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MACHT NIX! ZEITUNG GEGEN WAHL, DEMOKRATIE UND HERRSCHAFT

Einteilung nach rassistischem Schema

Der 11. September kehrt wieder - jährlich, aber auch ständig, mißbraucht als Begründung für Gewalt, Forderungen und Ausgrenzung aus ganz verschiedenen politischen Richtungen. Eine Betrachtung des Geschehenen gehört daher zu einer Analyse von Herrschaft sowie zugespitzten Gewaltverhältnissen in der internationalen Politik.

Rassismus
Die Anschläge auf das World Trade Center vom 11. September wurden als Angriff auf die "Zivilisation" bezeichnet; George Bush forderte sofort den Kreuzzug gegen das "Böse". Parallel dazu liefen direkt nach dem Fall der WTC überall in der westlichen Welt Gedenkminuten, Mahnwachen und Trauer, nicht zuletzt organisiert durch die mediale Aufbereitung der Anschläge.

Durch die Konstruktion der westlichen Welt als "Zivilisation" wird eine Zweiteilung von Menschen aufgebaut: Menschen aus dem arabischen Raum werden so per se als "barbarisch", böse definiert. Hinter diesem "Gedenkterror" steckt eine im Kern rassistische Logik: Menschen aus westlichen Industrienationen sind wertvoll; Menschen in Afghanistan, Menschen in der "Dritten Welt" sind wertlos. Eine Zweiteilung, die doppelt funktioniert: Einmal in der Kategorisierung nichtwestlicher Kulturen als zurückgeblieben und zum anderen in der unterschiedlichen Bereitschaft zur Trauer - monatelang für die wichtigen Menschen, nie für die anderen. Tag für Tag sterben weit mehr als 30.000 Menschen in der "Dritten Welt" aus Folge der Politik der Industrienationen - sei es aus Armut oder staatlichem Terror. Ihr Leid und die dortige Gewalt werden höchstens in Nebensätzen abgehandelt, während alle Welt trauern soll, wenn wichtige US -AmerikanerInnen bzw. EuropäerInnen sterben. Über terroristische Anschläge empört mensch sich, solange "wir" getroffen sind. Gleichzeitig ist es ganz normal, wenn Staaten in den Krieg ziehen und dabei ganze Landstriche zerbomben.

Die moderne Teilung von "Gut-Böse" ist die nach in "Nützlich-Unnütz". Sie erreicht auch die Menschen hier. Die vielen Obdachlosen, die in der U -Bahn-Station des World Trade Centers ebenfalls verschüttet wurden, tauchen in den Totenstatistiken nicht auf, für sie wurden keine Fotos in den Totengalerien befestigt, obwohl ihre Namen auch bekannt waren. Das ist Sozialrassismus, die Ausgrenzung und Abwertung von Menschen aufgrund ihres (ökonomischen) Status. Der Zusammenbruch des World Trade Center und die Reaktionen darauf zeigten sehr deutlich, wie sich diskursive Herrschaft mit realer Gewaltanwendung durch Institutionen und im Alltag verbindet.

Gleichschaltung der Köpfe
Wie totalitär solch eine binäre Logik durchgesetzt werden kann, wurde schnell offensichtlich: Nicht-Deutsche Flüchtlinge sind inzwischen unter Pauschalverdacht gestellt und sollen einer Regelanfrage beim Verfassungsschutz unterzogen werden. In den USA sind Hunderte Menschen arabischer Herkunft in Haft ohne Anklage - als Vorsichtsmaßnahme. Die wenigen, die sich der "bedingungslosen Solidarität" verweigerten und Kritik am Krieg äußerten, traf der Bannstrahl einer kultur-patriotischen Gesellschaft: Ein türkischer Arbeiter aus Lüdenscheid, der nicht an einer Gedenkminute teilnahm, wurde entlassen. Ein Lehrer, der Kritik am Krieg übte, wurde von Siegen nach Kierspe versetzt. Andere abgemahnt.
Dieser "Zivilisationspatriotismus" wurde und wird von großen Teilen der Gesellschaft getragen, auch von kritischen Gruppen. Er bildet die Grundlage dafür, dass der Krieg so bereitwillig angenommen wurde. Die Einteilung in wertlose/wertvolle Menschen bzw. ganze "Völker" (deren Einheitlichkeit dafür konstruiert wird) hat - wieder! - funktioniert: Für die Opfer aus der Zivilbevölkerung Afghanistans und weiterer Länder, die im Zuge des Anti-Terror-Krieges angriffen werden, gibt es weder Mahnwachen, noch Gedenkminuten in nennenswertem Ausmaß. Normal ist der Tod, wenn er die anderen trifft.

Die schnelle Gleichschaltung der Köpfe durch Propaganda, Angst und Stärke nach dem 11. September, aber auch schon im Kosovo-Krieg sowie zu vielen anderen Themen läßt Schlimmes erahnen - in dieser Gesellschaft ist weiterhin alles denkbar. Eine organisierte Gegenwehr der Selbstbestimmung wird wieder fehlen ...

Die Ausblendungen
Ein interessanter Aspekt sind noch die Ausblendungen. Vieles, was mit dem 11. September zusammenhängt, wird kaum oder gar nicht benannt. Am auffälligsten ist die Konzentration auf das World Trade Center, während der Anschlag auf das Pentagon schon vergessen scheint. Ein viertes Flugzeug sollte wahrscheinlich das Weiße Haus treffen. Warum fehlen diese Bilder? Läßt sich mit den Militärbediensteten im Pentagon, die durch das Flugzeug von ihren Schreibtischen voller Kriegs - und Rüstungspläne gerissen wurden, das "Wir" Gefühl nicht so gut erzeugen? Das auch andere getroffen wurden, die dort Räume putzen oder handwerklich tätig sind, scheidet als Grund aus, denn um die ging es nie!

Solche Ausblendungen wurden auch von vielen politischen Gruppen vorgenommen, um die Morde für sich zu nutzen. Wenn Attac von Verzweifelungstaten der Globalisierungsopfer spricht, Antideutsche einen Angriff auf das Judentum entdecken oder Antisemiten die Besatzungspolitik Israels als Ursache anführen, so phantasieren sie alle Gründe in das Geschehen, die weder bewiesen noch naheliegend sind. Und sie machen gemeinsame Sache mit den Herrschenden: Das Flugzeug auf das Pentagon paßte auch ihnen nicht ins Konzept. Also hat es das nicht gegeben ...

Es geht um Macht!
Wer auch immer die Anschläge und die knapp 3000 Toten für sich benutzt - es geht um Macht, um Durchsetzung, eigene Dominanz, egal ob militärisch, wirtschaftlich oder in der öffentlichen Diskussion. Die Verhältnisse zu verändern, die Terror, Ausbeutung, Krieg, Manipulation und Herrschaft erst möglich machen, kommt niemandem in den Sinn. Viel zu verliebt sind sie alle in die Möglichkeiten, die Staat und Macht geben. Die Reaktionen spiegeln damit wieder, was auch die Anschläge waren: Eine Auseinandersetzung zwischen gewaltbereiten Eliten auf dem Rücken der Menschen. Ihnen die Mittel zur Ausübung von Herrschaft zu nehmen, wären die einzig konsequente politische Forderung, doch das will offenbar niemand.

An dem Punkt der herrschaftsbefürwortenden Analyse trifft sich die Politik der markigen Sprüche und brutalen Gewalt mit modernen Demokratiekonzepten. Es geht um Macht, um die Vorherrschaft des eigenen Gesellschaftsentwurfs. Der Krieg gegen Afghanistan hat eine Schnittmenge mit der Idee der Nachhaltigkeit oder den Vorschlägen nach hegemonialer Weltsteuerung, sei es der internationale Staatsgerichtshof oder auch nur das Detail der Tobin Tax. Sie alle wollen keine Selbstbestimmung, sondern das "Gute" von oben durchsetzen. Was das "Gute" ist, darüber herrscht Uneinigkeit. Aber dass die Menschen ihr Leben nicht selbst organisieren dürfen, das ist geklärt. Der Anschlag auf WTC und Pentagon hat die Zahl derer, die nicht mehr an die Menschen, sondern nur an Apparate glauben, sprunghaft erhöht. Das ist das größte Desaster des 11. Septembers.

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