Offener Raum

8 TAGE U-HAFT IN STAMMHEIM

Knastleben ...


1. Kurzfassung
2. Ansichten und Innenansichten aus dem Knast
3. Verhaftet ...
4. Ab zur Bullizei ...
5. Allein ...
6. U-Haft ...
7. Stammheim ...
8. Zelle 49 ...
9. Knastleben ...
10. Knast als Heimat ...
11. Frauen ...
12. Ganz unten ...
13. Was geschieht draußen? ...
14. Den Prozeß machen ...
15. Und weiter ...
16. Vielen Dank ...
17. Spätere Nachträge
18. Reaktionen auf der Hoppetosse-Mailingliste
19. Weitere Reaktionen

Ich war nur wenige Tage im Knast. Das zählt nichts im Vergleich zu dem, was andere dort erleben. Während mich viele von außen bedauerten, meinten meine Kollegen Knackis nur: „Du hast es gut“. So relativ ist Realität. Mir war klar, daß diese Tage wieder ein intensiver Erfahrungszeitraum würden. Meine Wut auf Herrschaft würde beständig wachsen – und meine Wut auch auf mein politisches Umfeld, daß so bodenlos verkürzt um politische Änderungen ringt. Immer wieder erinnerte ich mich zurück, wie oft ich bei Veranstaltungen, wo ich Referent war – z.B. zu Themen wie „Kreativer Widerstand“ oder „Freie Menschen in Freien Vereinbarungen“ – angemacht wurde für meine entschiedene Position, daß alle Knäste und Repressionsbehörden weg müßten, weil sie als starke Herrschaftsstrukturen die Gewaltförmigkeit der Beziehungen zwischen den Menschen nur steigern. Nun war ich im Knast und erlebte hautnah die Richtigkeit dieser These.
Zentrales Merkmal im Knast ist der Faktor Zeit. Sie rumzukriegen und ständig auf der Hatz zu sein, irgendeine kleinste Verbesserung der Lebensbedingungen zu erreichen, ist alles, was im Knast abläuft. Der Tagesablauf ist eintönig und absurd. Um 5.45 Uhr wurde per Piepston aus dem Zellenlautsprecher geweckt. Um 6 Uhr ging die Tür auf und Frühstück wurde gereicht. Wer da wieder eingeschlafen war, ging leer aus. Zu dritt teilten wir uns den Morgendienst aber so ein, daß wir es nie verpaßten. Wer noch nicht richtig angezogen war, bekam auch nichts – aber irgendwie fand ich beim Nachdenken immer, daß es falsch ist, die einzelnen Absurditäten aufzuzählen, weil dahinter verborgen wird, daß alles absurd ist. Um 9.15 Uhr begann der einstündige Hofgang für unseren Trakt, ca. 30 Menschen lagen in der Sonne, die meist schien, oder gingen im Kreis. Einige spielten Schach oder joggten. Ich fand nur zögerlich Kontakte zu den Menschen, dann aber konnte ich intensive Gespräche über Knastalltag und die „Knastkarrieren“ führen.
Um 11 Uhr gab es Mittag, immer konnte mensch vegetarisch bestellen – und das war meist auch das relativ beste. Fleischkost hieß hier „Normalkost“, Standardisierungen, das Erklären von „normal“ und nicht normal gehört zu den Herrschaftsmustern dieser Welt. Zwischen 14 und 15 Uhr folgte das Abendessen. Mehr als diese viermal öffnete sich die Zellentür nicht, es sei denn, ein Neuzugang kam für eine Nacht in die Zelle oder jemand bestellte eine Kopfschmerztablette – weil der Kopf dröhnte oder die Langeweile nicht mehr auszuhalten war.
Am Sonntag war dann alles gaaaaaaanz anders. Frühstück um 7 Uhr, Hofgang erst nach dem Mittag. Am Samstag gab es für den fernseherlosen Erdgeschoßbereich einen Videofilm auf dem Gang – passend ein platter Ballerfilm von einigen Knastausbrechern, die einen Zug kapern. Sonst in Stammheim nichts Neues.

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