Offener Raum

FLÄCHENVERSIEGELUNG: BETON UND ASPHALT - ES REICHT!

Regionalplanung und Baugebiete in Gießen


1. Zubetonierung der Landschaft: Einleitung
2. Zubetonierung der Landschaft in Mittelhessen
3. Regionalplanung und Baugebiete in Gießen
4. Regionalplanung im Lumdatal
5. Regionalplanung im Wiesecktal
6. Regionalplanung im Süden von Gießen
7. Widerstand gegen Flächenfraß

Wachsen, wachsen, betonieren ...

Industriegebiet "Alter Flughafen"

Bieber+Marburg
Die Stadt Gießen macht mit ihrer Betonpolitik ungeniert weiter. Ein besonders absurder Fall ist der Wunsch der Firma Bieber+Marburg, einen Wald abzuholzen, um dort weiteres Gewerbe anzusiedeln. Denn: Die hatte das vor einigen Jahren schon mal gemacht, auch damals nur über eine Sonderausnahme. Die wurde nur unter der Auflage erteilt, auch langfristig nicht noch weiter zu expandieren. Nur 14 Jahre später ist das Schnee von gestern - und die Stadt argumentiert frech, 14 Jahre seien doch mehr als langfristig und daher zähle die Auflage nicht mehr ...

Blick auf das Fabrikgelände mit dem gefährdeten Wald ganz rechts

Aus "Waldverlust für Firmenerweiterung in Gießen: Trotz Verbot darf gerodet werden, in: Gießener Allgemeine am 18.3.2022
Wie in der vergangenen Woche berichtet, hat die Stadt eine vorhabenbezogene Bebauungsplanung eingeleitet, um dem expandierenden Stahl- und Bauunternehmen eine Erweiterung zu ermöglichen, die mit dem Verlust von vier Hektar Wald verbunden wäre, was von Naturschützern kritisiert wird. Eine erste Erweiterung hatte 2009 bereits knapp drei Hektar Schutz- und Erholungswald gekostet. Diese Vergrößerung war nur möglich, weil die Regionalversammlung der Stadt Gießen damals erlaubte, vom Regionalplan abzuweichen. Diese Abweichung war mit der Auflage verbunden, dass die Firma am Standort zwischen Steinberger Weg und Leihgesterner Weg »langfristig« nicht mehr wächst.
Diese Auflage sei für die Kommune bindend, »bis etwas anderes ausgewiesen wird«, erklärt dazu Stadtsprecherin Claudia Boje. Mittlerweile werde bereits die übernächste Generation des Regionalplans aufgestellt. 14 Jahre später könne man mithin »von einer Langfristigkeit sprechen«.
Laut Boje war die aktuell in der Diskussion befindliche Erweiterungsfläche im Rahmen einer Flächenabfrage auf Wunsch der Stadt vom Regierungspräsidium als Vorranggebiet Industrie und Gewerbe Planung in den Regionalplan aufgenommen worden. Für die Waldfläche sei eine Strategische Umweltprüfung durchgeführt worden, danach hätten die Gremien der Regionalversammlung die Übernahme in den Regionalplan befürwortet. Die Stadt habe sich beim RP rückversichert, dass die Auflage aus 2008 als »überholt« angesehen werden kann.



Spannend war auch das Tempo: Während sich bei Klimaschutz und Verkehrswende kaum etwas tut, wurde der Bebauungsplan für die Waldabholzung sehr schnell beschlossen.

Aus dem Bericht "Lackmustest für die Grünen" über die Debatte im Ausschuss, in: Gießener Allgemeine am 8.4.2022
Mit der großen Mehrheit von Grünen, CDU, SPD, Gießener Linke, FDP, Freien Wählern und AfD wurde die Aufstellung des Bebauungsplans befürwortet, dagegen stimmten die drei anwesenden Vertreter von Gigg/Volt und die beiden Stadtverordneten der PARTEI, Enthaltungen gab es keine. ...
Planungsdezernentin Gerda Weigel-Greilich (Grüne) sprach von einem »schwierigen, aber wohlüberlegten Schritt«. Der Planungsprozess mit umfassender Umweltprüfung könne auch zum Ergebnis führen, dass der Wald nicht gerodet werden dürfe. Für die Stadträtin steht gleichwohl fest, dass eine Zweiteilung des Firmenstandorts oder gar eine komplette Verlagerung - beides kommt für Bieber+Marburg nicht in Frage - ökologisch schädlicher wäre als die beabsichtigte Erweiterung.
Die wird von der Klimaschutz-Fraktion Gigg/Volt, die sich im Ausschuss noch enthalten hatte, abgelehnt. Angesichts der Tatsache, dass der Magistrat dem Stadtparlament verschwiegen habe, dass die 2009 erfolgte Erweiterung mit der klaren Festlegung verbunden war, dass ein weiteres Wachstum an diesem Standort nicht mehr möglich ist, schenke man den Zusicherungen der Koalition und der Planungsdezernentin keinen Glauben, sagte Fraktionschef Lutz Hiestermann. Stadt, Unternehmen und die Regionalplanung des RP hätten von dieser Festsetzung aus 2009 gewusst, trotzdem sei sie jetzt nicht kommuniziert worden. Die Wahrheit sei, dass die jetzt geplante Erweiterung »doch längst eingetütet ist«.



Dann ging es in die Umsetzung. Und natürlich war nichts mehr davon zu sehen, was einige Grüne zu Beginn des Bauleitverfahrens noch gesagt hatten - nämlich, dass das Verfahren nur pro forma gemacht und das Vorhaben am Ende abgelehnt wird. Was der Kapitalismus einmal zwischen die Zähne bekommt, wird auch gefressen ...


Das betroffene Waldstück aus verschiedenen Perspektiven - es liegt auf dem Foto oben hinter den Hallen, von der Autobahn entlang des Firmengeländes
Unten: Foto von der anderen Seite, also das Waldstück vor der Halle



Das gleiche Waldstück von der Seite in Richtung Autobahn


Interessant auch die vorgesehene Ausgleichsfläche - sie soll aufgeforstet werden, aber wird damit nicht eine naturnahe Fläche einfach nur umgewandelt, während sie durch die Baustelle verschwindet?

Weiter so im Regionalplan Mittelhessen
Der Entwurf des Regionalplans Mittelhessen für Gießen zeigt, dass sich Wohn- und Gewerbegebiete weiter ausdehnen sollen. Die folgenden Abbildungen stammen aus dem Entwurf. Braun sind Wohngebiete (dunkel bestehend, hell neu geplante), grau die Gewerbegebiet (hell auch hier die neu geplanten). Lila Flächen zeigen Bodenabbaugebiete an. All diese Flächen plus der neu geplanten Straßen würden weitere Zerstörung von Biotopen, landwirtschaftlichen Flächen und Böden bedeuten.


Ausschnitt aus dem Regionalplan für Gießen

Flächenversiegelung durch Gewerbegebiete, Straßen usw. überall

Warum ständig neue Baugebiete?
Gießen wächst und wächst - auf Kosten der ländlichen Gebiete, z.B. des Vogelsberges. Den verlassen immer mehr Menschen, weil dort die Infrastruktur immer weiter abgebaut wird. Neubauten in Gießen (und im nahem Umfeld) einerseits und leerstehende bzw. nur noch von 1 bis 2 Personen bewohnte, große Gehöfte im Vogelsberg zeugen von einer riesigen Verschwendung an Ressourcen.
Doch es gibt weitere Gründe fürs ständige Neubauen. Zum einen wollen Menschen immer mehr Komfort, müssen immer mehr Sachen unterbringen, die sie sich im entfachten Dauerkonsum besorgen. Zum anderen wollen die meisten nichts mehr mit anderen Teilen. Sanitärräume, Küchen usw. entstehen überall nur noch für eine einzige Person.

Aus "Wohnheime im Wandel", in: Gießener Allgemeine am 28.12.2023
»So wie wir früher die Wohnheime gebaut haben, mit bis zu 15 Zimmern auf einem Flur und mit Gemeinschaftsbad und -küche, würden wir heute nicht mehr bauen«, sagt Vogtmann. Seit der Pandemie wollten die Studierenden Bad und Klo nicht mehr gerne mit anderen teilen. Deshalb stattet das Studierendenwerk aktuell viele bestehende Zimmer - zum Beispiel im Wohnheim Unterhof - mit eigenen kleinen Nasszellen mit Dusche und WC aus. Vogtmann sagt: »Das ist heute der geforderte Standard.«

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