PRAXIS: EXPERIMENT, AKTION UND ALLTAG
Utopien entwickeln, benennen und vorantreiben
1. Einleitung
2. Demaskierung des Herrschaftsförmigen in Verhältnissen und Beziehungen
3. Herrschaft abwickeln
4. Aneignung und Austeilen
5. Beteiligungsmöglichkeiten ausdehnen, Hemmnisse abbauen
6. Alternativen und Gegenkultur
7. Utopien entwickeln, benennen und vorantreiben
8. Experimente und Anwendungsfelder
9. Aktion: Öffentlichkeit und Widerstand
10. Links
Schließlich gehört zur Idee herrschaftsfreier Gesellschaft die Debatte über Utopien selbst. Es geht nicht um den Entwurf des exakten Bildes, sondern um das Ringen um Fragen und Antworten, Entwürfen und Möglichkeiten. Was ersetzt Strafe? Wo kommen die Brötchen her? Was passiert mit Vergewaltigern? Wird dann die Umwelt nicht noch krasser ausgebeutet? Und wenn doch jemand eine Waffe hat? Solche und viele, viele weitere Fragen müssen zugelassen und offensiv angegangen werden ...
Aktionen mit utopischem Gehalt entwickeln sich schnell, wenn unersetzbare Bestandteile der "Norm"alität angegriffen werden. Wer den Castor stoppt oder Nazis vertreibt, erzeugt die Debatte über diese (und meist noch über die rabiate Polizei mitsamt oft undurchdachter Reaktionen auf Polizeigewalt). Der Rest bleibt unangefochten. Das ist trotzdem nicht verkehrt, führt aber zu breiteren Debatten, wenn z.B. Justiz, Diskurse und Wahrheiten, ökonomische Grundlagen wie Eigentum oder Verwertungslogiken in Frage gestellt werden. "Aber das geht doch nicht", wäre als Reaktion die sichere Erkennungsmelodie, dass die Angesprochenen verstehen ... Dabei sind solche Aktionen nicht unbedingt aufwändiger, regelmäßig aber zumindest im Grenzbereich zwischen Legalem und Illegalem, weil das Recht als Normensammlung des Gestern die traditionelle und dominante Auffassung von Gesellschaft wiederspiegelt. Was würde geschehen, wenn an vielen kleinen Orten Kopierstationen für copyrightgeschützte Texte, Bilder oder Codes stünden - und sei es nur für ein paar Stunden, aber gut sichtbar und inhaltlich gut begründet. Welch massive Reaktion hatte einst der kleine, aber doch kühne Entschluss von Rosa Parks, sich nicht mehr auf die für Schwarze vorgesehenen Sitzplätze im Bus niederzulassen. Politische und alternative Bewegungen sind seltsam zurückhaltend, ängstlich, normalitätsverliebt.
Ganz ähnlich lassen sich viele Formen der Aneignung ausdehnen und mit Debatten oder Forderungen zu Utopien verbinden. Wer ein Haus besetzt oder eine Fläche zum öffentlichen Garten macht, kann mit Forderungen und Ideen für eine Gesellschaft jenseits von Verwertungslogik und Eigentumsfetisch aufwarten. Das Konkrete tun, das Weitergehende fordern und das Utopische offen diskutieren, passen gut zusammen. Das Zeitalter, im dem die vorsichtige Bemerkung "Eine andere Welt ist möglich" schon fast revolutionär wirkt, weil auch politische Bewegung im "There is no alternative" (TINA-)Syndrom darbt, muss endlich zuende gehen. Denn der Impuls, für eine andere Welt auch einzutreten und sie Stück für Stück zu verwirklichen, entspringt selten dem Elend, öfter aber der Zuversicht, dass es etwas Besseres gibt.
- In Veranstaltungen zum Thema.
- Durch direkte Aktionen in der Öffentlichkeit, die gezielt weitergehende Debatten anregen statt immer nur Detailveränderungen einfordern und damit indirekt aussagen: Das Bestehende ist prinzipiell ganz o.k. – diese Welt bzw. dieses Deutschland ohne Castor, Nazis oder mit Tobin Tax wäre eine schöne Sache ...
- Veröffentlichungen, organisierte Diskussionen usw.
Aktionen mit utopischem Gehalt entwickeln sich schnell, wenn unersetzbare Bestandteile der "Norm"alität angegriffen werden. Wer den Castor stoppt oder Nazis vertreibt, erzeugt die Debatte über diese (und meist noch über die rabiate Polizei mitsamt oft undurchdachter Reaktionen auf Polizeigewalt). Der Rest bleibt unangefochten. Das ist trotzdem nicht verkehrt, führt aber zu breiteren Debatten, wenn z.B. Justiz, Diskurse und Wahrheiten, ökonomische Grundlagen wie Eigentum oder Verwertungslogiken in Frage gestellt werden. "Aber das geht doch nicht", wäre als Reaktion die sichere Erkennungsmelodie, dass die Angesprochenen verstehen ... Dabei sind solche Aktionen nicht unbedingt aufwändiger, regelmäßig aber zumindest im Grenzbereich zwischen Legalem und Illegalem, weil das Recht als Normensammlung des Gestern die traditionelle und dominante Auffassung von Gesellschaft wiederspiegelt. Was würde geschehen, wenn an vielen kleinen Orten Kopierstationen für copyrightgeschützte Texte, Bilder oder Codes stünden - und sei es nur für ein paar Stunden, aber gut sichtbar und inhaltlich gut begründet. Welch massive Reaktion hatte einst der kleine, aber doch kühne Entschluss von Rosa Parks, sich nicht mehr auf die für Schwarze vorgesehenen Sitzplätze im Bus niederzulassen. Politische und alternative Bewegungen sind seltsam zurückhaltend, ängstlich, normalitätsverliebt.
Ganz ähnlich lassen sich viele Formen der Aneignung ausdehnen und mit Debatten oder Forderungen zu Utopien verbinden. Wer ein Haus besetzt oder eine Fläche zum öffentlichen Garten macht, kann mit Forderungen und Ideen für eine Gesellschaft jenseits von Verwertungslogik und Eigentumsfetisch aufwarten. Das Konkrete tun, das Weitergehende fordern und das Utopische offen diskutieren, passen gut zusammen. Das Zeitalter, im dem die vorsichtige Bemerkung "Eine andere Welt ist möglich" schon fast revolutionär wirkt, weil auch politische Bewegung im "There is no alternative" (TINA-)Syndrom darbt, muss endlich zuende gehen. Denn der Impuls, für eine andere Welt auch einzutreten und sie Stück für Stück zu verwirklichen, entspringt selten dem Elend, öfter aber der Zuversicht, dass es etwas Besseres gibt.
Aus Wilde, Oscar (1970): "Der Sozialismus und die Seele des Menschen", Diogenes
Eine Weltkarte, in der das Land Utopia nicht verzeichnet ist, verdient keinen Blick, denn sie läßt die eine Küste aus, wo die Menschheit ewig landen wird. Und wenn die Menschheit da angelangt ist, hält sie Umschau nach einem besseren Land und richtet ihre Segel dahin. Der Fortschritt ist die Verwirklichung von Utopien. (S. 35)