Keine A49

BOLO'BOLO (AUSZÜGE)

sila


1. Der grosse Kater
2. Die drei Grundbestandteile der Maschine
3. Drei Deals in Krise
4. Der A-Deal: enttäuscht vom Konsum
5. Der B-Deal: frustriert vom Sozialismus
6. Der C-Deal: genug von der Entwicklung des Elends
7. Der Bankrott der Realpolitik
8. Die Schattenwirklichkeit
9. Substruktion
10. Dysko
11. Triko ... und: bolo'bolo - Grundrisse für ein Projekt
12. Fahrplan
13. ibu
14. bolo
15. sila
16. taku
17. kana
18. nima
19. kodu
20. yalu
21. sibi
22. pali
23. sufu
24. gano
25. bete
26. nugo
27. pili
28. kene
29. tega
30. fudo
31. sumi
32. asa
33. buni
34. mafa
35. feno
36. sadi
37. fasi
38. yaka
39. Anmerkungen
40. Sechs Jahre bolo'bolo
41. Abfahrt

Vom einzelnen ibu aus gesehen besteht die Aufgabe der bolos darin, sein Überleben zu sichern, sein Leben angenehm zu machen, ihm ein Heim zu geben oder es aufzunehmen, wenn es unterwegs ist. Die Abmachung zwischen den ibus und der Gesamtheit der bolos (bolo'bolo) heisst sila. Das ibu hat ja kein Geld (3) (und auch keinen Job!) und ist auch nicht verpflichtet, sich einem bolo anzuschliessen (eine solche Verpflichtung wäre ihr Tod). Und so pflegen die bolos eine allgemeine Gastfreundschaft (4) gegenüber allen ankommenden Einzel-ibus. Jedes bolo ist zugleich ein Hotel, jedes ibu ein möglicher (nicht zahlender) Gast. (Wir alle sind ohnehin nur Gäste auf diesem Planeten.)

sila umfasst also mindestens folgende Abmachungen:

taku Jedes ibu bekommt von seinem bolo einen Behälter aus solidem Material (50 x 50 x 100 cm), über dessen Inhalt es als sein exklusives Eigentum verfügen kann. (siehe unten)

yalu Jedes ibu bekommt in jedem bolo mindestens eine Tagesportion ortsüblicher Nahrung von 2000 Kalorien.

gano Jedes ibu erhält in jedem bolo Unterkunft während eines Tags.

bete Jedes ibu erhält überall die best mögliche medizinische Betreuung.

fasi Jedes ibu kann überallhin reisen, wo es will es gibt keine Grenzen, (siehe: sumi)

nima Jedes ibu kann seine Lebensweise, Kleidung, Sprache, sein Liebesleben, Religion, Philosophie, Ideologie usw. selber bestimmen, praktizieren und verbreiten wo und wie es will.

yaka Jedes ibu kann jedes andere ibu oder eine grössere Gruppe gemäss den Regeln zu einem Duell herausfordern.

nugo Jedes ibu kann von seinem bolo eine Kapsel mit einem tödlich wirkenden Gift erhalten und sich jederzeit umbringen. Es kann zu diesem Zweck auch Hilfe verlangen.

Solche Abmachungen hängen ganz davon ab, dass es überall viele bolos gibt, denn vereinzelte ibus wären nie in der Lage, sie sich gegenseitig zu gewährleisten (ausser, sie organisierten ihre wechselseitige Anonymität als Staat und gäben damit ihre Selbständigkeit ganz auf). Die bolos sind eine Art Kompromiss der ibus, um eine minimale Überlebensgarantie und Bewegungsfreiheit zu erhalten. Die bolos sind gross genug, um zu diesem Zwecke etwa 10% mehr Nahrung, Unterkunft, medizinische Dienst usw. bereit zu stellen, ohne dass es arbeitsmässig gross ins Gewicht fällt. Grössere Verbände (Quartiere, Städte) können den bolos einen Teil dieser Verpflichtungen abnehmen oder dann einspringen, wenn mehr als 10% Gäste auftauchen (das vor allem auch bei Festen, Stammestreffe usw.). Umgekehrt sollte ein bolo auch das Recht haben, Gäste abzuweisen, wenn es schon mehr als 10% zusätzliche Bewohner beherbergt. All das hängt sehr von den jeweils herrschenden Traditionen und dem Verhältnis zwischen Gastgebern und Gästen ab.

Von unserer heutigen Mentalität ausgehend fragen wir uns natürlich sofort: Warum sollten die bolos die Gastfreundschaft einhalten? Könnte das nicht ein Vorwand für Parasitismus und Ausbeutung durch herumziehende Nichtsnutze werden? (In der Tat machen heute viele traditionelle Gesellschaften mit den "alternativen" Touristen gerade diese Erfahrung.) Dieses Risiko würde bestehen, wenn bolo'bolo nicht planetar wäre. Gastfreundschaft wäre dann nicht Austausch unter bolos, sondern eine einseitige Beziehung. Doch jedes ibu in jedem bolo ist zugleich ein möglicher Gast und so hat jedes bolo ein "Interesse" daran, Gastfreundschaft nicht nur zu gewähren, sondern Gäst so grosszügig wie möglich zu empfangen. Es könnte immer noch sein, dass reisende Einzel-ibus ausschliesslich von der Gastfreundschaft sesshafter ibus lebten. Auch diese "Gefahr" ist gering, denn der nomadische Lebensstil hat auch seine Nachteile und Beschränkungen. Als Reisender kann man nie voll am inneren Leben eines bolos teilnehmen und muss man seine Lebensweise immer derjenigen der Gastgeber anpassen. Man hat kaum Einfluss auf die Entwicklung eines bolo, kann keine langfristigen Unternehmungen durchführen, muss menschliche Beziehungen immer wieder abbrechen. Schliesslich riskiert man es auch, auf eine Minimalration gesetzt zu werden. Andererseits können Reisende durchaus für die Gastgeber ein grosser Gewinn sein. Reisen kann sogar als eine Art "Arbeit" betrachtet werden, die man für sich und andere leistet. Reisende sorgen dafür, dass Neuigkeiten, Kenntnisse, Moden, Ideen, Geschichten, Produkte usw. zirkulieren. Reisen ist eine persönliche Form der Kommunikation, vor allem da sie nicht mehr unter Zeitdruck stattfinden. Die Gäste haben also ein "Interesse" daran, solche Kommunikationsarbeit zu leisten, weil sie dann auf eine grosszügigere Bewirtung rechnen können. Gastfreundschaft und Reisen sind ganz einfach eine Form gesellschaftlichen Lebens.

Und es wäre für Reiselustige wie bolos tödlich, wenn es behindert würde. Die bolos würden sich abschliessen, es entstünden Vorurteile und Ressentiments und damit das Risiko von kriegerischen Katastrophen. Gastfreundschaft ist auch eine Strategie zur Verhinderung von Staat und Krieg.

Ein gewisser Druck, die Gastfreundschaft zu beachten, wird auf die bolos auch durch munu, ihr Ansehen, ausgeübt. Die Erfahrungen, die Reisende bei einem bolo machen, sind nicht unwichtig, weil sie weit herum kommen und überall davon erzählen werden. Das so entstehende Ansehen eines bolo ist darum so wichtig für es, weil wechselseitige Abmachungen mit anderen bolos (feno) davon beeinflusst werden. Mit unfreundlichen, verschlossenen bolos wird man nicht gerne zu tun haben wollen. Da die anonyme Vermittlung (und Reduktion) durch das Geld wegfällt, werden Ruf und Ansehen wieder entscheidend. Geld stinkt nicht, aber Missachtung der Gastfreundschaft wird nie vergessen. Die bolos gleichen darin den alten Adelsgeschlechtern, für die die "Ehre" ein zentraler Begriff war. Ein bolo ist auch eine Burg ...


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