Demokratie

STELLVERTRETUNG UND REPRÄSENTATION ALS FEINDE DER SELBSTBESTIMMUNG

Ein Hoch dem Parlamentarismus


1. Beispiele und Zitate
2. Ein Hoch dem Parlamentarismus
3. Mehr Stellvertretung!
4. Petitionen: "Bitte, bitte" an die Mächtigen
5. Links

Im Original: Vom Ex-Verfassungsgerichtschef
Aus Papier, Hans-Jürgen, "Einer Mutprobe für die Abgeordneten" in: FR, 27.2.2006 (S. 9)
Alle Gewalt geht vom Volk aus. ... Der Deutsche Bundestag ist auf der Ebene des Bundes das einzige Verfassungsorgan, das über eine unmittelbare Legitimation durch das Staatsvolk verfügt; in derselben Weise sind es in den Ländern - und zwar ausnahmslos und ausschließlich - die Landesparlamente, die unmittelbar vom Volk gewählt werden. Sämtliche anderen Verfassungsorgane in Bund und Ländern leiten ihre Legitimation von den Parlamenten ab. ... Die Macht der Parlamente in Deutschland könnte also - jedenfalls nach der Konstruktion unserer Verfassung - kaum größer sein. ...
Professionelle Lobbyisten sind in der Regel Experten auf ihrem Gebiet, deren Sachverstand sich für die Parlamentarier und deren Mitarbeiter - und übrigens genauso häufig auch für die Regierung und die Ministerialbürokratie - als weiterführend und wertvoll erweist. Gerade wirtschaftlich potente Interessengruppen bündeln häufig starke Ressourcen an Spezialwissen und Sachverstand, die sie der Politik in nicht geringem Umfang zur Verfügung stellen. Die diesbezügliche Unterstützung kann auch einmal bis zur Überlassung komplett ausgearbeiteter Gesetzentwürfe - auch und gerade in hochkomplexen rechtlichen Materien - reichen. ... Zunächst einmal ist offensichtlich, dass nicht alle innerhalb der Gesellschaft relevanten Interessen in gleicher Weise von gut organisierten Lobbyisten repräsentiert sind. Vielmehr entscheidet nicht zuletzt die wirtschaftliche Potenz einer Interessengruppe darüber, wie effizient deren Lobbyarbeit gestaltet wird und in welchem Maße die Interessengruppe auf den Politikbetrieb Einfluss nehmen kann. Eine echte Waffengleichheit der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen bei der Wahrnehmung ihrer Interessen mittels Lobbying wird es deshalb kaum geben. Schwächer repräsentierte Interessen können so leicht auch unter die Räder geraten. ...
Dies deshalb, weil die auf vielfältige Weise in Anspruch genommenen Abgeordneten mit dem Fachwissen und dem geballten Sachverstand einer starken Interessenvertretung nicht immer werden mithalten können. ...
Diese Interessenvertretung findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage nicht in dem Legitimationszusammenhang der - letztlich auf das Volk zurückführbaren - Ausübung von Staatsgewalt, sondern in der grundrechtlich gewährleisteten Freiheit, sich für die eigenen Belange einzusetzen. Weniger staatstheoretisch formuliert: Vom Volk gewählt und dem Volk verantwortlich sind nicht mehr oder weniger prominente Lobbyisten oder Mitglieder von Gremien und Kommissionen, sondern die Mandatsträger in den Parlamenten. ...
Sicher scheint mir aber eines: Je mehr das Wahlrecht dafür Sorge trägt, dass Abgeordnete als Person und Persönlichkeit und nicht als auswechselbares Glied von Parteilisten gewählt werden, desto eher kann es eine Mitgliederstruktur in den Parlamenten verhindern, die vorwiegend von Verbändeinteressen geprägt ist.
Unter den gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen moderne Demokratien - sei es in Deutschland, sei es in anderen Staaten vergleichbarer Größenordnung - funktionieren, gibt es keine Alternative zur parlamentarischen Repräsentation des Volkes.

* Papier war damals Präsident des Verfassungsgerichts, also Deutschlands formal oberster "Verfassungsschützer"

Noch mehr Parlamente
Aus der Internetseite zum Buch von Heinrichs, Johannes (2003), "Revolution der Demokratie", Maas-Verlag Berlin
Heinrichs konzipiert vier Parlamente mit eigenständigen Aufgaben, eigenständiger Verantwortung und eigenständiger Besetzung, nämlich ein Grundwerteparlament, ein Kulturparlament, ein Politikparlament und ein Wirtschaftsparlament. Die Gesetze dieser Parlamente sind alle verbindlich. Das erfordert Kompetenzgrenzen oder Vorrangregelungen. Legitimation verschaffen die Entscheidungen des GrundwerteParlaments. Diese Entscheidungen können nicht diskursiv ermittelt werden, sondern müssen, den Zeitläufen gemäß, von Abgeordneten getroffen werden, die in das Vertrauen des Volkes eingebettet sind. Die Entscheidungen der anderen Parlamente müssen sich in die Grundentscheidungen einfügen.

Aus Kropotkin, Peter (1985): "Gesetz und Autorität", Libertad Verlag in Berlin (S. 9)
Dann sehen wir eine Rasse von Gesetzmachern, welche Gesetze macht, ohne zu wissen worüber. Heute stimmen sie über die Reini gung einer Stadt ab, ohne die geringste Kenntnis von Hygiene zu besitzen, morgen über Truppenbewaffnung, ohne nur eine Flinte zu kennen; machen Gesetze über Volksunterricht und Lehrmethoden, ohne jemals imstande zu sein, ihren eigenen Kindern eine rechtschaffene Erziehung zu geben oder je irgendeinen Unterricht erteilt zu haben; ...

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