POLIZEIGEWALT
Polizeigewalt analysiert
Einleitung zur Polizeigewalt ● Für eine Welt ohne Polizei ● Polizeigewalt analysiert ● Polizeigewalt ist Alltag ... ● Cop Culture ● Gegen politische Opposition ● Folter und Polizeimethoden ● Sanktionen? Fehlanzeige ... ● CPT-Standard & Straflosigkeit ● Sicherheitswahn bei Bahn & Co ● Polizeiwaffen ● Weitere Links zur Polizei
Extraseiten zu Beispielfällen von Polizeigewalt
Polizeiopfer zu Täter*innen machen
.Wenn ein Polizist blindlings jemanden niederschießt, ist der Schuld, der den Polizisten dazu provoziert hat.Aus „Subjektiv in einer Notwehrsituation“, in: FR, 13.2.2017
Ein partyfeiernder Wohnungsmieter fühlt sich von mutmaßlichen Krawallmachern vor seiner Wohnungstür bedroht und versucht sie zu vertreiben, indem er die Tür einen Spalt breit öffnet und mit einer Schreckschusspistole ins Treppenhaus feuert. In Wirklichkeit stehen vor der Tür aber keine Störer, sondern Polizisten.
Einer von ihnen greift reflexartig zu seiner Waffe und schießt blindlings durch die Tür zurück, insgesamt fünfmal. Was er nicht ahnt: Hinter der durchlöcherten Tür steht eine Freundin des Mieters, die in der Wohnung gerade ihren 17. Geburtstag feiert. Durch die Polizeischüsse wird sie lebensgefährlich an Schulter, Leber und Galle verletzt. ...
Dem 34-jährigen SEK-Polizisten, der gerade bei der Schupo hospitierte, bescheinigte die Staatsanwaltschaft schon bald nach dem tragischen Vorfall, dass er sich „subjektiv in einer Notwehrsituation“ befunden habe. Für ihn sei nicht erkennbar gewesen, dass es sich beim Pistolenknall nur um einen Schreckschuss handelte. Deshalb werde er nicht wegen versuchten Totschlags oder fahrlässiger Körperverletzung im Amt angeklagt.
Dafür erwirkte die Staatsanwaltschaft jetzt aber beim Amtsgericht einen Strafbefehl gegen den Wohnungsmieter: ein Jahr Haft auf Bewährung; außerdem soll er 120 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Wie die FR erfuhr, wird ihm eine vorsätzliche gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des Polizisten vorgeworfen – der hatte bei dem Einsatz nämlich ein Knalltrauma erlitten. Aber nicht nur das. Die Justiz macht den Mieter auch für die fünf Polizeischüsse und die Verwundungen des Mädchens verantwortlich, im Sinne einer fahrlässigen Körperverletzung. Silke Noltensmeier, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, begründet diese ungewöhnliche Konstruktion so: Mit seinem Schreckschuss Richtung Treppenhaus habe der Mieter die scharfen Schüsse des Polizisten quasi provoziert und damit mittelbar die Verletzungen des 17-jährigen Geburtstagskindes verursacht.
Verprügelt im Knast - das Opfer wird angeklagt
Der folgende Bericht wurde aus der JVA in Bruchsal zugeschickt:
wir sind in der kiste einqebunkert, nun hat das strafvollzugsrecht uns inhaftierten das recht eingeraeumt, einzelzellen zu haben - mein bruder und kollege hat dieses recht eingefordert - da aber in diesen land mehr eingesperrt wird als entlassen, sind die repressionsanstalten knallvoll belegt - und die repressionsmaschinerie ist in diesen land mehr damit beschaeftigt, rache und suehne zu betreiben als die buerger lichen und menschenrechte zu bewahren - menschenrecht nur - wenn es fuer das system bezahlbar ist oder damit profit verdienen laesst.
nun, mein bruder und kollege hat sein recht bewahren wollen und wollte einen einzelraum - da er schriftsteller und lyriker ist - braucht er das - um weiter in seinem fach vorwaerts zu kommen - aber die anstaltasstrategen und justizhelfer wollen keine "schlaue Schreiberlinge" und typen, die nicht so recht in das bild eines typischen zuchthaeuslers passen - und verweigerten ihm das recht - das ihm von gericht und justiz eigentlich per gesetz zugestanden haben - und weil mein bruder und kollege weiter sein recht eingefordert hat, wurde er kurzerhand aus der bude gezerrt von sechs beamten , dann "fixiert" (gefesselt) und noch in diesem zustand zusaetzlich auf den kopf getreten - das wollte er sich nicht gefallen lassen und stellte strafantrag gegen den raedelsfuehrer der knueppelbrigade - der zustaendige staatsanwalt in karlsruhe, der zuvor hier in der repression selber funktionaer war als fluegelverwalter, hat die anzeige nicht einmal angenommen - nun hat der zustaendige beamte der knueppelbrigade selber einen strafantrag gestellt und dieser antrag wurde - wie war es auch anders zu erwarten - von dem selben staatsanwaltangenommen - am 17. juli ist die verhandlung vor dem bruchsaler amtsgericht.
erfahrungen und umgang mit der deutschen justiz haben gelehrt das solche aktionen grundsaetzlich zu gunsten der staatlichen repressionisten ausgeht - ich kann mich erinnern, das in freiburg ein prozeß stattfand, weil angeblich ein gefesselter gefangener, gefesselt an haende und fueße, acht (8) beamte angegriffen haette und deswegen zu einer geldstrafe verurteilt wurde - um diesen theater nicht ganz die kroenung zu ueberlassen, das da wieder staatsgewalt gegen menschlichkeitsiegt, hatte ich gebeten, einen beobachter dort hinzubestellen - vorausgesetzt, es waere jemand dazu bereit -um so verstaendlich zu machen, das da oeffentliche beobachter gibt, die diesem geschehen aufmerksamkeit schenken -wie so ueblich, scheuen staatliche repressionisten die oeffenlichkeit -mein bruder und kollege wird diese verhandlung auch als tribuene verwenden, um aufzuzeigen, was da eigendlich hier abgeht. es geht nicht um diese beschissene einzelzelle oder um die schlaege und den tritt auf den hinterkopf -es geht darum, aufzuzeigen, wie staatliche gewalt in purer aktion die menschenrechte und menschenwuerde in den dreck zieht, wenn es um belange der justiz geht.
- Die Umkehrlogik wird nicht nur bei Polizei gemacht: Neonazis schlagen zu - Geschlagene werden angeklagt. Siehe Text "Ich bring dich um!", in: FR, 8.1.2013 (D 1)
Psychiatrisierung und Polizeigewalt
Jedes Jahr erschießen Polizist*innen Menschen, die in einer Ausnahmesituation sind. Wir zeigen, wie wenig die Polizei auf solche Situationen vorbereitet ist – und veröffentlichen ein seit Jahren umstrittenes Geheimdokument der Polizei NRW.Es sind fünf Schüsse aus der Maschinenpistole eines Polizisten, die Mouhamed Lamine Dramé töten. Der 16-jährige Geflüchtete stirbt am Nachmittag des 8. August 2022 im Hof einer Jugendhilfeeinrichtung in Dortmund. Das ZDF hat inzwischen eine genaue Recherche des Hergangs dieses Totschlags durch die Polizei in einem halbstündigen Film am 3. Mai veröffentlicht, hier in der Mediathek. Was da geschehen ist, erinnert daran, wie ein Selbsttötungsversuch in der Wehrmacht geahndet wurde: durch Erschießen.
In dem Film wird auch eine seltene Schulung aus Berlin gezeigt, die aber leider wenn, dann nur sporadisch erfolgt. Was wir ,. Sollte die Berliner Polizei irgend etwas daraus gelernt haben, wie am 28.6.2013 ein Mann von der Polizei in einem Brunnen vor dem roten Rathaus erschossen wurde?
- Kritik am polizeilichen Umgang mit Personen, die psychiatrisch verleumdet werden zu sagen haben
- Bericht "Wenn Polizisten auf psychisch Kranke schießen", auf: tagesschau.de am 5.11.2024
Diskurssteuerung
Strategien der Steuerung von Wahrnehmung und WertungAus einem Interview mit dem Polizeipsychologen Georg Sieber, in: Junge Welt, 6.6.2007 (S. 8)
In Rostock ging es dem Bundesminister des Inneren vor allem darum, die "Deutungshoheit" über den G-8-Gipfel gegen ATTAC und andere zu verteidigen. Dazu hatte man die Teilnehmer bereits im Vorfeld unter Generalverdacht gestellt und als zumindest unterwandert von gewaltbereiten Gruppen dargestellt. Und so wurde die Demonstration dann auch begleitet. Die Bilder aus Rostock liefern Anschauungsunterricht, wie so etwas zu machen ist. ... Eine Stimmung irgendwo zwischen Karneval und Loveparade. Die Leute schienen den martialischen Auftritt der Einsatzkräfte hinzunehmen. Dann stand da ein Polizeifahrzeug am Kundgebungsplatz. Das empfanden einige Teilnehmer offensichtlich als Herausforderung. Das Fahrzeug wurde attackiert, ein Gruppe von Polizeibeamten versuchte einzugreifen, und danach überstürzten sich die Ereignisse. Im geschlossenen Einsatz bleibt da nur noch, den Schlagstock freizugeben und Riegel zu bilden.
Diskurssteuerung und Streuung von Falschinfos
Aus Boewe, Jens/Wessels, Sebastian: "Kampf um die Köpfe", in: Junge Welt, 6.6.2007 (S. 3)
Die am Sonnabend in Pressemeldungen der Polizei und Medienberichten in die Welt gesetzte Zahl von 30 bis 41 schwerverletzten Polizisten erweist sich damit als ebenso schlichte wie wirkungsvolle Manipulation. ... Auch das Ausmaß der Verwüstung erreicht nicht den historischen Rekord, den gewisse Medien herbeiredeten. "Drei PKW wurden angezündet", erklärte der Polizeisprecher auf jW-Nachfrage.
- Text auf Indymedia zur Diskurssteuerung durch die Polizei am Fallbeispiel einer Finte über Molotow-Cocktails bei einer Blockade am 6.6.2007
- Weiterer Text zu Medienmacht und Diskurssteuerung
- Präzise Schilderung der gezielten Falschinformation in Medien
- Silvesternacht 2019/20 in Leipzig: Polizei und Innenpolitik konstruieren linken Terror - Stück für Stück sickert durch, dass das meiste frei erfunden ist (Bericht auf Zeit online am 6.1.2020)
Welche Interessen wurden verfolgt?
Aus Jelpke, Ulla: "Wem nützte es?" in: Junge Welt, 7.6.2007 (S. 3)
Den kommerziellen Medien spielten die heißersehnten Bilder von den Straßenschlachten ebenso in die Hände wie den staatlichen Repressionsorganen. Wolfgang Schäuble und die Innenminister der Länder können nun damit rechnen, daß ihre Forderungen nach noch härterem Durchgreifen der Polizei und nach noch mehr Demoverboten auf höhere Akzeptanz stoßen.
Was die vorangegangene Kriminalisierung der G-8-Proteste durch Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt, die Paragraph-129-a-Razzien und die Medienhetze nicht geschafft haben, ist nun eingetreten: Die breite Protestbewegung gegen den G-8-Gipfel wurde an der Militanzfrage gespalten. ATTAC und andere Veranstalter der Großdemonstration haben sich von den Autonomen distanziert und diese für unerwünscht erklärt.
- Kommentar zu den Interessen hinter der Gewaltdiskussion, in: Junge Welt, 7.6.2007 (S. 13)
Rolle und Arbeitsbedingungen der Medien
Aus einem Interview mit dem Journalisten Martin Kessler in: Junge Welt, 11.6.2007 (S. 8)
Meiner Ansicht nach gibt es folgendes Problem: Aktuell berichtende Fernsehjournalisten müssen ständig die Themen wechseln. Priorität hat stets nur die Ereignisnähe. Viele haben sich beispielsweise mit politischem Widerstand, zivilem Ungehorsam und demokratischem Protest nicht wirklich auseinandergesetzt. Oft fehlt das Hintergrundwissen, die Zeit für Recherchen und die kritische Sichtweise.
- Kritischer Text über Rolle und Arbeitsbedingungen der Medien in: Junge Welt, 11.6.2007 (S. 3)
Weitere Aspekte
PolizeiprovokateurePolizisten ziehen sich schwarze Klamotten an, stacheln zur Gewalt auf oder werfen selbst die ersten Steine - und schon haben Polizei und Politik die Bilder, die sie für ihre Diffamierungen und neue Gesetzesverschärfungen brauchen (dass sich Hunderte von verkleideten Polizisten anstacheln lassen, wäre auch ein Kapitel für sich - spricht aber nur für die Plattheit viele sog. Autonomer, aber nicht für die Polizei).
- Enttarnung eines Provokateurs aus Bremen: Berichte, u.a. Spiegel-Online
- Polizei dementiert am gleichen Tag (lügt also!), u.a. zitiert in der Jungen Welt am 8.6.2007 (S. 3):
Polizeisprecher Manfred Lütjann vom Führungsstab "Kavala" schloß gestern auf jW-Nachfrage den Einsatz von Agents provocateurs kategorisch aus: "So etwas dürfen wir als rechtsstaatliche Institution nicht und tun wir nicht." - Polizei gibt es zu (auch auf Spiegel-Online) ++ Junge Welt, 9.6.2007 (S. 5) ++ FR am 9.6.2007 zu Provokateur und Falschmeldungen über chemische Flüssigkeiten
- Falschmeldungen der Polizei, z.B. über verletzte BeamtInnen: Indymediabericht
- Entlarvend: Schaubild aus Polizei-Lehrbuch - Polizei kann immer handeln ... und weitere Beispiele für die Allmacht der Polizei
Absurd: Noch nach der Enttarnung zeigen die Fernsehnachrichtensendungen 'Heute' und 'tagesschau' die Szene als angeblichen Konflikt zwischen gewaltfreien und autonomen DemonstrantInnen. Hier wird offensichtlichst eine gewollte Wahrnehmung des Geschehens produziert.
Aus einem Bericht bei Indymedia:
Die Variante bei „Heute“ geht wie Folgt: Nach einigen Bildern über „bunten und friedlichen“ Protest kommt der Schwenk auf eine Auseinandersetzung innerhalb der Demonstrierenden. Obwohl der Bericht vom Donnerstag den 7.06.07 handelt, wird die Szene vom Vortag gezeigt. Kommentar: „Einige Demonstranten versuchen Vermummte aus ihren Reihen abzudrängen. 'Zeig dein Gesicht ', ruft die Menge, die sich offenbar von Gewalttätern distanzieren will.“
Ähnlich in der Tagesschau. Nach Bildern, die über den Donnerstag berichten sollen taucht auf einmal die Szene vom Vortag auf. Aus dem Off die Kommentierung: „Mehrere Hundert Demonstranten beteiligten sich seit der Nacht an Straßenblockaden rund um Heiligendamm. Sie wollen bis zum Ende des Gipfels bleiben. In ihren Reihen dulden sie keine Vermummten.“ (Videodatei)
- Bevorzugung von PolizeizeugInnen
- Dossier zu Repression in Freiburg (Juli 2007)
- Konstruierte Anklage treibt Angeklagten in Selbstmord (April 2008)
- Der Fall "Mannichl" - ein Polizeipräsident wird fast erstochen, beschuldigt Rechtsextreme und dann wird vertuscht, damit nicht rauskommt, was wohl wirklich passierte ...
- Karl-Heinz Gasser, Anwaltskanzlei-Kollege von Bouffier und Ex-Innenminister in Thüringen
- Hüttendorf abgerissen trotz Privatgelände und Akzeptanz des Eigentümers, der gleich mit festgenommen wurde (Nov. 2012)
- Kriminalisierung von Staats wegen: FBI-Agentin organisiert Bombenanschlag - Aktivist kommt statt ihrer und wegen etliche Fälschungen im Verfahren für fast 10 Jahre ins Gefängnis (Siehe Artikel "„Ökoterror“ auf Geheiß des FBI", in: taz, 15.1.2015)
- Neues Polizeigesetz in Mecklenburg-Vorpommern, in: Junge Welt, 21.8.2006 (S. 4)
Urteile gegen PolizeikritikerInnen, Ermittlungsverweigerung bei Polizeigewalt
Und immer wieder: Wer von Polizisten verprügelt wird, kassiert eine Anzeige wegen Widerstand oder auch Körperverletzung. Gerichte glauben Polizisten immer. Das macht die prügelnden Uniformträger noch sicherer, einfach alles zu können. Ausnahmen gibt es nur selten, z.B. wenn zufällig jemand das Geschehen fotografiert und dann auch noch in die Medien bringen kann - so wie hier: Die Bullen hatten natürlich schon Anzeige erstattet gegen ihr Opfer siehe Bericht in der Jungen Welt, 8.9.2005 (S. 2).
Die gleiche Logik haben auch die Anklagen gegen den mehrfach von Polizisten angegriffenen Projektwerkstättler - immer resultiert daraus eine Anzeige gegen das Opfer:
- Prozesse gegen Polizei- und RegierungskritikerInnen enden ständig mit Verurteilungen - mehr hier ...
- Anzeigen gegen prügelnde Polizisten werden dagegen genau nie verfolgt, z.B. am 11.4.2005 vor dem Landgericht (mehr dazu ...), Tritte und Faustschläge durch Polizisten am 2.3.2005 (mehr dazu ...), absurde Festnahmen mit anschließender Weigerung von Gerichten, den Fall zu überprüfen (mehr dazu ...), sowie viele weitere Fälle (siehe hier ...).
- Bericht "Wie übermäßige Polizeigewalt eingedämmt werden kann", auf: Deutschlandfunk am 18.5.2023
- Text "Autoritäre Charaktere" zur Polizeistudie und Reaktionen, in: Junge Welt am 6.5.2023 (S. 12f)
Volker Bouffier, Scharfmacher in Gießen (er wohnt da auch!), verschleiernd über seinen Krieg gegen Oppositionelle (Presseinfo des Innenministerium):
Die Hessische Polizei geht konsequent gegen jede Form von politisch motivierter Kriminalität vor.
Im Original: Urteile und offizielle Statements zu Polizeigewalt
OLG Frankfurt findet Polizeiprügel unwichtig (BVerfG, 1 BvR 1807/07 vom 19.2.2008)
Selbst wenn sich beweisen ließe, dass der Beschwerdeführer zum einen an den Schultern gerüttelt und dabei einmal mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen worden sei und darüber hinaus einen Schlag gegen den Brustkorb erhalten habe, hielte sich eine solche Gesundheitsbeeinträchtigung jedoch in einem so begrenzten Rahmen, dass sie die Zahlung eines Schmerzensgeldes noch nicht erfordere, zumal ihr als solche im Zusammenhang mit der verbalen Androhung, dem Beschwerdeführer Schmerzen zufügen zu lassen, eine untergeordnete Bedeutung zukomme.
Hessische Landesregierung sieht das ähnlich (gleiche Quelle)
Zur Verfassungsbeschwerde hat die Hessische Staatskanzlei Stellung genommen. Hinsichtlich der Rüge der Verletzung der Rechtsschutzgleichheit sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Es sei verfassungsrechtlich vertretbar, die streitigen Gesundheitsbeeinträchtigungen während der Vernehmung - Rütteln an den Schultern, Stoßen mit dem Kopf gegen die Wand sowie Schlag mit der flachen Hand – als so begrenzt anzusehen, dass sie die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes nicht erforderten. Der vorliegende Fall lege es darüber hinaus nahe, der beabsichtigten Amtshaftungsklage den fundamentalen Rechtsgrundsatz des § 254 BGB entgegenzuhalten. Danach sei das Verhalten des Geschädigten bei der Verursachung und der Schadensminderung bzw. -verhütung mit zu berücksichtigen. Zwar sei die Androhung von Schmerzzufügung nicht zu rechtfertigen und stelle eine schwere Amtspflichtverletzung dar. Doch könne hier nicht außer Acht gelassen werden, dass die Polizeibeamten in ihrer Handlungsweise provoziert worden seien durch ein schweres, vom Beschwerdeführer zu verantwortendes Verbrechen, nämlich die Entführung und Ermordung eines Kindes. ... Auch wenn der Beschwerdeführer strafprozessual das Recht gehabt habe, sich nicht selbst zu belasten, so habe er es doch in der Hand gehabt, durch den einfachen Hinweis auf den Aufenthalt des entführten Kindes alles das abzuwenden, was anschließend mit ihm geschehen sei.
Verfahren eingestellt: Polizeigewalt üblich und halb so schlimm? (FR, 5.1.2009 ++ HNA)
Ein Polizeibeamter, der einen jungen Mann bei einer Verkehrskontrolle ins Gesicht schlug und dann aus dem Auto zerrte, bleibt straffrei. Das Amtsgericht Rotenburg an der Fulda stellte am Montag das Verfahren gegen den 38 Jahre alten Mann wegen geringfügiger Schuld ein. Der Verteidiger betonte, sein Mandant habe sich korrekt verhalten. Mehrere Polizisten hatten bestätigt, ein kurzer, sogenannter Schockschlag mit der flachen Hand ins Gesicht in einer für den Beamten als bedrohlich empfundenen Situation sei gängige Praxis.
Offizielle Kritik und Beschreibungen aus der Polizei selbst
Aus einem Artikel zur Europaratskritik an Zuständen in Knästen, in: FR, 18.4.2007 (S. 1)
Fort- und Weiterbildung mahnt der Europarat auch anderswo an. Im Bericht der Abgeordneten heißt es: "Allen Polizeibeamten ist deutlich zu machen, dass Gewaltanwendung bei einer Festnahme sich auf das unbedingt erforderliche Maß beschränken sollte und keine Schläge gerechtfertigt sind, sobald die Betroffenen unter Kontrolle gebracht worden sind. Allgemeiner gesagt, sollten sie regelmäßig und angemessen daran erinnert werden, dass jede Form von Misshandlung - einschließlich verbaler Beschimpfung - festgehaltener Personen nicht akzeptabel ist und entsprechend bestraft wird."
Schmerzgriffe und versteckte Körperverletzungen
Aussagen von der Polizei selbst, in: Stefan Schubert (2012), „Inside Polizei“, riva in München (S. 131f)
Oft und leicht anzuwenden ist das schmerzhafte Hochreißen der Nase. Mit einer Hand drückt der Beamte die empfindliche Nasenspitze des Betroffenen gegen seinen Schädelknochen nach oben der Nasenhebel. Der entstehende starke und sehr unangenehme Schmerz lässt den Demonstranten sogleich die Anordnungen des Polizisten befolgen. Der Beamte sollte allerdings darauf achten, die unteren Finger seiner Hand für diesen Griff zu benutzen, um es dem Störer nicht zu ermöglichen, kraftvoll in die Finger über seinem Mund zu beißen.
Nummer zwei der effektivsten Griffe nutzt die Nervenstränge, die im Schädelknochen hinter den Ohren verlaufen. In diese Nervenbahnen bohrt der einschreitende Polizist seine beiden Zeigefinger so lange, bis seine Anweisungen befolgt werden. Die Nervendrucktechnik.
Abseits von Fernsehkameras und Pressefotografen können der Schmerz und die Wirksamkeit beider Griffe mithilfe eines Kugelschreibers, anstatt der Finger der Polizisten, um ein Vielfaches erhöht werden. Offiziell ist dies natürlich nicht erlaubt.
Durch den neuen, extrem harten Einsatz Mehrzweckstock, den Tonfa, wurde eine Vielzahl von neuen Hebel und Grifftechniken möglich. Zum Beispiel wenn der Polizist den Tonfa im Kreuzgriff führt und damit den hockenden Blockierer umklammert. Durch das Heranziehen des Tonfa mit Muskelkraft entsteht Druck auf den Knochen des polizeilichen Gegenübers, der Knochen und die darüber befindlichen Nerven werden damit zu einem schmerzhaften Hebel umfunktioniert.
Für diese Art des Einschreitens eignet sich so ziemlich jeder Knochen eines Störers. Arm, Handgelenk, Schienbein oder Oberschenkelknochen erlauben eine Vielzahl von Varianten, je nachdem, welche Extremitäten gerade am besten zu greifen sind. Dieses Vorgehen führt zu enormen Schmerzen, die jeglichen Widerstandswillen sofort brechen. Diese Eingriffstechnik verfügt über eine Menge von Vorteilen: Außenstehende nehmen diesen Griff und seine Auswirkungen kaum wahr, selbst vor einer kritischen Fernsehkamera sieht dieses Vorgehen unspektakulär und angemessen aus, nichtsdestotrotz fügen diese Griffe große Schmerzen zu, jedoch ohne grobe sichtbare Verletzungen zu hinterlassen.
Schlimmer als gedacht
Studie zeigt: Deutlich mehr Polizei als bislang angenommen
Aus "Wenn Polizisten zuschlagen", auf: Spiegel Online am 17.9.2109
Offizielle Zahlen zu Polizeigewalt bilden nur einen kleinen Ausschnitt der Realität ab. Das ist ein Ergebnis einer Studie des Teams um den Bochumer Kriminologen Tobias Singelnstein. Demnach gibt es mindestens fünfmal mehr Verdachtsfälle von Polizeigewalt, als in der Statistik aufgeführt werden. ...
71 Prozent gaben an, physische Gewalt erlebt zu haben. Häufig sind Blutergüsse, Prellungen oder Hautabschürfungen. Fast jeder fünfte berichtet von schweren Verletzungen wie Knochenbrüchen oder Gehirnerschütterungen. om ersten Kontakt mit der Polizei bis zur Gewaltanwendung dauerte es in 54 Prozent der Fälle höchstens zwei Minuten. Jeder fünfte Teilnehmer sagte, es habe vorher gar keinen Kontakt gegeben, die Polizisten hätten also unmittelbar Gewalt angewendet. Ein Drittel der Befragten, die Gewalt bei Demonstrationen oder Fußballspielen erlebten, sagte, für eine Auseinandersetzung mit der Polizei sei kein Grund ersichtlich gewesen. ...
Der Großteil der Befragten erstattete keine Anzeige. Der wichtigste Grund: Sie waren überzeugt, dass diese für die Polizisten keine Folgen habe. Gerade Demonstranten und Fußballfans geben zudem an, sie hätten den Beamten nicht identifizieren können. In 439 Fällen sagten die Teilnehmer, ein Strafverfahren sei eingeleitet worden. In diesen Fällen gab es Zeugenaussagen (74 Prozent der Fälle), ärztliche Befunde (63 Prozent) oder Videomaterial (48 Prozent). ...
Von den 439 Verfahren waren 326 abgeschlossen: In sieben Prozent der Fälle wurde Anklage erhoben, gut 93 Prozent wurden eingestellt. Meist war der Tatverdacht nicht hinreichend (66 Prozent), bei etwa der Hälfte der Fälle konnten die Beamten nicht identifiziert werden.
"Bewaffneter Arm der Demokratie" (Junge Welt, 2.8.2005, S. 5)
"Polizisten machen alles, was man ihnen sagt." (ehemaliger KZ-Häftling und Antifaschist Ernesto Kroch im Interview in: Junge Welt, 10.7.2007 (S. 8)
- Extra-Seite zu Repression gegen den G8-Protest

