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GEWALTMONOPOL DES STAATES

Herrschaft und Gewalt


1. Die moderne Gesellschaft: Demokratie plus Rechtsstaat
2. Herrschaft und Gewalt
3. Propaganda "Gewaltenteilung"
4. Widerstandsrecht?
5. Links

Law and Order
Prof. Dr. Herbert Weichmann, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg 1965-71, in der Rede zum Gedenken an den 17. Juni 1953 am 17. 6. 1982 vor dem Deutschen Bundestag, in: Das Parlament vom 26. 6. 1982, zitiert nach: Informationen zur politischen Bildung 200 (S. 20)
Es wäre freilich eine Illusion, von einer heilen Welt, von einer harmonischen Gesellschaft als anzustrebendem Gestaltungsprinzip zu sprechen. Das menschliche Zusammenleben ist auch in einer friedlichen Gesellschaft auf Konflikte vorprogrammiert. Der mündige Bürger ergibt in seiner Vielfalt eben eine vielmündige Gesellschaft, eine pluralistische Gesellschaft - wie man sagt -, und das heißt eine Gesellschaft mit Spruch und Widerspruch. Die Unvermeidbarkeit gegensätzlicher Auffassungen darf aber nicht als eine Art permanenten und latenten Bürgerkriegszustands aufgefaßt werden.
(Beifall bei allen Fraktionen)
Sie ist im Gegenteil - so möchte ich meinen - eine Quelle fruchtbarer Spannungen. Sie sollte es sein. Damit sie aber auch als solche sprudelt, bedarf es - sozusagen als Gegenpol des Konfliktes - eines consensus omnium, nämlich der Übereinstimmung darin, daß wir bei aller Wahrung der freiheitlichen Lebensform doch auch um die Grenzen der Freiheit wissen. Freiheit des Individuums bedingt auch das Bewußtsein seiner Pflicht, an das Wohl der Gemeinschaft zu denken,
(Lebhafter Beifall bei allen Fraktionen)
seiner Pflicht, um die Weisheit des Kompromisses zu wissen und die Entscheidung der Mehrheit zu akzeptieren und zu respektieren,
(Beifall bei allen Fraktionen)
Freiheit und Bindung, das bedeutet aber auch, die Autorität des demokratischen Staates anzuerkennen, und vielleicht sollten gewisse Vorkommnisse der jüngsten Zeit erlauben, darauf noch einmal hinzuweisen. Freiheit und Bindung bedeutet, die Gesetze dieses Staates zu respektieren und seine Ordnungsgewalt anzuerkennen.
(Lebhafter Beifall bei allen Fraktionen)
Law and order, manchmal mit Anführungsstrichen von gewissen Elementen versehen - insbesondere mich haben sie damit bedacht -, ist in den totalitären Staaten eine angemaßte und willkürliche Inanspruchnahme von Gewalt, aber im demokratischen Staat eben die Garantie für die Wirksamkeit demokratisch gesetzten Rechtes, wenn der Staat eben die notwendige Autorität besitzt und sie auch auszuüben vermag.
(Beifall bei allen Fraktionen)
Recht und Ordnung sind anzuerkennen vom Bürger, sie sind aber auch wahrzunehmen von den staatlichen Behörden. Falsche Duldsamkeit schafft falsche Vorstellungen über die Grenze des Erlaubten. Ein "principiis obsta", das "Wehret den Anfängen", ist von alters her eine staatspolitische Weisheit, um eben größere Übel rechtzeitig zu vermeiden.
(Beifall bei allen Fraktionen)
In diesem Sinne muß mit Rücksicht auf gewisse jüngste Vorkommnisse auch deutlich ausgesprochen werden: Nur der Staat hat das Monopol der Gewalt, und bei ihm muß es bleiben.
(Beifall bei allen Fraktionen)
Unser konstitutionelles System der Gewaltenteilung sorgt für die Kontrolle, aber es hat sich auch schützend, wenn notwendig, vor die Institutionen des Staates, wie Polizei und Verfassungsschutz, zu stellen.
(Beifall bei allen Fraktionen)


Aus: Peter Graf Kielmansegg, Die Bändigung der Gewalt, in: Gegenwartskunde 2179, Verlag Leske und Budrich, Leverkusen, S. 153 ff., zitiert nach: Informationen zur politischen Bildung 200 (S. 21)
Nach aller geschichtlichen Erfahrung ist die einzige vernünftige und wirksame Antwort auf die Gefahr der Gewaltanarchie die Monopolisierung der Befugnis und der Fähigkeit, Gewalt anzuwenden. Der moderne Staat ist die Institutionalisierung dieses Monopols, die Geschichte seiner Entstehung ist die Geschichte der allmählichen Durchsetzung des Gewaltmonopols. ...
Die Errichtung des staatlichen Gewaltmonopols ist eine Leistung des neuzeitlichen Staates. Wir sind inzwischen so daran gewöhnt, diese Leistung als selbstverständlich hinzunehmen, daß es zweckmäßig ist, sich gelegentlich daran zu erinnern, wie lange auch und gerade in der europäischen Geschichte Anarchie eine stets gegenwärtige, alltägliche Gefahr war. ...
Wie ist sicherer und dauerhafter innergesellschaftlicher Frieden möglich? Ihre Antwort lautete: Nur dadurch, daß ein Souverän mit einem Gewaltmonopol ausgestattet wird. Im neuzeitlichen Staat wird diese Antwort in die Tat umgesetzt, überwiegend (aber nicht ausschließlich) zunächst durch die absolutistische Monarchie. ...


Gute und schlechte Gewalt? Das Recht entscheidet ...
Aus Calliess, Rolf-Peter (2005), “Dialogisches Recht“, Mohr Siebeck in Tübingen (S. 138)
Neben der strukturellen Gewalt kennt das Recht Gewalt als Verletzung der körperlichen Integrität einschließlich der Tötung eines anderen. Hierbei kann es sich handeln um legitimierte, d.h. rechtlich gerechtfertigte oder um poenalisierte, d.h. gesellschaftliche unerwünschte Anwendung von Gewalt. Beide Formen kommen als organisierte oder individuelle Gewaltanwendung vor. Die legitimierte Gewalt dient in ihrer staatlich organisierten (Polizei, Gerichtsvollzieher) oder individuellen Form (Notwehr) der Verteidigung und der Durchsetzung von öffentlich-rechtlicher oder privat-rechtlicher Rechtspositionen.

Kontrolle des Staates?

Das Volk soll kontrollieren ... aber wie kontrolliert etwas, das es nicht gibt?
Aus Fichte, Johann Gottlieb, "Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre" (1796). PhB 256, Nachdruck 1991, zitiert in: Weber-Fas, Rudolf (2003): Staatsdenker der Moderne, UTB Mohr Siebeck in Tübingen (S. 200 f., mehr Auszüge ...)
Vor dem Richterstuhle der öffentlichen Gewalt, und da dieser Richterstuhl ununterbrochen fortdauert, sind alle Mitglieder des Staates nur Privatpersonen, und keine Gemeine: und jeder ist immerfort der Obergewalt unterworfen. Eines jeden Wille ist nur sein Privatwille, und der einzige Ausdruck des gemeinsamen Willens ist eben der Wille der Obergewalt. Die Gemeine hat keinen abgesonderten Willen, und es ist gar keine Gemeine realisiert, bevor dieselbe nicht ihren Willen von dem Willen der exekutiven Gewalt abgetrennt, und ihre Erklärung, daß der Wille derselben immer ihr eigener Wille sei, zurückgenommen hat.
Aber wie kann dies geschehen? Keine Privatperson darf sagen: die Gemeine soll sich versammeln, alle Einzelnen die bis jetzt nur Privatpersonen sind, sollen zusammentreten, und Gemeine sein; denn wenn der Wille dieses Einzelnen, mit dem der Gewalthaber, der ja immerfort den gemeinsamen Willen repräsentiert, nicht übereinstimmt, so ist er ein Privatwille, ein gegen den gemeinsamen Willen sich auflehnender, ihm widersprechender Wille, mithin Rebellion, und muß auf der Stelle, als solche, bestraft werden. Aber er wird mit dem Willen der Gewalthaber nie übereinstimmen, und diese werden nie die Gemeine versammeln wollen. Entweder, sie sind sich ihrer gerechten Verwaltung bewußt; so ist es ganz gegen den ursprünglichen gemeinsamen Willen, daß ohne Not die Einzelnen, in ihren Privatgeschäften gestört werden, und in dem Gange des Rechts ein Aufenthalt geschehe. Oder sie sind sich ihres Unrechts bewußt; so ist nicht zu glauben, daß sie die Gewalt, die sie jetzt noch in den Händen haben, aufgeben, und ihren Richter selbst zusammengerufen werden. Sie bleiben sonach immerfort ihre eigenen Richter; sie haben keinen Richter über sich zu fürchten, weil seine Realität von ihnen selbst abhängt; und die Verfassung bleibt, vor wie nach, despotisch. - Kurz: nur die Gemeine selbst kann sich als Gemeine deklarieren; sie müßte mithin Gemeine sein, ehe sie es ist, welches aufgestellterweise, sich widerspricht.
Der Widerspruch ist nur so zu heben: Das Volk wird durch die Konstitution, im voraus, auf einen bestimmten Fall, als Gemeine erklärt.
Durch dieses konstitutionelle Gesetz könnte, welches der zunächst jedem sich darbietende Fall ist, verordnet werden, daß das Volk zu gewissen, bestimmten Zeiten, regelmäßig, sich versammle, und sich von den Magistratspersonen Rechenschaft Über die Staatsverwaltung ablegen lasse. Eine solche Einrichtung ist ausführbar in kleinen Staaten, besonders republikanischen, wo die Volksmenge nicht sehr zerstreut wohnt, daher leicht, und ohne großen Zeitverlust sich versammelt, auch die Staatsverwaltung einfach, und leicht zu übersehen ist. Und doch verliert auch hier diese große Rechtshandlung, durch die Gewöhnung an sie von ihrer Würde; man hat Zeit, seine Maßregeln auf sie zu nehmen, und das Resultat derselben ist gemeinhin, weniger der gemeinsame Wille, als der Privatwille ränkevoller, und ehrsüchtiger Parteien. In einem Staate von beträchtlicher Größe aber - und es ist in mehreren Rücksichten zu wünschen, daß die Staaten nicht klein seien - würde, abgerechnet, daß auch die genannten Mißbräuche in ihm nur ausgedehnter, und gefährlicher zum Vorschein kommen würden, jenes Gesetz nicht einmal ausführbar sein, indem wegen des damit notwendig verbundenen Zeitverlustes, und Störung in den Privatgeschäften, die Sorge, sich gegen Beeinträchtigung zu schützen, selbst die größte Beeinträchtigung für das Volk werden würde.
Es läßt sich sonach als Prinzip festsetzen: Die Gemeine muß nie, ohne Not, zusammengerufen werden: sobald es aber nottut, muß sie sogleich beisammen sein, und sprechen können, und wollen.



Propaganda von Chaos und Anarchie, wo Staat fehlt ...
Ohne Gewaltmonopol gibt es nur Faustrecht, das Recht des Stärken, Chaos ...
Ein immer wiederkehrendes Muster ist die Behauptung, ohne eine starke Monopolmacht würden die Menschen sich untereinander totschlagen, unterdrücken ... Zwar gab es auch in der Geschichte eine Vielzahl von Gewalttätigkeiten zwischen Menschen, die zu einem großen Teil auf in den Kleinstrukturen basierenden Herrschaftssystemen (Patriarchat, Familienclans, Stammesstrukturen, Eigentum usw.) zurückzuführen sind, auffälliger aber ist ständige und quantitativ ins Unendliche ausufernde Gewaltneigung der Inhaber von Gewaltmonopolen: Kaiser- und Königreiche, Kirchen, Fürstentümer, Nationalstaaten und Armeen in früherer, ebenso die Staaten und ihre Armeen, aber auch Polizei, Justiz in neuerer Zeit. Wie dieser prägenden Gewalt durch die Monopolisierung der Gewaltausübung auf eben diese Hauptgewaltverursacher entgegengewirkt werden soll, bleibt völlig offen und im Bereich des Absurden. Vorsichtshalber sprechen die StaatstheoretikerInnen diese Frage gar nicht an ...


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