden. Klar: Stromverkauf ist deren Hauptgewinnebene, die Buslinien wollen sie weg haben.

Aus "Mobilitätskompass für Gießen" (Stadt Gießen)

Stadtwerke-Gießen-Chef für autonomes Fahren - ÖPNV ganz abschaffen?
Aus einem Interview in: Gießener Allgemeine, 26.5.2019
Auch die Verkehrswende ist ein Thema, das die Stadtwerke direkt betrifft.
Schmidt: Auch da steckt bis ins Jahr 2050 viel Spekulation drin. Fahren wir in 30 Jahren autonom? Brauchen wir dann mehr, weniger oder keinen ÖPNV mehr? Ich glaube, es wird immer jemanden geben, der Mobilität regional organisiert. Für den ÖPNV sind wir das aktuell. Ich könnte mir auch für die Zukunft vorstellen, diese Aufgabe zu übernehmen. Es wird jedoch eine ganz andere sein als jetzt. Dennoch: Auch autonom fahrende Autos müssen irgendwo zentral gewartet und getankt werden. Es wird auch weiterhin Verkehrsverbünde geben. Wir fangen gerade an, uns mit diesen Themen zu beschäftigen, denn es wird dann um andere Fähigkeiten gehen, als einen Bus fahren zu können.
Sie bieten neuerdings einen E-Smart mit Lademöglichkeit an. Wie ist dieses Projekt bisher angelaufen?
Schmidt: Die Nachfrage ist super. Leider ist die Produktion für 2019 noch nicht so flott aufgestellt. Etwa 400 Kunden haben Interesse signalisiert. Wir haben auch viel Lob von Fachleuten bekommen. Das Interessante daran ist das Gesamtkonzept. Es geht nicht nur darum, E-Mobilität zur Verfügung zu stellen. Wir bieten zudem eine Photovoltaikanlage und einen eigenen Speicher an. Wir haben auch schon die ersten Werbepartner, die das Projekt als "regionales Vorzeigeprodukt" ausgemacht haben und mitmachen wollen.
Die SWG haben 2015 die zweite öffentliche E-Ladesäule in Betrieb genommen, heute gibt es drei. Soll es in Sachen E-Mobilität in dieser Geschwindigkeit weitergehen?
Schmidt:Wir glauben nicht an das dezentrale öffentliche Laden, sondern sind überzeugt, dass man zu Hause oder an der Arbeit laden wird. Warum sollen wir also die Straßen damit zupflastern, wenn es später nicht genutzt wird? Wir unterstützen lieber dabei, Ladesäulen in Haushalte und Firmen zu bringen.

Im Juli 2020 präsentierten Stadtwerke und Stadt Gießen dann stolz neue E-Ladestationen für Autos - sogar in der Innenstadt. Damit werden also Autos hineingelockt statt endlich damit zu beginnen, die Autos herauszudrängen.
Als aus der Kampagne 2035null Kritik an der fehlenden Ernsthaftigkeit eines Wandels hin zu Klimaneutralität kam, wehrte sich die Stadtwerke mit Eigenlob. Sie behauptete, schon viel für den Klimaschutz zu tun - und erwähnte unter drei Beispielen die Förderung des Autofahrens mit Elektroantrieb und die Müllverbrennung!

Aus der Pressemitteilung "Acht neue Ladepunkte für E-Autos" der Stadtwerke am 7.7.2020
Der Umstieg auf E-Mobilität ist eine der Säulen der Energiewende. ... Am 30. Juni gingen vier Ladesäulen mit jeweils zwei Ladepunkten in Betrieb – zwei in der Senckenbergstraße in den Parkbuchten vor dem Schloss und zwei in der Friedrichstraße in direkter Nähe zur Augenklinik. ... „Die neuen Ladesäulen bringen Gießen auf dem Weg zur CO2-neutralen Stadt wieder ein Stück weiter“, so Stadträtin Astrid Eibelshäuser anlässlich der offiziellen Inbetriebnahme.

Leserbrief dazu von Jörg Bergstedt (nicht erschienen)
E-Autos bringen weder Verkehrs- noch Energiewende
Da feiern sich die Stadt Gießen und die Stadtwerke als Klimaschützer ab, weil sie die Infrastruktur für den motorisierten Individualverkehr verbessern: "Der Umstieg auf E-Mobilität ist eine der Säulen der Energiewende" ist zu lesen. Energieverbrauch wird hier als Energiewende verkauft, dabei sind Autos die Form der Fortbewegung mit dem höchsten Verbrauch pro Person und Kilometer. Mit ihnen lässt sich Energie nicht sparen. Ein Bericht in der letzten Kundenzeitung der Stadtwerke legte sogar einen schlimmeren Verdacht nahe, der inzwischen auch durch einige Statistiken belegt ist: Wer ein E-Auto besitzt, meidet Busse und Bahnen noch stärker - und lässt das Fahrrad öfter stehen. Insofern werden die E-Autos weder Energie- noch Verkehrswende fördern. Dass die Ladeinfrastruktur zum Teil in der Innenstadt erreicht wurde, zeigt, dass Autos weiter hineingelockt werden sollen - mehr Verkehr als statt einer autofreien Innenstadt. „Die neuen Ladesäulen bringen Gießen auf dem Weg zur CO2-neutralen Stadt wieder ein Stück weiter“, phantasierte Stadträtin Astrid Eibelshäuser laut dem Presseartikel. Autofahren für 2035null, während sonstige Maßnahmen auf die lange Bank geschoben werden? Den Stadtwerken ist kein Vorwurf zu machen. Die Stadt hat aus dem Versorger eine Firma gemacht. Ihr Maßstab ist nicht mehr Bedürfnisbefriedigung, sondern Profit. Stromverbrauch ist das wichtigstes Gewinngeschäft der SWG. Klar, dass sie lieber E-Autoverkehr und damit ihren Stromabsatz fördern als den defizitären Nahverkehr ausbauen. Für den Kontostand der Firma gut, für Mensch und Umwelt schlecht.


Aus "Stadtwerke Gießen weisen Kritik zurück", in: Gießener Anzeiger, 10.7.2020
"Das Engagement der SWG zahlt seit mehreren Jahrzehnten schon auf den Klimaschutz ein, was sowohl in der Region als auch in unserer Branche bekannt ist und auch geschätzt wird", weist der Stadtwerkevorstand die Kritik zurück. Allein aus dem vergangenen Jahr könne man drei nennenswerte Klimabeiträge der SWG auflisten. So führen durch das Engagement des Unternehmens zusätzliche 51 Fahrzeuge mit Elektrobetrieb in der Region. Daneben fahre die komplette Busflotte mit Bio-Erdgas, und ebenfalls 2019 wurde die Trea II eingeweiht, die Strom und Wärme äußerst effizient und klimaverträglich erzeuge.

Weitere Institutionen

Ein krasses Beispiel automobiler Ideologie liefert im Sommer 2022 die (mittel-)hessische Justiz. Die Einstellung eines Gerichtsverfahrens zeigte einiges über die Kultur in diesem Land. Wer keine Fahrkarte kauft, wird verurteilt - und der Staat sieht ein öffentliches Interesse, weil ohne Einsperren von "Schwarzfahris" das Vertrauen in den Staat erschüttert würde. Wenn aber das Auto als Waffe eingesetzt wird und einen Menschen tötet, ist all das egal. Auch die absurden Gründe der Weigerung der Staatsanwaltschaft Gießen, bei einem tödlichen Crash von Auto gegen Fahrrad trotz eindeutiger Lage, wer Schuld hat, sprechen für sich - zum Beispiel: Wer mit dem Fahrrad schnell fährt, gefährdet sich selbst und hat (Mit)Schuld an Unfällen, selbst wenn keine Vorschrift übertreten wird ... ein weißes T-Shirt ist dunkle Kleidung usw.
Das alles macht wieder einmal klar: Justiz ist ein Instrument der Herrschenden.
Strafe ist immer falsch und erweckt niemensch mehr zum Leben. Aber es macht dennoch Sinn, zur Kenntnis zu nehmen, wie eindeutig die Justiz hier ihr wahres Gesicht zeigt.

Aus "Kein Prozess nach tödlichem Unfall in Gießener Ludwigstraße – Beschwerde eingereicht", in: Gießener Allgemeine am 12.8.2022
Am 12. August 2020 gegen 21.30 Uhr fährt ein 20-jähriger Student mit seinem Fahrrad die Ludwigstraße hinunter. In entgegengesetzter Richtung ist zur gleichen Zeit eine Autofahrerin unterwegs. An der Kreuzung zur Liebigstraße biegt die Gießenerin links ab - und übersieht dabei den Radfahrer. Durch den Unfall wird der junge Mann derart schwer verletzt, dass er wenige Tage später in der Klinik verstirbt. ...
Die Staatsanwaltschaft Gießen hat ein möglichen Verfahren wegen fahrlässiger Tötung eingestellt. Das bestätigt Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger auf Anfrage dieser Zeitung. Begründung: Der Unfall mit dem Radfahrer, der keinen Helm getragen habe, sei für die Pkw-Fahrerin kaum zu vermeiden gewesen. ...
... würde ein Verzicht auf Strafverfolgung weder das Vertrauen in das Gewaltmonopol des Staates erschüttern noch zu einem Klima der Rechtsunsicherheit und Gewalt führen.

Armselig verhalten sich die großen Player Gießens. Das sind die zwei Hochschulen und das UKGM (Krankenhaus). Die THM gibt ihre Handlungsunfähigkeit in Sachen Mobilität sogar offen zu.
Aus dem Energie- und Ressourcenbericht 2023 der THM (S. 30f)
Der infolge der Mobilität resultierende CO2-Ausstoß ist um eine vielfaches größer als derjenige aus dem Gebäudebetrieb, wenn man die Fahrten der Studierenden und Mitarbeitenden zur THM und wieder nach Hause mit einbeziehen würde. Es liegen zwar erste tendenzielle Abschätzungen aus einzelnen Bereichen vor, eine Gesamtbetrachtung kann aber erst zukünftig erstellt werden, da die dafür notwendige Datenbasis erst noch aufgestellt werden muss.
Seit Beginn des Jahres 2020 erwirbt das Land Hessen Emissionsrechte in Höhe von 60.000 Tonnen pro Jahr. Damit sind Mitarbeitende der hessischen Landesverwaltung auf Dienstreisen zukünftig CO2-neutral unterwegs. Dennoch werden von der Hochschule Bestrebungen angestellt, die gefahrenen Kilometer zu reduzieren. Ein erster Schritt sind drei Lasten-Pedelecs, die im Jahr 2020 angeschafft wurden.

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