Antirepression

FREIE FAHRT ... WARUM NULLTARIF?

Befürworter*innen des Nulltarifs in Politik und NGOs


1. Argumente für fahrscheinlose Busse und Bahnen
2. Wer soll das bezahlen? Die Geldfrage ...
3. Die soziale Frage
4. Die ökologische Frage
5. Die Machtfrage
6. Vorschläge für die praktische Umsetzung
7. Beispiele: Orte und Testphasen ohne Fahrscheine
8. Befürworter*innen des Nulltarifs in Politik und NGOs
9. Wissenschaftler*innen pro Nulltarif
10. Debatte und Statements in den Medien
11. Gegner*innen des Nulltarifs aus Autolobby, NGOs, Grüne ...
12. Links und Kontaktadressen

Etliche Kommunalpolitiker*innen haben geäußert - dafür, dagegen, unentschlossen.

Nulltarif statt 9-Euro
Aus den Ruhrnachrichten vor Einführung des 9-Euro-Tickets
"Die Mehrheit der Landesverkehrsminister und -ministerinnen hat in einer Sonderkonferenz am Freitag an den Bund appelliert, statt eines Neun-Euro-Tickets einen Nulltarif für drei Monate einzuführen. So könne der administrative Aufwand für die Verkehrsverbünde reduziert werden, sagte die Verkehrsministerkonferenzvorsitzende, die Bremer Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne), in der Pressekonferenz am Freitag. ...
Der Vorsitzende der Eisenbahngewerkschaft EVG, Klaus-Dieter Hommel, begrüßte den Vorschlag der Verkehrsminister und Verkehrsministerinnen. Hommel sagte dem RND: „Ein kostenloser Nahverkehr wäre ein mutiger Schritt für eine echte Verkehrswende.“ Die Politik müsse jetzt Mut beweisen: „Man darf diese Lösung nicht wieder aus Kostengründen infrage stellen. Bundesländer und Unternehmen müssen die Regelungen schnell, flächendeckend und bundeseinheitlich umsetzen.“ Dazu bräuchte es kurzfristig mehr Züge und Busse und auch mehr Personal.


EVG-Vizechef in der FR am 28.7.2022
Burkert plädiert zunächst für die Einführung eines 365-Euro-Tickets, also einem Fahrpreis von einem Euro pro Tag. Langfristig spricht sich die EVG dann für die Einführung eine kostenlosen Nahverkehrs aus. In der Zwischenzeit müsse das Angebot entsprechend ausgebaut werden, betont Burkert.

Partei Die Linke

Im Original
Aus dem Wahlprogramm 2013
Mittelfristig soll der Nahverkehr kostenfrei zur Verfügung stehen und das Angebot ausgebaut werden. ... Perspektivisch ist der öffentliche Nahverkehr entgeltfrei zu organisieren. ... Perspektivisch wollen wir einen fahrscheinlosen öffentlichen Nahverkehr. Erfahrungen zeigen, dass er von immer mehr Menschen genutzt wird, wenn er entgeltfrei und steuerfinanziert ist.

In der Zusammenfassung der Sondierungsgespräche der Parteien DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Thüringen vom 23.10. 2014 ist auf Seite 7 zu lesen:
Ein flächendeckendes Mobilitätsangebot ist eine Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe. Wir werden: (...)
- die Möglichkeit eines fahrscheinfreien ÖPNV prüfen und die rechtlichen Voraussetzungen für dessen Erprobung schaffen.


Aus dem Konzept "Fahrscheinfreier ÖPNV" für Erfurt (Die Linke Koordination: Matthias Bärwolff, MdL)
Wir wollen, dass zukünftig mehr Menschen den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Dazu gilt es, alternative Verkehrs- und Finanzierungskonzepte zu entwickeln. Aus unserer Sicht gehört die bislang größte Hürde, in eine Bahn oder einen Bus einzusteigen, nämlich der Fahrschein selbst, auf den Prüfstand. Die EVAG prognostiziert bei Einführungen eines Nulltarifs für Erfurt einen Anstieg der Fahrgastzahlen um 30 %, während die FH Erfurt von mindestens 50 % ausgeht. Dieser Anstieg ginge mit einer Abnahme des motorisierten Individualverkehrs einher, woraus sich u. a. folgende Vorteile ergeben würden:
- Verringerung der sozialen Kosten, u. a. durch weniger Unfälle, weniger Gesundheitsbelastungen;
- geringerer Schadstoffausstoß bzw. Lärmemission, d. h. weniger Umweltbelastungen und mehr Lebensqualität sowie weniger Verschmutzung und damit u. a. weniger Kosten für Gebäudereinigung;
- Straßenentlastungseffekte, dadurch weniger Investitionen in Straßenneubau und -erhalt nötig, Lebensdauer der Infrastruktur verlängert sich;
- mehr Raum für Radfahrer und Fußgänger bzw. neue Nutzungsflächen durch möglichen Straßenrückbau und Rückgang von Parkplatzflächen;
- mehr Mobilität für alle und dadurch mehr Teilhabe am sozialen- und kulturellen Leben für alle;
- mehr Mobilität käme vor allem dem Innenstadtbereich, insbesondere dem Einzelhandel und Dienstleistungsgewerbe zu Gute;
- größere Nachfrage für Car-Sharing-Modelle (hier kann sich die Kommune ebenfalls über die EVAG einbringen);
- eine Umverteilung der Gelder, die bislang für Kraftstoffe, Reparaturen, Steuern und Versicherungen durch die Pkw-Besitzer ausgegeben werden in die kleinteilige Wirtschaftsstruktur gelenkt;
- Erfurt wird bei geschicktem Einbinden des fahrscheinfreien ÖPNV-Angebots in das Stadtmarketing europaweit bekannter. D. h. mehr Menschen werden auf Erfurt als touristisches Ziel und als attraktiver Wohnort aufmerksam.
Allerdings muss der fahrscheinfreie ÖPNV erst realisiert werden, ehe die positiven Aspekte und Folgen Wirkungsmacht entfalten. Die Einführung des fahrscheinfreien ÖPNV für Erfurt zieht auch große Finanzierungsfragen nach sich. Zu diesen nehmen wir weiter unten Stellung. Hier nur einige Überlegungen zu den verschiedenen Finanzierungsquellen:
- Eine Nahverkehrsabgabe, also eine obligatorische Monats- oder Jahreskarte für alle Bewohner, ähnlich dem Semesterticket von Studierenden. Da sich dann alle, mit einem gleich hohen Betrag an der Finanzierung beteiligen, wäre dieser Beitrag deutlich geringer als die bisherigen Monats- bzw. Jahreskarten.
- Erhöhung der bereits existierenden Kulturförderabgabe (City-Steuer) auf Übernachtungen in Hotels. Dies würde auch unsere Touristen an den Kosten beteiligen.
- Eine Citymaut für Gäste, die Erfurt mit dem Auto besuchen.
- Parkraumbewirtschaftung in die EVAG eingliedern und Ausbau des P+R-Angebots
- Car/Bike-Sharing durch die EVAG anbieten.
- Verschiebungen von Bauprioritäten im Stadthaushalt zugunsten des ÖPNV und Gleichstellung der Investitionskosten für Infrastruktur, sowohl der Straßenbahn und des Bus, als auch des individuellen Pkw.
- Erhöhte Einnahmen aus der Gewerbesteuer und diverser Nutzungsgebühren für Außenflächennutzung (Restaurants, Biergärten, u. ä.)

Bündnis 90/Die Grünen
Bekannt war die Befürwortung des Nulltaris durch Boris Palmer, grüner Oberbürgermeister in Tübingen. Davon hat er bisher wenig umgesetzt (kostenlose Busse am Samstag), sich aber als Bündnispartner mit AfD-ähnlichen Positionen zu Migration disqualifiziert.
Grüne in Berlin für Teil-Nulltarif
Aus "Klimawandel: Grüne fordern radikale Verkehrsrevolution in Berlin", in: Berliner Zeitung, 31.8.2018
Nulltarif im Nahverkehr abends und sonntags, Parkgebührenpflicht für die gesamte Innenstadt, autofreie Bereiche – und vieles mehr. Ein Positionspapier einer Arbeitsgruppe der Berliner Grünen fordert verkehrspolitische Weichenstellungen, die zum Teil radikal anmuten. Der Verkehr müsse schneller als bisher klimafreundlicher gestaltet werden, fordert Matthias Dittmer, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Mobilität.

Piratenpartei
Im Original
Aus dem Wahlprogramm 2015 der Piraten Stadt&Kreis Gießen
Das Semesterticket für alle – Der umlagefinanzierte ÖPNV macht jeden mobil!

Aus den Zielen (Programm) der Piratenpartei Hessen
Ausgehend vom Grundgedanken der gesellschaftlichen Teilhabe setzt sich die Piratenpartei für einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zu Mobilität ein. Aus diesem Grund streben wir die Umsetzung eines umlagefinanzierten ÖPNV in Hessen an.

Weitere Statements

Parteiendiskussion zum Nulltarif in Gießen (14.3.2018 auf dem UmsonstZug) ++ auf Youtube
Alle Parteien waren geladen, nur die SPD kam. Deren verkehrspolitischer Sprecher im Stadtparlament Gießen, Christian Heimbach, und der Aktionsschwarzfahrer Jörg Bergstedt diskutierten aber anregende 20 Minuten lang über die Verkehrsprobleme in Gießen und warum die bisherigen Fehler der Politik zukünftige Verbesserungen erschweren. Aufgenommen auf dem UmsonstZug am 14.3.2018, Station am Gießener Kugelbrunnnen.


Im Original
Punkt 8 der "Zehn Punkte für eine umfassende Verkehrswende" von Winfried Wolf (aus dessen ohnehin sehr lesenswerten Text "Mobilität ohne Auto", in: Blätter für deutsche und internationale Politik 12/17 (S. 77f)
Achtens müssen die Tarife der umweltfreundlichen Verkehrsarten Bahn und ÖPNV deutlich gesenkt werden. Optimal im ÖPNV sind Modelle mit Nulltarif (wie in der estnischen Hauptstadt Tallinn praktiziert).

Und die anderen?
Die Bundesregierung schrieb Anfang 2018 einen Brief an die über die Luftbelastung in deutschen Städten und die Untätigkeit der Regierung nöhlende EU, dass sie in 5 Städten den Nulltarif testen wolle. Klar - das meinen die Autofans in Amt und Würge nicht ernst, aber sie taten so. "Zufällig" wollten die fünf Städte dann auch nicht. Die Grünen fragten im Bundestag nach, was die Bundesregierung mit dem immerhin von CDU, CSU und SPD unterzeichneten Brief genau wolle. Die Antwort war ein Geblubber ohne irgendwas Konkretes:

Aus einer Bundestagsdrucksacke im März 2018
Am 26. Februar 2018 fand ein erstes Abstimmungsgespräch mit Vertretern der im Schreiben an EU-Kommissar Vella benannten Modellstädte statt. Dabei wurden erste Vorschläge zu möglichen Maßnahmen, die in den Modellstädten erprobt werden sollen, erörtert. Auch das Thema eines kostenlosen ÖPNV wurde besprochen. Gemeinsam mit den Städten besteht die Auffassung, dass es in tariflicher Hinsicht in den Modellstädten eine Reihe vielversprechender Ansätze für eine verstärkte ÖPNV-Nutzung gibt. Diese sollen nun weiter konkretisiert werden. Erst wenn die einzelnen Maßnahmen konkretisiert sind, können weitere Angaben gemacht werden.

Gewerkschaften
Aus der Stellungnahme "Mobilität sichern!" des DGB Köln am 12.11.2018
Der DGB Köln akzeptiert keine Einschränkung der Mobilität für Besitzer von PKW und Transportern, deren Dieseltechnologie unterhalb der Euro-Norm 6 liegt. Das trifft nur diejenigen in unserer Gesellschaft, die als Auszubildende, Studierende oder Beschäftigte in Niedriglohnsektoren nicht alle vier Jahre neue Autos erwerben können oder ihr Auto unter anderen Rechtsverhältnissen guten Glaubens erworben haben.
Gesunde Luftverhältnisse sind ebenso unverzichtbares Grundrecht wie der Anspruch auf freie Mobilität. Dieses Recht auf Mobilität kann nicht abhängig gemacht werden von der Frage, ob und wann Hardware-Nachrüstungen zur Verfügung stehen und wer das Geld für einen Neuwagenkauf hat.
Sollte das Gerichtsurteil Bestand haben und die Kölner Umweltzone für diese Dieselfahrzeuge gesperrt werden, fordert der DGB Köln:
Solange und soweit Hardware-Nachrüstungen nicht zur Verfügung stehen, muss den betroffenen Fahrer/innen und ihren Familien das Geld im gleichen Umfang für andere Mobilitätsformen zur Verfügung gestellt werden: Für Tickets des öffentlichen Verkehrs innerhalb der Umweltzone, für Car-Sharing oder Leasing-Fahrzeuge. ...
Wer Klimaziele erreichen will, wer den Umstieg auf moderne Mobilität finanzieren will, der darf nicht das Geld für Aufrüstungsprojekte verschwenden.


Und wer ist dagegen?
Viele Verkehrsbetriebe - aber nicht alle, z.B. die Stadtwerke Augsburg würden das gerne machen. Zudem sind sie vor allem dagegen, weil sie klar erkennen, dass nach Jahrzehnten einseitiger Orientierung auf den Autoverkehr der öffentliche Personenverkehr eine umweltfreundliche Mobilität gar nicht packt. Die Fehler der Vergangenheit werden also zum Argument, weiter alles falsch zu machen ...

Dann, na klar, die AfD. Und, wie typisch für sie, mit Phrasen und wenig Wissen zum Thema.
  • Hetzrede gegen den Nulltarif-"Schwachsinn" mit typischen Kommentaren

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