Projektwerkstatt Saasen

PSYCHIATRIE IN HESSEN: TÄUSCHUNG, ZWANG, FIXIERUNG, RECHTSBRÜCHE

Vitos-Klinik und Fälle in Gießen


1. Vitos-Klinik und Fälle in Gießen
2. Vitos-Klinik in Haina
3. Vitos-Kliniken in Rhein-Main und Südhessen, u.a. Riedstadt (Goddelau)
4. Im Original: Vitosklinik in Briefen, Interviews und Büchern
5. Seilschaften, Politik und Kritik aus Hessen
6. Der Fall "Dennis Stephan"

Aus der Verfassung des Landes Hessen
Artikel 3: Leben und Gesundheit, Ehre und Würde des Menschen sind unantastbar.
Artikel 5: Die Freiheit der Person ist unantastbar.
Artikel 6: Jedermann ist frei, sich aufzuhalten oder niederzulassen, wo er will.
Artikel 21: ... Alle Gefangenen sind menschlich zu behandeln.

In Gießen hat sich im Anschluss an das Direct-Action-Training im April 2016 wieder eine kleine Runde gebildet für Aktionen und Öffentlichkeit gegen die Zwangspsychiatrie. Treffen will sich die Gruppen unter anderem auf den Aktions-Vernetzungstreffen in Gießen, außerdem sind Aktionen auf dem Vitos-Gelände an der Licher Straße geplant ... mehr Infos bekommt Ihr im Aktionsraum/Antiquariat Guthschrift!

Im Original: Ein Brief aus der Vitos-Klinik
Eingetroffen am 10.2.2014, anonym:
wir sollen Ihnen aurichten Danke, ich habe Ausgang in die Stadt und ich schreibe Ihnen das im Auftrag von einigen Forensik Patienten! Ich darf meinen Freigang in die Stadt nicht gefährden und schreibe ihnen aus dem Internetcafe Marktplatz. DANKE! DANKE!! Für die Demo, die hier von der Klinik nicht gerne gesehen wurden.Ein bischen Hoffnung bekommen wir, durch Ihren Einsatz. Wir sind nicht feige, wir werden dort drin nur tagelang fixiert und weggesperrt, falls wir nicht parieren und an einer DEmo haben wir nicht die geringst Chance teizunehmen. Sonst isoliert und zwangsgespritzt. vielen Dank für Ihren Einsatz!! Wir durften nicht mit Ihnen in Kontakt kommen, sonst wären wir weggesperrt worden und kommen nie wieder heraus. Man unterstellt uns von Seiten der Pfleger Straftaten die wir nicht begangen haben. Wir seien agressiv oder gewalttätig. kurz vor einer Anhörung wird es hier sehr schlimm, man übt Druck auf uns aus und behauptet Dinge über uns. Hier ist es ganz schwer herauszukommen. Medikamente werden einem aufgezwungen man hat hier keine Wahl. Sie geben uns durch Ihre Aktion Hoffnung. Bitte geben Sie uns nicht auf. Wir hoffen das sie den Brief bekommen. Wir worden überwacht am Tag der Demonstration, ob wir mit Ihnen in Kontakt treten. Diejenigen die weggesperrt sind haben nichts davon erfahren. Es wurde in der Arbeitstherapie unter vorgehaltener Hand weitergegeben.
Das sollten Sie wissen, der Klinikleiter Müller Isberner sagt manchen von uns: " das Gesetz bin ich"!!! Die Leute die hier sich zu wehr setzen haben keine Chancen mehr. Uns glaubt keiner. Sozialministerim antwortet nicht Petitionsausschuß ebenfalls nicht, denn wir gelten hier als bekloppt. Wir werden gezwungen Pillen zu fressen, ansonsten 0,0 Chancen eine Stufe zu bekommenn. Das bedeutet keine Kontakt zu anderen und keinen Hofgang. Schon gar nicht Entlassung zu denken.
Bitte geben sie uns nicht auf viele Grüße vom Maßregelvollzug und vergesst uns nicht.



Aus einem Brief der Vitosklinik: Wünsche der Patient_innen und ihrer Bevollmächtigten zählen hinter den Mauern nichts!

Forensische Psychiatrie in der offiziellen Wahrnehmung und bei genauerem Hinschauen ...
(= Maßregelvollzug, d.h. die Menschen werden per Urteil im Strafprozess hier eingesperrt).

Aus der Gießener Allgemeinen (Internet vom 23.3.2007)
Forensische Klinik Gießen: Seit neun Jahren kein "schwerer Zwischenfall"
Immer mehr psychisch Kranke begehen so schwere Straftaten, dass sie in eine forensische Klinik eingeliefert werden müssen. Dort werden viele von ihnen schnell erfolgreich behandelt. Die weiterhin Gefährlichen würden dank guter Diagnosemethoden erkannt; sie blieben lange, mitunter für immer hinter Gittern. Die Behandlung in Hessen sei bundesweit vorbildlich: Das sagte Dr. Rüdiger Müller-Isberner, Chefarzt der Klinik für forensische Psychiatrie Haina, bei der ersten Sitzung des Gießener Forensikbeirats in der neuen Legislaturperiode. Anhand von Zahlen aus den vergangenen 35 Jahren machte Müller-Isberner deutlich, dass es tatsächlich schon lange keinen Anlass mehr gab, in der Öffentlichkeit Angst vor Forensik-Patienten zu schüren. Vor neun Jahren versuchte ein Mann, der Ausgang hatte, in Gießen eine Frau zu vergewaltigen. Seitdem wurde kein einziger "schwerer Zwischenfall" während der Behandlung registriert. Die Quote der "Entweichungen" ist auf rund einen von 100 Patienten gesunken.


Vitos selbst bekennt sich zum Ex-Chef Müller-Isberner
Aus einer Pressemitteilung der Vitos-Klinik am 28. März 2017
Sein Name ist Synonym für die Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina: Dr. Rüdiger Müller-Isberner leitete 30 Jahre lang als Ärztlicher Direktor die Maßregelvollzugseinrichtungen im Kellerwald und in Gießen. ...
Reinhard Belling, Geschäftsführer der Vitos GmbH, bezeichnete die heutige Vitos Klinik als erfolgreichen Gegenentwurf zur von Zeitgeist und Intuition geprägten forensischen Psychiatrie der 80er Jahre. Die Arbeit in der Klinik sei das Gegenteil der weit verbreiteten und so gefährlichen „Simplifizierung“. Die Behandlung psychisch kranker Rechtsbrecher sei keine einfache Aufgabe. „Umso entscheidender sind wissenschaftlich fundierte und nachvollziehbare Methoden.“ Für diese Entwicklung gebühre Dr. Müller-Isberner Dank und Anerkennung. Seine Nachfolgerin Dr. Eusterschulte übernehme eine „tolle Aufgabe“ – jedoch mit neuen Herausforderungen. Belling verwies auf die erhöhten individuellen Freiheitsrechte der Patienten und eine neue öffentliche Auseinandersetzung mit dem Maßregelvollzug, die nicht immer an Fakten orientiert sei. ...
„Der Name Rüdiger Müller-Isberner ist in der Welt untrennbar mit unserer Vitos Klinik verbunden.“ Der „stetige Motor der Klinik“ habe 30 Jahre lang fachliche Innovationen erschlossen, in der Klinik implementiert und dabei alle Berufsgruppen mitgenommen. Der „unorthodoxe Ärztliche Direktor“ genieße aufgrund seiner besonderen Haltung zum „multiprofessionellen Team“ größten Respekt bei allen Mitarbeitern. Und mit seiner „unnachahmlichem Fürsorglichkeit“ habe Dr. Rüdiger Müller-Isberner die Klinik und alle Mitarbeiter nun auch in beste Hände übergeben. Dr. Beate Eusterschulte sei eine „bemerkenswerte Frau“, die auf „starkem Fundament eine innovative Zukunft gestalten kann“.


Aus "Patientenfürsprecher hört frustriert auf", in: Gießener Allgemeine, 28.10.2011
Schwerwiegendster Punkt: die Verweigerung der Einsicht in die Patientenakte (nach Vorlage der entsprechenden Entbindung von der Schweigepflicht), so geschehen in der Vitosklinik für forensische Psychiatrie Haina (Außenstelle Gießen). Gewiss ein sensibler Bereich, doch für Hans Fink Grund genug, seine ehrenamtliche Tätigkeit als Patientenfürsprecher niederzulegen. Dr. Klaus Becker tritt Ende des Jahres an seine Stelle.
Fink betonte, dass seine Kritik ausschließlich der Forensischen Psychiatrie Haina gelte. Akteneinsicht fordere er dann, wenn Aussagen von Patienten und Klinikpersonal stark divergieren, um den problematisierten Sachverhalt besser einschätzen zu können. Laut Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Januar 2006 sei dies auch sein gutes Recht. Leider waren im Ausschuss – trotz Einladung – keine Vertreter der einschlägigen Kliniken erschienen, um zu etwaigen Vorwürfen Stellung zu beziehen. Finks Kritik sorgte für Empörung im Gremium. Günther Semmler (FW): "Es ist unakzeptabel, dass Vertreter des Kreises und somit der Öffentlichkeit so abgespeist werden."


Ahnungslos-gutgläubige bis einseitige Presse
Aus "Kranke Straftäter: Entlassungen trotz Bedenken", in: Gießener Allgemeine, 15.11.2013
Auch die Vitos Klinik für forensische Psychiatrie in Gießen wird im Laufe der nächsten Jahre psychisch kranke Rechtsbrecher entlassen müssen, obwohl die Experten ihnen eine schlechte Kriminalprognose stellen.
"Bei dem einen oder anderen, der dann rauskommen könnte, schläft man nicht so gut", sagte der Ärztliche Direktor Dr. Rüdiger Müller-Isberner im Forensikbeirat. Zugleich machte er deutlich, dass bei schuldfähigen Straftätern die Prognose noch nie eine Rolle bei der Freilassung gespielt hat.
Ein weiteres Thema der Sitzung in der Klinik war der Umgang mit Patienten, die sich weigern, Medikamente zu nehmen, aber für ihre Umgebung gefährlich sein könnten. Weil sogenannte Zwangsbehandlungen zur Zeit rechtlich nicht möglich seien, würden solche Menschen in Einzelzellen eingeschlossen, sagte Müller-Isberner. ...
Wer eine Straftat begeht und aus psychischen Gründen als vermindert oder gar nicht schuldfähig gilt, kommt in die Forensik. Eine Chance, wieder in Freiheit zu gelangen, hatte er bisher nur dann, wenn die Fachleute einschätzten, dass er in Zukunft wahrscheinlich keine Straftaten mehr begehen wird. Damit sei ein solcher Mensch mit psychischer Störung schlechter gestellt gewesen als der schuldfähige Täter, machte der Psychiater deutlich. ...
Für die Klinikmitarbeiter bedeuteten diese Entlassungen trotz schlechter Kriminalprognose besonderen Aufwand, weil einige der Betroffenen "die Gelegenheit nutzen, es uns und den Therapeuten mal so richtig zu zeigen", etwa indem sie die Unterschrift für ihren Personalausweis verweigern. Die meisten Patienten allerdings zeigten sich kooperativ: "Man kann sich einigen, dass man sich gegenseitig so schnell wie möglich wieder loswerden will." Vier bis fünf Jahre verbringt der Durchschnittspatient in der Forensik.
Ebenfalls das Bundesverfassungsgericht hat vor zweieinhalb Jahren die Rechtsgrundlagen zur Zwangsbehandlung für verfassungswidrig erklärt – zunächst für Rheinland-Pfalz, aber in Hessen sieht das Gesetz ähnlich aus. Es gebe aber Patienten, die keine Einsicht in ihre Krankheit haben, daher keine Medikamente nehmen wollen und unbehandelt als Gefahr für ihre Umgebung eingeschätzt werden. Sie müssten leider im "Einschluss" untergebracht werden, um Mitpatienten und Mitarbeiter vor Gewalt zu schützen, so Müller-Isberner. Betroffen seien in Hessen bereits 24 Menschen; in Riedstadt seien eigens für solche Fälle bereits weitere Einzelzellen geschaffen worden.


Aus "Psychiatrische Gutachten: Zwischen Irrsinn und Verbrechen", in: FAZ, 2.8.2014 (mit Bildern der Vitos-Klinik Gießen)
(Zu Mollath:) Die fehlende Kooperationsbereitschaft hat ihm in der Vergangenheit geschadet, denn die Ablehnung von Diagnostik und Behandlung werteten die Psychiater als Argument für Mollaths fortdauernde Gefährlichkeit. Die einzige Möglichkeit ist in solchen Fällen ein Gutachten nach Aktenlage, also vor allem anhand von Verhaltensbeobachtungen der Tatzeugen und Aufzeichnungen der Vollzugsbeamten. Müller-Isberner kann daran nichts Verwerfliches finden: „Um ein gebrochenes Bein zu diagnostizieren, reicht doch auch das Röntgenbild.“ ...
Während Strafverteidigervereinigungen die Vorschläge noch nicht für ausreichend erachten, halten Müller-Isberner und sein Kollege Oberbauer eine Reform für nicht zwingend notwendig: „Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht schon jetzt im Gesetz“, sagt Müller-Isberner. Eine geringfügige Anlasstat dürfe auch nach geltendem Recht an sich nicht dazu führen, dass ein Straftäter für Jahrzehnte in der Psychiatrie verschwindet. „Die Gerichte müssten sich daran nur halten.“ Oberbauer sieht ein anderes Problem: „Für manche Menschen gibt es einfach keinen Platz. Sie sind nicht gemeinschaftsfähig, keine Nachsorgeeinrichtung will sie haben.“ ...
„Kaum jemand hat so viel Rechtsschutz wie die Patienten im Maßregelvollzug“, so Müller-Isberner, „unsere Patienten können sich gegen jede Kleinigkeit gerichtlich wehren, auch wenn sie nur fünf statt sechs Kartoffeln auf dem Teller haben.“


Aus einem Text des Journalisten und hessischen HU-Vorsitzenden Franz-Josef Hanke
In 30 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit bei der Humanistischen Union Marburg habe ich viele Menschen kennengelernt, die üble Erfahrungen mit der Psychiatrie gemacht haben. Die Diskussionen des HU-Arbeitskreises „Psychiatrie“ haben diesen negativen Eindruck noch verfestigt.
Berichtet wurde dort von einem Fall, in dem der Leiter der hessischen Forensik einem Patienten über mehrerere Monate hinweg das 30-fache der zugelassenen Höchstdosis eines Medikaments verabreicht hat, das nur für kurze Interventionsphasen gedacht ist und auf das der Betroffene nach ärztlichen Dokumenten nicht positiv reagieren konnte. Dr. Rüdiger Müller-Isberner erstellt dennoch psychiatrische Gutachten über Patienten seiner Einrichtung, mit denen er sie dorthin einweisen lässt und so die Einnahmen der Vitos-GmbH sichert.
In einem anderen Fall erstellte ein Gutachter sein Gutachten „rein nach Aktenlage“, ohne den Patienten jemals persönlich in Augenschein zu nehmen. Akten zu dem Betroffenen können ihm zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens aber gar nicht vorgelegen haben, weil sie sich gerade in einer Anwaltskanzlei befanen. Nun soll das Opfer für dieses Gutachten, das ihm vier Jahre Aufenthalt in der Psychiatrie eingebracht hat, auch noch bezahlen!
Mein persönlicher Eindruck ist, dass viele psychiatrische Einrichtungen nicht auf die notwendigen Therapiegespräche bauen, sondern auf zweifelhafte Medikamente, die möglicherweise dann eine Suchtwirkung entfalten und deren Absetzen dann zu furchtbaren Reaktionen führen kann. „Gespräche vor Medikamente“ müsste die Devise lauten, wofür aber meist zuwenig Personal vorhanden ist. In manchen Fällen sind die Psychopharmaka aber die Auslöser für den „Wahnsinn“, den die Psychiatrie durch ihre gegenwärtige Praxis der Medikamentierung und des Wegsperrens selber erzeugt.


Im Original: Das Gesetz (in Hessen)
Aus dem MRVG (Gesetz über den Vollzug von Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt Maßregelvollzugsgesetz), gültig bis 2015
§ 7 Ärztliche Behandlung zur Erreichung des Vollzugszieles
(1) Der Untergebrachte erhält die zur Erreichung des Vollzugszieles nach § 136 S. 2, 137 StVollzG erforderliche ärztliche Behandlung; sie schließt die notwendige Untersuchung ein. Einer Einwilligung des Untergebrachten in die Behandlung bedarf es unbeschadet des Abs. 2 nicht. ...

§ 29 Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiete der Gesundheitsfürsorge
(1) Röntgenuntersuchungen der Lunge sind auch ohne Einwilligung des Untergebrachten zulässig. Im übrigen ist eine zwangsweise Untersuchung, Behandlung oder Ernährung außer in den Fällen des § 7 nur bei Lebensgefahr, bei schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit des Untergebrachten oder bei Gefahr für die Gesundheit anderer Personen zulässig; die Maßnahmen müssen für die Beteiligten zumutbar sein und in angemessenem Verhältnis zu dem damit bezweckten Erfolg stehen.
(2) Zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung außer im Falle des Abs. 1 zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. ...

§ 36 Besondere Sicherungsmaßnahmen
(1) Gegen einen Untergebrachten können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn in erhöhtem Maße Fluchtgefahr besteht oder sonst sein Verhalten oder sein Zustand eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung des Maßregelvollzuges darstellt, insbesondere wenn Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder eine Selbsttötung oder Selbstverletzung zu befürchten sind.
(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:
1. die Absonderung von anderen Untergebrachten,
2. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände,
3. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
4. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthaltes im Freien,
5. die Fesselung.
(3) Grundsätzlich dürfen Fesseln nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Im Interesse des Untergebrachten kann eine andere Art der Fesselung angeordnet werden. Die Fesselung ist zeitweise zu lockern, soweit dies notwendig ist.
(4) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur aufrechterhalten werden, soweit es ihr Zweck erfordert.
(5) Während der Durchführung besonderer Sicherungsmaßnahmen ist eine ärztliche Mitwirkung und Überwachung zu gewährleisten.

§ 37 Einzelunterbringung, unausgesetzte Absonderung
Die unausgesetzte Absonderung eines Untergebrachten über einen Zeitraum von mehr als einem Monat bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Die Zustimmung erstreckt sich jeweils nur auf einen Zeitraum von höchstens zwei weiteren Monaten und ist erforderlichenfalls zu erneuern. Die Anordnung einer Einzelunterbringung aus therapeutischen Gründen nach § 7 Abs. 1 bleibt unberührt; überschreitet sie die Dauer von drei Monaten, ist die Aufsichtsbehörde davon zu unterrichten.

§ 40 Einschränkung von Grundrechten
In dem in diesem Gesetz bezeichneten Umfange werden die Grundrechte der Freiheit der Person, der körperlichen Unversehrtheit und der Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 2 und 10 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Art. 5, 6 und 12 der Verfassung des Landes Hessen) eingeschränkt.

Neufassung in Planung - Auszüge aus dem "Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Maßregelvollzugsgesetzes" vom 4.12.2014
Alternativen: Keine. ...
Besondere Auswirkungen auf behinderte Menschen: Keine. ...

§ 7a Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
(1) Gegen den natürlichen Willen einer untergebrachten Person sind medizinische Unter-suchungen und Behandlungen sowie die Ernährung zulässig,
1. wenn die untergebrachte Person nicht einwilligungsfähig ist und eine erhebliche Ge-fahr für ihr Leben oder einer schwerwiegenden Schädigung ihrer Gesundheit vorliegt,
2. wenn dies bei einer nicht einwilligungsfähigen untergebrachten Person zur Wieder-herstellung ihrer Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit erforderlich ist und wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ohne die Maßnahme ihre Entlassung nicht möglich sein wird, oder
3. bei erheblicher Gefahr des Lebens oder einer schwerwiegenden Schädigung der Ge-sundheit anderer Personen.
(2) Zwangsmaßnahmen nach Abs. 1 dürfen nur angeordnet werden, wenn
1. erfolglos versucht worden ist, die auf Vertrauen gegründete Zustimmung der unter-gebrachten Person zu der Untersuchung, Behandlung oder Ernährung zu erwirken,
2. deren Anordnung der untergebrachten Person angekündigt wurde und sie über Art, Umfang und Dauer der Maßnahme durch eine Ärztin oder einen Arzt aufgeklärt wur-de,
3. die Maßnahme zur Abwendung der Lebens- oder Gesundheitsgefahr oder zur Wie-derherstellung der Freiheit geeignet, erforderlich, für die untergebrachte Person nicht mit unverhältnismäßigen Belastungen und Folgen verbunden ist und mildere Mittel keinen Erfolg versprechen und 4. der zu erwartende Nutzen der Maßnahme den möglichen Schaden der Nichtbehand-lung deutlich überwiegt.
Von den Anforderungen nach Nr. 1 und 2 kann abgesehen werden, wenn Gefahr im Verzug ist.
(3) Zwangsmaßnahmen nach Abs. 1 sind durch eine Ärztin oder einen Arzt nach § 2 Satz 6 einzuleiten und zu überwachen. Die Gründe für die Anordnung einer Maßnahme nach Abs. 1, das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 2 sowie die ergriffenen Maßnah-men, einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise, der Wirkungs-überwachung sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu dokumentieren.
(4) Die Behandlung aufgrund einer Anordnung nach Abs. 2 bedarf der vorherigen Ge-nehmigung der Fachaufsicht. Gegen die Anordnung kann nach § 109 der Strafprozess-ordnung gerichtliche Entscheidung beantragt werden.
(5) Zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes und der Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung der untergebrachten Person zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist.

§ 7b Unmittelbarer Zwang
Die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch körperliche Gewalt und ihre Hilfsmittel sind Bediensteten der Einrichtung des Maßregelvollzugs gestattet gegen untergebrachte Personen oder gegen Personen, die eine untergebrachte Person zu befreien versuchen oder widerrechlich in den Bereich der Einrichtung des Maßregelvollzugs eindringen und sich unbefugt darin aufhalten, wenn dies erforderlich ist, um die Behandlungsmaßnahmen, zu deren Duldung die untergebrachte Person verpflichtet ist, oder Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung des Maßregelvollzugs oder einer anderen Unterbringungseinrichtung, insbesondere bei Aufenthalten von unter-gebrachten Personen in einem Allgemeinkrankenhaus, durchzuführen und der damit verfolgte Zweck auf andere Weise nicht erreicht werden kann." ...

§ 17 Besuche
(1) Die untergebrachte Person darf regelmäßig Besuch empfangen. Die Gesamtdauer kann bis auf eine Stunde in der Woche beschränkt werden. ...


Aus den Erläuterungen:
Disziplinarmaßnahmen können angeordnet werden, wenn die untergebrachte Person rechtswid-rig und schuldhaft,
- gegen Strafgesetze verstößt oder eine Ordnungswidrigkeit begeht,
- unerlaubt Gegenstände in die Einrichtung einbringt, sich daran beteiligt oder Gegenstän-de besitzt,
- entweicht oder zu entweichen versucht,
- unerlaubt Betäubungsmittel oder andere berauschende Stoffe konsumiert,
- in sonstiger Weise wiederholt oder schwerwiegend gegen die Hausordnung verstößt oder das Zusammenleben in der Einrichtung stört.
Der letztere Tatbestand ist erforderlich, um auf unvorhergesehene und unvorhersehbare Situa-tionen reagieren zu können. Die Voraussetzung "wiederholt" und "schwerwiegend" stellt sicher, dass Disziplinarmaßnahmen nur als Reaktion auf eine qualifizierte Pflichtverletzung verhängt werden können.
Die zulässigen Disziplinarmaßnahmen werden abschließend aufgezählt. Sie stellen keine Rang-folge dar, allerdings wird in der Regel der Verweis (§ 55 Abs. 2 Nr. 1 HStVollzG) die gerings-te und der Arrest (§ 55 Abs. 2 Nr. 8 mit der Maßgabe der Beschränkung auf eine Woche) die schwerste Sanktion sein. Es handelt sich im Einzelnen um die folgenden Maßnahmen:
- den Verweis,
- den Ausschluss von gemeinsamer Freizeit bis zu vier Wochen oder von einzelnen Frei-zeitveranstaltungen bis zu drei Monaten,
- die Beschränkung oder den Entzug des Fernsehempfangs bis zu drei Monaten,
- die Beschränkung oder den Entzug von Gegenständen für eine Beschäftigung in der Frei-zeit bis zu drei Monaten,
- die Beschränkung oder den Entzug der Verfügung über das Hausgeld und des Einkaufs bis zu drei Monaten,
- Arrest bis zu einer Woche. Hierbei ist auch Abs. 4 zu beachten, der als Voraussetzung für die Verhängung eines Arrestes schwere oder mehrfache Verfehlungen fordert.
Die Anordnung muss verhältnismäßig sein. Von einer Disziplinarmaßnahme kann trotz Vorlie-gens ihrer Voraussetzungen abgesehen werden. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn andere Formen der Konfliktregelung erfolgreich waren oder Erfolg versprechen.


Zum neuen Maßregelvollzugsgesetz in Hessen, aus: FNP, 28.4.2015
Mit dem Gesetz werde gewährleistet, dass die Sicherheit der Bevölkerung im Vordergrund steht, erklärte die CDU-Abgeordnete Irmgard Klaff-Isslmann. Marcus Bocklet von den Grünen betonte, dass nun Rechtssicherheit geschaffen werde. Der FDP-Abgeordnete René Rock nannte das Gesetz ausreichend und gut. Die Pflegeexpertin der SPD, Daniela Sommer, begründete die Enthaltung ihrer Fraktion damit, dass der Hilfeauftrag für den Patienten zu kurz komme. Kritik kam von den Linken. Nach Einschätzung von Marjana Schott bleiben psychisch Erkrankte im Maßregelvollzug durch die Regelung rechtlos.

Berichte und Texte aus den Gießener Zwangspsychiatrien:

Das Personal des Zwangs: Gerichte, BetreuerInnen & Co.

Am 5.9.2007 veröffentlichte der Gießener Anzeiger einen Bericht über den Weg zur Zwangseinlieferung einer Person in die forensische Psychiatrie. Zu den Umständen und Hintergründen kann hier nichts gesagt werden, schon aber zu den Mechanismen von Freiheitsberaubung. Zunächst der zusammenfassende Einleitungsabsatz:
"Unterbringung in der Psychiatrie auf unbestimmte Zeit", lautete nun das Urteil des Landgerichts Gießen. In der Zeit vom 29. April 2006 bis zum 21. Januar 2007 hatte der junge Mann in fünf Fällen Menschen massiv bedroht und ihnen Verletzungen zugefügt. ...
Einer der Denunzianten war der Betreuer - und das wirft eines der Probleme auf. Alle Personen, die in der heutigen Psychiatrie als BetreuerInnen eingesetzt werden, können von einem Tag auf den anderen zu bedrohlichen ZeugInnen werden, deren Aussage zum lebenslangen Einsperren führt:
"Da ist der total ausgerastet und auf mich losgegangen", fuhr der Betreuer fort. Obwohl es dem souverän wirkenden Mann gelang, auf den Seltersweg zu flüchten, versetzten ihn die Worte des Angreifers in große Angst: "Es wird jemand kommen, der sieht so aus wie ich und der wird dich und deine Familie abmurksen." Daraufhin kündigte der Familienvater sein Betreuungsverhältnis. Der 42-Jährige ist davon überzeugt: "In Freiheit ist der Mann eine tickende Zeitbombe." ...
Und so verhängte das Gericht die Höchststrafe:
Das Gericht war sich einig, dass der 24-Jährige, der wohl jede Art von Drogen bereits konsumiert hat, auf freiem Fuß eine Gefahr für seine Mitmenschen darstellt. Er wird daher in der Forensischen Psychiatrie in Haina untergebracht. Richter Peter Pfister versuchte dem Angeklagten zu verdeutlichen, dass seine Unterbringung bis zu seinem Lebensende andauern wird, wenn sich sein Krankheitsbild nicht bessert.

Politische Seilschaften
Träger der Vitos GmbH ist der Landeswohlfahrtsverband - und der besteht wiederum aus kommunalen Gebietskörperschaften (Landkreise, Sätdte). Formal Bestimmende sind lauter Politiker_innen aus dem regionalen Filz. Doch von ihnen, obwohl unterschiedlichen Parteien angehörig, hört mensch bislang keine kritischen Töne.

Verharmlosende Presse
Der HR machte inmitten der Auseinandersetzungen um die illegale Zwangspsychiatrisierung von Dennis Stephan eine Werbesendung für Psychiatrien ( 13.2.2014 auf HR1). Dort gab es nur Lob. Der HR selbst kommentiert die Psychiatrien in unjournalistischer Euphorie und Einseitigkeit als "Super-Arbeit". Zu Wort kamen passend nur Befürworter_innen. Im Beitrag wurde die Behauptung, dass alles freiwillig sei und die Behandlungsprogramme sehr spezifisch. Die Zwangspsychiatrie werde ganz verschwiegen (O-Ton des Gefälligkeitsjournalismusses).

Täglich einsperren, foltern, drohen ... aber selbst schnell beleidigt sein ...
Der damalige Chefarzt der Forensikpsychiatrien Gießen/Haina fühlte sich von Bemerkungen auf dem Blog einer Mutter, deren Sohn in einer geschlossenen Psychiatrie umkam, beleidigt. Nach einer ersten Einstellung legte er Beschwerde ein, so dass es zu einem Verfahren kam.
Allerdings gab es zunächst viel Streitereien um Verfahrensfragen - und dann wurde die Sache doch eingestellt. Jetzt endgültig.

Aus einem Interview mit der seit Frühjahr 2017 als neuer Leiterin der Forensikpsychiatrien Gießen/Haina amtierenden Beate Eusterschulte (Nachfolgerin von Müller-Isberner), in: HNA, 9.4.2017
Sie übernehmen die Leitung einer Klinik, die weltweite Anerkennung hat, die aber in jüngster Zeit immer mehr in die Kritik von Psychiatriegegnern geraten ist. Was sind die Ursachen?
Eusterschulte: Wenn man das tut, was aus fachlicher Sicht richtig und zum Teil auch unumgänglich ist, wie zum Beispiel der Einsatz von Zwangsmaßnahmen, kommt man automatisch in Konflikt mit der Antipsychiatrie-Bewegung. Man kann außerdem beobachten, dass sich die Antipsychiatrie-Bewegung zunehmend organisiert.


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Kommentare

Wolfgang am 01.12.2021 - 17:10 Uhr
Was ändert sich? Nichts ändert sich!
Die Vitos Klinik hat das Machtmonopol


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