Demokratie

BLICKE HINTER DIE MAUERN

Berichte von eingesperrten Polit-Aktivistis


1. Informationen zum "Leben" im Knast
2. Berichte vom Umgang der Knastleitungen mit politischen Engagement und Solidarität
3. Berichte von eingesperrten Polit-Aktivistis
4. Leben, Gesundheit und Sterben im Knast
5. Pit Scherzls Notizen über die Missstände, die er im Knast erlebte
6. 12 Jahre Knast für Anschlag auf Arbeitsamts-Chef
7. Berichte von Thomas Meyer-Falk
8. Berichte aus dem Gießener Gefängnis (Gutfleischstraße)
9. Gerichtlich geklärte Bedingungen
10. Mehr Knastberichte
11. Rechte Ideologieschmiede Knast

Politische AktivistInnen im Knast
Aus dem Umfeld der Projektwerkstatt waren schon etliche Menschen eingesperrt - auch im "richtigen" Knast, nicht nur im Polizeigewahrsam (was oft verwechselt wird). Manche haben auch Erfahrungen mit der (Zwangs-)Psychiatrisierung. Aber verglichen mit den vielen, die in so auch genannten und anderen Knästen über Jahre und Jahrzehnte festgehalten, isoliert und unterworfen werden, sind das noch eher harmlose eigene Erfahrungen (bisher bis max. 6 Monate Eingesperrtsein) - wichtig aber für die klare Überzeugung: Diese Welt wäre ohne Strafe und Knast schöner (und ohne Staat, Kirchen, Polizei, Gerichte, normierende Diagnosen, erzwungendes Lernen, Einteilen in Rassen, Geschlechter und und und ...
Trotzdem hier ein paar Hinweise auf gesammelte Eindrücke derer, die als PolitaktivistInnen im Knast waren:

Im Original: 8 Tage U-Haft in Stammheim
Kurzfassung
Dienstag, 14. Mai ... die Konzernchefs und viele weitere TeilnehmerInnen der „Jahrestagung Kerntechnik“ betreten die Suttgarter Liederhalle. Nur ca. 30 Protestierende sind trotz bundesweiter Mobilisierung in Anti-Atom-Kreisen vor dem Eingang. Zwei versuchen eine Sitzblockade im Eingang – der Rest guckt zu. Weitere Aktionen folgen. Vom Dach des neben dem Eingang stehenden Hochhauses wird ein Transparent heruntergelassen, Rufe ertönen von oben. Die Polizei versucht vergeblich, auf das Dach zu gelangen – die Türen sind verbarrikadiert. Drei Stunden können 6 Aktivisten aus Stuttgart und Mittelhessen am dem Dach agieren. Dann ist Schluß: Polizeigewahrsam – und für einen endet es in Stuttgart-Stammheim. 8 Tage Hauptverhandlungshaft, verschärfte Sicherheitsvorkehrungen beim Prozeß – aber dennoch einige Aktionen.
Knast ist die härteste Herrschaftsform des Staates. Daher sind die Strukturen von Knästen ein wichtiges Feld der Kritik von Herrschaft. Und die Knäste könnten Symbole für den Widerstand werden.

8 Tage U-Haft in Stammheim ... Ansichten und Innenansichten aus dem Knast
Dienstag, 14. Mai ... die Konzernchefs und viele weitere Teilnehmis* der „Jahrestagung Kerntechnik“ betreten die Suttgarter Liederhalle. Nur ca. 30 Protestierende sind trotz bundesweiter Mobilisierung in Anti-Atom-Kreisen vor dem Eingang. Zwei versuchen eine Sitzblockade im Eingang – der Rest guckt zu. Weitere Aktionen folgen. Vom Dach des neben dem Eingang stehenden Hochhauses wird ein Transparent heruntergelassen, Rufe ertönen von oben. Die Polizei versucht vergeblich, auf das Dach zu gelangen – die Türen sind verbarrikadiert. Drei Stunden können wir 6 Aktivistis aus Stuttgart und Mittelhessen am dem Dach agieren. Dann gelingt es der Polizei, das riesige Transparent von der Wand zu reißen. Nun ist nicht mehr viel sichtbar von uns. Wir verhandeln mit der Polizei, die aus dem Fenster unter uns zu uns aufschaut. Das weckt schöne Erinnerungen, z.B. an den 1. Juni 2000, als wir auf der Schilderbrücke über der Autobahn am Expo-Gelände standen und uns abseilten. Die Polizistis dort unten waren so klein – welche ein Gefühl, als sie uns hilflos baten, uns nicht in die Fahrbahn zu hängen (90min war die Autobahn gesperrt, hihi ...leider war aber kam Verkehr, schluchz ...). Nun also eine ähnliche Lage. Die Polizei muß zustimmen, daß wir nicht verhaftet werden, wenn wir den Zugang freimachen. Personalienaufnahme und fertig. Das wäre ein akzeptables Ende, die drei Stunden verliefen ohne große Aufregung, wir haben viel miteinander gesprochen über die Handlungsmöglichkeiten in solchen Situationen und was dann weiter geschehen wird. Doch leider haben wir uns verschätzt. Als wir die Tür öffnen, ist Schluß: Die Polizei nimmt uns fest, Polizeigewahrsam wird angekündigt. Ich bezeichne den Bullenchef als das, was er ist: „Lügner“. Er nimmt es gelassen hin, sammelt die Personalausweise ein und fordert uns auf, die 15 Stockwerke herunterzugehen. Ich ärgere mich und setze mich hin. 2 Polizistis zerren mich an den Armen die Treppen runter, Stufe für Stufe kracht mein Arsch auf den Steinboden. Dann geht’s durch die Außentür auf den Bürgisteig zu den Bullenwannen. Die anderen fünf gehen mit den Polizistis herunter.

Verhaftet ...
Der Moment der Ankunft im Freien ist frustrierend. Nein, mehr: Er ist schockierend. Unten stehen planlos ca. 30 weitere Atomgegnis herum. Sie gehören überwiegend dem Bündnis gegen das Atomforum an – ein Zusammenschluß von hierarchistischen Gruppen wie der Ökologischen Linken, NGOs wie dem BUND und einigen Anti-Atom-Eliten. Wir, die wir kreative Widerstandsaktionen machen wollen und offene Strukturen sowie Organisierung von unten ohne Chefis und zentrale Gremien anstreben, wurden im Vorfeld ausgeschlossen. Zweimal wurde ein Mensch angegriffen, er sei zu jung, um Dinge einschätzen zu können – ohne Konsequenz. Ich dachte mir, als ich das hörte: „Wenn jemand sagt: Du kannst das als Frau gar nicht beurteilen, fliegt dieseR raus – mit Recht. Aber die Diskriminierung nach Alter geht durch – die Eliten können sich das erlauben.“ Und nun schleifen mich diese Bullenärsche an ihnen vorbei. Niemand ruft, singt, protestiert – nein, sie gucken weg, stieren hilflos in die Gegend, einige gucken sogar feindselig. Ich lächele einige an, während ich zwischen den Bullen in der Sonne liege. Niemand lächelt zurück. Ein kleines Kind ist mein einziger Gesprächpartni, immerhin ein Kontakt. Ich schleuderte mein Handy zu den PinkSilver-Leuten. Das müssen die Bullen ja nicht in die Hände bekommen. Dann fängt ein anderer von uns Verhafteten an, Protestlieder zu singen. Wir singen mit, die meisten Atomgegnis rundherum schweigen weiter.
Kontrollen, Durchsuchungen, die Zeit verrinnt, aber irgendwann sitzen wir alle in den Bullenwannen und die Fahrt geht los. Aus den Fenster sehen wir die anderen Demonstrantis. Wieder keine Reaktion. Schwach ohne Ende. Unsolidarisch, langweilig.

Ab zur Bullizei ...
Noch sind wir zusammen, jeweils drei in einer Wanne. Wir schaukeln während der Fahrt, die Fahris stellen den Ventilator ab. Kleine Kraftproben auf einer sonst langweiligen Fahrt. Im Polizeirevier am Pragsattel steht alles fein säuberlich bereit. Die sind auf mehr vorbereitet, denke ist und lasse mich als letzter in den Gang mit den verschiedenen Tischen schieben. Station für Station gehen wir nacheinander die Stationen ab – Personalienaufnahme, Rechtsbehelfbelehrung, dann mal in den Raum zur ED-Behandlung (Fingerabdrücke, Handabdrücke, Fotos nackig und Fotos bekleidet usw.) oder nur warten auf die nächste Station. Noch können wir uns sehen und hören. An jeder Station versuche ich, das Gespräch offensiv zu führen. Wer mich fragt, bekommt zu hören, daß er/sie es nur fragt, weil das so vorgeschrieben ist. „Laß uns rausgehen, wir könnten ein Eis essen und dann ohne Herrschaft zwischen uns reden“, schlage ich das eine Mal vor oder bemitleide die nächsten, weil sie 40 Jahre in diesem widerlichen Gebäude zubringen müssen. Irgendwo bekomme ich eine Rechtsbehelfsbelehrung in die Hand. Ich falte ein Flugzeug daraus. „Wehe wenn Sie das auf mich werfen“, bemerkt ein Beamti am Rand des Ganges. „Bist Du ein Hochhaus?“ frage ich zurück. Ein Polizisti will mir was erzählen, kommt aber gar nicht dazu, weil ich ihm seine Lage innerhalb der Befehlsstruktur Polizei erkläre. In eine Pause hinein sagt er fordernd: „Darf ich auch mal was sagen?“ „Nein“, antworte ich, komme dann aber noch auf einen anderen Vorschlag: „Wir können ja beide gleichzeitig reden. Achtung: 3, 2, 1 ...“ – und tatsächlich redet er los, ich auch. Wir Verhafteten lachen. Kreative Antirepression hat hier keine Vermittlung mehr, hier ist keine Öffentlichkeit. Aber wir fühlen uns besser so.

Allein ...
Irgendwann ist alles abgehakt. Ich werde auf eine Einzelzelle gebracht, vorbei an der Essensausgabe – aber es gibt nur totes Tier. Dann fliegt die Tür hinter mir zu. Aus. Alles ist ruhig. Jetzt ist nur noch Zelle. Graue Wand, ein Bett mit Holzliegefläche ohne Matratze. Ein Klo, sonst nichts. Noch immer gehe ich davon aus, daß jetzt die typischen Stunden des Polizeigewahrsams folgen. Der beste Moment zu schlafen. Außer Langeweile ist hier ohnehin nicht zu erwarten. Doch die Liegefläche ist kurz und hart. Ziehe ich den Kapuzi aus als Kopfkissen, wird mir kalt. So döse ich eher als daß ich schlafe – schon mal schlecht. Die Zeit vergeht so langsamer. Die Bullen gewinnen die Oberhand, immer mal wieder kommt einer rein, mustert mich überlegen. Sie zeigen mir stolz die Fahndungsfotos, die sie von mir gemacht haben. Jämmerliche Typen, die ihre Lust an Unterwerfung nicht verbergen. Die noch einige Rechnungen mit mir offen haben, denn viele Polizistis verhalten sich gegenüber ihren Gefangenen mit einer Mischung aus überlegener Witzigkeit und demütigenden Spitzen. Ihren Witz verlieren sie aber schnell, wenn sie ihre Überlegenheit nicht durchsetzen können. So nerven sie jetzt zurück, aber da ich ohnehin nicht gut schlafen kann, ist es mir egal.
Draußen gehen Türen auf uns zu, Gespräche, Schritte, eine ganze Zeit lang. Dann ist Ruhe. Und in mir wächst die Ahnung, daß die anderen fünf draußen sind und ich dableibe. Die Ahnung wird zur Gewißheit. Ich werde auf eine andere Zelle gelegt mit Matratze – und nochmal durchsucht. Sie finden meine Sturmhaube, die wird gleich beschlagnahmt. Der Kommissar ist stolz auf sich. Ich lege mich auf die Matratze. Hier müßte das klappen mit dem Schlafen, immerhin was. Nur noch einmal bekomme ich Besuch. Mir wird vorgeschlagen, daß ich einen Beamti als Postbevollmächtigten akzeptiere und eine Kaution bezahle. Dann könnte ich auch raus. Sie nutzen meine Wohnsitzlosigkeit. „Nein“, sage ich. „Ich habe eine Postadresse, der Rest ist Schikane.“ Sie gehen, ich schlafe ein.

U-Haft ...
Um 11 Uhr am nächsten Tag werde ich aus der Zelle geholt, eigentlich zu spät, denn die 24-Stunden-Frist ist um. Aber: Wer die Macht hat, hat das Recht. Und wer das Recht hat, hat die Macht. Es geht zum Haftrichti. Hauptverhandlungshaft, diese neue Allzweckwaffe der Mächtigen gegen Kritik, ist beantragt. Handschellen klicken, die Richtis haben verschärfte Sicherheitsauflagen verhängt. Im fetten Mercedes geht’s zum Amtsgericht. Autofahren mit Händen auf dem Rücken ist unbequem. Dann geht’s hinein, Handschellen abnehmen. Welch funkelnde Augen der Richti hat. „Der macht es Spaß, Menschen zu unterwerfen“, denke ich. Der Staatsanwalti hat beantragt, mich in Untersuchungshaft zu nehmen. Es ist von vorneherein klar, daß das durchgeht. Doch die Richti regt sich immer mehr auf, vor allem, wenn ich über sie lache und ihr erkläre, daß sie das macht, weil sie aus Herrschaftsinteressen heraus handelt. Sie ärgert sich, daß die Unterwerfung nicht gelingt, redet genervt vom „Kasperletheater“. So bleibt ihr einziges Vergnügen der Stempel unter den Beschluß zur Untersuchungshaft.
Haftbefehl Seite 1
Haftbefehl Seite 2

Stammheim ...
Der Stuttgarter U-Haft-Knast ist kein unbekannter. In Stammheim saßen und starben Baader, Meinhof und andere. Bei der Einfahrt in den Knast kann ich das nicht bewundern. Weiter in Handschellen und ohne Brille, die mir schon im Polizeirevier genommen wurde ebenso wie alle Telefonnummern, Uhr usw., poltert der Gefangenentransporter in den Hof. Nochmal werde ich kontrolliert, darf duschen und muß Personalien benennen. Aus der Plastiktüte mit den Affekten, wie im Knastjargon all das heißt, weil mensch neben seiner Kleidung bei sich trägt und ihm meist komplett abgenommen wird, erhalte ich ein paar unwichtige Papiere, Taschentücher und ein Halstuch zurück. „Wo sollen wir Sie denn hinverlegen?“ fragt ein Beamti. Habe ich irgendwelche Wünsche, denke ich nach. „Wenn´s geht, zusammen mit Nichtrauchern“. „Da haben wir nur eine Zelle voll Neger“, bemerkt der Beamte – und vom Nebentisch schallt es herüber: „Stehen Sie auf schwule Neger?“ Hier wird’s nicht so lustig, denke ich, und streite mich mit den Rassistis über ihre Sprüche. Es bleibt nicht die einzige Diskriminierung, die ich in den wenigen Tagen im Knast mitbekomme. Homophobie zeigt sich, als ein Beamti auf dem Flur einen Knacki anmacht: „Bin ich ein warmer Bruder?“ Und starre Geschlechterzuweisungen finden sich in der Hausordnung: Nur „weibliche Gefangene“, die in Stammheim in einem Extra-Bau sitzen, dürfen sich Parfüm, Nagellack, Lippenstift und Make-up kaufen.
Die Beamtis wollen Fotos und manches mehr von mir, sind aber nicht sehr nachdrücklich und gehen so leer aus. Es geht weiter von Raum zu Raum, irgendwo erhalte ich einen Bestand an Wäsche, Bettwäsche, Handtüchern usw. aus der Kammer, d.h. dem Kleiderlager des Knastes. Das ist für mich alles nicht neu. Meine eigene Kleidung kann ich behalten, weil ich „nur kurz“ da sein werde.
Per Fahrstuhl bringt mit ein Beamter zu den „Negern“. In deren Zimmer soll ein Fernseher sein und dafür soll ich zusätzlich bezahlen. Im Knast hat ein Elektrohändler das Monopol. Eigene Geräte sind nicht erlaubt, aber das Anmieten bei einem kommerziellen Händler. Da greifen sie bei den Gefangenen deren Geld wieder ab, was viele bei minimalen Stundenlöhnen zu erarbeiten versuchen. Das ist nicht anders beim zweiwöchentlichen Einkauf, wenn die Knackis, so die Selbstbezeichnung der Gefangenen, vor allem nach Tabak lechzen und damit das meiste ihres angesammelten Kleingeldes dem Staat als Steuern wiedergeben.
Ich bemerke, daß mich ein Fernseher gar nicht interessiert. Da ändert der Beamte seinen Plan und bringt mich wieder nach unten ins Erdgeschoß. Dort sitzen die Neuzugänge und all die, die auf Haftplätze in anderen, überfüllten Gefängnissen warten. Sie haben keine Fernseher. Und dorthin komme ich – ganz am Ende des Erdgeschoßflures im Nordflügel von Stammheim.

Zelle 49 ...
Als ich in den Raum komme, ist niemand anders drin. Ich sehe, daß zwei der vier Betten belegt sind und richte mir eines her. Aus meinem letzten Knastaufenhalt bringe ich etliche Ängste mit. Damals lag ich auf einer Zelle mit zwei Aussiedlerdeutschen, die aber kein Deutsch sprachen, sondern untereinander und einer dann auch gegen mich ausschießlich per Faustschlägen die Dinge in der Zelle regelten. Alle Wände hingen voller Pornographie – und auch die Bücher, die ich herumliegen sah, paßten dazu. Darauf achtete ich nun gleich und war bereits erleichtert, als ich nichts dergleichen finden konnte. Irgendwelche seichten Romane lagen herum, wie sie für Gefangenenbibliotheken typisch waren. Und eine Bibel – naja.
Kurze Zeit später kamen meine Zellenkollegen nacheinander von verschiedenen Terminen, u.a. Arztbesuch, im Knast zurück. Die Begrüßung fiel eher zurückhaltend aus. Was ich nicht wußte, war der Grund: Die beiden lagen schon länger auf der Zelle. Einer wartete auf einen freien Platz in einem anderen Knast, der andere sollte in Stuttgart Zeugenaussagen machen. Neben ihnen war ein ständiges Kommen und Gehen in der Zelle. Das Erdgeschoß war, wie ich von ihnen erfuhr, der Zugangsbereich – d.h. hier wurden neu Verhaftete für die erste Nacht eingesperrt. Darunter waren immer wieder Drogenabhängige, die dann voll auf Entzug standen, die Zelle vollkotzten – Knast ist nicht nur langweilig, sondern zuweilen auch sehr anstrengend. Spontane Sozialarbeit hinter Stahltüren ...
Mir schien, die beiden waren nach kurzer Zeit auch zufrieden, daß zu erwarten war, daß ich dort bleiben würde und wir zu dritt die nächste Woche organisierten. Einer stellte schnell die Frage, die für die nächsten Tage prägend war: „Kannst Du Skat?“. Ich bejahte – das letzte Mal hatte ich vor fünf Jahren gespielt, im Knast von Gießen. Aber Skat war besser als alles andere. Langeweile und Leere, die der Knast schafft, ist das Bedrückende.

Knastleben ...
Ich war nur wenige Tage im Knast. Das zählt nichts im Vergleich zu dem, was andere dort erleben. Während mich viele von außen bedauerten, meinten meine Kollegen Knackis nur: „Du hast es gut“. So relativ ist Realität. Mir war klar, daß diese Tage wieder ein intensiver Erfahrungszeitraum würden. Meine Wut auf Herrschaft würde beständig wachsen – und meine Wut auch auf mein politisches Umfeld, daß so bodenlos verkürzt um politische Änderungen ringt. Immer wieder erinnerte ich mich zurück, wie oft ich bei Veranstaltungen, wo ich Referent war – z.B. zu Themen wie „Kreativer Widerstand“ oder „Freie Menschen in Freien Vereinbarungen“ – angemacht wurde für meine entschiedene Position, daß alle Knäste und Repressionsbehörden weg müßten, weil sie als starke Herrschaftsstrukturen die Gewaltförmigkeit der Beziehungen zwischen den Menschen nur steigern. Nun war ich im Knast und erlebte hautnah die Richtigkeit dieser These.
Zentrales Merkmal im Knast ist der Faktor Zeit. Sie rumzukriegen und ständig auf der Hatz zu sein, irgendeine kleinste Verbesserung der Lebensbedingungen zu erreichen, ist alles, was im Knast abläuft. Der Tagesablauf ist eintönig und absurd. Um 5.45 Uhr wurde per Piepston aus dem Zellenlautsprecher geweckt. Um 6 Uhr ging die Tür auf und Frühstück wurde gereicht. Wer da wieder eingeschlafen war, ging leer aus. Zu dritt teilten wir uns den Morgendienst aber so ein, daß wir es nie verpaßten. Wer noch nicht richtig angezogen war, bekam auch nichts – aber irgendwie fand ich beim Nachdenken immer, daß es falsch ist, die einzelnen Absurditäten aufzuzählen, weil dahinter verborgen wird, daß alles absurd ist. Um 9.15 Uhr begann der einstündige Hofgang für unseren Trakt, ca. 30 Menschen lagen in der Sonne, die meist schien, oder gingen im Kreis. Einige spielten Schach oder joggten. Ich fand nur zögerlich Kontakte zu den Menschen, dann aber konnte ich intensive Gespräche über Knastalltag und die „Knastkarrieren“ führen.
Um 11 Uhr gab es Mittag, immer konnte mensch vegetarisch bestellen – und das war meist auch das relativ beste. Fleischkost hieß hier „Normalkost“, Standardisierungen, das Erklären von „normal“ und nicht normal gehört zu den Herrschaftsmustern dieser Welt. Zwischen 14 und 15 Uhr folgte das Abendessen. Mehr als diese viermal öffnete sich die Zellentür nicht, es sei denn, ein Neuzugang kam für eine Nacht in die Zelle oder jemand bestellte eine Kopfschmerztablette – weil der Kopf dröhnte oder die Langeweile nicht mehr auszuhalten war.
Am Sonntag war dann alles gaaaaaaanz anders. Frühstück um 7 Uhr, Hofgang erst nach dem Mittag. Am Samstag gab es für den fernseherlosen Erdgeschoßbereich einen Videofilm auf dem Gang – passend ein platter Ballerfilm von einigen Knastausbrechern, die einen Zug kapern. Sonst in Stammheim nichts Neues.

Knast als Heimat ...
Der Alltag im Knast stellte für mich als jemanden, der feindlich jeder Verregelung und fremdbestimmten Arbeit gegenübersteht, einen totalen Bruch dar. Mit der Aussicht auf maximal eine Woche Aufenthalt konnte ich mich vor einem mentalen Loch retten, auch wenn immer wieder stumpfsinnige Stunden den Tag prägten. Wir spielten bis zu 8 Stunden Skat am Tag, ab dem dritten wurden zwei von uns, auch ich, immer müder davon und am letzten Tag waren es nur noch zwei Stunden. Ich hatte mir Stift und Papier organisiert, um an meinen Büchern zu arbeiten – ich wollte im Sommer eines zur Kritik an markt- und staatsorientierten Ideologien von politischen Gruppen herausbringen. Aber mein Hirn wollte nicht. Kreativität braucht einen passenden Rahmen – erst in den letzten beiden Tagen reichte der Wille zu einer politischen Erklärung im Prozeß, wenigstens Energie zum Schreiben dieser zu haben. Stattdessen begann ich in den vorhandenen Romanen zu lesen, ärgerte mich aber eher über Tolstoi und Thomas Mann, die mir von ihrem Namen her noch am relativ attraktivsten erschienen, aber deren Romane ich als flach empfand. Nagut, die Zeit mußte rumgehen ...
Mit Erstaunen stellte ich fest, daß ich dieses Problem so nicht mit den anderen teilte. Ich lernte nur eine Person kennen, die das erste Mal im Knast war. Alle anderen kehrten immer zurück, einer im Anfang-30er-Alter schon das 18. Mal, ein anderer, ganz alter Mann, das 16. Mal mit insgesamt 29 Knastjahren. Er kam als Zugang auf unsere Zelle, verbrachte dort eine Nacht und berichtete, daß er vor 11 Tagen entlassen wurde und nun wegen gefährlicher Körperverletzung nach einer Kneipenschlägerei wieder einige Jahre zu erwarten hat. Aber er nahm das recht gleichgültig hin. Der Knast war sein Leben geworden. Viele von denen, die ich sprach, hatten draußen kein soziales Umfeld mehr. Aber sie kannten die Menschen im Knast, ihre Gewohnheiten. Manche kannten noch die Zeit der Terrorismus-Prozesse und berichteten von den Vorgängen, wie andere aus ihrer Verwandtschaft erzählen. Der Knast war ihre Heimat geworden, die Menschen dort ihre Familie. Die Trennung von der Außenwelt hatte ihr soziales Umfeld abbrechen lassen. Es gab nichts mehr, warum sie klar die knastfreie Zeit als sinnvoller für sich empfinden würden. Knast schürt bei ihnen keine Angst mehr, es ist das Gewohnte – fast wehte ein Hauch von Geborgenheit gegenüber der Fremde da draußen. Knast macht sog. „Kriminelle“, indem er den Menschen sozial entwurzelt und das Wechseln von Knast und strafbaren Handlungen in der relativen Freiheit draußen zur Alltagsroutine werden läßt.
Nur wenige träumten vom Leben draußen, hatte Pläne oder vielleicht eine Liebe, auf die sie warteten und von der sie hofften, daß sie auch auf sie warten würde. Fotos halfen über die Tage, die Hoffnung auf Briefe füllte ihre Gedanken.

Frauen ...
Wer im Knast lebt, wird aus allen Beziehungen gerissen. Angesichts der dominanten Heterosexualität und der im Knast verbreiteten Homophobie, die schwule Knackis lieber schweigen läßt, findet nur das Gespräch über Frauen statt. Mein erster Knastaufenthalt vor fünf Jahren hatte mich zunächst schockiert. Frauen waren Objekt der Begierde und der Reduzierung auf ihren Körper. Von ihnen, selbst von einer Freundin, die draußen wartete, wurde nur mit dem Begriff „Fotze“ gesprochen. Das widerte mich an, ich protestierte. Ich wollte aber genauer hinsehen und auch reden mit denen, die so dachten und sprachen. Das hat einiges offenbart. Das schnelle Urteil dessen, der seine Beziehungen selbst organisieren kann oder, wie ich, aus freiem Entschluß bzw. den Ängsten, daß alles so wird wie ich bei anderen beobachte und selbst hinter mir habe, auf Distanz bleibt, paßt nicht auf die Situation im Knast. Hier herrscht eine Mischung aus Sehnsucht und Sexismus, die verschmolzen sind. Wenn ein Knacki eine Halsschmerztablette anfordert, um durch die kleine Klappe in der Zellentür einmal am Tag auf das Gesicht der Ärztin gucken zu können, so fällt es mir inzwischen schwer, das als Sexismus zu begreifen. Und wenn sich Gefangene über eine Beamtin unterhalten, die sie als attraktiv empfinden, so denke ich da ähnlich drüber.
Ich war erleichtert, daß in meiner Zelle Pornos usw. fehlten. Frauen hießen trotzdem „Fotzen“, aber ich konnte darüber reden und wir waren uns einig, daß nicht mehr zu tun. Doch die Träume und Sehnsüchte konnte und wollte ich niemandem nehmen – und sie als Sexismus zu verteufeln, wäre die Arroganz von Mittelstandslinken, die solche Lebensbedingungen wie im Knast nicht kennen.
Was man wohl kaum erwähnen muß ist, daß die Knäste fein säuberlich nach Männern und Frauen getrennt sind. Wer da nicht reinpaßt, hat Pech gehabt. Nur in den Frauenabteilungen gibt es die Möglichkeit, „eigene“ Kinder mitzunehmen – eine deutliche Aussage über die patriarchale Rollenzuweisung in dieser Welt.

Ganz unten ...
Wer Knacki ist, ist ganz unten. Nur noch die anderen Knackies bleiben als mögliche Opfer fortgesetzter Unterdrückung, also der bekannten Radfahri-Figur: Nach oben buckeln, nach unten treten. Im Erdgeschoß von Stammheim, z.B. beim gemeinsamen Hofgang, war das weniger ausgeprägt als ich es von meinem ersten Knastaufenthalt kannte – ein Grund mehr, dieses Mal als angenehmer in Erinnerung zu haben. In den Arbeiti-Gruppen aber gab es sogar oft formale Hierarchien, modernes Knastmanagement schafft Unsolidarität und läßt die Knackis sich selbst kontrollieren. Wenn die Knacki-Chefs die anderen zum Arbeiten bringen, bekommen sie Vergünstigungen. Wenn die Knacki-Arbeitis viel schaffen, meldet das der Knacki-Chef und es gibt Vergünstigungen für die Arbeitis. So läuft das Knastsystem wie geschmiert.
Weil alle nur kurz da waren, entstanden nicht die sonst üblichen Muster von Bandenbildung nach Nationalitäten. Damit fehlte aber nur eine Verschärfung, nicht jedoch die Voraussetzungen: Die Regeln, Machtverhältnisse, der Zwang des Knastes, 23 Stunden auf der Zelle, ein verregelter Tagesablauf und der ständige Krampf um die kleinen Vergnügungen, die der Knast zuläßt – echter Kaffee, Tabak, schwarzer Tee. Darum rankt sich das Leben. Ein Blick in die Hausordnung zeigt, was Knast bedeutet: Verregelung bis ins Kleinste. Der Umgang mit Wäsche oder die Besuchsbedingungen. Wer in Untersuchungshaft ist, kann Besuch nur nach richterlicher Erlaubnis und jeweils nur für kurze Zeit empfangen. Die Wartezeit vom Antrag bis zum Besuch betrug, als ich da war, 4 bis 6 Wochen. Sonstiger Kontakt nach draußen ging auch nur mit richterlicher Genehmigung – also Brief schreiben, ans Amtsgericht geschicken (offen!) und die entscheiden dann, ob sie ihn weiterschicken. Woher die Briefmarke kommt? Problem der Gefangenen ... einkaufen. Aber Einkauf ist nur alle 14 Tage und wer weniger als 14 Tage da ist, bekommt gar kein Taschengeld. Auf den Zellen im Erdgeschoß saß ich mit vielen zusammen, die wie ich nichts einkaufen konnten, über kein Geld verfügten und nur das hatten, was sie trickreich von anderen zugesteckt bekamen oder war als offizielles Knastessen reingereicht wurde.
Wer in eine Freizeitgruppe wollte, mußte sich der folgenden Anweisung unterwerfen, die im Schaukasten auf dem Hof aushing: „Mit dem Antrag auf Zuteilung einer Freizeitgruppe erkennen die Antragsteller folgende Zuteilungskriterien an: Jederzeit widerrufbar ... Weisung gebundenes Verhalten ... regelmäßige Teilnahme ... Einhaltung der allgemein gültigen Vorschriften“. Unterschrieben war diese Anweisung von der gewählten Gefangenenvertretung, nicht von der Anstaltsleitung. Das ist der Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur, dachte ich mir und schrieb den Text auf den kleinen Notizzettel, den ich immer bei mir hatte, um „8 Tage Stammheim“ zu dokumentieren.
Bücher und CDs von außen durften nur über Verlage und Buchhandlungen zugeschickt werden. Alte Zeitschriften und Bücher fallen also weg. Ohnehin darf nur dreimal im Jahr ein Paket zugeschickt werden: Einmal Weihnachten, einmal Ostern und einmal nach freier Wahl. Die Knastordnung schreibt genau fest, was reindarf – und da muß mensch genau hinsehen. Ich habe am Dienstag nach dem Prozeß meinen Ex-Mitknackis im Erdgeschoß ein Paket geschickt, aber den schwarzen Tee kriegte ich an der Kontrolle nicht durch. „Nur löslicher Tee ist erlaubt“, erklärte der Beamte.
Obwohl ohnehin alles verregelt und ein Ausbruch aus dem Knasteinerlei kaum vorstellbar ist, sieht das Knastregime verschiedene Disziplinarmaßnahmen vor. Das Wichtigste ist der Entzug von Vorteilen, z.B. Sperre des Hofgangs, von Freizeitgegenständen, Fernseh- oder Hörfunkbenutzung. Wer auffällt oder opponiert, sitzt irgendwann in der nackten Zelle. Oder gleich im Arrest, unter Knackis „Bunker“ genannt – ein kahler Raum, beleuchtet, ohne Einrichtung. Dort kann mensch bis 4 Wochen eingesperrt werden. Folter – denke ich. Vier Wochen nur die Fliesen an der Wand zählen, das muß grausam sein.

Was geschieht draußen? ...
Auf dem Polizeirevier konnte ich nicht telefonieren – Brille und Papiere hatte ich nicht. Der EA (Rechtshilfe bei Aktionen) wurde informiert von anderen, das hatten wir vorher geregelt und hätte auch gereicht, wenn nicht die Geschichte mit der Hauptverhandlungshaft gekommen wäre. Doch nun war nichts mehr möglich. Am zweiten Tag in Stammheim gab ich einen Antrag an den Sozialdienst im Knast ab mit der Bitte auf ein Telefonat und Kontakt z.B. zu Rechtsanwaltis. Bis Dienstag, wo der Prozeß lief, hatte ich nicht einmal eine Antwort. So saß ich 8 Tage ohne jeglichen Außenkontakt in Stammheim.
Was ging draußen vor? Die acht Tage waren auch Tage des Spekulierens. Zu den Aktionen gegen das Atomforum hatten sich zwei Zusammenhänge beteiligt: Ein Bündnis von NGOs, informellen Eliten in Anti-Atom-Zusammenhängen und der hierarchistischen Ökologischen Linken. Von ihnen ausgegrenzt waren AkteurInnen, die sich „von unten“ organisieren wollten, Hierarchien ablehnten und kreative Widerstandsformen trainierten. Zu letzteren zählte ich mich auch. Die formalen Strukturen waren aber im Bündnis, so auch die Rechtshilfe. Würde sie mich unterstützen, obwohl sie mich nicht mochten? Gibt es Solidarität oder nur Kampf und Ausgrenzung zwischen Gruppen? Und was machen die Menschen, die wie ich Organisierung von unten und kreative Widerstandsformen lieben? Es gibt von diesen in Deutschland nur sehr wenige, Pfingsten standen auch andere Treffen an, die Tage danach sollten Aktionen gegen den Bush-Besuch in Berlin laufen.
Ich hätte verstanden, wenn die wenigen Menschen, die in Deutschland antihierarchische Politik machen, es nicht geschafft hätten, Aktionen von draußen zu organisieren. Wissen konnte ich das nicht, nur einmal bekam ich eine Tageszeitung in die Hand, in der kurz berichtet wurde, was an Aktionen gegen das Atomforum weiterlief. Viel war das leider nicht.
Erst als ich wieder draußen war, erfuhr ich, was geschah. Das Bündnis hatte tatsächlich kaum reagiert. Als ich am Tag der Freilassung im Internet guckte, war auf deren Seite www.antiatomforum.de nichts zu finden von Verhaftungen und meinem Prozeß. Beim Prozeß war auch niemand von denen da ...
Aus den Kreativ-Widerstandskreisen wurde dagegen einiges versucht, aber es waren nur wenige, die agieren konnten. Und einige, die für den Prozeß was zusagten, sprangen dann auch noch ab. Am Ende waren es fünf Menschen, die im Prozeß agierten, andere waren aus Solidarität immerhin gekommen oder hatten einen Rechtsanwalti besorgt ...

Den Prozeß machen ...
Schon am Freitag gab es den ersten Versuch. Um 6.45 Uhr (es war wegen Pfingsten Wochenend-Weckzeit angesagt) wurde ich geweckt: „Sie haben Termin!“ So heißt das Kommando immer und fordert zum Anziehen und Bereithalten auf. Was für ein Termin das war, erfuhr ich nicht, aber um 7.30 Uhr sollte es losgehen. Ging es aber nicht. So saß ich und wartete. Zwei Stunden später war Hofgang. Auf dem Weg fragte ich die Beamtis und erfuhr, daß „der Termin“ gestrichen wurde. Ob es eine Verhandlung gewesen sei oder z.B. Haftprüfung, wußte dort aber auch niemand. Zurück in der Zelle erhielt ich um 13 Uhr die „Abladung“ vom Prozeß. Der wäre um 11.15 Uhr gewesen. Danach folgte Pfingsten, also vier Tage länger ...
Montag abend hatte ich schon alles sortiert – und das war schlau so, denn am Dienstag ging es früh los. Als um 6 Uhr das Frühstück reingereicht wurde, wurde ich aufgefordert, um 7 Uhr startklar zu sein. Ich durfte nochmal duschen und zog dann meine eigenen Klamotten wieder an – ansonsten war ich in Anstaltskleidung rumgelaufen. Es folgte eine Durchsuchung beim Verlassen des Knastes, per Gefangenentransporter gings durch Stuttgart zu den verschiedenen Gerichten, wo überall Einzelne ausstiegen – immer in Handschellen. Das letzte Mal lernte ich so wieder neue Knackis und ihre Geschichten kennen. Am Amtsgericht stieg auch ich aus. Es war 8 Uhr. Wir wurden in den Keller in Zellen gebracht, dort durften wir ohne Handschellen warten. Ich fragte, warum ich da sein und erfuhr, daß 30min später meine Verhandlung beginnen würde. Nach 10min öffnete sich wieder die Tür und der Beamti brachte mit von Zelle 5 auf Zelle 3. Dort saß ein Rechtsanwalti: „Hallo, Deine Freunde haben mich gebeten, Dich zu verteidigen“ begrüßte er mich. Ich erfuhr, wer ihn angesprochen hatte. Dann fragte er mich: „Deine Freunde wollen kreative Prozeßbegleitung machen und ich soll Dich fragen, ob Du das o.k. findest“. Natürlich fand ich das und wußte jetzt, daß von außen agiert wurde. Und das es wieder ein kreativer Prozeß werden würde. Ich ging in den verbliebenen Minuten mit dem Rechtsanwalti den Prozeß durch, wir einigten uns auf eine ungefähre Strategie und gingen dann hoch – ich wieder in Handschellen. Für den Prozeß sei erhöhte Sicherheitsstufe verhängt, berichtete der Anwalti, d.h. alles war mit Polizistis abgesichert und alle Besuchis mußten sich untersuchen lassen. Der Rechtsanwalti schätzte, daß es deshalb schwierig würde, Aktionen zu machen, aber ich war mir sicher, daß Kreativität auch heute über Herrschaft siegen würde – jedenfalls an diesem Punkt. Zwei Stockwerke über der Kellerzelle war der Gerichtssaal. Ich ging hinein und sah viele bekannte Gesichter. Puhhh, dachte ich mir. Wie schön.
Den Gerichtsprozess selbst fand ich vom Verlauf her überraschend. Dass ca. 20 Leute gekommen waren, fand ich super. Dass nur fünf Aktionen gemacht haben und der Rest trotz der laufenden Aktionsversuche konstant geschwiegen hat, fand ich dann aber erschreckend. Die Aktionen der fünf (nicht alles klappte, weil die Bullen tatsächlich einige Aktionsmaterialien beschlagnahmten) machten die ersten 10 Minuten des Prozesse zu einem kreativen Feuerwerk. Eine Person setzte sich immer um, während andere laut fragten: „Hast Du keinen festen Wohnsitz?“, worauf sich Debatten entspannen. Der Bezug war klar, das Gericht hatte mich auch deshalb schikaniert, weil ich keine Meldeadresse hatte. „Ohne festen Wohnsitz“ fanden sie als Eintrag in meinem Personalausweis. Als der Staatsanwalt seine Anklage verlesen wollte, zeigten sich doch drei Transparente jeweils mit gerufener Parole. „Wir klagen an“, dann „die Atomindustrie“ und „alle Herrschaft“ sind mir als ungefähre Erinnerung geblieben. Dann flogen Luftschlangen und Seifenblasen. Sehr schön, ich freute mich und erinnere mich an den genialen Prozeß drei Wochen vorher in Marburg ...
Aber es ging nicht so weiter. Der Staatsanwalti beantragte gleich die Verhaftung der Störenden, die Richti ließ zwei Akteuris rausschmeißen. Die schweigende Mehrheit ließ das geschehen, obwohl so eine Räumung eines Gerichtssaals eigentlich kaum möglich ist, wenn mensch sich geschickt verhält. Die Passivität brach das Feuerwerk. Die Akteuris wurden zum Publikum. Die Anklage wurde verlesen, dann stellte ich einen Befangenheitsantrag, weil mir auffiel, daß es die gleiche Richti war, die mich in U-Haft schickte und meine Argumente damals als „Kasperletheater“ bezeichnete. Unterbrechung, wieder mit Handschellen in die Kellerzelle, dann (aus Sicherheitsgründen) über einen anderen Weg wieder zurück. Antrag abgelehnt, da zu spät gestellt. Ich lehnte Aussagen zur Sache ab, der Rechtsanwalti schlug vor, daß ich eine politische Erklärung abgeben dürfe, was erlaubt wurde (siehe gesonderter Redetext unten). Als ich meine "Rede" fertig hatte, enttäuschten mich die ZuhörerInnen sehr stark. Es lag eisiges Schweigen im Raum, kein Applaus, Reaktionen, Dialog u.ä. - hätte ich mir auch schenken können. Den Fünfen (von denen zu dem Zeitpunkt ja nur noch drei da sein durften) will ich das aber ausdrücklich nicht als Kritik entgegenhalten - einer sagte mir hinterher auch klar, daß er zu dem Zeitpunkt schon am Ende war, ständig recht einsam agieren zu müssen, während der Rest den Prozeß eher konsumierte.
Den Hauptteil des Prozesses lief das Frage- und Antwortspiel mit den Zeugis. Alle ohne Ausnahme konnten der Rechtsanwalti und ich dahin bringen, sich über nichts mehr sicher zu sein – ob es nun um die Aufforderung, das Max-Kade-Hausdach zu verlassen, um das Versperren der Tür oder um andere Punkte ging. Übrig blieb der Hausfriedensbruch auf einer offen zugänglichen Fläche. Der Staatsanwalti forderte dennoch 60 Tagessätze – und 30 wurden es schließlich (Urteil). Unspektakulär ging der Prozeß zuende. Zusammen mit einigen anderen kaufte ich Tabak, Kaffee, Schokolade und Tee für ein Paket an die Erdgeschoß-Knackis und brachte das zum Knast. Ein letztes Mal mußte ich hinein, durch die vielen Schleusen und Gitter, um meine Sachen abzuholen. Eine Runde um den Knast herum ließ mich bestaunen, was ich nur von innen kannte. Bei der Runde dabei waren zwei Bekannte vom Colorradio Dresden, eine lange Reise für diesen Prozeß und die Aufnahmen hatte sie nicht abgeschreckt.

Und weiter ...
Nun fahre ich nach der Knastzeit wieder im Land herum und versuche Wege zu finden, Herrschaft angreifen zu können, wo es geht. Die Realität ist dumpf, ebenso frustet das, was die politische Bewegung bildet. Überall informelle Eliten, Langeweile, herrschaftsbejahende Forderungen. Widerlich. Die Platzhirsche dominieren, überall informelle Eliten. Sie basteln an ihrer Dominanz, viele auch an ihren Karrieren. Organisierung von unten findet nur in Nischen statt. Und immer wieder geben Menschen, denen ich mich nahe fand, auf und normalisieren ihr Leben und ihre Politik hin auf herrschaftsförmige Verhaltensweisen und Strategien.
Vielleicht kann ich mit dem Knastaufenthalt ein bißchen Sand ins Getriebe der herrschaftsdurchzogenen, verkrusteten politischen Gruppen bringen und versuche, in verschiedenen Städten Menschen zu finden, Veranstaltungen unter dem Thema „8 Tage Stammheim – nieder mit allen Knästen und aller Herrschaft“ zu organisieren. So oft habe ich schon erlebt, daß bei der Vorstellung, daß Nazis oder Vergewaltigis nicht in Knäste kommen, aus selbsternannten Linken kleine Diktatoris wurden, die mit funkelnden Augen die Todesstrafe herbeiwünschen. Eine herrschaftsfreie Welt sieht ganz anders aus als der Knast – und auch der Umgang mit Gewalt zwischen Menschen wird ganz anders aussehen als Regeln und Strafe. Das ist eine spannende Debatte – und sie zu führen habe ich große Lust. Einige erste Veranstaltungen bahnten sich schon wenige Tage nach dem Prozeß an.
Außerdem stehen mir jetzt 30 Tage Knast bevor. Ich überlege, wie ich damit umgehe und suche nach Menschen, die Lust haben, gemeinsam Aktionen vorzubereiten. Vielleicht eine Anti-Knast-Woche mit Soliparties, um einen Teil der Tagessätze zu bezahlen. Und einen anderen Teil der Tage in den Knast gehen, aber viele Aktionen drumherum? Das wäre vorstellbar, vielleicht gibt es noch andere Ideen. Aber eine, die ich schon länger im Kopf habe, will ich auch prüfen: Nur Frauenknäste haben Kinderbetreuung. Das zeigt den patriarchalen Normalzustand. Ich habe zwei Kinder. Ließe sich mit dem Antrag, sie in der halben Zeit mitzunehmen, eine Aktion für Gleichberechtigung und gegen patriarchale Rollenzuweisungen erreichen? Aktionen und öffentliche Vermittlung, bei denen nicht der konkrete Fall im Mittelpunkt steht, sondern diese überdeutliche Situation, die beweist, daß in dieser Gesellschaft die Frauen für die Kinder zuständig sind, alles in zwei Geschlechter eingeteilt ist usw. Mal sehen, ob das bis zum Verfassungsgericht zu bringen ist – nicht im Vertrauen auf das Recht, sondern als Ansatz für Aktionen. Die Lust schwindet, wenn ich an den Zustand der „Linken“ in Deutschland denke. Sind kreative Aktionen in diesen Zusammenhängen überhaupt möglich? Also erneut: Mal sehen ...

Vielen Dank ...
Knast heißt Außenkontaktsabbruch. Aber was ich nicht wußte, war doch: Einige Menschen haben sich reingehängt und agiert – für mich und für eine Thematisierung von Herrschaftsverhältnissen. Das ist nicht nur politisch wichtig, sondern ich war glücklich darüber. Darum: Danke! Ich wünsche mir, daß Solidarität zukünftig nie mehr nur Beratung, Zugucken und Geldsammeln bedeutet. Und wenn ich erst an die vielen Menschen denke, die ganz andere Bestrafungen und Haftzeiten bekommen als ich, sehe ich vor mir sehr viel, was ich wichtig finde, anzugehen. Mit einer Kritik am Strafvollzug sind wir im Herz der Bestie. Und da will ich hin ...

* Dies ist eine bisher nicht offiziell anerkannte geschlechtsneutrale Sprachform. Sie drückt aus, daß ich weder in der üblichen männlichen noch in einer weiblichen oder einer männlich-weiblichen Form sprechen will – also auch nicht z.B. „Richterinnen und Richter“. Es ist nämlich in der Regel überflüssig, ständig Menschen einem oder zwei Geschlechtern zuzuordnen. Ich habe mich entschieden, ein „is“ zu verwenden. Gewöhnen uns also an Begriffe wie „Richtis“ oder „Polizistis“.

Politische Erklärung im Prozeß gegen Jörg B. (21.5.2002) in Stuttgart

Ich möchte eine Erklärung abgeben zu den Motiven, die hinter Handlungen stehen, wie sie mir vorwerfen. Ich möchte damit auch meine Sympathie und Unterstützung für solche Aktionen und Beweggründe zeigen. Vorweg möchte ich aber einige Bemerkungen zur Situation machen, in der wir hier stehen. Sie sind mir wichtig, weil sie den Rahmen des Prozesses aufzeigen und auch viel mit meinen Motiven, vor allem meinem starken Haß auf herrschaftsförmige Beziehungen zwischen Menschen zu tun haben.
Wir sitzen hier unfreiwillig im gleichen Raum. Und wir sind nicht gleichberechtigt. Ich bin hier mit Handschellen hereingeführt worden –das zeigt bereits, welchen Rahmen ein solcher Prozeß hat. Doch es geht weiter. Schon bei den Fragen, wer ich bin, äußert sich mehrfach die Fremdbestimmung. Daß ich als Mann zu gelten habe, wurde ich nie gefragt. Daß ich Deutscher bin, ist ein Zwangsverhältnis, zu dem ich nie befragt wurde. Daß die Gesetze des absurden Herrschaftskonstrukts Deutschland für mich gelten sollen – auch dazu habe ich meine Zustimmung nie erteilt. Was hier im Raum herrscht, ist Ihr Regime, das Sie „Bundesrepublik Deutschland“ oder auch „Demokratie“ nennen. Meine Welt ist, zumindest als Wille und Versuch, die der „Freien Menschen in Freien Vereinbarungen“, der direkten und sozialen, in jedem Fall aber gleichberechtigen Entscheidung, Diskussion und Intervention im Fall von Streit und Dominanz. Ihre und meine Welt sind unvereinbar, aber sie akzeptieren meine nicht, sondern unterwerfen mich ihrem Regime – so wie Sie es mit alle anderen angeklagten Menschen auch tun.
Hier vor Gericht zeigt sich das. Hier besteht keine gleichberechtigte Situation. Hier gibt es nur einseitige Macht. Ein Gerichtsprozeß ist ein Vorgang der Herrschaftsausübung. Sie richten über mich – so wie sie tagtäglich über Menschen richten. Es ist die Arroganz der Macht, daß sie dasitzen und jeden Tag das soziale Leben mehrerer Menschen zerstören – Sie persönlich. Alle Gerichte zusammen schaffen weit mehr: Hunderte sind es jeden Tag in Deutschland, Tausende weltweit. Ihre Entscheidungen killen soziale Beziehungen, errichten Mauern zwischen Freundschaften und zerstören viele Menschen. Sie tun das für Geld und mit dem Selbstbetrug, zu glauben, daß ihre Tätigkeit im Dienste der Gerechtigkeit steht. Aber das tut sie nicht, sie ist unmenschlich, brutal, kalt, herrschaftsförmig.
Ich habe die Wirkungen in den letzten acht Tagen erlebt: Gefangen, ohne jeglichen Kontakt zu meinem sozialen Umfeld, ich durfte nicht telefonieren – nichts. Dieser Prozeß wird keine Ausnahme sein. Sie werden wieder den Daumen senken und diesmal mich treffen, aber später, morgen, immer wieder werden sie viele Menschen als soziale Wesen zu zerstören versuchen, viel härter als es mich erwartet.
Das ist der Rahmen. Ich möchte einige Bemerkungen hinzufügen, die für den ganzen Prozeß wichtig sein werden.
1. Ich gebe eine politische Erklärung ab, aber ich werde mich nicht zur Sache äußern.
2. Ich werde mich bemühen, eine geschlechtsneutrale Sprachform zu nutzen. Das bedeutet, daß ich weder in der üblichen männlichen noch in einer weiblichen oder einer männlich-weiblichen Form sprechen werde – also auch nicht z.B. „Richterinnen und Richter“. Es ist nämlich in der Regel überflüssig, ständig Menschen einem oder zwei Geschlechtern zuzuordnen. Ich habe mich entschieden, ein „is“ zu verwenden. Gewöhnen Sie sich also an Begriffe wie „Richtis“ oder „Polizistis“.
3. Ich werde immer wieder Beispiele aus den vergangenen acht Tagen benennen. Knast ist die härteste Form staatlicher Gewaltausübung. Meine Erlebnisse sind entsprechend intensiv.

Politische Erklärung zur Aktion gegen das Atomforum:
Ich möchte zwei Punkte benennen, warum ich Aktionen, wie Sie die für den 14. Mai am Vormittag auf dem Dach des Max-Kade-Hochhauses beschreiben, für richtig und notwendig halte. Es geht um die konkrete Sache sowie um die dahinterstehenden Herrschafts- und Verwertungsstrukturen. Diese Überlegungen sind auf andere Aktionsformen übertragbar – auch auf diesen Prozeß und mein Verhalten heute.
Der Protest gegen die Atomenergie ist gerechtfertigt. Atomenergie ist unbeherrschbar, auch im Normalbetrieb stark umweltbelastend, z.B. beim Uranabbau und wegen der mit Großkraftwerken durch Abwärme und Leitungsverluste verbundenen Energieverschwendung. Der Einwand, es gäbe ja schon ein Ausstiegsgesetz, kann nicht überzeugen, da es erstens die Restlaufzeit im Rahmen der bereits baulich zu erwartenden Lebenszeit eines Kraftwerkes festgesetzt wurde, also nichts verkürzt. Zum anderen hat dieselbe Regierung, die ihr Gesetz zwecks Wahlkampfs als Atomausstieg feiert, die Vervielfachung der Kapazität der Urananreicherungsanlage Gronau, wo die Brennstäbe produziert werden, genehmigt. Das deutet auf andere Pläne hin.
Hinter dem Betrieb der Atomkraft stehen zudem Herrschaft und Verwertung als Ganzes. Diesen Grund halte ich für noch entscheidender. Daß die Menschen in den Uranabbaugebieten verstrahlt werden, ihre Lebensgrundlagen zerstört werden, ist schlimm genug. Entsetzlich ist aber die Tatsache, daß sie keinerlei Chance der Mitbestimmung haben. Die Gier und Notwendigkeit zum Profit sowie die absichernden Herrschaftsstrukturen setzen den Abbau durch. Sie tun das auch bei den Atomanlagen, bei den Atommülltransporte. Und hier im Gerichtssaal. Kein Atomkraftwerk würde laufen, wenn es die Regierungen, die Polizei, die Behörden, die Gesetze und Standards und die Justiz, als Sie, nicht gäbe. Die Existenz dieser Herrschaftsstrukuren ist der eigentliche Skandal. Ob Atomkraft, die Abschiebung oder Gefangennahme von Menschen, Psychiatrisierung oder Bevormundung – alles folgt der gleichen Logik: Herrschaft.
Darum ist dieser Prozeß absurd. Denn ich bin nicht der, der angeklagt ist und sich verteidigen muß. Ich greife an, ich klage an. Das Herrschaftssystem und vielen kleinen Herrschaftsverhältnisse müssen weg – so wie Ihre Funktion als Justiz hier und heute. Statt eines Prozesses gegen den Widerstand gegen Macht wäre die Macht selbst auf die Anklagebank zu setzen. Deutschland – und die anderen Staaten -, Demokratie, Marktwirtschaft ... all diese Formen der Herrschaft gehören angeklagt. Und nur ein Urteil hilft: Todesstrafe gegen Deutschland! Weg mit Staat, Nation, Rassen, Geschlechtern, Bevormundung, Knast, Psychiatrie, Markt, Verwertung, weg mit aller Herrschaft! Übrig blieben die Menschen – und das wäre gut so!
Jörg Bergstedt, 21.5.2002, im Prozeß vor dem Amtsgericht Stuttgart (anschl. verurteilt zu 30 Tagessätzen)

Es gibt nur wenige PolitaktivistInnen, die in Deutschland - wegen ihrer Aktionen - länger im Knast sind. Dazu ist die politische Bewegung in Deutschland zu zahm und gesteuert von bezahlten BewegungsmanagerInnen, denen es vor allem um vorgekaute Events und die Portemonnaies der bürgerlichen Kreise geht - oder von links-autoritären Kadern, die ebenfalls keinerlei emanzipatorische Ziele haben, sondern Menschen in ihre Gesellschaftsmodelle einfügen und dafür entmündigen wollen.

Doch leer sind die Knäste deshalb nicht. Zigtausend sind eingesperrt ... weitere Knast-"Tagebücher":

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