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VERSUCHSFELD MIT TRANSGENER GERSTE:
KÖNNEN DIE LANDWIRTSCHAFT?

Der lange Weg zur Aussaat: Viele Jahre Labor, wenige Monate PR-Kampagne!


1. Die Uni, die Stadt und das Beet
2. Die Ziele des Gerstenversuchs: Täuschung und Wahrheit
3. Sicherheitsforschung war es nicht - was aber dann? Die tatsächlichen Versuchsziele
4. Umgang mit Fördergeldern und anderen Geldbeträgen
5. Vertuschte Risiken: Lügen und Täuschungen zu Auskreuzung und Gentransfer
6. Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit
7. Stellungnahmen zum Versuch und zum Bedarf an transgener Gerste
8. Kritik an den MacherInnen des Gersten-Versuchsfeldes
9. Zusatzinfos zum Gengerstefeld
10. Wer wird da tätig? Kogel, das IFZ und sein Kollege Sonnewald
11. Der lange Weg zur Aussaat: Viele Jahre Labor, wenige Monate PR-Kampagne!
12. Einblicke in den Versuchsablauf
13. 2008: Eine Besetzung beendete den Versuch - aber nicht die Lügen!
14. Nachschlag 2009: Versuch in Groß Lüsewitz
15. Links

Die Freisetzung: Endphase eines langen Methodenversuchs - Sicherheitsforschung nur vorgeschoben
Die Aussaat war nicht der Anfang, auch der Antrag auf Freisetzung nicht. Es ging früher los, viel früher. Denn anders als Kogel und sein Team später behaupten, wollte er mitnichten an den Auswirkungen auf nützliche Bodenpilze forschen. Das behauptete er, um an die Gelder aus dem Programm zur Sicherheitsforschung zu kommen. Tatsächlich war Kogel schon seit vielen Jahren mit der Entwicklung gentechnischer Methoden befasst. Die Gerste nutzte er als Trägerpflanze - die veränderten Pflanzen interessierten ihn sonst nicht weiter. Die Arbeiten verliefen immer mehrgleisig, um ständig zwei oder drei Fördertöpfe anzapfen zu können. So waren sie bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft angesiedelt. Unter der Projektnummer "FOR 343" findet sich ein Teilprojekt "AG Prof. Dr. K.-H. Kogel - Dr. G. Langen". Die dazugehörige Internetseite, erste Quelle zum Forschungsstrang, der 2006 dann in die Freisetzung mündete, liegt auf dem Server der Uni Gießen und wurde mit Word 97 erstellt. Lange her also. DFG und Kogel blieben sich weitere Förderzeiträume treu. 2002 wurden 2,5 Mio. bewilligt für drei weitere Jahre. 2006 erfolgte die nächste Spritze - jetzt als gänzlich neu formuliertes Projekt wurde unter Nummer "FOR 666". Die Projekte wurden ergänzt oder abgewandelt, um die neuen Geldflüsse zu legitimieren.
Parallel zapfte Kogel geschickt weitere Quellen an. 1998 wurde das große und geldschwere Förderprogramm der Bundesregierung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter dem Namen „Genomanalyse im biologischen System Pflanze – GABI gestartet. Es ließ sich ebenso prima nutzen wie später das ebenfalls vom BMBF betriebene Biosicherheitsprogramm. Kogel und sein Team waren nicht die einzigen, die auch dort ihre Chance witterten. Der laufende Versuch wurde wieder umgeschrieben und unter der Behauptung, plötzlich Umweltauswirkungen gentechnisch veränderter Pflanzen testen zu wollen, angemeldet: 352.000 € für 9,6 qm Fläche waren ein stolzer Batzen Geld, der fast vollständig in die Regelstellen des Instituts floss und dort den Weiterbetrieb sicherte.

Doch Kogels Forschungen lassen sich nicht nur in Geldanträgen und Zuschüssen nachvollziehen. Er trug seine Forschungen einschließlich Zielen und Zwischenergebnissen immer wieder in die Öffentlichkeit. Aus diesen Texten ist noch besser ersichtlich, an was hier geforscht wurde und dass es mit der angeblichen Biosicherheitsforschung nicht weit her ist. Die älteste Meldung stammt vom 12.02.1999. die Universität kündigte die "Entwicklung qualitativ neuartiger Prinzipien des Pflanzenschutzes" an. Fünf Jahre später beschrieb Kogel seine Forschung genauer, auf der letzten Seite nochmals zusammenfassend und unmissverständlich als Methoden- und Produktentwicklung. Zudem kündigte er die "Freilandversuche in Kooperation mit nationalen Saatgutfirmen" an (Spiegel der Forschung Nov. 2004, S. 85). Alle wichtigen Details entsprachen der späteren Lage am Versuchsfeld in Gießen. Es war der Versuch, der 2004 angekündigt wurde - die Sicherheitsforschung war eine Fälschung! 2005 stellt er dann Förder- und Genehmigungsanträge für sein Feld mit transgener Gerste. Doch nun soll es um ganz andere Forschungsziele gehen. Wer das glaubt, muss auch die Frage klären, wo denn die 2004 angekündigten Freisetzungen gelaufen sein sollen oder warum sie plötzlich ausfielen. Viel wahrscheinlicher ist, dass Kogel seine geplanten Forschungen durchzog, aber nach außen zwecks Ausnutzung zusätzlicher Finanzquellen einfach umdeklarierte.

Im Original: Kogels frühere Forschungen und Vorankündigungen
Aus Kogel/Jansen: "Das nationale Verbundprojekt GABI-Agrotec", in: Spiegel der Forschung Nov. 2004 (S. 78 ff.)
Sicherung des Ertrags und optimale Qualität von Lebensmitteln – das sind die Kernziele der heutigen Agrar- und Verbraucherschutzpolitik. Doch wie lassen sich diese Ziele unter Einhaltung moderner Umweltschutzbestimmungen und der Prämisse der „Nachhaltigkeit“ erreichen? Die einzig praktikable Lösung scheint in der Entwicklung von Nutzpflanzen zu liegen, die Krankheiten und ungünstigen Umwelteinflüssen trotzen. Die klassische Pflanzenzüchtung stößt hier an ihre Grenzen, da es nicht möglich ist, alle Gene, die an der Ausprägung einer solch komplexen Widerstandsfähigkeit beteiligt sind, durch Kreuzung in einer Sorte zu vereinen. Doch was tun, wenn die klassische Züchtung nicht zum Erfolg führt? Aus Sicht der Wissenschaft liegt die Antwort in der „Grünen Gentechnik“, das heißt in der gezielten Herstellung von Pflanzen, die den modernen Produktionsanforderungen, wie hohe Erträge bei reduziertem Pestizideinsatz und möglichst geringer Belastung des Ernteguts mit toxischen mikrobiellen Stoffwechselprodukten, entsprechen. Die große Herausforderung besteht heute darin, den Verbraucher über die Notwendigkeit dieser Vorgehensweise aufzuklären und so die gesellschaftliche Akzeptanz für eine neue Generation von Nutzpflanzen zu verbessern. ...
Der große Vorteil gegenüber der klassischen Züchtung besteht darin, dass Gene, die an der Ausprägung des gewünschten Merkmals beteiligt sind, gezielt in Pflanzen, z.B. Hochertragssorten, eingebracht werden können. Dabei spielt es im Prinzip keine Rolle, aus welchem Organismus diese Gene stammen. Während man in der klassischen Pflanzenzüchtung darauf angewiesen ist, dass Spender- und Empfängerpflanze sich miteinander kreuzen lassen, können in der Grünen Gentechnik auch Gene aus Bakterien oder artfremden Pflanzen in die gewünschte Zielpflanze eingebracht werden.


S. 85: Im Rahmen der von der DFG geförderten Forschergruppe FOR 343 („Erhöhung des Resistenzpotentials der Gerste“, www.unigiessen.de/ipaz) ist am IPAZ im Jahr 2002 eine Transformationsgruppe etabliert worden, in der stabil transformiertes Getreide hergestellt wird. Das transformierte Getreide wird dann in Infektionsversuchen auf Fusariumresistenz in Wurzeln, Blättern und Ähren untersucht. Bei positiver Evaluierung werden anschließend Freilandversuche in Kooperation mit nationalen Saatgutfirmen und internationalen Forschungsinstituten, wie dem Department of Crop and Soil Sciences (Pullman, USA) und dem Indian Agricultural Research Institute (IARI, New Delhi) erfolgen. Es besteht die große Hoffnung, dass durch die Identifizierung und gezielte Nutzung Resistenz-vermittelnder Gene in Getreide ein wichtiger Beitrag zur Lösung der Fusariumproblematik und damit zur Sicherung der Nahrungsmittelqualität unter Berücksichtigung nachhaltiger und ressourcenschonender Produktionsweisen geleistet werden kann.

Für Versuchsablauf und den rechtlichen Status des Gießener Feldes sind die Abläufe von erheblicher Bedeutung. Hätte das reale Feld einem ganz anderen Zweck gedient als das beantragte, so wäre das nicht nur Fördermittelbetrug und damit eine Straftat. Sondern es wäre auch illegal, nicht durch eine Genehmigung gedeckt. Das hätte Konsequenzen haben müssen - Anklage gegen Kogel und sein Umfeld, zudem der Entzug der Genehmigung. All das ist nicht erfolgt. Staatsanwaltschaften, Bundesrechnungshof und BVL, die alle informiert wurden, deckten die ForscherInnen und stellten die Verfahren ohne Durchführung von Ermittlungen ein. Hinsichtlich des Fördermittelbetrugs diente ausgerechnet ein Brief des mittelvergebenen Forschungszentrums in Jülich als Begründung für die Einstellung. Dabei hatte das Forschungszentrum selbst der Uni noch Tipps für eine dem Förderprogramm angepasste Abfassung der Anträge gegeben - und der Geld- und Auftraggeber aus dem BMBF behauptete öffentlich ebenfalls fälschlicherweise: "Die Arbeit der Forscher dient einzig und allein dazu, sicherheitsrelevante Fragen zu beantworten" (Gießener Allgemeine, 2.6.2006, S. 23 und BMBF). Die Personen dort hätten also eher selbst wegen Beihilfe oder gar Anstiftung zu Straftaten angeklagt werden müssen. Aber nicht in diesem Land, dass seine Eliten mit Geld füttert und aufwendig schützt. Stattdessen hielt sich die Justiz an den KritikerInnen des Feldes schadlos und schickte einen der vier AktivistInnen, die am 2. Juni 2006 das Feld in einer symbolischen (weil offen angekündigten) Aktion beschädigten, für 6 Monate ohne Bewährung in den Knast - ein Abschreckungsurteil! Den Antrag, zu prüfen, ob das Feld überhaupt dem genehmigten Versuch entsprach und damit legal war, fegte das Gericht in der zweiten Instanz neben ca. 300 anderen Anträge pauschal als "ohne Bedeutung" vom Tisch. In der ersten Instanz durften gar keine Fragen zum Thema Gentechnik gestellt werden - und der Angeklagte an seinem eigenen Prozess auch nicht teilnehmen. So wurde die Uni vor Unannehmlichkeiten und der Aufdeckung ihrer Rechtsbrüche geschützt. Legal, illegal, scheiß egal ...
Da konnte Kogel dann ganz beruhigt seine Karten auf den Tisch legen: Am 18.2.2009 verfasste er zusammen mit anderen Beteiligten ein Patent, eingereicht wie üblich mit der BASF. Es ging um Gerste und Kogel ließ sich dort jeweils eine Produktreihe und eine Methodenreihe patentieren. Das ist sicher ein Zufall und hat mit der Freisetzung der Gerste in Gießen gar nichts zu tun, denn da ging es ja nur um Sicherheitsforschung ...

Im Original: Patentanmeldung
Übersetzung des angemeldeten Patentes vom 18.2.2009
Patentanmeldung: Neue Nukleinsäuresequenzen und ihre Verwendung im Verfahren zum Erreichen einer Pathogenresistenz in Pflanzen
Erfinder: Karl-Heinz Kogel Ralph Hückelhoven Holger Schultheiss Markus Frank
Beauftragte: BASF Plant Science GmbH ...
Die Erfindung bezieht sich auf neuartige RacB cDNA Abschnitte der Gerste und auf Expressionskassetten* und Vektoren, die diese Promotorensequenzen enthalten. Die Erfindung bezieht sich außerdem auf transgene Pflanzen, die mit diesen Expressionskassetten oder Vektoren umgewandelt werden, auf Kulturen, Teile oder transgenes Ausbreitungsmaterial, die aus ihnen gewonnen werden und auf ihrem Gebrauch für die Produktion von Nahrungsmitteln, Futtermitteln, Saatgut, pharmazeutischer Produkte oder Chemikalien. Die Erfindung bezieht außerdem auf Methoden des Erzeugens oder der Erhöhung eines Krankheitserregerwiderstands in den Pflanzen durch das Verringern der Expression des RacB Proteins oder eines Funktionsäquivalents davon. ...
32. Eine Methode des Erzeugens oder der Erhöhung der Widerstandskraft gegen einen mindestens einen Krankheitserreger in einer Pflanze, die enthält: Verringern der Menge, Tätigkeit oder Funktion des RacB Proteins in einer Pflanze oder in Gewebe, Organ, einem Teil oder einer Zelle davon ...
51. Eine Methode des Auswählens einer Pflanzenzelle mit erhöhter Widerstandskraft gegen einen Krankheitserreger ...
57. Eine rekombinante Pflanzenzelle, in der die erzeugte Menge, Tätigkeit oder Funktion des endogenen RacB Proteins durch eine stabile Umwandlung mit einer Nukleinsäure oder einer Expressionskassette, die Nukleinsäure enthält, verringert wird.


*Eine Expressionskassette besteht einem oder mehreren Genen und den Sequenzen, die ihre Expression steuern. Drei Bestandteile sind in einer Ausdruckkassette enthalten: eine Promotorensequenz, ein offener Ableseframe und ein drittens einen unveränderten Bereich. Die Kassette ist ein Teil der Vektor-DNA, die für Klonen und Veränderungen benutzt wird.

Neben der Fälschung bei den Versuchszielen hätte der Antrag aber ohnehin niemals aus dem Biosicherheitsprogramm gefördert werden dürfen. Denn er verstieß gegen die Förderrichtlinien, nach denen das Geld ausgeschüttet wurde. Dort ist als Fördervoraussetzung benannt: "Die Forschungsansätze sollen sich auf gentechnisch veränderte Pflanzen beziehen, deren Anwendung in Deutschland erwartet wird bzw. deren Freisetzung bereits erfolgt." (BMBF-Bekanntmachung der Förderrichtlinien "Biologische Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen" im Rahmenprogramm "Biotechnologie - Chancen nutzen und gestalten" am 1.12.2003). Die transgene Gerste war aber nicht für spätere Markteinführungen, das gab Versuchsleiter Kogel im Gerichtsverfahren gegen die FeldbefreierInnen an seinem Feld offen zu."Es wird noch eine Weile dauern, bis gentechnisch veränderte Gerstenlinien das Entwicklungsstadium hinter sich lassen und reif für eine Marktzulassung sind", heißt es selbst auf der Internetseite zur Biosicherheitsforschung. Folglich verstieß der Versuch gegen die Förderbestimmungen. Auch dazu stellen die angeklagten GentechnikkritikerInnen Beweisanträge, die aber ebenso als bedeutungslos bewertet wurden. Strafbar ist nur, was dem Staat nicht passt!

Im Original: Strafanzeigen und Einstellungen zum Fördermittelbetrug
Aus dem Beratungsbrief des PTJ Jülich an die Uni Gießen vom 14.12.2007


Text der Strafanzeige vom 8.2.2009

Einstellung des Verfahrens mit der absurden Begründung, dass die am Betrug beteiligte PtJ gesagt hätte, alles sei okay. Aus der Einstellung durch die Staatsanwaltschaft Gießen


Kogel PR-Show im Frühjahr 2006 in Gießen ...
Das Gerstefeld war keine heimliche Sache irgendwo draußen in der Landschaft. Das Feld sollte eine Demonstration pro Gentechnik sein: Die gute Forschung entwickelt die guten Pflanzen für das zukünftige Wohl der Menschheit. Bevor die Gerste in den Boden kam, vollzog Kogel eine beeindruckende Kampagne für sein Feld. Er selbst inszenierte sich als differenzierter, kritischer und reflektierter Forscher.

Im Original: Kogel inszeniert sich als kritischer Forscher
Aus dem Gießener Anzeiger vom 1.6.2006 (S. 15)
Dabei legte Kogel ... großen Wert auf die Feststellung, dass er nicht als grundsätzlicher Befürworter von Gentechnik verstanden werden wolle.

Aus dem Stern, 28.5.2006
Auf die Proteste, die das Projekt von Anfang an begleitet haben, reagiert Kogel mit Information. Das Versuchsfeld ist gekennzeichnet, Besucher werden bereitwillig hingeführt. "Ich bin ja eigentlich kein starker Befürworter der Gentechnik", sagt Kogel.

Kogels Propaganda klappte. Mit besten Kontakten gerade in rot-grüne Kreise und einem bei Umweltverbänden akzeptierten Vokabular gelang es ihm, den für die Weiterentwicklung der Gentechnik sehr bedeutsamen Versuch weitgehend ohne Kritik durchzubringen. Dabei half ihm auch die Dominanz der Uni Gießen in der Stadt. Rechnerisch jedeR zweiter EinwohnerIn der Stadt studiert, ist bei der Uni angestellt oder lebt in einer Familie von Unibediensteten. In Vereinsvorständen dominieren Uni-Leute, da war von Umweltgruppen oder Anderen von Vornherein nicht viel zu erwarten. So blieb die Lage denn auch ruhig - einzig die kleine, aber entschlossene Gruppe der späteren "FeldbefreierInnen" stellte sich der einseitigen PR-Kampagne Kogels entgegen - ignoriert von den Eliten der Stadt. Noch im Herbst 2006 stellten sich alle Fraktionen im Stadtparlament und die grüne Umwelt-Bürgermeisterin auf Kogels Seite. Die SPD, der Kogel angehört, agierte wie Propagandaabteilung für den Versuch. Der damalige regionale und inzwischen zum Landes-SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel befand, dass "Jörg Bergstedt jenseits jeder ernst zu nehmenden Positionierung stehe" (Gießener Allgemeine, Internet 7.6.2006).
Das Hereinfallen auf den Marketingmann Kogel hätte leicht vermieden werden können. Denn soweit was es nicht her mit dem kritischen Wissenschaftler. Das formulierten zum einen die unabhängigen AktivistInnen, die - anders als Grüne und Umweltverbände - die Aussaat kritisierten. Es gab zum anderen aber auch einen Haufen Zitate von Kogel zur Gentechnik - und alle widersprachen seiner im Frühjahr 2006. Schon 1999 behauptete Kogel: "Ein verstärkter Forschungsaufwand zur Entwicklung neuer biotechnologischer Konzepte für eine zukunftsorientierte Landwirtschaft ist angesichts einer schnell wachsenden Weltbevölkerung von heute sechs Milliarden auf über zehn Milliarden im Jahre 2050, begrenzter Anbauflächen und nicht auszuschließender Produktionsverluste durch globale Klimaveränderungen zwingend erforderlich. " 2004 legte er nach: "Doch was tun, wenn die klassische Züchtung nicht zum Erfolg führt? Aus Sicht der Wissenschaft liegt die Antwort in der 'Grünen Gentechnik'.“ Damit nicht genug: Kogel benennt in seinem Beitrag auch das, was er später immer wieder formuliert: WissenschaftlerInnen sollen für die Technik werben (nicht: sie erforschen): "Die große Herausforderung besteht heute darin, den Verbraucher über die Notwendigkeit dieser Vorgehensweise aufzuklären und so die gesellschaftliche Akzeptanz für eine neue Generation von Nutzpflanzen zu verbessern." In diese Kerbe schlug er auch während der Versuchsphase: "Für uns Wissenschaftler heißt das: Wir müssen zeigen, dass diese Technik, die wir einführen wollen, große Vorteile hat – und dass diese Vorteile begreifbar werden. Erst dann, glaube ich, kann man die Bevölkerung wirklich überzeugen. Unsere Aufgabe ist es, stetig und mit viel Geduld Überzeugungsarbeit zu leisten" (Biosicherheit). Genau das tat Kogel, während er dafür war, Grenzwerte zu erhöhen und Kennzeichnungspflichten abzuschwächen, um der Agro-Gentechnik zum Durchbruch zu verhelfen. Entlarvend waren zwei handschriftliche Vermerke auf Unterlagen zu einer Konferenz, an der Kogel am 30/31.8.2006 teilnahm: "Sehr niedrige Schwellenwerte würden Forschung behindern" vermerkte er ebenso wie die Frage "Steht Aufwand für Kennzeichnung in vernünftiger Relation zum Nutzen".

Im Original: Kogel als PR-Agent der Gentechnik (auch vor 2006)
Text von Kogel aus dem Jahr 1999 (Quelle)
Ein verstärkter Forschungsaufwand zur Entwicklung neuer biotechnologischer Konzepte für eine zukunftsorientierte Landwirtschaft ist angesichts einer schnell wachsenden Weltbevölkerung von heute sechs Milliarden auf über zehn Milliarden im Jahre 2050, begrenzter Anbauflächen und nicht auszuschließender Produktionsverluste durch globale Klimaveränderungen zwingend erforderlich.

Aus Kogel/Jansen: "Das nationale Verbundprojekt GABI-Agrotec", in: Spiegel der Forschung Nov. 2004 (S. 78 ff.)
Doch was tun, wenn die klassische Züchtung nicht zum Erfolg führt? Aus Sicht der Wissenschaft liegt die Antwort in der „Grünen Gentechnik“, das heißt in der gezielten Herstellung von Pflanzen, die den modernen Produktionsanforderungen, wie hohe Erträge bei reduziertem Pestizideinsatz und möglichst geringer Belastung des Ernteguts mit toxischen mikrobiellen Stoffwechselprodukten, entsprechen. Die große Herausforderung besteht heute darin, den Verbraucher über die Notwendigkeit dieser Vorgehensweise aufzuklären und so die gesellschaftliche Akzeptanz für eine neue Generation von Nutzpflanzen zu verbessern.

Gastkommentar in "Das Parlament" Nr. 43 / 22.10.2007
Karl-Heinz Kogel
PRO: GENTECHNIK
Durchaus sinnvoll

Gentechnik zur Produktion gesünderer Pflanzen und damit gesünderer Lebensmittel zu nutzen, ist ein vernünftiges Ziel. Eine gute Sicherheitsforschung ist gleichzeitig ein Muss. Argumente für Gentechnik sind etwa der Klimawandel, Rohstoffverknappung und chronische Unterernährung in weiten Teilen der Welt. Während sich die großen Wissenschaftsorganisationen klar zur Nutzung der neuen Potenziale bekennen, lehnen Verbraucherschützer und Naturschutzverbände sie strikt ab.
Bei der Frage, ob Gentechnik zu gesünderen Lebensmitteln führt, sollte ein Blick auf deren Einsatz in der Medizin zumindest hilfreich sein. Dort zählen gentechnische Verfahren etwa bei der Herstellung von Insulin oder von Faktor VIII für Hämophilie-Patienten inzwischen zur Normalität und helfen bei der Behandlung von Tausenden Patienten.
Auch Gentechnik in Lebensmitteln hat sich, wo sie zu sichereren und hygienischeren Produkten führt, durchgesetzt: Bei der Käseherstellung etwa wird das Labferment weitgehend aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen statt aus Rinderpansen gewonnen - ein durchaus humaner Ansatz. Eine andere Grundlage für gesunde Lebensmittel wird bereits auf dem Feld gelegt: Hier geht es auch um natürliche Gifte, die pilzliche Schaderreger an kranken Pflanzen bilden.
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass der bei uns so umstrittene gentechnisch produzierte Bt-Mais bei Schädlingsbefall weniger Pilztoxine aufweist als ein entsprechend unbehandelter Mais. Dies zeigt zumindest: Das Potenzial für eine Produktion von gesünderen Lebensmitteln ist vorhanden. Das aber muss wissenschaftlich überprüft werden. Das Gleiche gilt auch für mögliche Gefahren. Hierbei betone ich: Deutschland leistet sich eine Biosicherheitsforschung, die weltweit mit am höchsten entwickelt ist. Und das ist gut so.


Zitat von Kogel in noch einem Interview auf www.biosicherheit.de
Frage: Wo sehen Sie denn den Nutzen der Pflanzenbiotechnologie, der in der Gesellschaft überzeugend vermittelt werden kann?
Karl-Heinz Kogel: Aus meiner Sicht ist es immer noch ein wesentliches Ziel, den chronischen Hunger zu überwinden und Pflanzen mit einer besseren Qualität zu entwickeln. Gerade unter der Anforderung der Nachhaltigkeit wird Gentechnik hier zukünftig einen Beitrag leisten. Ein noch größeres Potenzial sehe ich, wenn es darum geht, die Folgen des Klimawandels zu mindern, gerade im Bereich erneuerbarer Energien und nachwachsender Rohstoffe. Wenn man sich die aktuelle Grundlagenforschung anschaut, sind viele Ansätze zu überzeugenden Lösungen zu erkennen.
Wir müssen auch die möglichen Konsequenzen und Gefahren deutlich machen, die darin liegen, wenn wir nicht handeln. In unseren Breiten ist zum Beispiel die Ökobilanz nachwachsender Rohstoffe nicht gut - hier sind neben anderen auch biotechnische Verfahren geeignet, um an das Produktionsverfahren angepasste, effizientere Pflanzen zu entwickeln. Heute glaubt man, ohne Einschränkungen auf diese Technologie verzichten zu können. Doch wenn, wie heute schon in der Medizin, auch bei der Grünen Gentechnik deutlich wird, welche Nachteile die Nicht-Anwendung hat, wird sich die öffentliche Meinung ändern.


Profitzwang erzwingt ungünstige Fruchtfolgen - und das soll Gentechnik ausgleichen!
Aus einem Interview mit Prof. Kogel
Im konventionellen Anbau finden wir im Grunde keine Lösung des Problems, da Fungizide nicht optimal wirken und Fruchtfolgen aus ökonomischen Gründen falsch gestellt werden.

Ökologischer Landbau könnte auch helfen - aber Kogel will Gentechnik
Aus Kogel/Jansen: "Das nationale Verbundprojekt GABI-Agrotec", in: Spiegel der Forschung Nov. 2004 (S. 81)
Die Ursachenforschung nach toxinfördernden Produktionsfaktoren führt allerdings noch zu einer weiteren wichtigen Erkenntnis. Bei einer intensiven Bestandesführung (dichte Fruchtfolgen, Einsatz von Wachstumsregulatoren, hohe Stickstoffdüngung) ist das Risiko des Auftretens von Mykotoxinen höher als unter den Produktionsstrategien im Öko-Landbau, denn Ährenfusariosen entwickeln sich besonders stark unter hohen Stickstoffkonzentrationen, und die Reduktion der Halmlänge durch Wachstumsregulatoren führt im gesamten Bestand zu einem feuchteren Mikroklima, das das Wachstum der Pilze ebenfalls erheblich fördert.

Auf Biosicherheit: ... ob man will oder nicht, Biotechnologie ist weltweit gesehen bereits eine neue Schlüsseltechnologie auch im Bereich der modernen Landwirtschaft.

Ebenfalls auf Biosicherheit: Die Skepsis, auf die wir treffen, ist Ausdruck eines erklärbaren, ja notwendigen Schutzmechanismus, der ja auch aus evolutionsbiologischer Sicht sinnvoll ist. Für uns Wissenschaftler heißt das: Wir müssen zeigen, dass diese Technik, die wir einführen wollen, große Vorteile hat – und dass diese Vorteile begreifbar werden. Erst dann, glaube ich, kann man die Bevölkerung wirklich überzeugen. Unsere Aufgabe ist es, stetig und mit viel Geduld Überzeugungsarbeit zu leisten.

Kogel im Deutschlandfunk am 24.6.2009
Wir als Wissenschaftler sehen, dass diese Technik positive Umweltwirkung hat ... Alle Studien zeigen, wenn wir vergleichen: Gentechnik mit konventionellem Anbau, also Einsatz von Herbiziden, von Pflanzenschutzstoffen, ist diese Technik umweltfreundlicher. Und deshalb läuft auch die Diskussion um die Auskreuzung ein bisschen ins Leere. ... ich sage nur, es gibt halt diese vermuteten Umweltwirkungen nicht.


Die Bilder glichen sich: Kogel inszenierte sich selbst als kritischer Beobachter der Gentechnik - und stellte seinen Versuch als sicher dar. 2x reine PR-Kampagne und in beiden Fällen gelogen. Zur Begründung der vermeintlichen Sicherheit behauptete Kogel am 25.4.2006 in einem Vortrag, Gerste würde gar nicht auskreuzen können: "Dieser Versuch ist explizit ein sehr sicherer Versuch. Das ist auch beim Bescheid des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmitteltechnik ganz klar erläutert worden. Sicher ist dieser Versuch, weil die Gerste nicht auskreuzen kann. Es ist ein Selbstbefruchter. Die Pollenfreisetzung erfolgt bei geschlossenen Blüten, nur die eigene Pflanze wird befruchtet. Das heißt, es gibt keinen Pollenflug auf fremde Pflanzen und damit auch keine Auskreuzung. Gerste ist damit eine optimale Pflanze für die Freisetzung und biologische Sicherheitsforschung."

Im Original: Sicherer Versuch ohne Pollenflug und Kreuzungspartner
Aus einer Pressemitteilung der Universität Gießen am 24.4.2006
Eine Auskreuzung kann schon aus biologischen Gründen ausgeschlossen werden.

Aus der Gießener Allgemeine, 29.3.2007 (S. 25)
Negative Folgen für die Umwelt seien nie zu erwarten gewesen. Das gelte insbesondere für die von manchen befürchteten Auskreuzungen mit anderen Pflanzen. "Sie sind nicht möglich, weil die Gerste ein Selbstbestäuber ist. Außerdem gibt es für sie in Mitteleuropa keine Kreuzungspartner", unterstrich Kogel, der auch das Amt des Uni-Vizepräsidenten bekleidet.

Aus dem Stern, 28.5.2006
Dass sich die transgene Gerste über das Versuchsfeld hinaus verbreitet, halten die Wissenschaftler für ausgeschlossen. Gerste sei ein "Selbstbestäuber", das heißt, eine Pflanze werde nur von ihrem eigenen Pollen befruchtet.

Aus einem Interview mit Prof. Kogel von der Internetseite zu Biosicherheit
Außerdem gibt es bei Gerste keine Kreuzungspartner in Europa, mit denen es zu fertilen Nachkommen kommen könnte. Das heißt vom Sicherheitsaspekt her sind gerade diese Getreide geeignet, um als Ergänzung zum normalen Zuchtverfahren auf biotechnologischem Weg verbesserte, d.h. z.B. den heutigen landwirtschaftlichen Produktionsverfahren angepasste oder ökologisch vorteilhafte Eigenschaften zu erzielen. ...

Aus "Militante Gentechnikgegner attackieren Gerstenfeld" von Uni-Pressesprecherin Christel Lauterbach, in: uniforum 3/2006 (S. 2)
Auch gibt es in Europa unter den Wildgräsern keine Kreuzungspartner für Gerste.

Doch wenn Gerste, wie Kogel sagt, keine Pollen aussendet, wieso steht die Pflanzen dann ein allen Pollenflugkalendern? HeuschnupflerInnen wissen, was von Kogels & Co. Lügen zu halten ist - auch dem Gießener Landgericht fiel auf: "Die Behauptung der Wissenschaftler, bei Gerste gäbe es wegen der Selbstbestäubung keinen Pollenflug, stimmt bereits nach den sich aus den einbezogen Akten ergebenden Gründen nicht 100?ig und steht im unauflösbaren Widerspruch zur Warnung vor Gerstenpollen in Pollenflugkalendern für Allergiker" (Urteil vom 9.10.2009).


Aus Süddeutscher Zeitung (oben) und von Schulferien.org (unten)


Aus dem Genehmigungsbescheid des BVL (S. 15 f.)
Gerste ist ein Selbstbestäuber und kleistogam, d.h. in der Regel tritt Selbstbestäubung nach vor der Blütenöffnung ein. In gewissem Umfang, beeinflusst vom Genotyp und den klimatischen Bedingungen zur Blütezeit, ist Fremdbefruchtung möglich. Bei trockener und warmer Witterung kann die Fremdbefruchtung bei manchen Genotypen auch höher sein.

Nicht besser fällt eine Überprüfung von Kogels Behauptung aus, es gäbe keine potentiellen Kreuzungspartner. Auch hier waren offenbar mehr PR-Ziele als Fachwissen die Grundlage. Denn nicht benannt wurde die Mäusegerste, eine Wildgerstenart, die gerade auf städtischen Ruderalflächen, d.h. offenen Böden mit spontaner Vegetationsentwicklung, oft vorkommt. Da das Versuchsfeld innerstädtisch lag, hätte das eine Rolle spielen können. Laut Lexikon zu Nutzpflanzen ist "vermutlich eine Kreuzung von Kultur-Gerste mit anderen Hordeum-Arten und Quecken-Arten (Elymus spec.) möglich, die Wahrscheinlichkeit wird aber als sehr gering angesehen. Wilde Hordeum-Arten sind z.B. die Mäuse-Gerste, die auf Schuttplätzen und an Wegrändern wächst oder die Strand-Gerste der Küstenwiesen." In keiner der Akten finden sich Hinweise, dass deren Vorkommen in der Umgebung des Versuchsfeldes überhaupt überprüft wurde.


So sieht sie aus, die Mäusegerste - eine typische Ruderalpflanze gerade auf kleinen Flächen an Straßen und Plätzen (Aufnahme aus Berlin).

Die gesamten Genehmigungsunterlagen der Universität Gießen zeugen von solchen Schlampereien und fehlendem Willen, tatsächlich die Dinge zu prüfen. So wurde behauptet, dass rundherum 4km Abstand zu weiteren landwirtschaftlichen Flächen bestünden.


Aus der Akte beim RP: Antrag der Uni an das BVL (18.10.2005, S. 8)

Doch das war schlicht gelogen, wie das Amt für länglichen Raum in seiner Stellungnahme am 2.2.2006 (S. 1) feststellte:



Anträge durchgewunken!
Der Weg zu Fördergeldern und Behördengenehmigung war kurz, denn in den Bundesinstituten sitzen ausschließlich sitzen durchgehend BefürworterInnen der Agro-Gentechnik - bereit, jeden Antrag durchzuwinken. Die von Kogel zum Biosicherheitsversuch umdeklarierte Freisetzung erhielt das nötige Geld vom PTJ in Jülich und die erwartete Genehmigung vom BVL. Die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit bescheinigte dem Versuch die erforderliche Unbedenklichkeit - einer der beiden Versuchsleiter stimmte gleich mit über den darüber ab (siehe Kapitel zur Ämtern). Der Text war vom BVL vorformuliert worden - das Verfahren glich genau dem üblichen Ablauf, wie er kurz zuvor auch beim Feld mit gv-Weizen in Gatersleben festgestellt werden konnte. Durch die Anordnung sofortiger Vollziehung sicherte das BVL die Versuchsbetreiber gegen Beschwerden z.B. von NachbarInnen - völlig überflüssig, denn niemand hatte die informiert über das Versuchsfeld in ihrer Nähe.

Im Original: Die offiziellen Unterlagen zum Versuch
Eintragung ins Standortregister (zuerst die Übersicht, dann "Detailinformationen" (als PDF)



Im Original: Aus dem Genehmigungsbescheid
Sicherheitsauflagen im Bescheid des BVL vom 30.4.2006 (Az. 6786-01-0168, (S. 6)
II.5. Der Transport vermehrungsfähigen gentechnisch veränderten Pflanzenmaterials auf die und von der Freisetzungsfläche hat in geschlossenen und gekennzeichneten Behältnissen zu erfolgen. Aus der Kennzeichnung der Behältnisse muss die Identität des gentechnisch veränderten Pflanzenmaterials hervorgehen. lnsbesondere ist beim Transport von Samen oder samentragenden Teilen der gentechnisch veränderten Gerste dafür Sorge zu tragen, dass ein Verlust von Samen vermieden wird. Sämaschinen, Erntemaschinen und -geräte und ggf. zur Entsorgung der Gerste verwendete Geräte sind nach Gebrauch auf der Versuchsfläche bzw. am Entsorgungsort gründlich zu reinigen, um eine unbeabsichtigte Verbringung gentechnisch veränderter Samen zu minimieren.
II.6. Eine Lagerung der zur Aussaat vorgesehenen gentechnisch veränderten Gerste sowie eine Zwischenlagerung von Erntegut der gentechnisch veränderten Gerste außerhalb einer gentechnischen Anlage haben in geschlossenen und gekennzeichneten Behältnissen zu erfolgen. Aus der Kennzeichnung der Behältnisse muss die Identität des gentechnisch veränderten Materials hervorgehen. Die zuständige Überwachungsbehörde ist rechtzeitig vor Beginn über den vorgesehenen Ort und voraussichtlichen Zeitraum der Lagerung zu unterrichten.
II.7. Zur Abhaltung von Kleinsäugern sind die Versuchsparzellen mit einem engmaschigen Wildschutzzaun zu umgeben. Zusätzlich sind durch Auslegen eines Vogelnetzes über die Gerste der Parzellen der Versuchsfläche unmittelbar nach der Aussaat und ab Beginn des Ährenschiebens eine Verschleppung und ein Fraß durch Vögel zu vermeiden.
II.8. Zu weiteren Gerstenfeldern ist ein lsolationsabstand von 100m einzuhalten.
II.9. Vor und während der Blühzeit der Gerste sind in einem Umkreis von 35 m um die Freisetzungsfläche potentielle Kreuzungspartner, wie z.B. H. jubatum L. (Mähnen-Gerste), H. murinum L. (Mäuse-Gerste), H. murinum subsp. leporinum Arcang. (Braunrote Mäuse-Gerste), H. secalinum Schreb.(Roggen-Gerste) und H. marinum Huds. (Strand-Gerste), Hordelymus europaeus (Wald-Haargerste), Elymus spec. (Quecke), und Getreidearten zu entfernen. ...
II.11. Nicht benötigte, geerntete gentechnisch veränderte Gerstenkörner sind durch geeignete Maßnahmen (z.B. Verbrennen) zu inaktivieren. Nach der Ernte soll verbleibendes Pflanzenmaterial durch ein nicht-selektives Herbizid abgetötet, zerkleinert und zur Verrottung in den Boden eingearbeitet werden. Das Erntegut der Mantelsaat ist wie die gentechnisch veränderte Gerste zu behandeln. Eine Entsorgung von vermehrungsfähigem gentechnisch verändertem Pflanzenmaterial in einer Verbrennungsanlage außerhalb einer gentechnischen Anlage ist zulässig, wenn die Verbrennung vollständig erfolgt, der Transport zu der Verbrennungsanlage die unter II.5. benannten Auflagen erfüllt und die Überwachungsbehörde über den vorgesehenen Ort und den voraussichtlichen Zeitraum der Verbrennung unterrichtet wird.
II.12. Nach der Ernte sowie im folgenden Frühjahr ist auf der Freisetzungsfläche einschließlich der Fläche der Mantelsaat eine flache Bodenbearbeitung durchzuführen. Gegebenenfalls ist eine Beregnung der Fläche vorzunehmen.
II.13. Nach Beendigung der Freisetzung sind die Freisetzungsfläche und die Fläche der Mantelsaat im Jahr der Freisetzung und im Folgejahr auf das Auftreten von gentechnisch veränderter Gerste zu kontrollieren (Nachkontrolle). Die Kontrollgänge sollen während der Vegetationsperiode im Abstand von höchstens 14 Tagen erfolgen. Ggf. auftretende gentechnisch veränderte Gerste ist spätestens vor der Blüte abzutöten oder zu entfernen. Die Nachkontrolle ist um jeweils ein Jahr zu verlängern, falls im Jahr der letzten Nachkontrolle gentechnisch veränderte Gerste auf der Nachkontrollfläche aufgefunden wird.
II.14. Die Lokalisierbarkeit der Freisetzungsfläche ist auch während der Dauer der Nachkontrolle durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen.


Abwägung der Risiken (S. 8)
Mit dieser Formulierung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass neben der Gefahrenabwehr auch eine „größtmögliche Vorsorge gegen vorhandene oder vermutete Gefahren, die von gentechnischen Verfahren oder Produkten ausgehen können“, getroffen wird (Amtliche Begründung zu § 1 GenTG, BT-Drs. 11/5622, S.22). Die Annahme einer Gefahr hängt maßgeblich von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und der Art und dem Ausmaß des möglichen Schadens ab.
Nach der Rechtsprechung des BverwG müssen bei der Gefahrenvorsorge „auch solche Schadensmöglichkeiten in Betracht gezogen werden , die sich nur deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können und daher insoweit noch keine Gefahr besteht (BverwGE 72, 300, 315).
Der Ausschluss jeglicher schädlicher Auswirkungen kann jedoch nicht verlangt werden, worauf auch in der Begründung des Gesetzes hingewiesen wird (vgl. Amtliche Begründung zu § 16 GenTG, BT-Drs. 11/5622, S. 29). Nach der Vorschrift des § 16 Abs. 1 Nr. 3 GenTG kommt es darauf an, dass nach dem Stand der Wissenschaft im Verhältnis zum Zweck der Freisetzung keine unvertretbaren schädlichen Einwirkungen zu erwarten sind. Bei der Freisetzung ist nach der Begründung des GenTG eine Gesamtabwägung der zu erwartenden Wirkungen unter Berücksichtigung der beabsichtigten oder in Kauf genommenen schädlichen Auswirkungen und dem Nutzen des Vorhabens vorzunehmen.
Kommentar: Es ist schon bemerkenswert, wie spitzfindig das BVL die bestehenden Gesetze aushebelt. Wenn der Gesetzestext nicht den Interessen der Antragsteller dient und damit für das Durchwinken der gentechnischen Experimente hilfreich ist, so wird nach Nebenbestimmungen gesucht, die irgendwie herangezogen werden können. Plötzlich soll sogar eine Begründung für einen Gesetzestext den Gesetzestext aufheben können.

Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Vorgaben ist festzustellen, dass - wie im Folgenden begründet wird - nach dem Stand der Wissenschaft keine schädlichen Einwirkungen auf die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 GenTG durch das Vorhaben zu erwarten sind. Damit ist zugleich festzustellen, dass unvertretbare Risiken nicht bestehen. Ein solches Risiko wäre auch nicht bei einer möglichen außerplanmäßigen Verbreitung der gentechnisch veränderten Gerste durch eine Auskreuzung und Weitergabe sowie durch eine absichtliche Entnahme und Vermehrung der Pflanzen durch Unbefugte zu erwarten.
Zweck der Freisetzungsversuche ist es nach Angaben der Antragstellerin, unter Verwendung der gentechnisch veränderten Gerste die ökologische Relevanz zweier Gene, von denen eines der Pflanze eine Resistenz gegen pilzliche Schaderreger verleihen und das andere zu einem besseren Abbau von Glukanen im keimenden Korn führen soll, unter dem Aspekt der symbiontischen Interaktion der Pflanzen mit Mycorrhizapilzen zu untersuchen. Ferner soll das Ausmaß von pilzlichen Erkrankungen auf den gentechnisch veränderten Pflanzen epidemiologisch erfasst werden. Dieser Zweck ist hier mangels Anhaltspunkten für Gefahren nicht zu bewerten, und eine Risiko-Nutzen-Abwägung ist dementsprechend nicht vorzunehmen.
Kommentar: Der letzte Absatz ist in seiner rasanten Argumentationslinie schwer zu toppen. Hatte das BVL noch zwei Absätze darüber aus einer krampfhaft herbeizitierten Begründung zu einem Gesetz die Regelungen des Gesetzes auszuhebeln und zu begründen versucht, warum eine Abwägung erfolgen muss, so negiert es nun auch die Notwendigkeit dieser Abwägung. Das geht so: Zuerst wird beschrieben, was der Antragsteller als Ziel des Versuches behauptet. Überprüft wird das natürlich nicht, sondern als Tatsache hingenommen - willige Vollstrecker im Beamtenstatus. Dann wird behauptet, dass es ja gar keine Gefahren der Gentechnik gibt und deshalb "mangels Anhaltspunkten für Gefahren nicht zu bewerten", ob die Ziele sinnvoll sind. Die Abwägung kann deshalb wegfallen. So überprüft das BVL weder die Angaben des Antragsstellers noch prüft Bedenken noch nimmt eine Abwägung vor. Oder zusammenfassend: Ein Genehmigungsverfahren, wie gesetzlich vorgeschrieben, hat für den Gießener Gengersteversuch nie stattgefunden, sondern die Genehmigung ist ohne das vorgeschriebene Verfahren einfach willkürlich erteilt worden. Das war kein Versehen, sondern das BVL hat festgestellt, dass die gesetzlich vorgeschriebene Abwägung nicht nötig ist, weil per definitionem (durch das BVL selbst) keine Gefahren zu erwarten sind. Untersucht hat das BVL das nie.

Zu den Gefahren der einzelnen Genmanipulationen (S. 9 ff.)
(a) Eigentlich wurde zwar noch gar nichts untersucht (S. 10):
Ob als Folge der Chitinaseexperssion in den Pflanzen ggf. auftretende Metabolite Effekte im pflanzlichen oder tierischen Stoffwechsel verursachen, ist bislang nicht untersucht worden.
Aber das Ergebnis ist trotzdem klar: Keine Gefahren und die Fläche ist doch auch nur ganz klein ...
Die hier freizusetzende gentechnisch veränderte Gerste ist jedoch nicht für den Verzehr vorgesehen, das Vorhaben ist sehr klein. ...
Insgesamt lassen sich unter den Bedingungen des vorliegenden Freisetzungsvorhabens aus der Bildung einer chimären Endochitinase in der gentechnisch veränderten Gerste keine Hinweise auf schädlichen Einwirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ableiten. ...
(b) Das gleiche Spiel: Es ist nichts bekannt und deshalb keine Gefahr zu erkennen - diesmal steht es sogar so wörtlich da (S. 11 f.):
Ob die hohe Substratspezifität der chimären Glukanase auch die vorwiegend aus 1,3-ß-Glukanen bestehenden Komponenten der pilzlichen Zellwand depolymerisieren kann, ist unklar und Forschungsgegenstand der beantragten Freisetzung. Eine Gefährdung der in § 1 Nr.1 des GenTG genannten Schutzgüter ist daraus nicht abzuleiten.
Es ist bislang nicht untersucht worden, ob als Folge der Glukanaseexpression in den Pflanzen ggf. auftretende Metabolite Effekte im pflanzlichen oder tierischen Stoffwechsel verursachen ...
lnsgesamt sind schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen und die Umwelt nicht zu erwarten.

(c) Selbst eine Substanz, die einem Herbizid ähnelt, ist unschädlich (S. 12):
Schädliche Einwirkungen der in den gentechnisch veränderten Pflanzen enthaltenen Phosphinothricin-Acetyltransferase wären bei einem Verzehr von Pflanzenteilen durch Tiere oder Menschen ebenfalls nicht zu erwarten. ...

Und nochmal die gleiche Logik: Nichtwissen heißt keine Gefahren (S. 14):
Es ist beim gegenwärtigen Kenntnisstand nicht möglich, aus der Aminosäuresequenz eines Proteins Vorhersagen über eine mögliche allergene Wirkung des Proteins zu machen, wenn dieses keine Homologie zu bereits bekannten Allergenen aufweist. ... Auf Basis zahlreicher
Untersuchungen ist auch für das Genprodukt des eingesetzten Selektionsmarkers (bar) und des Reportergens (sGFP) kein erhöhtes allergenes Potenzial zu erwarten.


Auskreuzung, Ernte und andere Formen der Ausbreitung (S. 14 ff.)
Die Antragstellerin hat vorgesehen, die Ähren der gentechnisch veränderten Gerste und der nicht veränderten Kontrollpflanzen (mit Ausnahme der Mantelsaat) von Hand zu ernten. ...
lm Anschluss an das Freisetzungsvorhaben soll die Versuchsfläche mit einer dikotylen Kultur bestellt werden, um das Erkennen von ggf. auflaufender Gerste zu ermöglichen. Auflaufende Gerstenpflanzen sollen während der Nachkontrolle nach Ende der Freisetzung und im
Folgejahr entfernt werden. Es ist vorgesehen, die Nachkontrolle zu verlängern, falls im Jahr nach der Freisetzung noch Gerstendurchwuchs beobachtet wurde.

Und wie bei allen bisherigen Genversuchen der Vergangenheit heißt es auch hier: Überleben oder Auskreuzung äußerst unwahrscheinlich:
Mit der Entwicklung einer Linie von gentechnisch veränderten Gerstenpflanzen wird die Erwartung verbunden, unter Bedingungen hohen Infektionsdruckes durch bestimmte pilzliche Schaderreger mehr und qualitativ hochwertigere Samen ernten zu können als von pilzsensitiven Pflanzen. Aus dieser Eigenschaft könnte grundsätzlich ein Selektionsvorteil abgeleitet werden. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass die generelle Konkurrenzschwäche der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen gegenüber Wildpflanzenarten durch diese Eigenschaft verändert würde. Tatsächlich ist die Infektionsanfälligkeit gegenüber anderen pilzlichen Organismen als den Zielorganismen. wie etwa Fusarium, unverändert.
Aus den genannten Gründen ist daher weder eine unkontrollierte Überdauerung der gentechnisch veränderten Pflanzen noch eine Ausbreitung zu erwarten.

Selbstbestäuber mit 2 und mehr Prozent Fremdbestäubung (S. 15 f.)
Gerste ist ein Selbstbestäuber und kleistogam, d.h. in der Regel tritt Selbstbestäubung nach vor der Blütenöffnung ein. In gewissem Umfang, beeinflusst vom Genotyp und den klimatischen Bedingungen zur Blütezeit, ist Fremdbefruchtung möglich. Bei trockener und warmer Witterung kann die Fremdbefruchtung bei manchen Genotypen auch höher sein. ...
Die typischen Worte: "sehr gering", "mit hoher Wahrscheinlichkeit" (S. 16):
Die Möglichkeit des Auftretens von Spontanhybriden unter Freilandbedingungen wird als sehr gering angesehen. ...
Ferner ist vorgesehen, dafür zu sorgen, dass im Umkreis von 35 m um die Freisetzungsfläche herum keine wilden, mit Gerste kreuzbaren Pflanzen vorhanden sind. Auf der Freisetzungsfläche selbst soll das Auftreten von Elymus repens (Quecke) kontrolliert werden. Unter diesen Bedingungen ist nicht zu erwarten, dass es zu einer Ausbreitung der gentechnischen Veränderung auf andere Pflanzen außerhalb der Freisetzungsflächen kommt.
Ggf. dennoch stattgefundene einzelne Bastardierungsereignisse zwischen den gentechnisch veränderten Pflanzen und Wildpflanzen würden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Ausbreitung der übertragenen Fremdgene in Wildpflanzenpopulationen führen, da dafür anschließende Rückkreuzungen des Bastards mit der Wildpflanzenart erforderlich wären.


Horizontaler Gentransfer akzeptabel, weil er auch in der Natur vorkommt ... (S. 17):
Soweit anzunehmen ist, dass ein genetischer Austausch zwischen taxonomisch so weit voneinander entfernten Organismen wie Pflanzen und Mikroorganismen tatsächlich stattfindet, wäre zu folgern, dass das Vorkommen eines solchen Austauschs von heterologem Erbmaterial allein betrachtet kein Sicherheitskriterium sein kann, da als Folge eines solchen Austauschs immer die Aufnahme von jedwedem heterologem Erbmaterial, also jedweder pflanzlicher DNA, möglich wäre.

Fazit der Prüfung: Keine Gefahr ... aber welche Prüfung? (S. 20)
Nach dem Ergebnis der Prüfung der Genehmigung ist nicht mit einer Gefahrenlage zu rechnen.

Begründungen für technische Sicherungen (siehe Auszüge oben, S. 20)
Zu II.7. Mit dem Zaun sollen Kleinsäuger vorsorglich von einem Fraß an der gentechnisch veränderten Gerste abgehalten werden. Das Netz soll Vögel vom Fraß und vom Verbringen der gentechnisch veränderten Gerste abhalten ...

Legal - illegal - scheißegal: Koexistenz ist unmöglich und braucht nicht sein (S. 22)
Einwendung Nr. III.2.5: Der gentechnikfreie Anbau gleichartiger Pflanzen wird durch Pollenflug und Saatgutverunreinigung von Genpflanzen erheblich erschwert. Eine vollständige Isolierung wäre nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand zu gewährleisten, der die Durchführbarkeit des Vorhabens insgesamt in Frage stellen würde. Eine vollständige Isolierung der gentechnisch veränderten Gerste dieses Freisetzungsvorhabens ist jedoch auf Grund des Ergebnisses der Risikobewertung des Antragsgegenstands nicht erforderlich.
Die von der Antragstellerin vorgesehenen Maßnahmen in Verbindung mit den in den Nebenbestimmungen des vorliegenden Genehmigungsbescheids getroffenen Festlegungen sind vor dem Hintergrund der Fortpflanzungseigenschaften von Gerste (kleistogam, selbstbestäubend) nach übereinstimmender Bewertung ausreichend, die Möglichkeit der Übertragung der gentechnischen Veränderung auf verwandte Pflanzenarten über Pollen zu minimieren und das Vorhaben zeitlich und räumlich hinreichend zu begrenzen.



Der entsprechende Aus dem Bescheid des BVL vom 3.4.2006

Grundsätzliche Bedenken zählen eh nicht (S. 23)
Grundsätzliche Einwendungen gegen die Gentechnik können nicht durchgreifen, weil eine Entscheidung über die Zulassung der Gentechnik mit dem Erlass des Gentechnikgesetzes durch den Gesetzgeber gefallen ist. ...

Sofortvollzug (S. 23 f.)
Dem Antrag der Universität Gießen auf Anordnung der sofortigen Vollziehung war stattzugeben, da das lnteresse der Universität Gießen an der sofortigen Vollziehung das Interesse eines etwaigen Klägers an der aufschiebenden Wirkung der Klage überwiegt. ...
Bei der Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen ist zu berücksichtigen, dass etwaige Rechtsbehelfe mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben werden. ...
Unter Zugrundelegung der Auffassung, dass von dem Vorhaben keine Gefahren ausgehen und auch unter Vorsorgegesichtspunkten die Genehmigung der Freisetzung nicht zu beanstanden ist, würde die Ablehnung der beantragten Anordnung des Soforfvollzuges für die Antragstellerin eine unbillige Härte bedeuten. ...
Zwar bestehen die grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Antragstellerin nicht grenzenlos und haben bei der Kollision mit gleichfalls verfassungsrechtlich geschützten Werten nicht schlechthin Vorrang (BVerfGE 47, 327, 369). Vielmehr ist im Einzelfall eine an den Wertprinzipien der Verfassung orientierte Güterabwägung vorzunehmen. lm vorliegenden Fall kann die Behörde bei der gegebenen Situation davon ausgehen, dass eine Kollision nicht vorliegt, da Grundrechte möglicher Drittbetroffener nicht gefährdet werden. Wie unter llI.1.2 begründet, sind die vorgesehenen Maßnahmen ausreichend, um das Vorhaben gegenüber Dritten hinreichend abzuschirmen.


Aus dem Giessener Anzeiger vom 25.04.2006 mit Versuchsbeschreibung
Es werden zwei gentechnisch veränderte Gerstenlinien auf negative Effekte gegenüber nützlichen Bodenpilzen untersucht. Eine der beiden Gerstenlinien enthalte zusätzlich zu ihren natürlichen Genen ein eingebautes Gen, welches die Information für eine so genannte Endochitinase trage. Dabei handele es sich um ein chitin-abbauendes Enzym. Chitin ist Bestandteil von Pilzen, welche die Gerstenpflanze befallen können. Die Gerste soll dementsprechend widerstandsfähiger gegen Pilzbefall sein. Eine Wirkung gegenüber Insekten, deren Außenhaut ebenfalls teilweise aus Chitin besteht, werde ausgeschlossen, weil diese chemisch verschieden seien. Die Wirkung der Pflanzen auf nützliche Bodenpilze, wie den Mykorrhiza, die in Symbiose mit den Pflanzen leben, soll in diesem Freilandversuch untersucht werden, schilderten die beiden Wissenschaftler.
Die zweite transgene Gerstenlinie enthalte ein bakterielles Kohlenhydratabbauendes Enzym, die so genannte Beta-Glucanase. Diese Gerste besitze keine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen Krankheitserreger, sondern sei wegen ihrer positiven Eigenschaften als Futtermittel für Hühner erzeugt worden, die normale Gerste nur schwer verdauen könnten. Der Einsatz der gentechnisch veränderten Pflanzen bewirke eine Reduzierung von Pestiziden und Arbeitskosten, sagte Kogel. Die transgenen Pflanzen würden nach Abschluss der Forschungen auf jeden Fall vernichtet werden, versicherte er.



Die notwendige Kritik am geplanten Versuch wurde nur von wenigen unabhängigen AktivistInnen im Raum Gießen formuliert. Umweltverbände, Grüne & Co. waren eingebunden in die kommunalpolitischen und universitären Seilschaften und hielten lieber die Klappe. Landwirtschaft gibt es auf dem Stadtgebiet Gießen kaum, aus der Umgebung kam ebenfalls kein Wort. So dominierte die Propaganda der Universität - und die Meinung der Berufsbeschwichtiger: "Das BVL ist seiner Sache dennoch sicher und sieht in dem Forschungsprojekt der Uni Giessen keine Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt. Dafür sorgen nach Angaben des Amts verschiedene Sicherheitsbestimmungen. Unter anderem ein Wildschutzzaun, Vogelnetze und die Einhaltung von Isolationsabständen. Zudem muss die Universität gewährleisten, dass nach Versuchsende keine genmanipulierten Pflanzen auf dem Feld zurückbleiben, sie sich mit anderen Pflanzen kreuzen oder benachbarte Felder verunreinigen." (Ökotest vom 28.4.2006) Werfen wir einen Blick auf das Geschehen am Alten Steinbacher Weg ab dem 25. April 2006, dem Tag der Aussaat. Wird es gelingen, die Gerste von der umgebenden Tier- und Pflanzenwelt fernzuhalten durch "Wildschutzzaun, Vogelnetze und die Einhaltung von Isolationsabständen"? Wird "die Universität gewährleisten, dass nach Versuchsende keine genmanipulierten Pflanzen auf dem Feld zurückbleiben"? Um es vorwegzunehmen: Der Versuch "war eine Aneinanderreihung von Pannen bis zum doppelten Gentechnik-GAU: In beiden Aussaatjahren 2006 und 2007 wuchs transgene Gerste außerhalb der kontrollierten Flächen. Die Versuchsleitung verschwieg das, ging aber bewusst weitere Risiken ein. So wurde auflagenwidrig auf einen Mäuseschutz verzichtet." (Flugblatt zur Besetzung des Gerstefeldes der Uni Gießen, damals in die Nähe von Rostock verlegt, am 3. April 2009).

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