Campact

WARUM WIDERSTAND?

Begründungen weiterer FeldbefreierInnen und -besetzerInnen


1. Begründungen der FeldbefreierInnen von Gießen (2006)
2. Begründungen weiterer FeldbefreierInnen und -besetzerInnen
3. Die sichere Insel der Gentechnikfreiheit gibt es nicht!
4. Argumente gegen Gentechnik
5. Stimmen gegen die Gentechnik
6. Zu den sog. Vorteilen der Gentechnik
7. Themen und Links

Warum Feldbefreiung? (Interview mit dem Imker Micha Grolm)
Wir sperren ein Schaf und einen Wolf ein, und gucken mal was übrig bleibt!
Von Tierschützern, die heimlich die Käfige von Nerzen und Füchsen aus Pelztierfarmen öffnen, hat man schon gehört. Weniger bekannt ist, dass auch ganze Genfelder in Deutschland "befreit' werden. Um sich gegen die Agro-Gentechnik auf den Äckern der Republik zu wehren, wollen die Mitglieder der Bürgerinitiative Aktion Freiwillige Feldbefreiung Gendreck-weg in zwei öffentlichen Feldbefreiungen im Juni und Juli genmanipulierte Pflanzen ausrupfen. Michael Grolm, Agraringenieur und Berufsimker aus Tübingen, hat die Initiative mitgegründet.

punkt.um: Welche Ziele hat sich die Bürgerinitative Gendreck-weg gesetzt?
Michael Grolm: Keine Agro-Gentechnik in Europa und weltweit.

Und wie will die Initiative das erreichen?
Indem wir Felder von genmanipulierten Pflanzen befreien, leisten wir zivilen Ungehorsam des gewaltfreien Widerstands. Damit wollen wir die Politik zum Handeln zwingen.

Umfragen zufolge wollen 80 Prozent der Deutschen kein Genfood auf ihrem Teller. Überzeugt werden müssten also eher die Landwirte, die GVO anbauen. Halten Sie es für die geeignete Methode deren Ernte zu vernichten?
Wir sind selbst Landwirte und diskutieren auch mit den Kollegen, die manipuliertes Saatgut ausbringen. Der Agrarunternehmer, dessen Maispflanzen wir im letzten Jahr ausgerissen haben, meinte, er habe nun mal eine Genehmigung für den Anbau seiner manipulierten Pflanzen und alles andere sei nicht sein Problem. Das bedeutet, wir müssen einen anderen Weg gehen. Entscheidend ist die Politik. Wenn bei den kommenden Feldbefreiungen 500 bis 1.000 Menschen auf den Acker gehen, können die Volksvertreter den Protest der Bürgerinnen und Bürger nicht länger totschweigen.

Welche Bevölkerungsgruppen werden bei den Feldbefreiungen dabei sein?
Zum Großteil engagieren sich Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten oder damit zu tun haben, also Imker, Bauern oder auch Naturkosthändier. Ansonsten rekrutieren sich die Feldbefreier aus Gruppen des Anti-AKW-Widerstands, aus der Globalisierungskritik und der Friedensbewegung.

Was motiviert die Menschen dazu dem Genmais auf die Pelle rücken?
Viele Leute sammeln seit Jahren Unterschriften gegen Gentechnik und haben festgestellt, dass sich die Politiker davon nicht beeindrucken lassen. Feld befreier sind Menschen, denen das Problem unter den Nägeln brennt und die was machen müssen. Die Agro-Gentechnik spielt mit dem Saatgut, das den Menschen auf dieser Weit Leben garantiert.
Politiker beschwören immer, dass genmanipulierte und herkömmliche Pflanzen problemlos nebeneinander existieren könnten. Aber ich habe noch niemanden gefunden, der dafür garantieren kann, dass mein Honig frei von gentechnischen Pollen ist und sein wird. Wer die Koexistenz befürwortet, handelt nach dem Motto "Wir sperren ein Schaf und einen Wolf ein, und gucken mal was davon übrig bleibt“.

Die französischen Anti-Gen-Aktivisten haben bei Feldbefreiungen ganze Äcker umgegraben.
Wenn man uns lässt, machen wir das auch.

Im Sommer vergangenen Jahres haben Mit glieder von Gendreck-weg auf einem Feld in Strausberg bei Berlin Maispflanzen ausgerupft und vor das Brandenburger Tor gekippt. Was haben die Aktionen gebracht?
Die Aktion hat das Thema Gentechnik wieder in die Medien gebracht, davor ist das Problem lange Zeit nicht mehr in der öffentlichen Meinungsbildung aufgetaucht.
Bei der Feldbefreiung standen 300 Aktivisten 300 Polizisten mit einem Hubschrauber, Hundestaffel, Pferdestaffel und Räumpanzern gegenüber. Trotzdem hat die Polizei nicht verhindern können, dass doch einige Teilnehmer aufs Feld gekommen sind und dort Pflanzen ausgerissen haben. Dabei haben sie auf ungefähr 500 Quadratmetern die Ernte zerstört. Nicht unbedingt viel bei zehn Hektar Gesamt flache, aber es zeigt, wie entschlossen die Feld befreier sind.

Wie werden die Politiker reagieren?
Wahrscheinlich genauso wie beim letzten Mal. Man wird uns mangelndes Dernokratieverständnis vor werfen und versuchen uns zu kriminalisieren.
Wegen Aufruf zur Straftat läuft gerade ein Gerichtsverfahren gegen mich als Pressesprecher und den Betreuer der Komepage von Gendreck-weg. Wir freuen uns aber schon darauf dem Gericht unsere Beweggründe näher zu bringen.

Wodurch werden sich die diesjährigen Feldbefreiungsaktionen von denen im letzten Jahr unterscheiden?
Diesmal erwarten wir nicht nur mehr, sondern auch Teilnehmer aus anderen Ländern. Für die erste Aktion am Pfingstwochenende in Süddeutschland mobilisiert das französische Agrarbündnis Faucheur volontaire d'OGM Demonstranten.
Zur zweiten Feldbefreiung in Ostdeutschland Ende Juli erwarten wir viele polnische Landwirte, die keine kontaminierten Pflanzen ernten wollen. Polen hat sich gegen Agro-Gentechnik ausgesprochen und die Bauern an der Grenze zu Deutschland sind nicht besonders gut darauf zu sprechen, dass ausgerechnet hier die meisten, teilweise bis zu 50 Hektar großen Genfelder bewirtschaftet werden.

Welchen Erfolg wünschen Sie den Feldbefreiungen im Juni und Juli?
Die Bewegung gegen Agro-Gentechnik soll stärker werden und noch viele Genfelder öffentlich befreien. Wir wollen die Politiker so stark unter Druck setzen, dass sie den Willen der Bevölkerung endlich umsetzen. Wir wollen keine Gentechnik und wir lassen nicht zu, dass man unser Saatgut verschmutzt.
[Interview: Helena Obermayr]

Warum direkte Aktion gegen Gentechnik?
  • Weil 80 Prozent dagegen sind, aber das nicht reicht.
  • Weil die willigen VollstreckerInnen dieser Gesellschaft (Polizei, Gerichte, oft auch Feuerwehr, THW, Apparate in Gemeinden und Städte, Universitätsleitungen usw.) die Profitinteressen der Wenigen schützen - weil das Recht so ist und immer für die Interessen der Mächtigen gemacht wurde
  • Weil das geltende Gentechnikgesetz zwar vorschreibt, dass gentechnikfreie Landwirtschaft (also z.B. auch Imkerei) existieren kann, aber keine formale Möglichkeit besteht, das auch durchzusetzen.

Passen Aktion und Inhaltlichkeit zusammen?
Es gibt eine merkwürdige Zweiteilung, historisch ähnlich wie der Diskurs von Kopf und Hand, der Zweiteilung in Handwerk und Kopfarbeit. In sozialen und politischen Bewegungen ist der extrem verbreitet. Als geistige Führer treten regelmäßig akademisch orientierte Leute auf: Sie halten die Vorträge, machen ihre Studien- und wissenschaftlichen Arbeit, kassieren ReferentInnengelder, schreiben Expertisen für Politik und Medien, veröffentlichen Bücher und zitieren sich gegenseitig. Scheinbar auf der anderen Seite gibt es AktivistInnen, die sich anketten, die demonstrieren, die mit dem Strafrecht in Clinch kommen usw. Beides geht nicht, jedenfalls scheinbar. Tatsächlich aber bestärkt diese Zweiteilung zum einen den Effekt, weil sie kommunikationslose Gruppen bildet. In der Tat: Sie reden kaum oder gar nicht miteinander - die AkademikerInnen und die AktivistInnen. Das stabilisiert sich gegenseitig. Ständig erscheinen Bücher, Diplomarbeiten oder andere Ergüsse. In Medien diskutieren sich die AkademikerInnen den Mund fusselig. Aber vom Objekt ihres wissenschaftlichen Interesses (und ihrer wissenschaftlichen Karriere - die verdienen ja daran, dass es AktivistInnen gibt!) haben sie wenig Ahnung. Sie nehmen auch selten direkte Anschauung. Für ihre wissenschaftliche Karriere ist das nicht wichtig, denn keinE PrüferIn weiß das besser und kann so beurteilen, dass die wissenschaftlichen Arbeiten über soziale Bewegung meist auch nur auf den Klischees oder auf den Meinungen der Eliten dieser Bewegungen beruhen.
Ein stabiler Diskurs in all dem ist, dass beides nicht geht. Wer sich festkettet oder vor Gericht steht, ist blöd. Wer Studienarbeiten schreibt, macht keine Aktionen.
  • Als der Wissenschaftler Andrej H. in Zusammenhang mit militanten Aktionen festgenommen wurde, regten sich seine WissenschaftskollegInnen darüber aus. So jemand könne doch keine Aktion machen (warum eigentlich nicht?). Bemerkenswert: Es waren mehrere andere auch festgenommen worden - für die interessierten sich die intellektuellen Eliten aber nicht. Die gehörten ja nicht zur Familie der akademischen Abgehobenheit.
  • Leider sind es nur wenige, die direkte Aktion machen und versuchen, inhaltlich zu arbeiten. Sie haben auch keine Chance, weil sie sich innerhalb vieler Aktionen wegen inhaltlicher Defizite nicht so recht wohl fühlen - und weil sie in den akademischen Kreisen ausgegrenzt bzw. nicht wahrgenommen werden. Denn wer Aktion macht, kann ja nicht klug sein. Ein schönes Beispiel in der Debatte um Gentechnik: Die öffentliche Behauptung, eine Quelle sei unseriös, weil die Person Aktivist sei - mehr Argumente werden nicht gebracht ... (Beitrag auf TransGen am 17.4.2009)

Brief von Erwin Chargaff an die ersten FeldbesetzerInnen (1993 in Wetze)
„Liebe Freunde!
Diese Worte, die ich selbst gerne gesprochen hätte, müssen ohne mich über den Ozean eilen, denn ich kann leider nicht persönlich anwesend sein. Dennoch will ich es nicht unterlassen, meine große Sympathhie auszudrücken für das, was ihr unternommen habt. In einer Zeit, in der unverantwortliche Mächte sich angemaßt haben, die Zukunft der Erde für Geld zu verpfänden, muss der einzelne aufstehen und seinen Protest so laut er es nur kann bekunden. Ich sage: für Geld verpfänden, denn jetzt trägt die Habgier die Maske der Wissbegierde.
Ich glaube, das ich der erste Naturforscher war, als ich vor fast 20 Jahren meine Warnung vor der damals einsetzende Molekulargenetik und Gentechnologie öffentlich aussprach. Unterdessen haben sehr viele Leute ihre Übereinstimmung mit diesem Mahnruf ausgesprochen. Ich hatte es damals gewagt, weil ich sehr gut wusste, das die Menschen immer mehr können als sie sollen, denn jeder kleine Biologe ist davon überzeugt, das er den Marschallstab des Prometheus im Tornister führt.
Was ist Natur? Jetzt muss leider die Antwort sein: Natur ist die Welt ohne den Menschen. Es war nicht immer so. Bis ins 18. Jahrhundert hinein hätte man sagen können, das der Mensch ein Teil der Natur ist bzw. sich als einen solchen betrachtete. Beginnender Industrialismus und Kapitalismus rissen ihn daraus heraus, und es begann ein Kampf der Menschheit gegen die Natur, der in unserer Zeit den bisherigen Höhepunkt erreichte. Diesen Höhepunkt erblicke ich darin, dass erst in unserer Zeit die wahrhaft irreversible Schädigung der Natur eingesetzt hat. Das ist es, was uns historisch gesehen von allen unseren Vorgängern abhebt. Die Strahlung aus den Atommülldeponien wird vielleicht die Menschheit überleben, die Freisetzung von genetisch veränderten Lebewesen kann nie mehr rückgängig gemacht werden. Vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte hat der Mensch mit plumpen Fingern und einem lügnerischen Herzen in die Schöpfung eingegriffen. Wenn die Genetiker uns versichern, dass dabei nichts passieren könne, so belügen sie sich vielleicht selbst. Sie sollten nicht erstaunt oder betrübt spielen, wenn wir ihnen keinen Glauben schenken. In denke, es war ein schwarzer Tag für uns alle, als das Patentamt in Washington genetisch veränderte Lebewesen als patentfahig erklärte. Wäre das nicht geschehen, so hätte die Industrie ihre Finger davon gelassen, denn Gentechnik ist kostspielig und hat vorläufig eigentlich zu keinen nennenswerten Erfolgen geführt. Das enorme Geschrei in den Medien darf uns nicht darüber täuschen. ...
Nur noch eins möchte ich sagen. Aus hauptsächlich kommerziellen Gründen befasst sich die Industrie jetzt besonders mit genetisch veränderten Nutz- und Genusspflanzen. Was da hemmgestümpert wird ist unbeschreiblich. Was an den Materialien neben der vorgesehenen genetischen "Verbesserung" noch alles verändert worden ist lässt sich nicht sagen. Ich Glaube, das wir darauf bestehen sollten, das in einem jeden Falle der irreversiblen Freisetzung von genetisch malträtierten Organismen die daran Beteiligten gezwungen werden müssen, einen Reservefond zu errichten, um eventuelle Beschwerden, Schädigungen und Prozesskosten gutzumachen. Die Gesetzgeber werden da noch viel zu tun haben. Wir müssen betonen, wie sehr wir in diesen Dingen noch im Dunkel tappen; besonders da Zeitmaß und Art der Schädigung überhaupt noch nicht definierbar sind.

Der Briefschreiber, Erwin Chargaff, war ein weltweit anerkannter Molekularbiologe. Er lehrte und forschte an der Columbia-Universität in New York und schrieb zahlreiche Bücher über die Anmaßung der Menschen in ihrer zivilisatorischen Verblendung.

Weitere Interviews und Gründe für Feldbefreiungen

Kathrin Henneberger, Sprecherin der GRÜNEN JUGEND, zum gentechnikfreien Wochenende 2008 (Quelle)
Solange kein Verbot von Gentechnik existiert, ist es legitim, sich gegen die Aussaat von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) durch zivilen Ungehorsam zu wehren. Den Erfolg dieses zivilgesellschaftlichen Widerstands haben die jüngsten Feldbesetzungen gezeigt. Die GRÜNE JUGEND lehnt gentechnisch veränderte Organismen (GVO) für die Forst- und Landwirtschaft ab. Einmal in die Natur gelassen, ist die Gentechnik nicht rückholbar. Die effektivsten Haftungs- und Abstandsrichtlinien werden dies nicht verhindern. Mit Hilfe des Patentschutzes können internationale Saatgutfirmen, wie Monsanto die LandwirtInnen von ihnen abhängig machen und damit kontrollieren, was auf unseren Tellern landet.


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