Prozesstipps

IST KOEXISTENZ MÖGLICH? DIE FALLBEISPIELE

Honig, Bienen, Imkerei


1. Einleitung
2. Das Drama der Koexistenz: Gewollt, unmöglich, deshalb trickreich umschifft
3. Bienen und horizontaler Gentransfer: Einfach vergessen?
4. Schnell und unkaputtbar: Raps
5. Mais überall ...
6. Soja & Tierfutter
7. Baumwolle
8. Weitere Pflanzen und Organismen
9. 2006: Ein Selbstbestäuber verteilt sich weltweit - der Reis LL601
10. Honig, Bienen, Imkerei
11. Die unvermeidbare Folge: Gentechnik im Essen
12. "Ich frage mich, was eigentlich noch alles passieren muss"
13. Schlimmer: Auskreuzung ist einkalkuliert oder sogar gewollt!
14. Infoseiten zum Thema

Vorab: Wie sie lügen ...
In ihrer Verzweifelung, für Bienen und die Imkerei überhaupt gar keine Beruhigungsstrategie oder irgendeinen Schutz vor gentechnischer Verunreinigung bieten zu können, greifen die ProtagonistInnen der Agro-Gentechnik - wie üblich - zum Mittel der Lüge und Verharmlosung. Das geht soweit, dass sie allen Ernstes einfach behaupten, Bienen würden Mais nicht anfliegen. Oder zumindest nur ganz selten. Das ist aber falsch: Eine Studie aus der Schweiz belegt, dass die Bienen Mais in dessen Blütezeit sogar als häufigste Pflanze anfliegen, weil der Pollen sehr eiweißhaltig ist und in der ausgeräumten Landschaft kaum Alternativen bestehen. Die Bienen sammeln den Pollen auch gezielt, also nicht nur als versehentliche Mitnahme wie bei vielen anderen Blüten.
Zweite Ausrede ist, die Verunreinigung bliebe ja unter dem Grenzwert von 0,9 Prozent - der jedoch für Honig gar nicht gilt. So räumt die KWS in einer Werbebroschüre die Verunreinigungsgefahr zwar ein, behauptet aber, dass diese unter 0,9% liegen würde und daher egal sei. Was der Konzern besser weiß (siehe auch zitierte Urteile): Der Grenzwert bei Honig liegt bei 0%!

Im Original: Probleme wegdiskutieren oder leugnen
Auszüge von der Seite "Gen-Mais: Eine Gefahr für Bienen und Honig?" auf TransGen
Aber selbst wenn deutlich mehr gv-Mais angebaut würde - Pollen von gv-Mais wird in der Regel nicht im Honig zu finden sein. Das hat einen einfachen Grund: Mais ist für Bienen kaum attraktiv. ...
Muss Honig gekennzeichnet werden, wenn der darin enthaltene Pollen von gv-Pflanzen stammt? Nach derzeitiger Rechtslage: nein. Pollen aus gv-Pflanzen kann als "technisch unvermeidbare" Beimischung verstanden werden.

TransGen weiß es besser: Im nächsten Absatz steht nämlich das genaue Gegenteil.
Gv-Pflanzen, die in der EU nicht zugelassen sind, dürfen auch nicht in Spuren in Lebens- oder Futtermitteln vorhanden sein. Das gilt auch für Pollenbeimischungen im Honig.

Aus der Broschüre "Grüne Gentechnik" der KWS Saat AG:"Generell ist der Mais für Bienen nicht besonders attraktiv. Mais bildet keinen Nektar und trägt somit nicht zu Honigbil dung bei. Der Gesamt-Pollenanteil im Honig beträgt lediglich bis zu 0,5% und wiederum sind hiervon nur maximal 7% Maispollen, das heißt weniger als 0,05% des Honigs sind Maispollen. Der Wert liegt weit unter dem Grenzwert für eine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Bestandteile von 0,9 %."

Alles nicht nachweisbar ... Augen zu und durch!
Aus einem Brief von Christoph Tebbe*, Versuchsleiter bei der Erforschung der Umweltauswirkung von gv-Mais in Braunschweig, 18.5.2009, an Imker der Umgebung:
Nach unserem Kenntnisstand ist durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 11.2.2009 bereits festgestellt worden, dass die Verkehrsfähigkeit von Honig der geringe Menge von Pollen aus gentechnisch veränderten Sorten enthält, nicht beeinträchtigt. Ihre Bedenken erscheinen uns auch aus biologischer Sicht nicht begründet. Die Wahrscheinlichkeit, dass Maispollen der von uns untersuchten veränderten Maissorte in nachweisbaren Mengen in Honig aus der Umgebun gelangen, ist extrem gering.
*Tebbe wurde 2009 als einer von vier deutschen sogenannten WissenschaftlerInnen zur EU-Kommission für gentechnik verändere Nahrungsmittel (EFSA) entsandt. Die anderen drei sind ebenfalls BefürworterInnen der Gentechnik.

Dramatische Situation für Bienen und ImkerInnen
Mit der Frage, ob die Imkerei existentiell durch den Anbau gentechnisch manipulierter Pflanzen gefährdet ist, hat sich David Goertsches in seiner im Winter 2008/09 eingereichten Diplomarbeit befasst. Er kommt zu einem eindeutigen Urteil.
In der Arbeit wird festgestellt, dass zum Teil gravierende Probleme bereits offensichtlich sind bzw. bei einem ausgeweiteten Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen noch bevorstehen. Es deutet sich an, dass eine von der EU und der Bundesregierung angestrebte Koexistenz unter Einbeziehung der Imkerei aufgrund der enormen Flugradien der Bienen nur schwer oder gar nicht zu realisieren ist.
Die Imker wie auch die Vorstände der Imkervereinigungen (D.I.B, DBIB, epba) schätzen ihre Lage bezüglich der Gentechnik, vorsichtig ausgedrückt, als existenzbedrohend ein. Der Konsument kann durch seine Kaufentscheidung in dieser Fragestellung als Schlüsselfigur angesehen werden. Die Imker befürchten eine Ablehnung GVO-kontaminierter Imkereiprodukte.
Zur Frage der Auswirkung von GVO-Pflanzen auf die Bienengesundheit ist keine eindeutige Aussage zu treffen. Die überwiegende Mehrheit der Imkerschaft erwartet eine Beeinträchtigung. Bezüglich dieser Frage liegt noch weiterer Forschungsbedarf vor. Die Rechtslage ist wenig übersichtlich, eine allgemein anerkannte und praktizierte Gesetzgebung ist nicht gegeben. Zurzeit versuchen einzelne Imker in Präzedenzfällen Grundsatzurteile zu erstreiten.
Abschließend beantwortet werden kann die Forschungsfrage nicht; es war jedoch möglich, die verschiedenen Konfliktpunkte aufzuzeigen und ein klares Meinungsbild unter den Imkern abzubilden. (Studie zu Gentechnik und Imkerei)

FORSCHER ENTDECKEN FÄHIGKEIT BEI BIENEN TRANSGENE ÜBER MEHRERE KILOMETER ZU VERTEILEN
Eine Studie von Wissenschaftlern des internationalen Forschungszentrums ICIPE mit Hauptsitz in Nairobi hat in Zusammenarbeit mit dem französischen ‘Institut de Recherche pour le Developpement’ (IRD) nachgewiesen, dass Bienen das Potenzial besitzen, Transgene von gv-Pflanzen auf wild wachsende Verwandte über Kilometer hinweg zu übertragen. Mehr Infos hier und hier ...

GENTECH-KONTAMINATION VON HONIG
Ökotest hat kürzlich eine Reihe von Honigsorten getestet und dabei herausgefunden, dass 11 von 24 Sorten mit Gentech-Pollen verunreinigt waren – hauptsächlich die Sorten aus Südamerika.


Im Original: Angst und Flucht vor den Genmaisfeldern
Aus "Genmais schadet Imkern", in: taz, 9.8.2008
Bioimker Fabian Lahres aus Waldsieversdorf steht unter Druck: Weil in der Nachbarschaft seiner Imkerei der Genmais MON 810 angebaut wird, muss er seine 150 Bienenvölker bis zu 25 Kilometer entfernt aufstellen. Er hat Angst um seinen Honig.
Imker Lahres fährt daher regelmäßig weite Strecken zu seinen Völkern im Exil. Das kostet ihn zusätzlichen Lohn und Sprit. Schlimmer sei allerdings die ständige Existenzangst, erklärt er: "Sollten in meinem Honig Genmaispollen nachgewiesen werden, kann ich ihn nicht mehr verkaufen."
Die Gefahr habe gerade erst ein Gerichtsurteil im bayrischen Augsburg gezeigt. Die Richterin habe festgestellt, dass sich Imker strafbar machen können, die Honig mit Pollen des Genmaises verkaufen, so Lahres. Er befürchtet daher, dass er die Berufsimkerei irgendwann aufgeben muss. Außerdem besteht die Gefahr, sagt er, dass Imker haften müssen, wenn ihre Bienen den Pollen von Genmais auf konventionelle Maisfelder übertragen.
Im gentechnisch veränderten Mais MON 810 ist ein Gift enthalten, das gezielt dem Maiszünsler - einer Schmetterlingsart - den Garaus machen soll. Für den menschlichen Verzehr ist der Genmais nicht zugelassen. Trotzdem können kleine Mengen von Blütenpollen über den Honig in die Nahrung gelangen. Die Folgen sind bisher nicht bekannt. ...
"Bienen haben einen Flugradius von bis zu zwölf Kilometern. Das sind unendlich viele Flurstücke", sagt Fabian Lahres. Als Imker habe man fast keine Chance, zu garantieren, dass in der Einflugschneise kein Genmaisfeld liegt, zumal die Anbauer von Genmais in den vorgeschriebenen Standortregistern manchmal falsche Flächen angeben würden.
Fabian Lahres hatte bereits letztes Jahr in einem Eilverfahren gegen den Anbau von Genmais geklagt. Das zuständige Gericht hat das Eilverfahren allerdings abgelehnt. Seitdem wartet Lahres auf einen neuen Verhandlungstermin.
Was die Brandenburger Imker besonders aufregt, ist: Nicht der Bauer muss darüber aufklären, wo er Genmais anbaut. Vielmehr ist der Imker verpflichtet, sich zu informieren.

Aus: dpa/welt online vom 20.07.08
Bayerns Imker ergreifen Flucht vor GVO
Auch wenn das alles beherrschende Thema zur Zeit das massenhafte Bienensterben durch den Einsatz des Insektizids Clothianidin ist, haben die Imker in Süddeutschland auch noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. So weist die Analyse von Honig aus der Nähe von Gentech-Mais-Versuchsflächen erschreckende Werte auf. In vielen Honigproben wurden jetzt auch Pollen von Gentech-Mais nachgewiesen - dieser Honig darf nicht verkauft werden. Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. Mai darf dieser Honig nicht verkauft werden, denn er ist ein "nicht verkehrsfähiges, genetisch verändertes Lebensmittel".
Nun müssen Imker, deren Bienenvölker in der Nähe von Gentechmaisfeldern leben, umziehen. Denn ein Dringlichkeitsantrag der Grünen im Bayerischen Landtag auf Abschneiden der Maisblütenstände zum Schutz der Imker wurde im Landtag nicht einmal behandelt.

Aus der Leipziger Internet-Zeitung am 2.1.2009
Öko-Test hat die 24 Honige aus dem Einzelhandel neben den üblichen Qualitätskriterien wie kalt geschleudert, Geschmack und Enzymaktivität erstmalig auch auf Anteile von genmanipulierten Pollen untersucht. Fast 50 Prozent der getesteten Honige, vor allem solche aus Südamerika und Kanada, fielen dabei durch Gen-Soja- und Gen-Raps-Pollen auf. ...
Allerdings hat es auch in Deutschland schon den ersten Fall gegeben, dass ein Imker in Bayern seine Honigernte aufgrund von Anteilen von MON810-Pollen vernichtete. "Und wie es mit dem Honig in Brandenburg aussieht, wo auf sehr viel größeren Flächen Gen-Mais angebaut wird, dessen Pollen auch im Honig landen können, das hat noch niemand untersucht", sagt Maresch.Imker, die Bio-Honig produzieren wollen, haben immer weniger Chancen, noch einen Ort zu finden, an dem sie ihre Stöcke aufstellen können, denn auch der exzessive Gebrauch von Pestiziden in der deutschen Landwirtschaft und das Verschwinden blühender Wiesen und Feldraine nimmt Bienen ihre Lebens- und Imkern ihre Arbeitsgrundlage.
Bei der Novellierung des europäischen Gentechnikgesetzes 2004 wurden die Imker ganz einfach vergessen. Für die Agrarminister der EU spielen sie augenscheinlich keine Rolle mehr. 80 Prozent des Honigs werden mittlerweile importiert. So billig importiert, dass heimische Imker in der Regel die Imkerei nur noch als Hobby betreiben können.
Und nicht nur Brandenburg hat dieses Problem, auch Sachsen, in dem in den letzten Jahren etliche Versuchsfelder für genmanipulierten Mais genehmigt wurden. Was in der Folge heißt, dass Imker ihre Bienenhäuser im Umkreis von mindestens drei Kilometern besser nicht aufstellen sollten, wenn sie genmanipulierte Pollen nicht im Honig haben wollen. Da Bienen aber auch bis zu 10 Kilometer ausschwärmen, ist der zu meidende Radius wohl eben so groß.

Im Original: Rechtsprechung und Berichte zum Verfahren
Gerichtsentscheid: Gen-Pollen im Honig unvermeidbar - aber rechtmäßig
Aus dem Gentechnik-Newsletter Juni 2008 der RA Gaßner, Groth, Siedeer & Coll.
Für die rechtliche Beurteilung von Honig mit MON 810-Pollen ist es nach Auffassung des Gerichts ohne Belang, ob der Pollen noch ein (genetisch veränderter) Organismus ist, ob er sich also vermehren oder genetisch verändertes Material übertragen kann. Unter das Zulassungsregime der Verordnung fallen nämlich nicht nur Lebensmittel, die aus GVO bestehen oder diese enthalten, sondern auch Lebensmittel, die „aus GVO hergestellt“ sind. Dies sind z.B. verarbeitete Lebensmittel, in denen nicht mehr vermehrungsfähiges genetisch verändertes Material vorhanden ist. Honig mit MON 810-Pollen gehört jedenfalls nicht zu den zugelassenen genetisch veränderten Lebensmitteln.
Das Gericht bestätigt erneut die auch in vergleichbaren Fällen praktizierte „Null Toleranz“-Schwelle für GVO, die nicht für den jeweiligen Verwendungszweck zugelassen sind. Es lässt ausdrücklich nicht den Einwand gelten, der Anteil genetisch veränderten Pollens im Honig sei äußerst gering. Irrelevant ist in diesem Zusammenhang auch die so genannte „Kennzeichnungsschwelle“ von 0,9 %: Ein Lebensmittel mit genetisch verändertem Material, die als solches nicht zugelassen ist, darf überhaupt nicht in Verkehr gebracht werden, auch nicht mit Kennzeichnung. ...
Mit dem Anbau auf freiem Feld können die MON 810-Maispollen auf verschiedenen Wegen auch in andere Lebensmittel als Honig gelangen. Die durch die Zulassungslücke verursachten Probleme für Imker und ggf. andere Lebensmittelerzeuger werden übrigens aller Voraussicht nach auf Dauer fortbestehen: Monsanto hat nach Auslaufen der Altzulassung für MON 810 eine Erneuerung beantragt, jedoch ohne Erweiterung auf Lebensmittel, in die unbeabsichtigt Pflanzenteile (z.B. Pollen) gelangen.

Aus "Imker suchen nach Augsburger Urteil Asyl in München", in: Augsburger Allgemeine, 11.7.2008
Wer Honig verkauft, der auch nur geringste Spuren von gentechnisch verändertem Maispollen enthält, macht sich strafbar. Das hat das Verwaltungsgericht Augsburg am 30. Mai in einem aufsehenerregenden Urteil gegen den Kaisheimer Imker Karl-Heinz Bablok festgestellt. Demnächst wird der Genmais auf der staatlichen Versuchsfläche, 1500 Meter von Babloks Bienenhaus entfernt, zu blühen beginnen. Die Konsequenz: Bablok und seine Imkerkollegen im näheren Umkreis müssen ihre Bienen wegbringen.

Das Urteil von Augsburg: Verunreinigungen mit Genmaterial macht Honig unverkäuflich!
Es wird festgestellt, dass die lmkereiprodukte des KIägers, soweit sie nachweisbar Bestandteile von Pollen des Maises der Linie MON 810 enthalten, wesentlich beeinträchtigt sind. ... (Urteil Seite 2)
Der Honig des Klägers wird bei einem Eintrag von MON 810-Pollen wesentlich (analog § 36 a Abs. 1 Nr. 1 GenTG) beeinträchtigt. da ein solcher Honig ein Lebensmittel darstellt, das nicht über eine Zulassung nach Kapitel II, Abschnitt 1 der VO (EG) 1829/2003 verfügt und damit gemäß Art. 4 Abs. 2 dieser Verordnung nicht in Verkehr gebracht werden darf. ... (S. 20)
Entsprechend den obigen Ausführungen kann daher den Äußerungen des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit, Sektion für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel und Umweltrisiko (STALUT), dass Honig als tierisches Produkt nicht unter die Regelungen der VO (EG) 1029/2003 falle, solange die Honig erzeugenden Bienen nicht ihrerseits genetisch verändert seien, nicht gefolgt werden: die Äußerungen des STALUT sind für das Gericht auch nicht bindend. Ein Regelungsausschussverfahren gemäß Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 35 der VO (EG) 1829/2003 und Art. 5, 7 und 8 des Beschlusses 1999/468/EG, in dem das Lebensmittel Honig vom Geltungsbereich der VO (EG) 1829/2003 ausgenommen worden wäre, ist unstreitig nicht durchgeführt worden.
Gerade der zwar „technisch unvermeidbare", aber nicht zufällige, sondern vorhersehbare Eintrag von MON 810-Pollen in Honig, wenn dieser Mais im Flugkreis oder gar im näherem Umkreis einer Imkerei angebaut würde, würde es erfordern, auf eine umfassende Zulassung des GVO MON 810 für Lebensmittel, damit auch für die Verwendung im Lebensmittel Honig, hinzuwirken, anstelle den umgekehrten Weg zu gehen,
nämlich zu versuchen, den Honig aus dem Anwendungsbereich der Verordnung über genetisch veranderte Lebensmittel und Futtermittel "herauszudefinieren". Dies wäre auch im Sinne der VO (EG) 1829/2003, wie deren Erwägungsgrund 10 unmissverständlich klarstellt. (S. 28)
Fazit: Das Eigentum des Klägers ist also wesentlich beeinträchtigt, wenn sein Honig Bestandteile von MON 810-Pollen enthält, da er dann gemäß Art. 4 Abs. 2 der VO (EG) 1829/2003 nicht als Lebensmittel in Verkehr gebracht werden darf. ...

Koexistenzregelung vom Gesetzgeber vergessen - Pech gehabt!
aa) Der Kläger hat zwar dem Grunde nach einen Anspruch auf Vorsorge. Der Umfang der dem Bewirtschafter (§ 3 Nr. 13 a GenTG) obliegenden Pflicht zur Vorsorge wird durch die ausdrückliche Bezugnahme in § 16 b Abs. 1 Satz 1 GenTG auf die in § 1 Nrn. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter, zu denen unter anderem Leben und Gesundheit von Menschen, aber auch Sachgüter (siehe § 1 Nr. 1 GenTG) sowie die Gewährleistung der Koexistenz (siehe § 1 Nr. 2 GenTG) gehören, festgeschrieben.
Wie vorstehend iinter a) ausgeführt, erleidet der Kläger eine wesentliche Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter bereits dann, wenn sein Honig infolge des Eintrags von MON 810-Pollen, die Verkehrs- und Verbrauchsfähigkeit verliert.
bb) Der Kläger hat nur Anspruch auf Maßnahmen, die sich als gute fachliche Praxis (gerade) gegenüber seiner Imkerei darstellen, da der Bewirtschafter seine ihm nach § 16 b Abs. 1 Satz 1 GenTG obliegende Vorsorgepflicht erfüllt, wenn er die gute fachliche Praxis einhält (siehe § 16 b Abs. 2 GenTG). (S. 29)
Der Gesetzgeber hat bisher Grundsätze der guten fachlichen Praxis gegenüber der Imkerei nicht festgelegt. So beziehen sich die nicht abschließenden Regelbeispiele des § 16 b Abs. 3 GenTG nicht auf das Verhältnis des Bewittschafiers zur Imkerei. Auch die am 11. April 2008 in Kraft getretene Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung (GenTPflEV) enthalt keine Grundsätze oder Maßnahmen, die der Bewirtschafter gegenüber der Imkerei zu beachten bzw. zu ergreifen hätte.
In Übereinstimmung mit der Ansicht des Klägers geht die Kammer davon aus, dass die Gentechnik-Pflantenerzeugungsverordnung im Hinblick auf das Verhältnis eines Bewirtschafters zur lmkerei keine abschließende Regelung darstellt. ... (S. 30)
Die Tatsache. dass die Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung gegenüber dem lmker nichts hergibt, bedeutet vielmehr. dass Art und Weise der guten fachlichen Praxis, die der BewirtschafterlErzeuger gegenüber dem lmker einhalten muss. bzw. die der lmker vom Bewirtschafter verlangen kann, im jeweiligen Einzelfall zu konkretisieren ist.
Die Kammer ist sich zwar bewusst, dass dieses Ergebnis in der Praxis das Ziel einer verträglichen Koexistenz im Verhältnis Bewirtschafterllmker nicht fördert, da es zu einer erheblichen Unsicherheit führt, welche Vorsorgemaßnahmen unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Verhältnisse ein lmker verlangen kann bzw. ein Bewirtschafter ergreifen muss. Es ist aber entsprechend dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht Aufgabe des Gerichts, Vorsorgemaßnahmen bzw. Grundsätze der guten fachlichen Praxis generalisierend für das Nebeneinander von genetisch verändertem Pflanzenanbau und der Imkerei festzulegen; dies ist allein Aufgabe des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers. Das Gericht kann nur im zu entscheidenden Einzelfall prüfen, welche Maßnahmen unter Berücksichtigung der jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse auf Seiten des Beklagten. der hier als Anbauer des Maises auftritt, sowie auf Seiten des Klägers als lmker zum einen erforderlich und zum anderen auch zumutbar sind. um sowohl die wesentliche Beeinträchtigung von Eigentum/Gesundheit zu verhindern als auch die Belange der Koexistenz zu wahren. Das verträgliche Nebeneinander von GVO-Anbau und Imkerei. das nicht einfach zu bewältigen ist, kann aber nicht dadurch gelöst werden, dass der Honig aus dem Geltungsbereich der VO (EG) 1829/2003 "herausdefiniert" wird und damit Maßnahmen zur Gewährleistung des verträglichen Nebeneinanders von GVO-Anbau und Imkerei nicht nötig erscheinen. ... (S. 32)
Nachdem der Gesetzgeber bisher keine Grundsätze der guten fachlichen Praxis gegenüber der lmkerei festgelegt hat, fehlen Bestimmungen. die als Hinweis dienen könnten. wann eine wesentliche Beeinträchtigung der lmkerei allein durch den Anbau
von Mais der Linie MON 810 ohne Schutzmaßnahmen anzunehmen ist. Es fehlen entsprechende Bestimmungen - siehe z.B. die im öffentlich-rechtlichen Immissionsschutz festgelegten Grenzwerte -. die, wenn davon abgewichen wird, als deutlicher Hinweis für eine wesentliche Belastung des Betroffenen angesehen werden können. Eine Lösung dieser den Kläger bzw. auch andere Imker belastenden Situation kann aber nur durch den Gesetzgeber im Weg der Konkretisierung der guten fachlichen Praxis gegenüber der lmkerei bewirkt werden. (S. 40 f.)

Absurde Konsequenz: Koexistenz funktioniert nicht - das Opfer muss gehen!
Die irn vorliegenden Fall erforderliche (Einzelfall-) Abwägung ergibt aber, dass die Maßnahmen wie das Ernten des Maises vor der Blüte. das Abschneiden oder Eintüten der Pollenfahnen nicht erforderlich sind. damit der Kläger seine konventionelle oder ökologische Wirtschaftsweise weiterhin ausüben kann. sondern dass es ihm tatsächlich möglich und auch zumutbar ist. seine Bienenvölker während der Zeit der Maisblüte zu verlegen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er im Jahr 2007 seirie Bienen während der Zeit der Maisblüte in das ca. 7,5 km von seinem Bienenhaus entfernte Leitheim gebracht habe. Für den Transport habe er die Hilfe einer weiteren Person. damals sei dies sein Sohn gewesen, benötigt und der Transport der (damals) zwölf Wirtschaftsvülker habe von ca. 9.00 bis 14.00 Uhr gedauert. Die Betreuung der Bienenvölker während ihres Aufenthaltes in Leitheim sei für ihn schon deswegen aufwendiger. weil sein Bienenhaus nur ca. 20 Minuten Fußrnarsch von seiner Wohnung entfernt liege, während der Standort in Leitheim von seiner Wohnung ca. 7,5 km entfernt sei.
Diese dem Kläger entstehenden immateriellen und materiellen Aufwendungen rechtfertigen es nicht, dem Beklagten die genannten Vorsorgemaßnahmen aufzuerlegen, die bei ihm dann zu den oben aufgeführlen weit höheren materiellen und immateriellen Schäden führen würden. Insoweit hat der Kläger, auch unter dem Gesichtspunkt der Schadenrninderungspflicht, den Anbau des Maises der Linie 810 durch den Beklagten zu dulden und muss darauf verwiesen werden, die ihm entstehenden Aufwendungen für die zeitweise Verlagerung seiner Bienenvölker dem Beklagten in Rechnung zu stellen. ... (S. 33)
Auch inter dem Gesichtspunkt der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) ist es nicht gerechtfertigt, allein den Anbau von MON 810 Mais durch den Beklagten im Flugkreis der Bienen des KIägers als wesentliche Beeinträchtigung dieses Rechtsguts zu werten. Im vorliegenden Fall wird dem Kläger deswegen kein Anspruch auf Schutzmaßnahmen gegen den Eintrag von MON 810-Pollen in seine lmkereiprodukte gewährt, weil er seine konventionelle/ökologische Wirtschaftsweise sowohl tatsächlich als auch zumutbar ohne die beanspruchten Schutzmaßnahmen ausüben kann (siehe Ausführungen unter l., 3.2.2 b), cc) und dd)). Das Rechtsgut der Koexistenz kann daher im Falle des Klägers nicht als .,wesentlich beeinträchtigt" gewertet werden, wenn der GVO-Anbau des Beklagten auch ohne Schutzmaßnahmen gegenüber dem Kläger in rechtmäßiger Weise erfolgen kann. ... (S. 40)

Es kam, wie es kommen musste: MON810 im Honig festgestellt - Honig als Sondermüll verbrannt!!!
Aus einer Presseinformation des Bündnisses zum Schutz der Bienen vor Agro-Gentechnik vom 24.9.2008 (PDF)
Das Verwaltungsgericht Augsburg stellte am 30. Mai fest, daß Honig mit Blütenpollen des gentechnisch veränderten Mais MON810 nicht verkehrsfähig ist. Nun wurde dieser Pollen trotz der vom Gericht vorgesehenen Vorsichtsmaßnahme im Honig des Imkers Karl Heinz Bablok gefunden. Seine gesamte Jahreshonigernte war betroffen und wurde am 23. September in der Müllverbrennungsanlage Augsburg entsorgt.

Bewertung
1. Koexistenz ist nicht nur unmöglich, sondern gesetzlich auch gar nicht geregelt!
2. Obige Überlegungen, das Desaster zu Lasten des Opfers zu klären, haben nur Gültigkeit, solange es nur vereinzelte Felder mit gentechnisch veränderten Pflanzen gibt. Versuche mit genmanipulierten Pflanzen zielen aber genau auf das Ende diese Zustandes und damit auf die dauerhafte Verunmöglichung der Koexistenz ab!


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