Projektwerkstatt Saasen

MYTHOS ATTAC: DAS KRITISCHE BUCH ZUM MEDIENHYPE

Alter Wein in alten Schläuchen


1. Juli 2004: Das erste kritische Attac-Buch!
2. Veranstaltungen zum Thema
3. Ankündigungsmail zum Buch (Frühjahr 2004)
4. Alter Wein in alten Schläuchen
5. Liste gelaufener und z.T. Berichte von Veranstaltungen
6. Rezensionen des Buches
7. Stichwort- und Personenverzeichnis
8. Reaktionen bei Attac
9. Januar 2011: Noch ein (pseudo-)kritisches Buch zu Attac
10. Die wichtigsten Zitate zu Attac

Ihr Aufstieg scheint unaufhaltsam, ist aber vor allem eine Folge der skandalösen Praxis von Regierungspolitik seit den 90er Jahren. Wo allzu offen Profitinteressen über die Bedürfnisse der Menschen sowie der Reichtum weniger über die Grundsicherung vieler gestellt wird, wächst das Unbehagen. Im günstigen Fall wächst daraus Protest der Betroffenen. Wahrscheinlicher ist, dass das Unbehagen eingefangen wird von einer Vielzahl konkurrierender Gruppen mit einfachen Weisheiten, die das Bessere versprechen und einfache Lösungsvorschläge unterbreiten. Was früher Sache der jeweiligen Oppositionspartei war (freilich nur bis zu dem Tag, an dem sie an die Regierung kam), ist heute gelebter Populismus von NGOs, Protestkampagnen und einer Flut neuer Parteigründungen.
"NGO stellen gewissermaßen eine Parallele zur Entwicklung von grünen Parteien dar. Im letzteren Fall professionalisieren sich politische Aktivisten, indem sie zu beruflichen Parteipolitikern und Parlamentariern werden. In einem kleinen Segment der sozialen Bewegungen, vor allem dem Umweltbereich, professionalisieren sich Bewegungsaktivisten, indem sie Nichtregierungsorganisationen gründen. Eine vergleichbare Entwicklung gibt es auch im Bereich der internationalistischen Solidaritätsbewegung. Durch die vor allem von der Sozialdemokratie mit dem Brundtland-Report vorangetriebene Diskussion über nachhaltige Entwicklung und die UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro wurden beide politischen Stränge Ende der achtziger und frühen neunziger Jahre eng miteinander verknüpft. Mehr als in anderen erlangten NGO in diesen beiden Bereichen die Anerkennung durch zwischenstaatliche Organisationen und durch nationale Regierungen. Einzelne Staatsapparate und Stiftungen unterstützen NGO direkt finanziell und indirekt durch Steuererleichterungen sowie durch Kooptation in den politischen Beratungsprozess. ...
... im Zusammenspiel mit den Medien reduzieren einige der von diesen aufgewerteten NGO die Komplexität weltgesellschaftlicher Zusammenhänge auf wenige und scheinbar unmittelbarer politischer Praxis zugängliche Themen, Personen oder Verhandlungsarenen". So formulierte Alex Demirovic in seinem Text "NGO, Staat und Zivilgesellschaft" (Ulrich Brand u.a., 2001, Nichtsregierungsorganisationen in der Transformation des Staates, Westf. Dampfboot in Münster, S. 142 ff).

Populismus, Kampagne, Lobby, Geld
Die vier Säulen moderner Protest"arbeit" passen zusammen. Dabei reduziert sich die Funktion der meisten Menschen auf reines MitläuferInnentum bei überregionalen Events und Kampagnen. Mitlatschen auf Demos oder Veranstaltungen organisieren, Infostände durchführen und Unterschriften sammeln vor Ort. Eigene Aktivitäten sind möglich, aber irrelevant, weil ihnen die Einbettung in die mediale Vermittlung der professionellen überregionalen EventmanagerInnen fehlt.
  • Populismus bedeutet die gezielte Reduzierung auf einfache Kritik oder Forderungen. Sie suggerieren die Hoffnung auf Besserung ohne aufwendige Veränderungen in der Gesellschaft. Sie ähneln religiösen Verlockungen, analytische Texte werden kaum mit den populistischen Positionen verbunden. Aktuell sind die Hoffnung auf die EU als Weltakteur, die Tobin Tax als Verbesserungssteuer oder die Verteufelung der als abtrennbar beschriebenen Finanzmärkte bekannte Beispiele von Populismus. Aber auch die von kleineren politischen Zusammenhängen verkündeten Heilsbotschaften, z.B. die platte Solidarisierung mit widerlichen Regimen der Marke Hussein oder Arafat sowie die Glorifizierung der EU bzw. militaristisch-fundamentalistischer Regierungschefs a la Bush und Sharon, stellen krasse Vereinfachungen zum Zwecke propagandistischer Wirkungen dar - purer Populismus.
  • Kampagnenförmige Politik ist mit Populismus gut verknüpfbar. Sie bedeutet, dass in strategischen Zentralen Themen und ihre Vermarktung vorgedacht werden. Ausführende sind neben den Medien die AkteurInnen an der Basis, deren Verhalten aber durch gleichförmige Fahnen, Slogans, Aufkleber usw. praktisch gleichgeschaltet ist.
  • Lobbyarbeit bedeutet die Ausrichtung der Organisationsstrategie auf die Beratungstätigkeit von EntscheidungsträgerInnen, vor allem Behörden und Regierende. Dazu werden immer mehr SpezialistInnen eingestellt, die völlig entkoppelt von politischer Bewegung an irgendwelchen Orten Gespräche führen mit dem Ziel, minimalste Veränderungen in das praktische Regierungshandeln zu bringen.
  • In allen Fällen ist das Sichern eines Einkommens wichtiger Antrieb bei den Handelnden. Moderne Organisationen agieren mit Hauptamtlichen. Solch umfangreiche Finanzmittel sind nur über öffentliche Zuschüsse oder über die Spendenbereitschaft des reichen BildungsbürgerInnentums zu bekommen. Um all diese nicht zu verschrecken, müssen alle politischen Forderungen darauf abgeklopft werden, diesen Gewinnern des Neoliberalismus nicht zuwiderzulaufen.

Internet
  • www.debatten.siehe.website: Zitate und Debatten zu politischer Organisierung, Positionen usw.
  • www.projektwerkstatt.de/oekofilz: Kritische Hintergründe zu Umwelt-NGOs.

Lesestoff
  • Bergstedt, Jörg (2004): Mythos Attac. Hintergründe, Hoffnungen, Handlungsmöglichkeiten. Brandes & Apsel in Frankfurt. 206 S., 14,90 Euro.
  • Bergstedt, Jörg (2003): Nachhaltig, modern, staatstreu? Kritik politischer Ideologien und der Strategien von NGOs und politischen Gruppen. Projektwerkstatt in Saasen. 14 Euro.
  • Bergstedt, Jörg (2002): Reich oder rechts? Filz von NGOs mit Parteien, Regierungen, Wirtschaft, esoterischen und rechten Gruppen. IKO in Frankfurt. 22,80 Euro.

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