Anti-Zwangspsychiatrie

RECHTLICHES GEHÖR

Urteile und Kommentare


1. Aus dem Gesetz
2. Grundsatzbeschluss des Verfassungsgerichts"plenums"
3. Urteile und Kommentare
4. Gegenvorstellung
5. Dürfen Angeklagte rausgeworfen werden?
6. Rechtsschutzprobleme bei "Sicherheitseingriffen"
7. Kosten
8. Links

Ingo Richter/Gunner Folke Schuppert, 1996: Casebook Verfassungsrecht, C.H. Beck München (S. 643, Hervorhebung im Original)
Der Anspruch auf rechtliches Gehör macht nur Sinn, wenn dem Anspruchsinhaber vor Erlaß der Entscheidung rechtliches Gehör gewährt wird.

Das Bundesverfassungsgericht hat selbst in diesem Sinne geurteilt - will davon in der Praxis aber wohl nix mehr wissen (BVerfGE 53, 109 vom 15.1.1980, S. 96, 113)
Da das rechtliche Gehör den Betroffenen Gelegenheit geben soll, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluß zu nehmen, ist in der Regel nur eine vorherige Anhörung sinnvoll.
Art 103 Abs. 1 GG gibt dem Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, daß er Gelegenheit erhält, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlaß der Entscheidung zu äußern, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen.
Beschluß des Zweiten Senats vom 3. November 1983 (2 BvR 348/83)
Das rechtliche Gehör soll den Beteiligten Gelegenheit geben, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung einzuwirken; in der Regel ist daher eine vorherige Anhörung geboten.


Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Luchterhand 1982 (Band 2, S. 1203, Hervorhebungen im Original)
Das Recht auf Gehör ist eine rechtsstaatliche Forderung, die in der Achtung vor der Würde des Menschen wurzelt. ...
Nach dem Wortlauf besteht kein Zweifel, daß Art. 103 Abs. 1 ein subjektives Prozeßgrundrecht schafft. Ob es sich um ein echtes Grundrecht (...) oder nur um eine grundrechtsgleiche Gewährleistung, war früher streitig, ist aber heute im ersteren Sinn entschieden. ... Folgerichtig ist das recht auf gehör dem Fundament der grundgesetzlichen Rechtsordnung zuzurechnen und als Menschenrecht zu betrachten.


Ingo von Münch/Philip Kunig, 1996: Grundgesetz-Kommentar. C.H. Beck München (S. 810, Hervorhebungen im Original)
Gewährleistet ist das Recht auf Äußerung als Recht, sich vor Erlaß einer Entscheidung (...) in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zum Streitstoff äußern zu können.

Michael Sachs, 1999: Grundgesetz Kommentar. C.H. Beck München (S. 1831 ff, Hervorhebungen im Original)
Der Anspruch besteht vor Gerichten i.S.d. Art. 91, also staatlichen Gerichten - auch der Berufsgerichtsbarkeit, dort für alle Verfahren und alle Instanzen, auch für die freiwillige Gerichtsbarkeit und hierbei auch für die Tätigkeit des Rechtspflegers, dem richterliche Aufgaben übertragen sind, für das Vormundschaftsgericht, für die Tätigkeit des Haftrichters und sonstige Fälle eines Richtervorbehalts. ...
Gehör bedeutet zunächst, daß den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit gegeben wird, sich zum Verfahrensstoff zu äußern, und daß das Gericht seinerseits nur solche Tatsachen seiner Entscheidung zugrundelegt, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Das Gericht muß weiterhin deren Äußerungen zur Kenntnis nehmen und "in Erwägung ziehen". Die Möglichkeit, sich zu äußern, setzt ihrerseits voraus, daß die Beteiligten hinreichend Kenntnis von verfahrensrelevanten Vorgängen erhalten. ... Die Verpflichtung des Gerichts, die Ausführungen der Beteiligten auch tatsächlich zu erwägen, führt schließlich zu einem grundsätzlichen Anspruch auf hinreichende Begründung der gerichtlichen Entscheidung (...).
Entsprechend dem Schutzzweck des Abs. 1, den Verfahrensbeteiligten wirksame Wahrnehmung ihrer Rechte durch Einwirkung auf das Verfahren zu gewährleisten, ist grundsätzlich vorheriges Gehör zu gewähren, sofern nicht andernfalls der Verfahrenszweck vereitelt würde; dies gilt auch im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren. ... Entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, obgleich der Kläger auf deren Durchführung nicht wirksam verzichtet hat, so wird der Kläger hierdurch in Art. 103 I verletzt. Verschaffung des Gehörs durch einen Anwalt reicht i.d.R. aus ...


Im Original: Was umfasst Recht auf Gehör?
Rudolf Wassermann u.a. (1984): Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Band 2, Art. 21-146, S. 1207, Luchterhand Verlag
Zunächst verpflichtet das Recht der Beteiligten auf Gehör das Gericht, diesen über den Verfahrensstoff zu informieren, bevor es entscheidet. Dann erhält - auf der zweiten Stufe - der Beteiligte Gelegenheit zur Äußerung (...). In einer dritten Stufe schließlich verpflichtet die Verfassungsnorm das Gericht, das Vorbringen "in Erwägung zu ziehen", d.h. sich mit ihm auseinander zu setzen, soweit es für die Entscheidung wesentlich ist ("Berücksichtigungspflicht").

BVerfGE 55, 72. Zitiert in: Prof. Dr. Ingo Richter (1996): Casebook Verfassungsrecht, S. 645. München: C.H. Beck
Das Recht auf Gehör gibt den Verfahrensberechtigten das Recht darauf, daß sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern; dem entspringt die Pflicht des Gerichts, dei Ausführungen der Beteiligten bei seiner Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (...).

Erkennbare Berücksichtung
Rudolf Wassermann u.a. (1984): Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Band 2, Art. 21-146, S. 1211, Luchterhand Verlag
Die Verpflichtung zur "Berücksichtigung" bedeutet, daß das Gericht die Äußerung zur Kenntnis nehmen und bei seiner Entscheidung ernsthaft in Erwägung ziehen muß (BVerfGE 5, 22, 24 ff.; 11, 218, 220; 18, 380, 383; 21, 46, 48; 21, 102, 103 L; 22, 267; 36, 92, 97; 36, 298, 301; 40, 101, 104; 42, 364, 367 L; 54, 140, 142; 55, 95). Da nur die Begründung erkennen läßt, ob das Gericht dieser Verpflichtung nachgekommen ist, ergibt sich daraus eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Begründung richterlicher Entscheidungen (BVerfGE a.a.0.) unabhängig davon, daß diese auch zu deren Legitimierung im demokratischen Rechtsstaat und zur Ermöglichung der Kontrolle durch das Rechtsmittelgericht unumgänglich ist (...).
Nicht erforderlich ist allerdings, daß das Gericht ausnahmslos auf die Erwägung eingeht. Da grundsätzlich davon auszugehen ist, daß das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis nimmt (vgl. BVerfGE 54, 91), genügt es, daß das Gericht sich mit dem auseinandersetzt, was für das Verständnis der Entscheidung wesentlich ist (so auch BVerfGE 47, 189; 54, 46). Formelhafte Wendungen ersetzen diese Auseinandersetzung nicht. Wird erhebliches Vorbringen völlig übersehen (wofür in der Regel die Nichterwähnung in der Begründung als Nachweis ausreicht; zur "Beweislast" des Gerichts für die Erfüllung der Anforderungen aus Abs. 1 vgl, Kopp), so ist der Anspruch auf Gehör eindeutig verletzt (BVer,fGE 47, 182, 188 ff.).



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