Prozesstipps

PRAXIS: EXPERIMENT, AKTION UND ALLTAG

Beteiligungsmöglichkeiten ausdehnen, Hemmnisse abbauen


1. Einleitung
2. Demaskierung des Herrschaftsförmigen in Verhältnissen und Beziehungen
3. Herrschaft abwickeln
4. Aneignung und Austeilen
5. Beteiligungsmöglichkeiten ausdehnen, Hemmnisse abbauen
6. Alternativen und Gegenkultur
7. Utopien entwickeln, benennen und vorantreiben
8. Experimente und Anwendungsfelder
9. Aktion: Öffentlichkeit und Widerstand
10. Links

Trotz aller utopischen Ziele: Jede Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten im Hier und Jetzt kann wichtige Vorteile bringen. Denn der kleine Schritt ist nicht nur Verbesserung an sich, sondern auch selbst wieder Voraussetzung für mehr. Insofern folgt Emanzipation der gleichen Logik wie die Evolution des Stofflichen, des Lebendigen und der menschlichen Kultur: Jeder Fortschritt kann die Basis für neue Möglichkeiten weiterer Schritt sein. Der Prozess ist nicht linear, sondern aufeinander aufbauend. Jeder Akt der Befreiung oder Aneignung ist nicht nur Gewinn als solches, sondern auch die bessere Voraussetzung für die nächsten Entwicklungen.
Das gilt natürlich auch andersherum. Eine rückwärtsgewandte Politik der Einschränkungen von Handlungsmöglichkeiten verschlechtert nicht nur das konkrete Detail, sondern immer auch die allgemeinen Handlungsmöglichkeiten. Die autoritären Staatssysteme der heutigen Zeit, gleichgültig ob als Monarchie, demokratischer Rechtsstaat oder zentralistische Volksrepublik, verfolgen wie ihre Vorläufer immer eine die aktuellen Privilegien und Verhältnisse erhaltende, d.h. konservierende Politik. Dazu gehört der Entzug von Möglichkeiten der Veränderung. Um es an einem Beispiel zu schildern: Wer in Deutschland als Partei in die Parlamente will, muss den Erhalt der augenblicklichen Staats- und Gesellschaftsform anerkennen und sichern wollen. Alle anderen Parteien sind verboten. Die ganze politische Propaganda, politischen Protest nur legal zu äußern, entlarvt sich dabei selbst. Denn die Veränderung der bestehenden Verhältnisse als legaler Vorgang über die dafür vorgesehenen Formen politischer Einflussnahme ist verboten.

Nichtsdestotrotz bietet auch die vorhandene Gesellschaft bereits Möglichkeiten des Mitmischens. Es gibt keinen Grund sie auszulassen, solange sie tatsächliche Beteiligungschancen bieten. Das ist z.B. in Planungs- und Genehmigungsverfahren der Fall, einige Gesetze regeln die Einsicht in Behördenakten, wieder andere regeln die Möglichkeit, Volksabstimmungen (vor allem im kommunalen Bereich) durchzuführen. All diese Beteiligungsformen sind in sozialen Kämpfen erstritten. Die Waffen sind meist stumpf, die Beteiligung sehr beschränkt. Nutzen lässt sich das trotzdem, denn niemand verhindert ja, auf die Beschränktheit der Mitgestaltung hinzuwesen.
Reine Pseudoangebote ohne konkrete Klärung der Einflußmöglichkeiten wahrzunehmen, kann ein Eigentor bedeuten, denn neben der Verschwendung von Energie bedeutet Reden ohne tatsächliche Mitgestaltung immer eine Legitimation zentraler Entscheidung. Solche zu delegitimieren wäre schlauer, als öffentlich gute Miene zum herrschaftsförmigen Spiel zu machen.

Es fehlt weitgehend an Initiativen, Mitbestimmung und Beteiligung im öffentlichen Raum zu fordern und zu fördern. Stadtteilinitiativen, die Eroberung öffentlicher Flächen zwecks gemeinsamer Gestaltung und insgesamt das Verlagern politischer Macht aus Bürokratie, Parlamenten und Konzernen in eine direkte Organisierung von Betroffenen und Interessierten können kleine Schritte in eine richtige Richtung bedeuten.

Im Original: Umfassende Beteiligung
Aus Kappler, Marc (2006): "Emanzipation durch Partizipation?", Marburg (S. 125)
Partizipationsmodelle, in denen der Machtunterschied zwischen Partizipierenden und InitiatorInnen, EntscheidungsträgerInnen oder Verwaltungsangestellten nicht mitgedacht wird, laufen Gefahr diese Machtverhältnisse zu reproduzieren und somit die Partizipation nur als Legitimierung bestehender Verhältnisse zu benutzen, anstatt eine Veränderung in eine emanzipatorische Richtung zu erwirken. ... Jegliche vorhandenen Machtmittel müssen unter allen Beteiligten eines Partizipationsprojektes gleich verteilt sein. Somit korrespondiert wirkliche politische Partizipation mit der Aushebelung politischer Privilegien. Kristallisationspunkt hierfür wäre eine politische Beteiligung, die den traditionell verankerten Interessen zuwiderläuft.

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