Demokratie

WIDERSTAND GEGEN VOLLSTRECKUNGSBEAMTE

Straffreiheit, wenn Polizei rechtswidrig handelt

Haben die Beamtis alles richtig gemacht?
Das ist die wichtigste Frage bei diesem Paragraphen. Denn nur dann wäre der Widerstand strafbar. Das regelt Absatz 3 des § 113:

Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.

Damit lässt sich der Gerichtsprozess umdrehen: Das Verhalten der Polizei (bzw. anderer Behördenleute) wird untersucht – und die sitzen noch im Zeugenstuhl, müssen antworten und die Wahrheit sagen. Wer sich so verteidigt, erreicht oft eine Einstellung.
Auch im § 114 (tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamtis) ist ein solcher Straffreiheitspassus drin - und übrigens auch im Landfriedensbruch dann, wenn Gegenstand eine Auseinandersetzung mit Vollstreckungsbeamt*innen ist, also z.B. die Polizei.

In der Beck-Kommentierung steht, das die Gegenwehr gegen unrechtmäßiges Handeln bei den Diensthandlungen nicht gerechtfertigt ist.

Aus: BeckOK StGB/Dallmeyer, 41. Ed. 1.2.2019, StGB § 114 Rn. 6
Nach Abs. 3 sind die Regelungen des § 113 Abs. 3, 4 (→ § 113 Rn. 15 ff., → § 113 Rn. 23 ff.) – weiterhin – auf Taten des tätlichen Angriffs anwendbar, wenn der Widerstand gegen eine Vollstreckungshandlung gerichtet ist (krit. hierzu mit Recht König/Müller ZIS 2018, 96 (100 f.)).

Im Umkehrschluss wäre zu folgern, dass die Regelungen des § 113 Abs. 3, 4 nicht anwendbar sind, wenn sich der Widerstand gegen sonstige Diensthandlungen richtet "

Unter den Diensthandlung werden im Kommentar folgende aufgezählt:

Aus: BeckOK StGB/Dallmeyer, 41. Ed. 1.2.2019, StGB § 114 Rn. 4
Der sachliche Anwendungsbereich des § 114 unterscheidet sich von dem des § 113 (→ § 113 Rn. 5) dadurch, dass nicht nur Vollstreckungshandlungen erfasst sind, sondern jede Diensthandlung (unklar Magnus GA 2017, 530 (540)). Dazu gehören zB (s. BT-Drs. 11161, 8; SN Kubiciel S. 10; Zöller KriPoZ 2017, 143 (145); Schiemann NJW 2017, 1846 (1847); Magnus GA 2017, 530 (536); ergänzend → § 113 Rn. 5):
•Streifentätigkeit
•Befragungen von Passanten
•Unfallaufnahmen
•Radarüberwachungen
•Reifenkontrollen
•Beschuldigtenvernehmungen
•die Beobachtung gewaltbereiter Personen und
•die beschützende Begleitung von Demonstrationszügen


Aus BGH 4 StR 168/20 - Beschluss vom 6. Oktober 2020
Eine "Ingewahrsamnahme" nach polizeirechtlichen Vorschriften ist eine "Vollstreckungshandlung" im Sinne des § 114 Abs. 3 StGB. Hierunter fällt jede Handlung einer dazu berufenen Person, welche die notfalls zwangsweise durchsetzbare Verwirklichung des im Einzelfall bereits konkretisierten Staatswillens bezweckt (…). Dies ist bei dem Vollzug eines polizeirechtlichen Gewahrsams der Fall. Infolgedessen ist nach § 114 Abs. 3 StGB die Vorschrift des § 113 Abs. 3 StGB entsprechend anwendbar, wonach die "Tat nicht als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte strafbar ist, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist.“

Bei allen damit verbundenen Vollstreckungshandlungen, also alles was auch schon 113 betriftt, müsste das mit dem unrechtmäßigen Handeln wiederrum gelten.
Das heißt: Sollte mensch eine Kooperation gegen solche Diensthandlungen verweigert und dadurch eine Vollstreckungshandlung notwendig wird, dann entsteht wieder die Möglichkeit sich auch "tätlich" zu wehren. Das würde dahingehend "Sinn" machen, als das bei einer unrechtmäßigen Befragung oder Reifenkontrolle niemand das Recht hat, die Polizei anzugreifen. Wenn ihr euch aber aber zwischen Polizei und Auto stellt und sie dadurch nicht den Reifen kontrollieren können und euch dafür in Gewahrsam nehmen, wäre wieder eine Vollstreckungshandlung gegeben und ihr dürft schubsen.


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