Demokratie

OFFENER RAUM - WAS IST DAS?

Debatten um konkrete Experimente offener Räume


1. Einleitung
2. Kontrollfreier und bedingungsfreier Raum
3. Merkmale, Probleme und Lösungsmöglichkeiten verschiedener Räume
4. Debatten um konkrete Experimente offener Räume
5. Offener Raum versus Schutzraum?
6. Offene Wohnungen
7. Abschreckendes Vorbild: Linke "Frei"räume als Übungsfeld für Hierarchien
8. Links zu mehr ...

Die Idee des kontroll- und bedingungsfreien Raumes scheint erhebliche Emotionen und Ideologiekriege zu entfachen - warum auch immer. Probleme in offenen Räumen führen nicht zu Weiterentwicklungen, sondern bereits mehrfach zu krassen Gegenreaktionen. Veröffentlichungen aus den ehemals offenen Räumen "Projekteraum" und "OUBs" in Berlin sind gerade voller Hass gegen Andersartige und Ausgrenzungsgelüsten ... in anderen Projekten kommt es dagegen zu Spaltungen entlang der Frage offener Räume.

Projekteraum Hermannstr. 48 in Berlin
Aus dem Flyer vom Herbst 2006:
Grenzüberschreitungen sind subjektiv - wenn jemand sagt ihre/seine Grenze wurde überschritten, dann wurde sie überschritten. Wer die Grenzen anderer Menschen nicht respektiert fliegt raus. Das umzusetzen liegt in der Verantwortung aller, die sich hier aufhalten.

Der Absatz zeigt die Absurdität. Erst wird behauptet, etwas sei subjektiv. Aber dann steht noch im selben Satz das Gegenteil: "dann wurde sie überschritten" - das klingt nach Objektivität. Rasant geht es weiter, denn schnörkellos und ohne Debatte erfolgt dann der Rauswurf - und dazu müssen (!) alle beitragen. Nicht diskutieren, sondern rauswerfen!

Durch klare Verantwortlichkeiten wollen wir erreichen, daß der Projektraum lange so neu und frisch bleibt, wie er jetzt gerade ist.

Kommentierung:
Regeln sind strukturkonservativ, sie verhindern Veränderung oder erschweren diese zumindest. Das wird im Projektraum jetzt positiv gewertet. Es soll so bleiben, wie es ist - Konservatismus von links.

Alle regelmäßigen NutzerInnengruppen müssen außerdem mindestens eine Person zum Plenum schicken.

Kommentierung:
Die Struktur muss anerkannt und mitgemacht werden. Eine Gruppe, die kollektive Entscheidungsfindung ablehnt, wäre also im Projekteraum verboten.

Offene Uni BerlinS
Rechts: Screenshot der Eingangsseite (!) der OUBs im Netz am 26.11.2006
  • Zwischenzeitliche Titelseite, die eine Einzelperson dort setzte und mit offen zugegebenem Machtmissbrauch als Steuerungseingriff nutzte - es zeigt sich, dass die Existenz von Regelungschancen deren Einsatz fördert.
    Auszüge:
    Auf Grund diverser schwerwiegender Vorfälle in der Offenen Uni Berlins und wegen mangelnder Aufarbeitung dieser Vorfällen habe ich mich entschlossen, die Internetseite www.oubs.siehe.website in ihrer bisherigen Form (vorläufig) einzustellen.
    Ich als Betroffener von mehrfachen faschistischen Beschimpfungen und Verleumdungen sehe jetzt dieses MACHTmittel als die einzigste Möglichkeit, auch nach vergeblichen Debatten darüber auf dem Plenum, weitere Vorfälle dieser Art zu verhindern. ...
    Die OUBS bietet dem Recht des Stärkeren immer mehr öffentliche und offene Entfaltungsmöglichkeiten. Dadurch sind Menschen, die sich laute Musik nicht antun wollen, die Tabakrauch, überquellende Aschenbecher, Zigarettenasche zwischen und auf Computertastaturen ätzend finden, die exzessiver Alkoholkonsum und deren Nebenerscheinungen ankotzt, die sich über ausladende versiffte Räume ärgern, die erst einmal einen Großabwasch hinlegen müssen, bevor sie sauberes (Koch-)Geschirr in den Händen halten dürfen, verdammt, auf nimmer wiedersehen zu verschwinden.
    Konsequente Entscheidungen gegen solche unsozialen Verhaltensweisen sind auf dem allwöchentlichen Plenum Fehlanzeige.
  • Debatte um interne Strukturen, Rauswürfe, Hausrechtsstreit und Versuch der Schließung von außen ... Indymedia-Bericht, O-Töne ++ taz-Bericht am 18.6.2006 ++ Neues Deutschland am 23.6.2008

Im Original: Aus Positionen
Aus dem taz-Bericht am 18.6.2006
"Wir müssen wissen, wer hier reinkommt. Denn eigentlich sollen wir schon längst raus sein", begründet ein Mann mit längeren dunklen Haaren, der sich als Sokrates vorstellt, die verschlossene Tür. ...
Silke Baumann gehörte zu der Gruppe, die am Donnerstag zur Räumung aufgefordert hatte. Für sie ist das alternative Projekt gescheitert. Der alltägliche Umgang sei zunehmend von Machtkämpfen, Demütigungen und Mobbing bestimmt gewesen, berichtet auch Thomas Knauf, der die OUBS mitgegründet hatte. ... Die Schließung wollen Knauf und seine MitstreiterInnen für einen Neustart des Projekts nutzen. ... Als Vorbild und Beispiel für einen gelungenen Neustart nennt Knauf den Projektraum in der Hermannstraße 48 in Neukölln. Auch er sei als Offener Raum, der von allen Interessierten aus dem Stadtteil genutzt werden sollte, in die Krise geraten, werde jetzt aber nach einer vorübergehenden Schließung mit einem neuen Konzept als Projektraum wieder verstärkt frequentiert.

Hinweis: Der Verweis auf den Projektraum in der Hermannstraße 48 deutet die Zielrichtung derjenigen an, die mit formalen Mitteln die Auseinandersetzung zu führen versuchen. Die H48 war nach einer euphorischen Offener-Raum-Phase geschlossen und dann kontrolliert, also nicht-offen, wieder eröffnet worden. Einige H48-Aktive zogen daraus die Konsequenz, künftig autoritäre Strukturen zu befürworten.

Aus der Erklärung der Gruppe, die eine formale Schließung der OUBs will/wollte:
Offener Raum bedeutet vor allem auch Schutzraum ... Die Verrücktheiten der kapitalistischen Verwertung und andere Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnisse können nicht einfach so vor der Eingangstür abgelegt werden. Dies bedeutet aber nicht sich einfach dem Schicksal hinzugeben und die Hände in den Schoß zulegen. Wir wollen für eine selbstbestimmte und emanzipatorische Praxis kämpfen. Dies tun wir, indem wir den Raum Offene Uni erstmal schließen, um eine funktionierende Organisationsstruktur (soll heißen Menschen die einander vertrauen und miteinander dieses Haus organisieren wollen) zu realisieren. Damit wollen wir nicht die Vielen bestrafen, die sich in der OUBS engagieren und die mit ihren Kursen und Veranstaltungen die OUBS zu einem interessanten und lebendigen Ort machen. Für uns bedeutet die Schließung, die Möglichkeit die Offene Uni wieder zu einem Frei- und Schutzraum zu machen! Wir wehren uns, gegen die Menschen, die Offenheit mit Sozialdarwinismus, Ausgrenzung und gezielten Grenzüberschreitungen gleichsetzen. ...
Wir stellen uns gegen diejenigen, die herrschaftliche Gewalt und Unterdrückung durch Personen billigen, unterstützen oder sogar selbst betreiben, indem sie Betroffene nicht schützen, sondern persönliche Demütigungen und strukturelle Ausgrenzung von Individuen zu einem Bestandteil von .Freiheit. verdrehen. Konkret bedeutet dies, dass in den letzten Monaten Mackertum, Homophobie und sexistische Grenzüberschreitungen in der OUBS zum Alltag gehörten und dass das mehrtägige Tragen eines Thor Steinar T-Shirts durch einen OUBS-Nutzer, maximal zu zaghafter verbaler Kritik und Aufklärungsversuchen führte. ...
Eine temporäre Schließung der "Offenen Uni" ist unabdingbar. Eine Zäsur wie diese stellt den einzig möglichen Ausgangspunkt für neue, gleichberechtigte Auseinandersetzungen um ein Projekt dar, das ein wirklicher Frei- und Schutzraum ist, das nicht durch Lautstärke und Dauerpräsenz dominiert wird, in dem Menschen nicht fürchten müssen, den üblichen gesellschaftlichen Gewaltverhältnissen mit anderen Mitteln ausgesetzt sein zu müssen.


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