Offener Raum

NAZI-JUSTIZ

Buchvorstellungen zum Themenbereich


1. Ohne Brüche aus dem Nazi-Regime in die BRD
2. Fallbeispiele: Bundesweite Justiz
3. Fallbeispiele: Hessen
4. Richter, Drittes Reich und BRD
5. Und heute?
6. Justiz heute: Antifa-Symbolik verbieten?
7. Mehr Nazi-Karrieren in der BRD
8. Buchvorstellungen zum Themenbereich

Die willen Vollstrecker in Robe: Justiz im Dritten Reich
Die Behauptung, fast alle Deutschen seien nach 1933 Nazis gewesen, ist falsch. Ebenso falsch ist, dass die Nazis irgendwie von außerhalb gekommen wären und das eigentlich gute Deutschland missbraucht hätten. Vielmehr zeigte sich im Nationalsozialismus und seinen Verbrechen in einer beeindruckenden Art, dass williges Vollstreckertum beliebige, auch brutalste Handlungsweisen ermöglicht. Die NSDAP musste nicht viele Menschen austauschen oder umerziehen. Sie trafen auf eine Mehrheit, die jeden Befehl ausführen würde, wenn das nur ausreichend propagandistisch unterfüttert oder als Dienstanweisung im Job oder anderen Hierarchien geschah. Schonungslos zeigt das Buch „NS-Justiz und Nachkriegsjustiz“ von Albrecht Pohle und Mitautorinnen (2014, Wochenschau in Schwalbach, 222 S.) das Wirken der Richter im Nationalsozialismus – im Gericht und im politischen Raum. Und schlimmer: Nach 1945 setzten viele ihre Karrieren in Robe. Nur wenige Verbrechen „im Namen des deutschen Volkes“ wurden zwar überhaupt geahndet, aber selbst dann kamen die Richter nach kurzer Zeit wieder frei und konnten neue Karrieren beginnen. Das Buch zeigt das an konkreten Personen und an den Orten des Grauens, unter anderem den Lagern Esterwegen und Hinzert. Im Mittelpunkt stehen dabei die Nacht-und-Nebel-Deportierten, also denen, bei denen die NS-Führung politische Unruhen befürchtete und die deshalb „verschwinden“ statt öffentlich abgeurteilt werden sollten.
In ebenso beeindruckenden Büchern haben Autor_innn im Suhrkamp-Verlag das für die Justiz und das Rechtsdenken insgesamt untersucht. Dabei stehen weniger die konkreten Taten als Motive und Denkkulturen im Mittelpunkt – so in „Recht und Justiz im ‚Dritten Reich‘“, herausgegeben von Ralf Dreier und Wolfgang Sellert (1989, 373 S., 15 €). Hier werden in verschriftlichten Fachbeiträgen zu einer gleichnamigen Ringvorlesung an der Universität Göttingen die Beeinflussungsgrößen untersucht, die aus der Justiz eine Stütze der Tötungsmaschinerie machte – vom Jurastudium über die Gesetze bis zur Personalpolitik. Wer die unfassbaren Denklogiken in Originaltexten nachvollziehen will, kann zum Buch „Rechtfertigung des Unrechts“ von Herlinde Pauer-Studer und Julian Fink (2014, 563 S., 22 €) greifen. Hier sind die maßgeblichen Gesetze, Anweisungen und Leitlinien – meist auszugsweise – zitiert. Damit das mörderische Treiben der Täter in Robe, die ja vom Schreibtisch aus agierten, auch zur Praxis wurde, brauchte es willige Vollstrecker_innen, die zu umfangreichen Gewaltorgien ohne Tötungshemmung bereit waren. Wie solche Organisationen und in ihnen die brutalisierten Rädchen im System geschaffen wurden, beschreibt Stefan Kühn in „Ganz normale Organisation“ (2014, 411 S., 16 €). Die „Soziologie des Holocaust“, wie der Untertitel heißt, vermittelt einen intensiven Einblick in Gehorsams- und Anpassungsstrategien mit einer Mischung aus Manipulation und Drohung.

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