Campact

GRATIS-ESSEN: LEBENSMITTEL UMSONST ORGANISIEREN UND DARAUS AKTIONEN SCHMIEDEN

Wege zu Essen und Wohlstand


1. Einleitung
2. Wege zu Essen und Wohlstand
3. Kooperationen
4. getting complex
5. Wider der Einnischung: Öffentlichkeitsarbeit und direkte Aktionen
6. Müll essen kann zu Strafanzeigen führen - oder doch nicht?
7. Links und Materialien

Auf den Spuren der Wegwerfgesellschaft

Das gezielte und organisierte Sammeln all dessen, was aufgrund der Verwertungslogik oder dem puren Überfluss zu Abfall gemacht wird, schafft eine breite Grundlage für selbstorganisierte Nahrung. Und das ist gar nicht schwer. Hilfreich ist auf jeden Fall, einen Blick dafür zu entwickeln, wann und wo Nahrungsmittel aus der Verwertung raus fallen oder weg geworfen werden. Der Container hinterm Laden ist naheliegend - aber auch bei Mega-Buffets anlässlich von Partys bleibt häufig einiges übrig.



Bild mit Conatiner-BeuteContainern und Container-Kooperativen

Containern meint das Leben von den Resten des Zwischenhandels. Die Abfallcontainer der Supermärkte dokumentieren immer wieder, wie verschwenderisch ein marktförmiges Wirtschaften ist. Was aus Gründen der Preisstabilität weg muss oder nicht mehr der gewollten Optik entspricht, fliegt raus. Darunter befinden sich ständig massenhaft Lebensmittel, die gut genießbar sind - oft ist allein ihre Verpackung beschädigt oder das Verfallsdatum steht dicht bevor usw. (Foto: Ergebnis eines - guten - Container-Ausflugs rund um die Projektwerkstatt).

In vielen Städten suchen deshalb Menschen auf eigene Faust oder in kleinen Gruppen die Container in Hinterhöfen und Einfahrten von Supermärkten regelmäßig durch - vor allem am Samstagabend, wenn viele Geschäfte vor dem Wochenende die Regale ausgeräumt haben. Viele finden dann mal viel von dem einen, mal viel von dem anderen Produkt (von Gemüse, Obst bis hin zu Joghurts). Für einen selbstorganisierten Alltag ist das nur begrenzt interessant, denn meist ist eher wenig, aber dafür von vielen Produkten gefragt. In Wien hat sich z.B. deshalb das "Geob", das "Gemüse- und Obstkollektiv", gegründet. Viele Menschen haben sich die Straßenzüge und Stadtteile aufgeteilt. Sie bringen ihre "Beute" dann an einem Platz zusammen - und aus dem nun sehr vielfältig zusammengesetzten Berg nehmen sich alle heraus, was sie brauchen.



Ein paar Tipps für die Praxis: Container sind - wenn überhaupt abgeschlossen - in der Regel mit billigen Schlössern gesichert, bei denen es ausreicht, einen dreikantigen Stift mit einer Zange zu bewegen, die mensch immer dabei haben sollte, ebenso wie Taschenlampe und Haushaltshandschuhe (das Wühlen kann mitunter eklig sein). Schlau ist es, den Ort ohne offensichtliche Veränderungen zu hinterlassen - ansonsten könnten sich die LadenbetreiberInnen zu mehr Sicherheitsvorkehrungen genötigt fühlen. Gute Erfahrungen gibt es mit Brotfirmen, wo teilweise mehrere Container prall gefüllt sind mit verschiedensten Brotsorten, Brötchen und Gebäck.



In Ludwigsburg reagierte eine Container-Gruppe kreativ auf Sicherheitsschlösser, indem sie ein eigenes Schloss montierte mit dem Hinweis: "Wenn eures weg ist, nehmen wir unseres auch weg." Es hat funktioniert ...






Reste von Läden, Märkten und Großhandel schnorren

Die offene Alternative zum Containern, bei dem in Läden direkt nach Resten oder Produkten mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum ("MHD-Ware") gefragt wird. Trotz guter Erfahrungen gehört dazu natürlich Mut zum Schnorren, das in dieser Gesellschaft verpönt ist und vielen das unangenehme Gefühl vermittelt, als BittstellerIn zu agieren. Die Überwindung lohnt sich - in einigen Städten versorgen sich z.B. mehrere WGs fast nur über Reste von Markt und Bäckereien.

Für das Schnorren besonders geeignet sind kleinere Läden, Märkte und Großhandel. Bei Wochenmärkten bietet sich an, kurz vor deren Ende vorbei zu schauen. Auch bei Bäckereien oder der örtlichen Pizzeria stehen die Chancen nicht schlecht. Bio-Läden geben öfter MHD-Ware heraus (z.B. Hülsenfrüchte). Als Einstieg ist denkbar, für ein soziales Projekt (z.B. Gratis-Volxküche, Food Not Bombs) oder ein Seminar anzufragen. Beim Naturkost- oder konventionellem Großhandel gibt es am Wochenende oft Massen eines bestimmten Gemüses oder Produkts. Da dessen Ware an den Zwischenhandel weiter verkauft wird, sind Produkte auch kurz vor Ablauf des Haltbarkeitsdatum unverkäuflich.

Immer wieder lassen sich Bio-Läden, Märkte oder Großhandel für dauerhaften Lösungen gewinnen, manchmal sind Spendenquittungen (können z.B. Vereine ausstellen) ein zusätzlicher Anreiz. Wo bereits ein gutes Verhältnis besteht, sind auch gezielte Spenden-Anfragen möglich. In manchen Städten gibt es die Tafel, welche Reste von Läden bekommt und diese an Bedürftige weiter gibt.

Auf diese Weise lässt sich ein Netz sicherer Quellen aufbauen - viele Gruppen und Leute sich zusammen tun, die dann abwechselnd die Orte besuchen oder abfahren. Wichtig ist auch hier, die Verteilung und Weiterverarbeitung zu Brotaufstrichen usw. zu organisieren, da Gemüse sonst z.B. schnell vergammelt.



Tipp: Um Insiderwissen vorzubeugen ist es schlau, Listen mit guten Orten zum Containern oder Schnorren und Erfahrungen (Was gibt es dort? Welche Mengen?) zu erstellen, die informell weiter gegeben werden. Veröffentlichung im Netz sind weniger sinnvoll, da die Quellen damit versiegen dürften, Container abgesichert werden usw.






Die elegante Form des Lebensmittelrettens: Foodsharing




Tafeln

Gibt's inzwischen ziemlich viele - und sind recht unterschiedlich. Die einen verlangen jedes Mal Geld oder die Vorlage einer Hartz-IV-Bescheinigung ... für Gratisleben gar nicht so einfach. Andere sind unbürokratischer und wieder andere kooperieren sogar mit Gratisnetzwerken (Tausch von Produkten, Weitergabe der Reste usw.).



  • Gespräch "Ein bevormundendes System" mit dem Soziologen und Publizisten Prof: Dr. Stefan Selke (Hochschule Furtwangen) über den Umgang der Lebensmitteltafeln mit ihren Kunden, in: "Die Stiftung" Nr. 3/2014 (S. 48f)




Buchtipp Stefan Selke: Fast ganz unten

(2008, Westfälisches Dampfboot in Münster, 231 S.)

Ein tiefer Einblick in die Entstehungsgeschichte und den Alltag der Tafeln - jeder Umschlagplätze für Lebensmittel, die im Supermarkt nicht mehr verkauft werden und nun, statt im Container zu landen, an Bedürftige verteilt werden. Das Buch schildert die Abläufe vom Laden bis zur Verteilung an Menschen, den Dienst und die Mitarbeit vieler sozial engagierter Menschen, Konflikte und geweckte Begehrlichkeiten. Thematisiert wird auch der Konflikt zwischen kapitalistischem Wirtschaften und der Hilfe für dessen Opfer. Was fehlt, sind Konkurrenzen, denn viele Tafeln fügen den Kontrollen an Arbeits- und Sozialamt eine weitere hinzu, in dem sie Bedürftigkeit objektivieren wollen. Ob bzw. wieweit Tafeln die Ausputzer der Profitlogik oder ob sie ein Baustein zu mehr Unabhängigkeit und angstfreiem leben sind, hängt von der Organisierungsform der Tafeln selbst ab. Gratisökonomien wie Umsonstläden oder Container-Coops hadern vielerorts mit den formalisierten Abläufen der Tafelausgabe.




Spendenanfragen

Naturkost-Firmen lassen sich immer wieder für kleine Spenden gewinnen - das reicht sicher nicht für den Alltag, aber ist ein willkommener "Luxus". Dafür am besten geeignet sind telefonische Anfragen, aber auch ein Massenfax an verschiedene Firmen bringt manchmal Ergebnisse ... praktisch ist, einen Bezug zu aktuellen Projekten (Sommercamp, Hoffeste, Kochkurse, Anti-Gentech-Seminar oder Genfeldbesetzung) herzustellen. Berichte entsprechender Veranstaltungen erhöhen die Chance auf nochmalige Spenden.



Zocken

Zutaten, Brotaufstriche oder teure Nahrungsmittel, die selten containert oder geschnorrt werden können, lassen sich auch auf Klaubasis organisieren. Als Ziel sollten große Ketten bevorzugt werden, denen dass eh nicht schadet (und wenn, ist das nicht tragisch). Ein, zwei Teile zu zocken ist eigentlich nicht schwer. Wichtig ist dabei, auf Kameras und Detektive zu achten. Es gibt viele Tricks, die diesen Text sprengen würden und die erfahrene ZockerInnen sicher weiter erzählen - wesentlich ist es, mit der Zeit die nötige Coolness zu entwickeln, nicht aufzufallen. Denkbar sind auch Klau-Sessions vieler Leute (senkt das persönliche Risiko), die einen längerfristigen Zusammenhang bilden - und sich gegenseitig helfen, wenn mal wer erwischt wird (z.B. über eine gemeinsame Soli-Kasse oder ähnliche Strukturen).



Sammeln

Wer aufmerksam durch die Gegend wandert, trifft in der passenden Jahreszeit auf Beeren, freistehende Pflaumenbäume, Pilze (genaue Kenntnis gefragt!) usw., die oft in großer Anzahl zu finden sind. Auch NachbarInnen oder FreundInnen mit größeren Garten freuen sich darüber, wenn Leute etwas mit den Unmengen von Äpfeln, Quitten oder anderem Obst anzufangen wissen. Praktisch ist auch hier, wenn sich KleingärtnerInnen oder SammlerInnen vernetzten und einen gemeinsamen Reichtum herstellen.



Eigenanbau

Damit gemeint ist nicht etwa die krampfige Total-Selbstversorgung gemeint, sondern der intelligente Anbau von Pflanzen im "eigenen" Garten, die hohen Ertrag mit pflegeleichtem Umgang verbinden. Dazu gehören Obstbäume aller Art, Beeren (als Grundlage für Marmeladen) oder Nüsse. Aber auch Kräuter und Gemüsebeete können eine nette Sache sein, sind aber zeitintensiver aufgrund der Notwendigkeit, sich um die Pflege und z.B. den Schutz vor Schnecken zu kümmern.






Selbermachen

Die Eigenherstellung von Marmelade, eingemachtes Obst oder Gemüse (Bohnen, Möhren, Gurken usw.) oder Brotaufstrichen lohnt sich. Wer z.B. mehrere Stiegen eines Gemüses vom Großhandel bekommen, wird schnell darauf zurück greifen, um diese haltbar zu machen. Dabei können mit relativ geringem Aufwand größeren Mengen verarbeitet werden - das ist nicht nur billiger, sondern schmeckt auch besser: Mit einer Runde von drei, vier Leuten reicht ein halber Tag, um Pflaumen, Äpfel o.ä. zu sammeln und daraus 30-40 Gläser Marmelade zu machen. Mit mehreren solcher Sessions entsteht schnell ein Reichtum an coolen Produkten für den Winter. Einkochverfahren sind sehr einfach - es gibt gute Kochbücher nur zu diesem Thema. Ähnliches gilt für die Eigenproduktion vegetarisch-veganer Brotaufstriche ... über Bücher und Internet sind viele Rezepte verfügbar. Und wer keine Lust auf containertes Brot hat, kann natürlich auch selber Brot backen, was gar nicht so schwer ist.



Essen in/aus Saasen

In und um die Projektwerkstatt gibt es zu bestimmten Zeiten jedes Jahr ein Überangebot an Essen - zum Selbstpflücken, -sammeln, -ernten. Wer Lust hat, kann zugreifen ... meldet Euch vorher per Mail an saasen@projektwerkstatt.de oder Tel. 06401-903283.

  • Ab Mai: Minze (frisch oder zum Trocknen z.B. als Tee)

  • Juni in der Umgebung des Dorfes je nach Jahrgang: Süßkirschen

  • Juli/August: Johannisbeeren (im Garten) und Weintrauben (im Glashaus) - für Marmelade oder Saft (bzw. Federweißer/Wein)

  • September/Oktober: Weintrauben (im Garten), dort oft auch Pflaumen ++ in der Umgebung des Dorfes je nach Jahrgang: Äpfel, Birnen, Walnüsse, Pflaumen

Außerdem gibt es zwischen Gießen und Vogelsberg einige gut ausgekundschaftete "Container"strecken - gut nutzbar für die Selbstversorgung und/oder Verteilen geretteter Lebensmittel.

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