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DIKTATUR IM GERICHTSSAAL
WIE STAATSANWALTSCHAFTEN UND GERICHTE GEGENSEITIGE UNTERSTÜTZUNG BEI ANGEKLAGTEN VERHINDERN WOLLEN!

Verteidiger rausgeworfen


1. Verteidiger rausgeworfen
2. Nächste Instanz - ähnliches Spiel
3. Das ist üblich in Lüneburg
4. Absurdes Spiel
5. Zweierlei Maß: Was keine Beleidigung ist ...

Ab Sommer 2010 lief in Dannenberg ein Prozess gegen die Kletteraktivistin Cécile Lecomte. Es ging um Hausfriedensbruch und Widerstand am Atommüllzwischenlager in Gorleben. Ein Vorwurf war eine Lappalie, der andere erkennbar nicht strafbar, weil die Polizei sowohl das Versammlungsrecht wie auch das Polizeirecht nicht beachtet hatte. In den ersten Prozesstagen wurden der Angeklagten fast alle prozessualen Rechte verwehrt (keine Akteneinsicht, womit auch entlastendes Material unzugänglich wurde, z.B. ein Polizeibericht, die Angeklagte hätte keinen Widerstand geleistet; keine Pflichtverteidigung usw.), zudem wurde sie vor allem vom Staatsanwalt Vogel (Lüneburg) immer wieder auch persönlich angegriffen. Daher beantragte sie am 13. September 2010 einen Rechtsbeistand, der auch genehmigt wurde (siehe Protokoll).



Seitdem ist der Aktivist Jörg Bergstedt als Laienverteidiger Prozessbeteiliger und "Organ der Rechtspflege" - eine sehr notwendige Tätigkeit, denn mit dem Recht haben es die RechtssprecherInnen dieses Landes ja oft nicht so. Das war in Dannenberg nicht anders ...
Nun wurde der Verteidiger wegen einer Feldbefreiung an einem Gengerstenfeld in Gießen selbst verurteilt und trat am 23.9.2010 in Gießen seine Haft an. Da er im offenen Vollzug untergebracht war, schien die Verteidigung weiter nötig. Die Angeklagte teilte dem Gericht am 24.9. (also einen Tag später) mit, dass Ihr Verteidiger in Haft sitze und für einen Urlaub zwecks Teilnahme am Prozess eine Ladung in den Knast brauchte. Die Staatsanwaltschaft stimmte dem am 30.9.2010 sogar ausdrücklich, wusste also nachweislich von der Inhaftierung und hatte "keine Bedenken", die Teilnahme des Verteidigers am Prozess trotzdem zu ermöglichen.


Aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft (Bd. 1, Bl. 200f., abfotografiert)


Am 6.10.2010 schickte das Gericht die Ladung mit Adresse des Knastes an den Verteidiger - im Briefkopf sogar fälschlich als "Rechtsanwalt" benannt.

Wegen ganz anderer Probleme musste der Prozess dann wiederholt werden und ab dem zweiten Verhandlungstag war der Verteidiger auch anwesend. Das schien nun aber Gericht und Staatsanwaltschaft immer wieder zu gefallen, denn vor allem Staatsanwalt Vogel merkte immer deutlicher, dass er gegen dieses Duo auf der Angeklagtenbank nicht mehr ankam. Statt nun das Verfahren einzustellen, vollzog er eine ganze andere Kehrtwendung: Er beantragte den nachträglichen Rauswurf des Verteidigers, um wieder freiere Bahn für seinen Verfolgungseifer zu haben. Plötzlich fand er, dass die Inhaftierung des Verteidigers mit dessen Tätigkeit nicht zusammenpasse und er außerdem darüber nicht informiert wurde (Bericht). Das ist zwar durch das Schreiben des Staatsanwaltes vom 30.9.2010 gegenteilig bewiesen, aber war kümmert einen hauptamtlichen Rechtsverdreher sein Geschwätz von gestern. Was der Macht im Gerichtssaal dient, wird auch gemacht. Trotz passender Gegenerklärungen folgte das Gericht - wie üblich - den Wünschen der Staatsanwaltschaft und schmiss den Verteidiger raus. Der betroffene Ex-Verteidiger fasste all das in seiner 9-seitigen Beschwerde zusammen und schickte sie an das Gericht. Zudem zeigte er den Richter wegen Rechtsbeugung, übler Nachrede und falscher Verdächtigung an, denn der hatte dem Verteidiger unterstellt, sich das Verteidigermandat "erschlichen" zu haben. Doch das höhere Gericht guckte sich die Beschwerde gar nicht an, sondern kopierte die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft einfach blind in den Beschluss.
Derweil beantragte die Angeklagte einen neuen Verteidiger - doch jetzt wurde der gleich abgelehnt. Der war zwar gar nicht inhaftiert, aber der Richter (erkennbar stark betrunken!) und der Staatsanwalt haben die StPO jetzt verlassen und ziehen einfach ihr Ding durch. Die nun sich erzwungenerweise allein verteidigende Angeklagte verfasste eine Beschwerde zur zweiten Verteidigerverweigerung.

Die Anzeigen wegen übler Nachrede wurden behandelt, wie Staatsanwaltschaften mit Anzeigen gegen Obrigkeit und vor allem robenbehangene Eliten halt so umgehen: Sofortige Einstellung durch die StA Lüneburg am 20.12.2010 zu StA Vogel und zu Richter Stärk am 6.1.2011 ++ Beschwerde des Anzeigeerstatters am 30.12.2010 zur Einstellung StA Vogel und am 14.1.2011 zur Einstellung Richter Stärk ++ Ablehnung durch den Generalstaatsanwaltschaft am 2.2.2011 (jetzt mit einer glatten Lüge) ++ Strafanzeige gegen den Generalstaatsanwaltschaftsunterzeichner Arnold wegen Strafverteitelung am 10.2.2011.
Absurd ist, wie eine offensichtliche üble Nachrede nicht verfolgt wird, weil angebliche höhere Interesse verfolgt wurden: Einen unangenehmen Verteidiger aus dem Weg räumen, noch dazu mit Lügen, sind also höhere Interessen in der deutschen Justizlandschaft. Ansonsten ist das Abbügeln von Anzeigen gegen Beleidigungen aber schon geübte Praxis. Höhepunkt waren die Ausfälligkeiten des Polizeichefs von Lüneburg, der die gleiche Anti-Atom-Aktivistin, die in Dannenberg angeklagt war, als "nervig", "verrückt" und "krank" bezeichnete. Im Fernsehen. Keine Beleidigung, befanden die Staatsanwaltschaften.

Verfassungsbeschwerde gegen den Verteidigerrauswurf
Der rausgeworfene Verteidiger reichte am 26.1.2011 Verfassungsklage ein. Sie erhielt das Zeichen "2 BvR 233/11" und enthielt folgende Anlagen:

  1. Übersichtstext zum zeitlichen Ablauf mit Auszügen aus Dokumenten
  2. Protokollauszug zur Verteidigerbestellung am 13.9.2010 (Foto der Angeklagten aus Bd. I, Bl. 169)
  3. Ladung zu Verhandlungsterminen an die Adresse der JVA Gießen (die dortige Bezeichnung „Rechtsanwalt“ war nicht durch mich veranlasst)
  4. Zustimmung der Staatsanwaltschaft am 30.9.2010 zur Ladung an diese Adresse (Foto der Angeklagten aus Bd. I, Bl. 200f)
  5. Antrag der Staatsanwaltschaft auf Zurücknahme der Verteidigerbestellung vom 3.12.2010
  6. Stellungnahme des Verteidigers vom 6.12.2010 mit mündlichen Ergänzungen im Protokoll
  7. Beschluss des Amtsgerichts Dannenberg vom 13.12.2010
  8. Beschwerde des Verteidigers vom 18.12.2010
  9. Beschluss des Landgerichts Lüneburg über die Beschwerde am 7.1.2011

Am 7.2.2011 reichte zudem die Angeklagte in derselben Sache Verfassungsbeschwerde ein. Aber die wurde abgelehnt ...

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