Offener Raum

UMGANG MIT REPRESSION

Aus dem Protokoll des Treffens "Organisierung von unten"


1. Aus dem Protokoll des Treffens "Organisierung von unten"
2. Ausschnitte aus Mails der Hoppetosse-Mailingliste

Angst vor Repression
Die Angst vor den Klauen des repressiven Staates scheint ein Hauptgrund für den Nicht-Aktivismus einer Bewegung zu sein. Viele andere Dinge mögen überwindbar sein, zu manchem würde mensch sich noch aufraffen, die Angst vor den polizeilichen Konsequenzen jedoch bleibt. Sie kann scheinbar nicht überwunden werden. Repressionsgefahren sind auch bei jedem Vorschlag der erste Einwand. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn mensch sich betrachtet, wie momentan mit diesem Thema umgegangen wird. Eigentlich wird fast nur „von oben“ und komplett antiemanzipatorisch damit umgegangen. Die derzeitige Antirepressionsarbeit ist hauptsächlich eine Repressionsangst-Macherei.

Lösung von Oben:
  • Weit verbreitet ist ein gewisser Hang zur Konspirativität, die meist weit übertrieben wird. Anonymisierung und Verfolgungswahn haben einen unverhältnismäßigen Einfluss auf die Aktivität einer Gruppe. Dabei ist eine Atmosphäre von Anonymität auch für Spitzel am leichtesten, denn sie müssen nichts von sich selbst preisgeben, niemensch interessiert sich für ihre auswendiggelernten Lebensläufe. Paranoide Verhaltensweisen machen sich auch leichter verdächtig als offenes und freches Verhalten, bei dem der Eindruck entsteht, alles sein völlig normal.
  • Vor lauter Konspirativität und Angst wird zur Verschwiegenheit verpflichtet und sämtliches Verhalten im Umgang mit Repressionsbehörden verregelt („Anna und Arthur halten’s Maul“). Die meisten dieser Regeln sind zwar sinnvoll und wichtig, sollten einen anderen Umgang aber nicht verbieten.
  • Bestimmte Einrichtungen propagieren einen Alleinvertretungsanspruch wenn es um Repressionsschutz geht (Ermittlungsausschüsse, Rote Hilfe z.B.). Sie machen die Individuen durch scheinbare Kompetenz und offenen Monopolismus von sich abhängig. Sie allein haben die guten Anwälte, die richtigen Tipps und die Möglichkeiten, den Individuen zu helfen, so suggerieren sie. Dadurch werden diese Menschen in eine Abhängigkeit von ihnen unbekannten Personen gebracht. Diese Einrichtung vermitteln einen Eindruck nach dem Motto „Ohne uns bist Du nichts. Wir allein können Dir helfen. Wir holen Dich raus“. Der/die Aktivistin wird als hilfloses Opfer dargestellt, eine Rolle, die seiner/ihrer Situation wahrlich nicht entspricht.
  • Um diese Monopolstellung zu behaupten, wird den AktivistInnen sehr viel Angst gemacht. Diverse Rechtstipps handeln vor allem vor all den schreckliche Dingen, die passieren können, nicht von den Möglichkeiten des Individuums. Es soll lediglich die entsprechende Einrichtung kontaktieren, andere Möglichkeiten seien ihm/ihr sowieso nicht gegeben. So werden die AkteurInnen unerfahren gehalten. Anstatt sie zu trainieren und zu ermutigen, werden sie in eine unpassende Opferrolle gedrängt, aus der es nur einen Ausweg geben soll: sich an die RetterInnen wenden, die mensch nicht einmal kennt.

Lösung von Unten:
  • Emanzipatorische Antirepressionsarbeit sieht anders aus. Sie hat die Stärkung des/der Agierenden zum Ziel. Um eigenständig zu sein, braucht das Individuum vor Allem Wissen und Erfahrung. Die Aneignung kreativer Methoden im Umgang mit dem „bösen Staat“ durch Trainings und Seminare ist deshalb Grundvoraussetzung. Egal welches Gesicht uns der Staat gerade zeigt, wir üben unser Verhalten gegenüber Prügelbullen und Verhörbullen, Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft, Gericht und Knast.
  • „Entdecke die Möglichkeiten“ ist unser Motto, wenn wir von Repression bedroht werden. Wir sind handlungsfähig als Betroffene und als Nicht-betroffene. Wir sind nicht Opfer, wir sind TäterInnen. Unser Widerstand geht nicht nur weiter, sondern durch eine Verhaftung geht unsere Aktion erst richtig los. Deshalb eignen alle sich Methoden an, wie sie als Nicht-Betroffene die Repressionsorgane stören, manipulieren, angreifen oder subversiv behandeln können, während derdiedas TäterIn/Opfer im Einklang mit den Aktionen der anderen sein/ihr eigenes Spielchen spielt. Auch Repression wird von Menschen ausgeführt; die sind wie andere LohnarbeiterInnen auch: faul, genervt, gelangweilt, manchmal fühlen sie sich überlegen, manchmal haben sie keinen Bock. Damit können wir spielen, so wie sie mit uns spielen.
  • Entgegen der landläufigen Meinung, ist der beste Schutz vor Spitzelei absolute Offenheit und Transparenz. Sie zwingt die Spitzel, sehr gut zu sein, ihre Lebensläufe gut zu können und sich sehr gut anzupassen. Es verunsichert sie. Freches Reden über Aktionsideen macht es den Spitzeln schwer, zu differenzieren, was Ernst und was Spass ist, was nur laut gedacht und was geplant ist. Wir sollten uns dessen bewusst sein: Die sind auch nur Menschen. Und um ihre eigenen Arbeitsplätze zu rechtfertigen, müssen sie sich den Schwachsinn, den sie in ihren Berichten schreiben, auch glauben. Jedenfalls hat die Erfahrung gezeigt, das Frechheit und Offenheit erfolgreich sein können. Vor allem, was am wichtigsten ist, erweitern sie die Handlungsfähigkeit. Konspirativität kann angebracht sein, aber nur gezielt und bewusst.
  • Auf jeden Fall ist ein neuer, politischer, emanzipatorischer Umgang mit Repression unbedingt nötig. Materialien wie Bücher und Broschüren müssen erstellt werden, Seminare und Trainings abgehalten werden. Sie wollen uns Angst machen, lasst uns sie das Fürchten lehren!

Um Missverständnissen vorzubeugen: Wir halten die Arbeit von Rote Hilfe und EA für wichtig und größtenteils richtig. Sie ist uns nur zu einseitig und wir haben die genannte Kritik daran. Diese verstehen wir solidarisch. Wir wollen nicht ausgrenzen, hetzen oder diffamieren, sondern anregen und verbessern.


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