Demokratie

MORDE, PRÜGEL, DROHUNGEN: GEWALT ALS ALLTAG DER POLIZEI IN GIESSEN (VOR ALLEM 2006)

Tote durch Polizeieinsätze! In Gießen definieren die Täter den Tatablauf...


1. Einleitung
2. Viele Fälle von Polizeigewalt in Gießen samt Vertuschung
3. Tote durch Polizeieinsätze! In Gießen definieren die Täter den Tatablauf...
4. Fallbeispiel Gießener Polizeigewalt aus alten Zeiten
5. Die Hintermänner und -frauen
6. Links und Infos zum Thema

Am 29.1.2006 hetzte die Polizei am Bahn-Haltepunkt "Oswaldsgarten" in Gießen eine Person auf die Gleise, wo sie von einem Zug erfasst und getötet wurde. Die Presse veröffentlichte ausschließlich die Informationen der potentiellen Täter (Polizei), die meisten politischen Gruppen in Gießen (Anti-Deutsche, Antifa, FAU, DL, AStA, Linkspartei, WASG ...) schwiegen zu allem, der AusländerInnenbeirat musste überhaupt erst zum Nachdenken geweckt werden und schrieb dann einen Brief mit der Bitte um Aufklärung ... an die Täter.

Aktionen
  • Bericht auf de.indymedia.org: Spruchblasen, Flugis und rote Farbe gegen die tödliche Polizei-Hetzjagd vom 29. Januar 2006
  • Polizei Macht Tot - vierseitiges Flugblatt zum Vorfall, autoritärer Zuspitzung und Auswegen als .pdf (360kb)
  • Gefälschtes Schreiben des Bürgermeisters in der Stadt (Rechts: Aus der FR am 18.2.2006) ... Indybericht darüber hier!

Hintergründe, kritischer Blick

Es klingt unglaublich: Ein Mensch kommt ums Leben. Die Personen, die den Tod verursacht haben könnten, können schon Minuten später die Tatabläufe definieren. Natürlich sind sie unschuldig und alles war ein Unglück. JournalistInnen fragen gar nicht erst nach, die Polizei sucht keine ZeugInnen und ermittelt lieber gar nicht. Warum? Ganz einfach: Die möglichen TäterInnen sind selbst bei der Polizei. Und die ermittelt nicht gegen sich selbst, die Staatsanwaltschaft deckt alles – und die Presse schreibt, was die Polizei sagt. Wie immer.
So war es in Gießen, als im September 2004 ein Rentner erschossen wurde. So ist es jetzt wieder, als ein Mensch auf der Flucht vor der Gießener Polizei stirbt. Das Geschehen scheint weder untersucht zu werden noch wurden unabhängige ZeugInnen bisher überhaupt gesucht. Das Ergebnis aber steht fest: „Am Sonntag, den 29.1.06, gg. 22.53 Uhr, kam es auf der Bahnstrecke Kassel-Frankfurt, in Höhe Dammstraße, zu einem Unfall, bei dem ein Mann, dessen Identität noch nicht zweifelsfrei geklärt ist, auf den Gleisen von einem Zug erfasst und getötet wurde. Einer Streife der Polizeistation Gießen-Süd fiel gg. 21.45 Uhr in der Innenstadt ein PKW Peugeot-Boxer auf, der mit erhöhter Geschwindigkeit unterwegs war und eine Ampel bei Rotlicht passierte. Das Fahrzeug, das mit drei Personen besetzt war, konnte im Bereich Westanlage/Bahnhofstraße angehalten werden. Die am PKW angebrachten Kennzeichen waren entstempelt, bei der Personalienüberprüfung flüchtete der Fahrer zu Fuß.“ Woher weiß mensch das alles? Es steht genau so in der Polizei-Pressemitteilung. Die Medien, die über den Vorgang berichteten, druckten es teils wörtlich, teils gekürzt ab. Der Gießener Anzeiger schmückte das Drama so noch aus: Der Fliehende hätte „erheblichen“ Widerstand geleistet, der Zusatz war in den Informationen der Polizei gar nicht enthalten.
Bei einem kritischen Blick fallen sofort etliche Ungereimtheiten auf: Was ist mit den beiden anderen Insassen des Autos? Woher ist überhaupt sicher, dass die getötete Person auch der Fahrer war, wenn doch nicht einmal die Identität festgestellt war zu dem Zeitpunkt? Was ist „erhöhte Geschwindigkeit“ und welche ZeugInnen gibt es für die Durchfahrt bei „Rotlicht“? Welchen Status hatte der Algerier? Nicht-Deutsche haben in der bestehenden Abschieberepublik viele Gründe für erhebliche Ängste! Der Ausländerbeirat der Stadt Gießen hat das Ganze nicht einmal richtig registriert – wer ist da gestorben, dass es niemanden interessiert und niemand Fragen stellt? Warum brach die Polizei die Verfolgung nicht spätestens dann ab, als klar war, dass der Verfolgte wegen ihrer Anwesenheit die Schienen nicht verließ? Warum finden sich in den Polizeimitteilungen keine Aufrufe an etwaige ZeugInnen, sich zu melden, wie es sonst üblicherweise der Fall ist?
In einer von der Polizeiführung dominierten Informationspolitik gibt es wenig Möglichkeiten, unabhängige Informationen zu bekommen. Daher ist es nicht möglich, die Aussagen der Polizei bereits als Lügen zu bezeichnen. Aber: Es ist ein Mensch gestorben. Wenn es ein Verschulden anderer daran gibt, kann es nur die Polizei sein. Wie aber kann es geschehen, dass ausgerechnet diese potentiellen Täter, die bei schuldhaftem Verhalten des Mordes angeklagt werden müssten, von allen (!) Medien und Agenturen als Lieferanten von Tatsachenbehauptungen angesehen werden?

Chancenlos: Das Justizsystem verhindert unabhängige Untersuchungen!
Die Abläufe des Dramas in der Nacht vom 29. auf den 30.1.2006 am Gießener Oswaldsgarten werden wahrscheinlich auf ewig ungeklärt bleiben, weil möglicherweise Mörder und ihre Vorgesetzten die Ermittlungen organisieren. Ihr Ziel wird in jedem Fall sein, so wenig Informationen wie möglich zu bekommen und noch weniger zu veröffentlichen. Die polizeinahe, von den gleichen Kreisen der hessischen Landesregierung beaufsichtigte und kontrollierte Staatsanwaltschaft Gießen wird wie üblich die Ermittlungen einstellen, wenn sich die Wogen geglättet haben. Auch wenn es absurd klingt, wird es so sein: Die Staatsanwaltschaft wird die Institution mit den Ermittlungen beauftragen, aus deren Reihen die möglichen Täter kommen. Die agierenden Polizisten in der dramatischen Nacht sind nur dann keine Täter im strafrechtlichen Sinn, wenn die Version der Polizei vom tragischen Unglücksfall mit voller Selbstverschuldung des getöteten Täters erhalten bleibt. Unter den aktuell herrschenden Bedingungen in der Justiz ist das der Normalfall. Eine Studie für das Land Berlin ergab kürzlich, dass nur in 0,4 Prozent aller Fälle, wo Polizisten im Verdacht standen, Straftaten begangen zu haben, eine Verurteilung erfolgte (Quelle: Junge Welt vom 19.01.2006).

Kein Einzelfall: Polizeimord im September 2004
Selbst in Gießen ist der Ablauf kein Einzelfall. Im September 2004 wurde ein Rentner von der Polizei erschossen. Damals hieß es, der Rentner hätte aus nächster Nähe auf die Beamten geschossen und diese hätten ihn aus Notwehr erschossen. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen erwartungsgemäß ein. Die interessanten Fragen blieben offen: Warum hatte der Rentner mit keinem Schuß die doch nach Polizeiangaben direkt vor ihm stehenden Beamten getroffen, die Beamten aber ihre Schüsse sofort trotz viel weniger Vorbereitungszeit direkt in den Kopf des Rentners gezielt? Warum haben AnwohnerInnen nur soviel Schüsse gehört, wie von den Beamten abgefeuert wurden? Das und vieles mehr wird nie zu erfahren sein, denn in dieser Gesellschaft werden Ermittlungen nur von denen geführt, die in vielen Fällen von Gewaltanwendung und Straftaten die Täter sind: Die Polizei.

Gießener Verhältnisse
Die Leichtigkeit, mit der die Polizei als Quelle aller Wahrheit in die Presse übernommen wird, ist vor allem in Gießen doppelt skandalös, denn hier wurde von unabhängigen Gruppen in den vergangenen Jahren minutiös untersucht, wie Polizei, aber auch Staatsanwaltschaft und Gerichte selbst Beweise fälschten, Strafanzeigen gegen Angehörige von Polizei und Regierungen verschleppten und sogar z.B. Fotos vernichteten oder einen Brandsatz erfanden, um unerwünschte Personen kriminalisieren zu können. Ermittlungen zu solchen Vorgängen hat die Gießener Staatsanwaltschaft immer abgelehnt, gerichtliche Überprüfungen lehnten die Gerichte ab. Die Ergebnisse der umfangreichen Untersuchungen sind in zwei Dokumentationen veröffentlicht worden – ohne Wirkung, wie der neueste Vorgang zeigt. Die Polizei, längst mehrfach der gezielten Fälschung und Lüge überführt, gilt immer noch als glaubwürdige Quelle. Dabei spielen auch die Medien selbst eine erhebliche Rolle. Über den Tod des von der Polizei Gejagten berichtete z.B. für den Gießener Anzeiger der Pro-Polizei-Vorstandsfunktionär Lamberts, für die Gießener Allgemeine der stadtregierungsnahe Ressortchef Guido Tamme, der schon mal in einem Kommentar forderte, dass Obdachlose die Bänke in städtischen Parks nicht benutzen dürften.

Zuspitzung autoritärer Politik
Seit Jahren wird mit gefälschten Statistiken und dem vermeintlich überall lauerndem Terror Angst geschürt. Die „gefühlte Kriminalität“ wächst ständig, während die tatsächlichen Gewaltverbrechen wie Vergewaltigung, Mord usw. zurückgehen. Zuspitzungen gibt es meist nur dort, wo staatliche Gewalt zunimmt und in der Folge Menschen Perspektiven verlieren – z.B. durch Armut, Diskriminierung als Nichtdeutsche oder durch Haftstrafen. In Gießen findet zunehmend mehr Gewalt durch die neue Sonderpolizeieinheit in der Innenstadt statt. Vertreibungen und Säuberungen werden ungeniert als Erfolge dargestellt wie durch den Pro-Polizei-Funktionär Lamberts im Gießener Anzeiger: „Die verstärkten Kontrollen und die deutliche Polizeipräsenz in der Innenstadt tragen offensichtlich Früchte. ... Die Szene ist weitgehend aus der Innenstadt verdrängt worden ... Am 16. September hatte Polizeipräsident Manfred Schweizer und Oberbürgermeister Heinz-Peter Haumann das Konzept "Einsatzgruppe Innenstadt" vorgestellt. Seitdem wurden 900 Personen kontrolliert, 292 Platzverweise erteilt, 166 Ordnungswidrigkeitsanzeigen überwiegend nach der städtischen Gefahrenabwehrverordnung erstattet und zahlreiche Strafverfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet.“
Wer die Politik der letzten Jahre aufmerksam verfolgt, wird abschätzen können, das hier nur die Anfänge einer autoritären Zuspitzung zu beobachten sind, die aber schon jetzt für viele Menschen unvorstellbare Härten bedeuten. Protest und weitergehend Widerstand, d.h. das Verhindern der Ausdehnung von Überwachung und Terrorisierung vieler Personenkreise durch Ordnungsstrukturen der Stadt und des Staates sind nicht nur im Interesse der betroffenen Menschen nötig, sondern nach der hessischen Verfassung auch geboten. Dort heißt es deutlich. „Widerstand gegen verfassungswidrig ausgeübte öffentliche Gewalt ist jedermanns Recht und Pflicht.“ Die Justiz selbst aber wird bei der Verwirklichung dieses Gedankens nicht helfen, da sie Teil derselben Regierung ist, die auch Ordnungskräfte und –apparate befehligt. Daher werden das die Menschen selbst in die Hand nehmen müssen.

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