Prozesstipps

BÜCHER ZUR DEMOKRATIEKRITIK

Rezensionen des SeitenHieb-Buches


1. Demokratie. Die Herrschaft des Volkes. Eine Abrechnung (SeitenHieb-Verlag)
2. Rezensionen des SeitenHieb-Buches
3. Die Geschichte des Buches ist die Geschichte von SeitenHieb
4. Links zu Alternativen, kreativem Widerstand usw.
5. Buchvorstellungen zum Themenbereich

Rezension von Oliver Nowak in "Der Rabe Ralf", Febr. 2008
Anarchistische Abrechnung
Kritische Studie „Demokratie“ will die Volksherrschaft als Macht-Ideologie entlarven
Der hessische Umweltaktivist und Buchautor Jörg Bergstedt ist in der Vergangenheit schon oft angeeckt. Die NABU-Jugendorganisation verließ er im Streit. Mit dem Gesetz kam er in Konflikt, etwa durch Aktionen gegen Gen-Felder oder weil seiner anarchistischen „Projektwerkstatt“ kriminelle Umtriebe unterstellt wurden. Nicht zuletzt machte er sich auch mit Publikationen unbeliebt, in denen er Nichtregierungsorganisationen wie Attac Legitimation und Erfolg absprach.
Auch mit seiner Studie „Demokratie. Die Herrschaft des Volkes. Eine Abrechnung“ geht Bergstedt nicht auf Schmusekurs. Erschienen ist das Buch im hauseigenen SeitenHieb-Verlag. Auf 206 Seiten geht der Autor hart mit dem Demokratie-Verständnis, wie es in Deutschland von Politik und Medien geprägt wird, ins Gericht. Anspruch des Buches ist es, die Demokratie kritisch zu analysieren und sie als perfide Macht-Ideologie zu entlarven, die auf dogmatischem Gut-Böse-Denken basiert. Der Fetisch „Volksherrschaft“ würde lediglich unpopulär gewordene Leitbilder wie Religion, Nation oder Rasse ersetzen und so weiter zur Unterdrückung des Individuums beitragen.
Was sich möglicherweise zunächst nach paranoider Verschwörungstheorie anhört, ist jedoch eine durchdachte Interpretation. Dabei gelingt Bergstedt der Spagat, eine fundierte Studie zu schreiben, welche gleichzeitig gut lesbar ist. Er beschreibt die sich wandelnden Bilder der Demokratie vom antiken Athen über die Römische Republik und romantische Vorstellungen des 19. Jahrhunderts bis heute. Dabei will der Autor dem Leser begreiflich machen, dass sich die vielen verschiedenen Demokratie-Formen fundamental unterscheiden und es keineswegs eine ungebrochene Traditionslinie von Wirken Perikles zum deutschen Bundestag und damit „hin zur Freiheit“ gibt. Wichtig ist ihm dabei, zu zeigen, dass Ideen wie „Demokratie“ oder „Volk“ keine geschichtlichen Wahrheiten sind, sondern immer gedankliche Konstrukte – das postmoderne Zauberwort „Diskurs“ ist demnach einer seiner zentralen Begriffe. Konkrete Beispiele etwa zur politischen Arbeit in Parlamenten oder der schwer durchschaubaren Logik des Verhältniswahlrechts machen seine beißende Kritik anschaulich. Die Volksherrschaft selbst ist für Bergstedt das Problem, welches es zu überwinden gilt. Denn die Demokratie hierzulande ist für ihn eine Art Oligarchie, in der die Machteliten dem Einzelnen nur vorgaukeln, seine Meinung zu vertreten.
Nach dieser vernichtenden Abrechnung mit den bestehenden Verhältnissen fällt das Kapitel zu Alternativen nur kurz aus. Die Lösung ist für Bergstedt die Emanzipation von traditionellen Kollektiv-Werten. Als konkrete Positiv-Beispiele führt Bergstedt lediglich sehr kurz die Internet-Enzyklopädie Wikipedia und Sozialforen als offene ungebundene Versammlungen auf. Diese seien prinzipiell gute Ideen, würden aber zu oft von lobbystarken Machteliten missbraucht.
Zwar erhebt der Autor ausdrücklich nicht den Anspruch, Alternativen zum bestehenden System auszuleuchten. Dennoch bleibt beim Rezensenten der Eindruck zurück, dass Bergstedt frei nach dem Motto des Slime-Songs „Brüllen, zertrümmern und weg“ schreibt – Kommunen und Projektwerkstätten lassen sich nicht ohne weiteres in allen Lebenssituationen aufbauen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist der leichtfertige Umgang mit Begriffen wie „Diskurs“. Solche beliebten Worthülsen sind ein verlockend einfaches Erklärungsmuster. Doch erläutert Bergstedt nie, was genau er darunter versteht. Wenn der Autor aber meint, er könne quasi als „Außenstehender“ einen gesellschaftlichen Diskurs kritisieren, dann erliegt er der Illusion, er hätte eine Art „privilegierten Zugang zur Wahrheit“. Doch letztendlich steht Bergstedt selbst in einer Denktradition, die er ausführlicher reflektieren sollte. Auch würdigt der Autor mit keinem Wort die relative Freiheit hierzulande, die es ihm überhaupt ermöglicht, ein solches Buch zu publizieren.
Bei dem Buch handelt es sich dennoch um eine lesenswerte Studie – nicht nur für Bergstedts besondere „Freunde“ vom Bundesverfassungsschutz. Darum wird es vom Rezensenten auch ausdrücklich empfohlen. Gerade für Leser, denen solche Sichtweisen bisher eher fremd waren, kann es eine spannende Aufforderung sein, eigene Standpunkte zu hinterfragen. Denn eins stellt Bergstedt klar: Es sind keineswegs nur „bösartige Machteliten“, welche das Individuum in gesichtslose Gruppenschemen pressen wollen. Die „Selbstdisziplinierung“ des Einzelnen als unauffälliges Schaf in der Herde spielt dabei mindestens eine gleichbedeutende Rolle.

Weitere Rezensionen

Von folgenden Zeitungen und anderen Medien wurde eine Rezension angekündigt, aber dann nicht veröffentlicht: SoZ ++ Freitag (alle benannten erhielten das Buch ... zur Zensur).

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