Demokratie

AKTIONEN GEGEN ATOMKRAFT

Aktion vor dem Grünen-Parteitag 2001


1. Beispiele und Ideen
2. Aktion vor dem Grünen-Parteitag 2001
3. Links zu Anti-Atom

Bericht zu den Aktionen ... und kritische Gedanken zur (Nicht-)Handlungsfähigkeit politischer Gruppen
Ich bin dort zu einem kleinen Bündnis eingeladen worden, mitzumischen. Das war alles sehr kurzfristig. Gleichzeitig wusste ich von „meiner“ lokalen Anti-Atom-Gruppe (wo ich an den letzten zwei Plena teilnahm), dass sie hinfahren wollte. Auf meine Fragen gab es aber keine Antworten. So beteiligte ich mich an dieser kleinen Bündnisgeschichte.
Samstag morgen traf ich vor der Messehalle ein, wo die Grünen waren. Zu meinem Erstaunen standen da andere Anti-Atom-Gruppe, u.a. ebene die oben genannte aus der Nähe hier. Das hat mich schon als erstes geaergert, dass hier mindestens Intransparenzen wieder mal Kooperationen verhinderten, möglicherweise war die Trennung sogar bewusst (weil mensch mit Projektwerkstatt oder mit Linksruck nicht zusammenarbeiten wollte). Als wir kamen, führen die anderen deutschen Gruppen ausnahmslos weg!!! (nur eine Soli-Gruppe, die gegen Rüstungsexporte protestierte blieb, machte auch bei uns mit, beteiligte sich mit einem Redebeitrag usw.
„Unsere“ Aktion war zunächst eine angemeldete Demo mit einigen Strassentheaterszenen und viel Parolen (am griffigsten war wohl „Grüne zurück auf die Strasse! Grüne zurück auf die Schienen!“). Da wir nur ca. 40 Leute waren und Regen und an der Messe eigentlich auch kaum Leute sind, machte das wenig Sinn. Dann aber entwickelte sich eine Dynamik, die mich im Nachhinein doch sehr freut - und die auch in vielen Punkten sehr gut zeigte, wie Direkte Aktion laufen und wirken kann. Die Gruppe ging massiv auf das Gebäude zu und lieferte sich dann schon eine ganz ordentliche „Schlacht“ mit den Securities. Ca. 15 Leute brauchen auch schliesslich durch (ich gehörte dazu, deshalb kann ich berichten) und stand im Foyer mit Transpi und Sprechchören. Daraufhin kam es zu einem massiveren Bulleneinsatz. Einige Basisgruene gesellten sich zu uns und liessen sich mit raustragen. Draussen gab es immer wieder Besprechungen und Entscheidungen, die Grünen reagierten erst recht ablehnend und desinteressiert bis schliesslich Claudia Roth und Bütikofer selbst rauskamen. Eine Einigung gab es nicht. In den Debatten, die (nach anfänglichem Üben und auch einigen Diskussionen darum) excellent transparent und basisdemokratisch ausgetragen wurden, setzte sich sehr klar eine klare Positionierung gegen eine Akzeptanz der Spielregeln von Delegationen usw. durch. Wir forderten die Grünen auf, die Sitzung zu unterbrechen und zu uns rauszukommen - Gruene zurück auf die Strasse.
Das war natürlich nicht mehrheitsfähig, aber ca. 50 Gruene verliessen schliesslich den Parteitag und kamen zu einer längeren Debatte, Ankündigungen von Widerstand usw.
Damit sind die Grünen nicht besser, das war auch nicht der Punkt. Sondern die Symbolik der Aktion, sich nicht integrieren zu lassen und auch mit 40 Leuten eine sehr deutliche Entschlossenheit zu zeigen. Das ganze geschah unter massiver Pressepräsenz. Auch das 1x1 der direkten Aktion:
Aktion(en)-Erregungskorridor-Inhalte war sehr gut umgesetzt ... es gab immer wieder spontane Redebeiträge und inhaltliche Inputs. Insgesamt haben wir ca. 4 Stunden Aktion gemacht und auf der Situation recht viel rausgeholt. Und wir haben sehr deutlich gezeigt und auch in der internen, offenen Diskussion recht hohe Einigkeit erzielt, dass wir unsere Spielregeln selbst machen und nicht die vom System oder Teilen desselben setzen lassen. Das hat z.B. Roth und Bütikofer auch ziemlich sauer gemacht (was ich gut und ein Zeichen fand, dass es auch klar wurde).
Die Aktion ist ein weiteres Zeichen, dass wir für gute Aktionen nicht auf Massenbewegung warten sollten. Jetzt - das ist der richtige Zeitpunkt. Wichtig ist mir das auch noch aus einem anderen Grund: Mit bei allem dabei waren viele Linksruckies aus verschiedenen süddeutschen Basisgruppen. Wieder habe ich nicht mit allem übereingestimmt, was sie gesagt haben. Und auch bei der Art, wie wir draussen diskutiert haben, habe ich ein paar Kritiken eingebracht. Aber alle haben dann mitgemacht bei der Idee solcher Entscheidungsfindungsprozesse.
DAS IST IN DEN STRUKTURLINKEN GRUPPEN IN DEUTSCHLAND BEDEUTET SCHLIMMER. WENN
ICH DIE 3-4 FÜHRUNGSMACKERiNNEN IN PHILIPPSBURG IN ERINNERUNG HABE, DANN KANN ICH NUR NOCHMAL SAGEN: LIEBER MIT LINKSRUCK! Und nebenbei sind die noch druckvoller, kreativer, entschlossener als die verbalradikalen Strukturlinken. Alles ist noch weit weg von dem, wovon ich träume. Aber ich möchte mehr machen mit denen, die wenigstens Lust haben, sich auf den Weg zu machen - und nicht versuchen, mit Ab- und Ausgrenzungen, Langeweile und Verkrustung irgendwie die schlechte Gegenwart auch in die Zukunft zu retten.
Die Aktion gegen die Grünen war nicht so wichtig, von vorneherein nicht. Aber sie hat Lust gemacht auf mehr. Fragt sich, mit wem alles. Wichtig sind nicht nur kreative und direkte Aktionen, sondern auch der gemeinsame Prozess der Debatte und der Entwicklung von Handlungsfähigkeit. Dass schon X-1000mal-Queris nachfragen, ob es denn auch der Entwicklung von Aktionsfähigkeit was geworden ist (Aufruf zum zur Direct-Action-Netzwerk), sollte uns zu denken geben, die wir mit Umweltschutz-von-unten, DAN und Hoppetosse, Neolib und Prag2000 mal gestartet sind, Neues entstehen zu lassen. Von dem Sturm ist nur noch ein laues Lüftchen.

Ich finde wichtig:
  • Bildung von Basisgruppen die eine theoretische Debatte zu direkter Aktion, Erregungskorridoren und emanzipatorischen Positionen und Visionen führen (bzw. mit bestehenden Gruppen darauf einsteigen oder sich beteiligen)
  • Regionale Vernetzungen, Veranstaltungsreihen
  • Autonome Strukturen aufbauen oder sich daran beteiligen (Zentren, Medien usw.)
  • Überregionale Aktionsfähigkeit erreichen, Treffen organisieren usw.

Neben Castor und dem geplanten Direct-Action-Gathering Pfingsten (was unbedingt mal ein paar mehr Leute braucht, die loslegen) möchte ich weiteres Ereignis vorschlagen, eine überregionale Aktionsfähigkeit und emanzipatorische Positionen zu schaffen: Die UN-Konferenz zum Klima vom 16.-27.7.2001 in Bonn.

Redebeitrag "Hinter dem Castor steht das System"
Der Castor fährt nicht nur, weil Grüne so schlapp sind. Weil Trittin und Schröder nur früher gegen die Atomkraft kämpften, als sie wenig zu sagen hatten. Weil Gutachten gekauft sind und überall Lügen und Betrug herrschen. Das alles stimmt auch, aber es ist nicht der Grund.
Sondern: Der Castor kann rollen, weil wir in einer Welt leben, in der es Herrschaft und Verwertungslogik gibt, allen voran in der Form von Markt und Kapital.

Markt und Verwertung haben die Gesellschaft und unser Leben bis in die letzte Ecke erfaßt. Alles wird verwertet, alles der Logik von Verwertung und Profit unterworfen. Alles, was verwertbar ist, wird verwertet: Arbeitskraft, Kreativität, Boden, Wasser oder Luft, neuerdings die Gene, Krankheit und Gesundheit, Gedanken und Ideen. Und eben auch irgendwelche herumstehenden Atomkraftwerke. Ohne Verwertungs- und Profitlogik würde kein Castor fahren.
Aber er würde auch nicht fahren ohne die Herrschaft, hier den Staat, der Verwertung und Profit sichert, aber zudem eigene Logiken aufweist. Diese Facetten sind untrennbar mit der Herrschaft und damit auch immer mit Regierungen und Institutionen verbunden. Es gibt keinen guten Markt und keinen guten Staat. Eine dieser Logiken will ich nennen: Herrschaft bedeutet die Möglichkeit, die Folgen eigener Entscheidungen auf andere abzuwälzen. Und darum fährt der Castor. Müßten Konzerne und Regierungen die Brennstäbe im eigenen Garten lagern – es gäbe keine Atomkraft. Urangewinnung, Transporte, Uranverarbeitung und Wiederaufarbeitung – nix gäbe es ohne die Existenz von Herrschaft.
Verwertung und Herrschaft, Markt und Staat sind zwei Seiten derselben Medaille. Wer behauptet, sie stünden einander gegenüber, hat eine falsche Analyse. Ohne die Büttel und ExekutorInnen der Enteignung, der öffentlichen Meinungsmache, inneren Sicherheit und sogenannten Rechtssprechung, ohne all diese Institutionen mit ihren Paragraphen oder Knüppeln in der Hand wäre auch Profit nicht möglich. Und der Castor würde nicht rollen.
Herrschaft und Verwertung, Staat und Markt sind überall, sie sind die durchgreifenden Wirkungsmechanismen überhaupt. In ihnen und mit ihnen gibt es nichts Richtiges im Falschen.

Und darum möchte ich aufrufen ...
  • zu einem Widerstand, der die Symbole angreift, aber die dahinterstehenden Mechanismen von Herrschaft und Verwertung benennt.
  • zu einem Leben und einer Politik, die sich lossagt von Staat und Markt. Sie sind keine Partner, sondern Gegner!
  • für einen politischen Stil, der in den Menschen die Verbündeten sucht und findet, nicht in FunktionärInnen, Parteien oder Institutionen.

Wir stehen hier vor dem Parteitag der Grünen. Viele trauern den Grünen hinterher, erinnern an ihre Wurzel und beweinen den Verlust der Glaubwürdigkeit. Diese Analyse ist falsch. Es gibt keine Herrschaft ohne Kontrolleure und das Abschieben der Folgen. Es gibt keine Marktwirtschaft ohne Verwertung und Profit.
Darum konnten die Grünen gar nicht anders. Sie sind ein Teil der Herrschaftssysteme und daher sind sie nicht nur den Machtmechanismen unterworfen – nein, sie reproduzieren sie selbst. Sie sind nicht Opfer, sondern Täter. Allen, die Teil von Herrschaft und Verwertung werden, würde das passieren. Und es passiert – überall. Wo immer sich Firmen, die mit Idealen starten, auf den Markt einlassen, werden sie selbst zu denen, die die Marktmechanismen durchsetzen. Wo immer sich Gruppen oder Institutionen der Herrschaft bedienen, mit dem Staat paktieren, reproduzieren sie deren Logiken selbst.
Nein, die Grünen haben keine Fehler. Sie und alle anderen Teile der Herrschaft sind der Fehler. Und zwar von Anfang an.
Es geht nicht darum, die Grünen aus der Anti-Atom-Bewegung zu verabschieden, sondern sich von der Idee zu verabschieden, daß emanzipatorische Politik mit Markt und Staat möglich sind!
Aus dem Widerstand verabschiedet sich nicht erst, wer die letzten Ideale über Bord wirft, sondern wer selbst zum aktiven Teil von Markt oder Herrschaft wird – oder zu deren Bütteln und HelfershelferInnen.

Aber ich möchte noch etwas schlußfolgern:
Wenn Staat und Markt der Grund und der Rahmen für Unterdrückung, Ausbeutung und Zerstörung sind, dann können die von ihnen und zu ihrem Schutz gemachten Gesetze nicht die unsrigen sein. Der Rahmen für unseren Widerstand kann nicht aus den Spielregeln derer bestehen, gegen die sich unser Widerstand richtet.
Daher rufe ich auf zu allen kreativen, direkten, inhalts- und einfallsreichen und für das Leben, vor allem ein besseres und selbstbestimmtes Leben eintretenden Aktionen. Wählen wir unsere Formen selbst. Zeigen wir die Direktheit und Vielfalt, die in den Menschen auch tatsächlich schlummert, wenn sie nicht den Zwängen von Verwertung und Herrschaft unterworfen sind.
Machen wir den Castor zu einer wirkungsvollen Aktion gegen die Atomkraft, gegen die dahinterstehenden Logiken und für eine Welt von unten. Stoppt Castor! Stoppt Herrschaft und Verwertung!

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