Campact

SS-TREFFEN IN BAD HERSFELD

Klausmann will die Festspiele torpedieren


1. Scherbenhaufen für die Stadt
2. Wie alles begann
3. Das Ansehen Hersfelds droht Schaden zu erleiden
4. Eine fassungslose Unbegreiflichkeit
5. Klausmann will die Festspiele torpedieren
6. Geben Sie Gedankenfreiheit
7. Ende gut, alles gut?
8. Widerstand gegen den 'braunen Sud' - Interview mit dem Ex-DGB Kreisvorsitzenden Julius Klausmann

Nach diesen Ereignissen im Vorfeld der für das Jahr 1983 erneut geplanten Demonstration und vor Probenbeginn des Schauspielensembles stand plötzlich Julius Klausmann im Kreuzfeuer der Kritik. ?Klausmann will die Festspiele torpedieren" , lautete die Überschrift in der HZ.21 Man warf dem DGB-Kreisvorsitzenden vor, er wolle der Stadt und den Festspielen schaden und sich aus Geltungsbedürfnis in den Mittelpunkt des Medieninteresses stellen. Andere Personen beließen es nicht bei öffentlicher Kritik an Klausmann. So erhielt er im Vorfeld der Protestkundgebung anonyme Drohanrufe, die von Beschimpfungen bis zu Morddrohungen reichten, seine Autoreifen wurden von Unbekannten zerstochen und seine Familie wurde massiv bedroht.

Auch in der örtlichen Presse und aus dem eigenen Umfeld wurde Klausmann kritisiert. So war im Anzeigenblättchen ?Kreisanzeiger"22 unter der Überschrift: ?Der "Fall Julius Klausmann" - oder: Polizeigewerkschaft als Psychiater" folgendes zu lesen: ? (...) Klausmann trommelt. Klausmann läßt die Propagandamaschine auf Hochtouren laufen (...)." Im folgenden wurde dann eine Erklärung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zitiert, in der Klausmann vorgeworfen wurde, daß ?der DGB-Vorsitzende in seinem verbissenen Faschistenkampf überall Faschisten sieht, auch dort, wo keine sind." Fazit und ?Höhepunkt" dieses Artikels war die abschließende Betrachtung der GdP: ?Erfolgszwang, nervöse, bisweilen hysterische Züge, aber auch Profilneurosen sind als auslösendes Moment für solch ein Verhalten nicht mehr auszuschließen." Nebenbei wurde noch einmal ausführlich dargelegt, welche finanziellen und immateriellen Schäden Klausmann durch sein Handeln der Stadt Hersfeld zugefügt habe.

Sein Einsatz und Ehrgeiz, die Vorgänge von Bad Hersfeld in ganz Deutschland, sogar in der ganzen Welt bekannt zu machen, brachten ihm immer wieder den Vorwurf ein, er wolle um seines Ruhmes willen der Stadt schaden. Dennoch schien sein Vorhaben gelungen zu sein, verfolgt man die nationalen und internationalen Solidaritäts- und Protestschreiben, die im Laufe der Zeit in Hersfeld eintrafen. Sie stammten z.B. vom ?Komitee der Überlebenden von Auschwitz", ehemaligen Widerstandskämpfern oder Schauspielensembles aus ganz Deutschland.


Neben ''alten Kameraden" waren auch Neonazis in der Stadt
Foto: A. Thannhäuser

Die Stadt war jedoch von diesen Schreiben nicht zu überzeugen. So durfte Albert Stenwedel, obwohl Boehmer nachträglich behauptete, er habe nie jemanden im Rathaus empfangen, am Tag vor der geplanten Demonstration dort noch einen Besuch abstatten, wo HZ-Chefredakteur zum Winkel ihn, zusammen mit zwei seiner Kameraden, unter dem Bild des Bundespräsidenten ablichtete.23

Am 21. Mai 1983, dem Pfingstsamstag, fand in der Hersfelder Innenstadt eine Gegendemonstration statt, an der 8.000 Menschen teilnahmen. Begleitet wurde die Demo, an deren Organisation und Gestaltung über 60 Einzelgruppen beteiligt waren, von Konzerten und Reden, die über die Hintergründe der SS sowie die Geschichte der SS-Treffen in Bad Hersfeld und an anderen Orten informierten. Redner waren z.B. der ehemalige KZ-Häftling Emil Carlebach und die Schauspielerin Eva Renzi, die wiederholt diese Treffen kritisiert hatte. Sie forderte in einer an Bundeskanzler Kohl gerichteten Rede: ?Wie verlangen eine gesetzliche Entscheidung, daß sich nirgendwo mehr in diesem Lande (...) alte oder neue Faschisten, welchen Namen sie sich auch immer geben mögen, in öffentlichen, von Steuergeldern unterhaltenen und bezahlten Sälen, Hallen oder öffentlichen Plätzen versammeln dürfen."24 Im Rahmen der Demonstration kam es zu Ausschreitungen, da, wie den OrganisatorInnen schon im Vorfeld bekannt war, neben AntifaschistInnen auch Neonazis in die Stadt gereist waren.

Am Pfingstsamstag weilte so z.B. auch der bekannte Neonazi-Führer Michael Kühnen in Bad Hersfeld. Kühnen gründete einen Tag später in Anwesenheit verschiedener Größen aus der Neonaziszene, z.B. Thomas Brehl aus Fulda, in Haunetal-Wehrda die ?Kameradschaft 8 - Hersfeld".25 Manche politischen Vertreter erdreisteten sich, für diesen Vorfall die Gegendemonstrationen verantwortlich zu machen. So forderte zum Beispiel die Junge Union (JU) Bad Hersfeld in einem Schreiben Julius Klausmann zum Rücktritt auf. ?Ihr Ziel", heißt es in dem Brief, ?die Verhinderung von nationalsozialistischen Tendenzen, hat sich durch Ihre Aktivitäten genau in das Gegenteil umgekehrt." Und: ?Sie haben durch Ihre Äußerungen und Taten (...) dafür gesorgt, daß das Ansehen und der Ruf der Kreisstadt Bad Hersfeld bis über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus in Mißkredit geraten ist." Fazit: ?Mit diesem Schreiben fordert Sie die JU Bad Hersfeld auf, Ihr Amt niederzulegen."26

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