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VERKEHR, UMWELT UND DER KAPITALISMUS

Straßenneubau gefährdet alles - selbst die Straßen!


1. Verfehlte Verkehrspolitik
2. Zahlen, Fakten, Zitate - Material für Eure Flyer, Schautafeln usw.
3. Zahlen aus der Studie „Mobilität in Deutschland“ und dem ADAC-Mobilitätsindex
4. Straßenneubau gefährdet alles - selbst die Straßen!
5. Gute Gründe gegen Autos (egal, welcher Antrieb)
6. Gegen das Auto und das Gequatsche vom Grundrecht auf Autofahren
7. Woran die Verkehrswende scheitert ...
8. Diesel & Co.: Alte Autos weg, aber keine neuen her!
9. Die sozialen Aspekte der Verkehrswende (gerechte Mobilität)
10. Abschaffung der Verkehrsregelungen senkt Unfallquote
11. Flugverkehr
12. Bahn jahrzehntelang zerlegt - Konzern kümmert sich vor allem um Aktienkurse
13. Politiker*innen-Gequatsche
14. Sprücheklopfer, Lobby & Co.
15. Vergessene Fragen der Mobilität
16. Bücher, Texte und Links zum Themenbereich

Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten
Eigentlich eine Binsenweisheit ...
Stefan Bratzel, Forscher und Dozent an der Fachhochschule für Wirtschaft in Bergisch Gladbach, über Straßenneubauten, die Entlastungen versprechen, im Interview mit der Zeit am 11.4.2024
Wenn eine neue Kapazität geschaffen wird – zum Beispiel eine neue Straße oder eine neue Spur auf der Autobahn –, gibt es aus drei Gründen mehr Verkehr. Der erste: Die Leute, die vorher andere Routen benutzt haben, nutzen jetzt diese neue oder breitere Straße, weil ihre Fahrzeit da geringer ist. Der zweite Effekt entsteht durch Fahrten, die vorher gar nicht gemacht wurden, weil es zu lange gedauert hätte. Und der dritte Effekt ist langfristig und strukturell. Weil ich neue Verkehrsadern geschaffen habe, wird es attraktiver, weiter weg zu wohnen. Die Wege zur Arbeit und zu Freizeitaktivitäten werden länger. Und schon ist die neue Straße wieder voll. Dann versucht man, auch diesen Stau wieder durch Straßenausbau zu beheben.

Aus "Wie viele Autobahnen braucht das Land?", in: FAZ am 22.10.2020
Empirisch finden sich einige gewichtige Gründe, die gegen den Neu- und Ausbau von Fernstraßen sprechen. Am bekanntesten ist das Paradoxon des induzierten Verkehrs, das der britische Straßenbauingenieur John Joseph Leeming in den Sechzigern formulierte. Ihm war aufgefallen, dass neue Straßen mehr Autos anzogen. Das Angebot ließ also die Nachfrage steigen. „Induced demand“ nannte Leeming seine Theorie, ohne sie stichhaltig belegen zu können. Das gelang vor elf Jahren den amerikanischen Ökonomen Gilles Duranton und Matthew Turner, als sie eine Studie über Fernstraßen in den Vereinigten Staaten vorlegten. Darin konnten die beiden zeigen, dass mehr Straßen tatsächlich zu mehr Verkehr führten; andere Faktoren, die das Verkehrsaufkommen schüren könnten, schlossen sie aus. Menschen ändern ihr Verhalten, wenn eine breitere oder neue Straße fertig ist: Sie fahren mehr Auto. Und dieses Resümee der Ökonomen lässt sich auch mit den Worten des im Sommer verstorbenen SPD-Politikers Hans-Jochen Vogel fassen, der 1972 formulierte: „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“ Und Stau.
Man braucht kein Wissenschaftler zu sein, um den alltäglichen Wahnsinn auf deutschen Straßen zu begreifen. Trotz neuer Straßen, trotz sechsspurigen Ausbaus oder eher: wegen neuer Straßen, wegen der breiten Hauptverkehrsachsen wie der A8 von Karlsruhe nach Salzburg stehen Autos im Stau. Weitere Spuren bringen nur kurzfristig Entlastung, was sich in Kalifornien beobachten lässt. Dort hat die berühmte Interstate 405 zwölf Spuren – und ist immer verstopft. Das ist nur einer der Gründe, warum Wissenschaftler neue Autobahnen kritisch sehen. Ihre Mahnung betrifft auch die enormen Kosten, die für die Unterhaltung des bestehenden Verkehrsnetzes aufgebracht werden müssen, und schon jetzt fehlt dafür das Geld. Straßen sind von Schlaglöchern durchsetzt, Brücken marode, aber ein Flickwerk gewinnt eben keine Wählerstimmen, die Einweihung frisch geteerter Fahrspuren hingegen schon. Nach wie vor fließen dreißig Prozent des Investitionsetats des Bundesverkehrswegeplans 2030 in Neubauprojekte.

Und noch ein Effekt - quasi ein Teufelskreis: Das Auto als Massenfortbewegungsmittel verkürzte Wege zeitlich. Das führte zur Inkaufnahme längerer Anfahrt, was den Zeitgewinn aufhob und dann zum Kauf schnellerer Fahrzeuge oder zum Bau neuer Verbindungen führt, was wiederum die Zeit einspart, worauf längere Wege in Kauf genommen werden usw. Insgesamt wächst das Verkehrsaufkommen, der Rohstoffverbrauch und die Flächenversiegelung, ohne dass Zeit gewonnen wird.


Gut gemacht und ziemlich entlarvend für FDP und CSU, das BMDV inkl. Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und Autobahn GmbH sowie den mit CDU und FDP verfilzten Hardcore-Autolobby-Verband "Mobil in Deutschland": Die neue ZDF-Doku "Kampf ums Tempolimit"
Wes Geistes Kind der Lobbyverband ist, zeigt sich u.a. darin, dass der Präsident und CSU-Mitglied Michael Haberland im März bei der Sendung des rechten Hetzers Roland Tichy zu Gast war (s. Twitter Account @Mobil_in_D). Lindners Grußwort an den Lobbyverband (ab 21:49): "Ein Vierteljahrhundert Mobil in Deutschland, herzlichen Glückwunsch von Christian Lindner. Ich gratuliere Ihnen als ein Politiker, der sich dazu bekennt, Benzin im Blut zu haben."

Doch sie lernen nicht ... mehr Straßen!
Sollen noch mehr Straßen gebaut werden durch ein "Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich")

Aus "Wissing will schneller neue Autobahnen bauen", am 2.12.2022
In dem Papier werden 46 Straßenbauvorhaben aufgelistet, darunter auch die umstrittene Verlängerung der A100 in Berlin oder der Weiterbau der A20 im Norden von Westerstede in Niedersachsen nach Weede in Schleswig-Holstein. Diese könnten dann im "überragenden öffentlichen Interesse" und für "öffentliche Sicherheit" schneller durchgesetzt werden, um der "herausragenden Bedeutung einer leistungsfähigen Fernstraßen-Infrastruktur für das Gemeinwohl gerecht zu werden."


Aus "Für den Straßenbau wird fleißig enteignet", auf "Mobilitätsmanager" am 30.6.2024
Im Autoland Deutschland kennt der Staat kein Pardon im Fall des Neubaus oder Erweiterungen von Autobahnen: Da werden Landwirte und Waldbesitzer einfach enteignet ...
Deutschland ist die Nr. 1 in der Welt, wenn es um das Zubetonieren von riesigen Flächen für den Straßenbau geht und wundert sich dann, wenn es zu Klimakatastrophen mit enormen Überflutungen mit hohen Milliardenschäden und dem Verlust Menschenleben kommt.


Aus "Verkehrspolitik: Sie bauen einfach immer weiter" über den Wahn, immer neue Straßen zu bauen, während die alten immer mehr zerfallen, auf: Zeit online am 16.10.2024
Statt den Erhalt zu priorisieren, wird fleißig das Netz ausgebaut. Die Haushaltsmittel für Aus- und Neubau steigen Transport & Environment zufolge 2025 um fast zehn Prozent auf 4,1 Milliarden Euro. Nur 1,12 Milliarden Euro sollen dagegen im kommenden Jahr in den Erhalt von Fernstraßen fließen und 0,66 Milliarden Euro ausdrücklich in die Brückenmodernisierung. ...
Die Neu- und Ausbauprojekte summieren sich im laufenden ebenso wie im kommenden Jahr auf etwa 45 Prozent der Investitionen für Bundesfernstraßen, Erhaltungsmaßnahmen und Brückenmodernisierungen auf 19 Prozent – also nicht einmal die Hälfte.


Grafik aus dem Bericht "Milliarden für Autobahnen, Sparkurs fürs Fahrrad", im: manager magazin am 15.11.23

Autos und Gebäude fressen immer mehr Fläche und Ressourcen
Im Bundesverkehrswegeplan sind bis 2030 weitere 800 Kilometern Autobahnneubau festgeschrieben.

Zahlen
Während in Deutschland alle 41 Sekunden ein Kind zur Welt kommt, wird alle 11 Sekunden ein neues Auto zugelassen. Das heißt für jedes Kind das geboren wird, werden 3,7 Autos zugelassen.

Aus fairkehr 2/2022:
Pro Jahr kostet das Parken auf öffentlichen Straßen für Bewohner*innen in Stockholm 827 €, in Amsterdam 535 € und in Düsseldorf 25 bis 30 € (E-Autos parken dort umsonst).
40 bis 70 Stunden pro Jahr verbringen Autofahrer*innen in Deutschland durchschnittlich mit der Suche nach einem Parkplatz. Dabei verursachen sie 30 bis 40 Prozent des innerstädtischen Verkehrs.
Produktionsziel von Teslas Werk in Grünheide: Knapp 10.000 Autos pro Woche.


Aus "Autos verdrängen unsere Kinder: Platz zum Spielen in Großstädten immer knapper", auf: RTL am 16.7.2019
10 Quadratmeter pro Auto - 0,6 Quadratmeter für Spielfläche
In deutschen Großstädten wird der Platz für Spielflächen immer knapper. "Vor allem in den verdichteten Innenstadtbezirken ist die Lage prekär. In Zeiten des zunehmenden Wohnungsneubaus müssen wir schauen, dass noch Platz für die Kinder bleibt", sagt Claudia Neumann vom Deutschen Kinderhilfswerk. So ist in Berlin beispielsweise die durchschnittliche Spielfläche je Einwohner seit dem Jahr 2000 von 0,8 auf 0,6 Quadratmeter gesunken. Im Vergleich dazu braucht ein PKW eine durchschnittliche Parkfläche von 10 Quadratmeter.


Vom Statistischen Bundesamt
Trotz öffentlicher Debatten um Klimaschutz und Verkehrswende stieg allein von 2010 bis 2019 die Pkw-Dichte in Deutschland um 12 % von durchschnittlich 509 auf 569 Pkw pro 1 000 Einwohner,(…)
Im selben Zeitraum erhöhte sich der Bestand an Pkw um 14 % von 41,3 Millionen auf knapp 47,1 Millionen.
Die Autobahnlänge stieg in Deutschland stark an: von 1995 bis 2019 um 18 % auf gut 13 100 km.
2019 standen knapp 230 000 Kilometer Straßen des überörtlichen Verkehrs etwa ein Sechstel an Schienen-Streckenlänge gegenüber (42 000 Kilometer inklusive Straßen- und Anschlussbahnen). Von 2005 bis 2019 wuchs das Schienenstreckennetz bundesweit um 1,5 %.


Aus "Pkw-Dichte 2021: So viele Autos wie noch nie", auf: kfz-Betrieb am 15.9.2022
Trotz der Debatte um die Mobilitätswende gibt es in Deutschland so viele Pkw wie nie zuvor. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) gab es im Jahr 2021 bundesweit im Schnitt 580 Autos pro 1.000 Einwohner. Im Jahr zuvor waren es noch 517 Autos. ... Insgesamt stieg die Zahl der zugelassenen Personenkraftfahrzeuge zum 1.1.2022 auf 48,5 Millionen, 300.000 mehr als im Jahr zuvor. ...
In den privaten Haushalten steigt laut Destatis der Trend zum Zweit- und Drittwagen weiter. 77 Prozent aller Haushalte besaßen 2021 mindestens ein Auto. Daran hat sich in den vergangenen zehn Jahren wenig geändert, wohl aber der Trend zum weiteren Fahrzeug. So stieg der Anteil der Haushalte mit einem Zweitwagen von 23,4 Prozent auf 27 Prozent. Noch stärker stieg der Anteil der Haushalte, die mindestens drei Autos fahren: 2020 lag der Anteil noch bei 3,7 Prozent, 2021 bei 6,1 Prozent.


Straßenneubau bindet Ressourcen - das schädigt selbst die Straßen
Marode Brücken, Schlaglöcher, veraltete Ampeln. Wer solche Probleme hat, müsste seine Kapazitäten in Sanierung und Erhalt stecken statt in Neubau. Für beides fehlen Geld, Personal und Maschinen. Mit jeder neuen Straße wächst das Problem. Daher ist es selbst für den Autoverkehr sinnvoll, endlich mit dem ständigen Neubauen aufzuhören. Doch in der Politik kommen rationale Überlegungen offenbar gar nicht mehr vor - es geht um kurzfristige Effektheischerei.


Auch 2024 ging das Verkehrsdesaster weiter: Ständig wurden neue Straßen gebaut - und bei der Bahn ging es nur schleppend voran. Nur 48,2 Kilometer neu- oder ausgebaute Schienenstrecken wird die DB InfraGO 2024 in Betrieb genommen haben. Das entspricht etwa der Entfernung von Köln nach Düsseldorf. Das Straßennetz wuchs wie in den vergangenen Jahren in derselben Zeit um etwa 10.000 Kilometer, also 200-mal so schnell.

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